Die Kette selbst längt sich. Weil die einzelnen Glieder Spiel kriegen. Tät' ich sägen ...
Ich hab vor 10 Tagen - nach 18 Jahren - meine Rennradkette gewechselt. Endlich! Klasse Pflege und nur trockenes Wetter! Was neben der Längung auffiel ist das seitliche Spiel.
Zitat Wie soll sich eine Kette längen, wenn zwischen Bolzen und Hülse kein Verschleiß auftritt?
Nein, zwischen Bolzen und Hülse vermute ich tatsächlich nach dieser "Entdeckung" der immer noch vorhandenen Schmierung keinen Verschleiß - der Verschleiß findet zwischen Hülse und Rolle statt.
Hier noch mal der Aufbau der Kette:
Auf dieser Zeichnung ist der grün gekennzeichnete Bereich der mit von mir festgestellter vorhandener Schmierung und der rote Bereich der, wo die Schmierung nur mangelhaft war und wo ich den Verschleiß vermute.
Auf dieser Zeichnung sind die Bereiche blau gekennzeichnet, wo die Innen- und Außenlaschen jeweils mit Bolzen und Hülse verpresst sind. Hier habe ich keinerlei Spiel feststellen können, im Gegenteil, sie ließen sich nur durch Hammerschläge auseinandertreiben. Aber genau hier müsste Spiel auftreten, wenn sich eine Kette längen sollte. Und dass sie das tut, ist wohl unbestritten. Für mich das Mysterium bei der ganzen Geschichte.
Auf dieser Zeichnung ist nun der Weg rot eingezeichnet, den das Kettenspray oder Öl idealerweise nehmen sollte, um den Verschleiß zwischen Rolle und Hülse zu mindern. Allerdings ist das natürlich auch der Weg, den Schmutz und Wasser nehmen. Hier tritt sicher Verschleiß auf. Dieser Verschleiß lässt die Kette auch sicher laut werden, rasseln, sie wird heiß und könnte anfangen, hin und her zu "eiern", da sich die Rollen an ihrer Flanke auch abnutzen.
Eine Längung tritt dann und nur dann auf, wenn zwischen Bolzen und Hülse Material abgetragen wird (-> einarbeiten).
Und ja, es ist ein Widerspruchs zu Falcones Feststellungen, weil ein Materialabtrag zwischen Hülse (4) und Rolle (5) keinen Beitrag zur Längung liefert.
Ok, ich vergaß: Da eine Dauerfettfüllung zwischen Bolzen (3) und Hülse (4) für dauerhafte Schmierung sorgt, spielt Längung bei modernen Dichtringketten keine Rolle mehr. Das Problem solcher Ketten ist das Verbacken der Glieder, so auch bei deiner Kette. Der unterschiedliche Durchhang ist nicht unterschiedlicher Längung der Kette geschuldet, sondern Ungenauigkeiten bei der Fertigung von Kettenblatt und Ritzel. Hier wirken sich Schwankungen im Radius von wenigen Zehntel Millimetern bereits im Zentimeterbereich beim Kettendurchhang aus. Das war von Anfang an so, und du hast es nur nicht bemerkt, weil du damals noch nicht kontrolliert hast. Außerdem ist die Kontrolle einer verbackenen Kette durchaus nicht ganz einfach: Hast du die Kette in jeder kontrollierten Position tatsächlich stramm gezogen? Von selbst tut sie das nämlich nicht mehr ...
Na gut, dann müssen wir eben wieder von vorne anfangen.
Die Kette meiner S 1000 beispielsweise ist nach 33'000 km noch nicht messbar gelängt. Die Markierungen an der Hinterachse sind immer noch da, wo sie anfangs waren.
Die stramm gezogene Kette nach dem Reifenwechsel hatte übrigens meiner Einschätzung nach damit zu tun, dass der Mechaniker in alter Gewohnheit hinten einfach strammer gezogen hat, ohne die Kette anschließend zu kontrollieren (-> Erfahrungswert). Einfach aus der Überlegung heraus, dass eine Kette sich zwingend längt. Und das war eben der Fehler, denn sie hatte sich nicht gelängt.
Zitat von Serpel im Beitrag #367 Hast du die Kette in jeder kontrollierten Position tatsächlich stramm gezogen? Von selbst tut sie das nämlich nicht mehr ...
Du meinst, so was wie "Kette wieder nach unten ziehen...." so was in der Art?
Was die Längung angeht, eigentlich seid ihr doch gar nicht so weit voneinander weg...
Zitat von Falcone im Beitrag #115Ich versuche mal eine Zusammenfassung: a) Ein Längung der Laschen (plastische Verformung) im Betrieb ist konstruktionsbedingt auszuschließen b) Spiel zwischen Bolzen und Außenlaschen und zwischen Hülse und Innenlasche ist konstruktionsbedingt auszuschließen. (würde a) und B) auftreten wäre die Kette schlicht hin) c) Verschleiß zwischen Hülse und Rolle ist für die Längung ohne Belang, wohl aber für die Laufruhe d) Die zugeführte Schmierung - egal ob Kettenfett oder Scotti - kann nur den Verschleiß zwischen Rolle und Hülse mindern, hat aber keinen Einfluss auf die Längung der Kette, wohl aber auf einen ruhigeren und kühleren Lauf.
Jetzt versuche ich mich mal an Schlussfolgerungen:
- Eine moderne gute Kette dürfte demnach, wenn sie vorwiegend im Trockenen gefahren wird und nicht zu heiß wird, genauso lange halten, egal ob sie von außen geschmiert wird oder nicht. Ihr Lauf wird aber vermutlich rauher, die Rollen nutzen sich ungleichmäßig ab, die Kette beginnt zu eiern (sic!). - Im Bereich zwischen 25.000 und 30.000 Kilometern tritt bei heutigen guten Ketten auch bei intakter Schmierung einsetzender Verschleiß zwischen Bolzen und Hülse ein, der sich durch eine ungleichmäßige Längung bemerkbar macht, welche in der Regel zu einem Auswechslen der Kette führt. - hat dieser Verschleiß erst einmal eingesetzt, längt sich die Kette bald in ihrer Gesamtheit, was sich durch häufig notwendiges Nachspannen bemerkbar macht.
Ok, ob nun gleichmäßig oder ungleichmäßig gelängt, das ist eigentlich schietegal. Hin ist hin und wenn der Verschleiß einsetzt, dann muss die Kette runter!
Zitat von Serpel im Beitrag #367 Hast du die Kette in jeder kontrollierten Position tatsächlich stramm gezogen? Von selbst tut sie das nämlich nicht mehr ...
Du meinst, so was wie "Kette wieder nach unten ziehen...." so was in der Art?
Nach unten ziehen reicht bei verbackenen Gliedern nicht mehr. Um ungleichmäßige Längung feststellen zu können, müsstest du schon gerade jedes einzelne Glied von Hand ausrichten. Denn jedes einzelne Winkelgrad, um welches die schief stehen, verkürzt den Durchhang sofort dramatisch. Ist eine ganz einfache geometrische Überlegung.
Aber genau das ist der Grund, warum die Praktiker hier alle ungleichmäßige Längung feststellen, obwohl die Kette lediglich verbacken ist. Wer richtet bei der Kontrolle schon die schief stehenden Glieder einzeln von Hand aus?!