Ich werd mir wohl meine Superhero-Handschuhe wieder anziehen müssen.
Aber nein - bloß nicht!
Wenn ich jemandem zutraue, die Ordnung von Massenkräften anschaulich in den Griff zu bekommen, dann dir, Wännä. (Ich kann das nicht, ich muss das rechnen. )
Zitat von Serpel im Beitrag #213Ums einfacher zu machen, hab ich die Momente extra ausgeklammert.
Kleine Frage am Rande, weil mir die Begrifflichkeiten in diesem Fred immer wieder Probleme bereiten! ()
Was ist der Unterschied zwischen Massenmomenten und Massenträgheitsmomenten?
Hallo Moni,
der Begriff Massenmoment ist eigentlich keiner. Das ist ein reiner Hilfsbegriff, der nur für die Massenausgleichsgeschichten verwendet wird - und dort auch oft falsch.
Es handelt sich um das Reaktionsmoment (also die Kipp- oder Drehbewegunge) aufgrund bewegter Massen. Einfach ganz allgemein. Und die Begriffe 1. und 2. Ordnung sind auch rein praktische und ohne physikalischen Hintergrund. Sowas passiert, wenn Handwerker und Pseudowissenschaftler zusammentreffen und Motoren bauen. Man spricht sich ab, was man wie nennt, damit man zusammenarbeiten kann. Es gibt keine höheren Einsichten in sowas.
Das Massenträgheitsmoment ist dagegen eine Bezeichnung für die Schwungmasse einen rotierenden Körper, also Welle, Scheibe oder was auch immer. Man kann das Massenträgheitsmoment als Formel nachsehen und für ein Schwungrad ganz einfach ausrechnen. Die W hat z.B. so viel Schwungmasse, daß sie bei niedrigen Drehzahlen noch gut läuft, aber dadurch auch etwas an Spritzigkeit verliert. Ulfs umgebaute Maschine mit dem größeren Hubraum hatte eine deutlich schärfere Reaktion auf das Gasgeben, weil die Schwungmasse gleich geblieben ist, aber der Motor stärker.
Zitat von Wännä im Beitrag #227die Begriffe 1. und 2. Ordnung sind auch rein praktische und ohne physikalischen Hintergrund.
"Ohne" ist jetzt aber hart, Wännä. Die Erscheinungen (Kräfte, Momente) 2. Ordnung, heißen so, weil sie mit der 2-fachen Frequenz der Effekte 1. Ordnung periodisch sind. Von daher gesehen, ist Serpels Frage nach den Dingens 3. Ordnung beim Dreizylinder nicht ganz unberechtigt, aber bis ich da hinter gestiegen bin, wird der MV-Dreizylinder wohl noch viele Umdrehungen machen müssen
Diese Massenkraft hat eben einen recht komplizierten Verlauf, weil in der Klammer eigentlich unendlich viele immer kleiner werdende Summanden stehen. Der erste Teil wird als „erste Ordnung“ bezeichnet, der zweite (bereits deutlich kleinere) Teil als „zweite Ordnung“. Die mathematischen Berechnungen und weitere Erklärungen finden sich um Buch ganz unten.
Guckst Du die Argumente des Cosinus in den Gliedern der Reihenentwicklung an. Das sind genau die ganzzahligen Vielfachen der Kurbelwellendrehzahl.
Zitat Vorstellbar wäre noch eine dritte Ordnung, bei der der Versatz von Pleuelen etc. berücksichtig wird, aber das ist auch ein wenig zuviel des Guten.
Oh, und wenn die Bewegung der oszillierenden Massen einen wichtigen Beitrag zu den Massenkräften liefert, dann behaupte ich jetzt rotzfrech, daß die Hin- und Herdrehung der Pleuelmasse durch das auf Grund ihrer Hantelform relativ große Trägheitsmoment einen bei hohen Drehzahlen relevanten Beitrag zu den Massenmomenten liefert. Da guck ich jetzt auch mal rein.
Zitat von decet im Beitrag #230Guckst Du die Argumente des Cosinus in den Gliedern der Reihenentwicklung an. Das sind genau die ganzzahligen Vielfachen der Kurbelwellendrehzahl.
Genau, Dieter. Ich hätte nicht gedacht, dass man das überhaupt in Zweifel ziehen kann.
Ich weiß nicht, wie fit du in Mathe bist, aber wenn du die Entwicklung weitertreiben kannst* und für drei Zylinder mit einer Phasenverschiebung von jeweils 120° überlagern, dann siehst du, welche Terme mit welchen Frequenzen rausfliegen und welche übrigbleiben.
Ich fürchte, das ist tatsächlich der einzige Weg ...
Gruß Serpel
*Wobei im Grunde nur entscheidend ist, welche Frequenzen überhaupt auftreten und welche nicht.
Zitat daß die Hin- und Herdrehung der Pleuelmasse durch das auf Grund ihrer Hantelform relativ große Trägheitsmoment einen bei hohen Drehzahlen relevanten Beitrag zu den Massenmomenten liefert. Da guck ich jetzt auch mal rein.
Dieter
Ja und nein.
Die Pleuel werden halb als Kurbel und halb als Kolben gerechnet. Das kriegt man schon aufgeteilt.
Wenn man die 1. 2. 3. Ordnung usw. auf das mathematische Verfahren anwendet, dann ist da logischerweise ein System drin. Eine anschauliche Erklärung für Schwingungen mit dreifacher Drehzahl würde mir aber nicht mehr gelingen, weil ich schon die Herleitung der Pleuelschwingung nicht veranschaulicht bekomme. Im Extremwert (gearde stehendes Pleuel) weiß ich, daß es so sein muß, wie es ist. Aber ich bekomme keinen Kreis an diesen Formelteil.
Für normale Pleuel-Hubverhältnisse ist der Ausgleich der 2. Ordnung auch genug. Er ist spürbar und leider aber auch rel. teuer. Es gab mal Mitsubishi-Vierzylinder mit zwei Ausgleichswellen. Ein Bekannter von uns damals hat sich den gleich gekauft - er war übrigens Physiker und total begeistert von dem Auto.
Für die Praxis ist der Anteil 2. Ordnung schon von ganz erheblicher Bedeutung, denn die Vibrationen von Vierzylinder-Maschinen bereiten hin und ab ganz schöne Kopfzerbrechen. Ich weiß zufällig, das der erste Golf-Motor bei der Entwicklung ganz schönen Ärger gemacht hat und ziemlich verändert werden mußte, bis es ging.
BTW:
warum baut man denn überhaupt gerne kurzpleuelig ? Sanfter wäre doch die Langpleuelmaschine. Die alten Jaguars haben wahnsinnig lange Pleuel, wenn auch nicht nur aus diesem Grund.
Bloß nicht! Ist doch toll, wenn hier was los ist. Ich freu mich sogar über Allgemeines und Intimes im Technischen! (Da isses gut versteckt, weil eh keiner reinschaut ... )
Zitat Also: wieso keine langen Pleuel ?
Sicher mal, um Bauhöhe und Gewicht zu sparen. Wo die modernen Kurzhuber mit ihren kurzen Kolbenhemden doch ohnehin schon so schön niedrig bauen, lohnt sich das erst richtig.
Vielleicht aber auch, um die Kolbenbewegung im oberen Bereich zu beschleunigen und im unteren entsprechend zu verlangsamen, denn genau das findet bei Verkürzung des Pleuels statt: der Bereich des oberen Totpunktes wird beim Kurzpleueler deutlich schneller durchlaufen als beim Langpleueler (bei sonst unveränderten Parametern), während der Bereich des unteren Totpunkts entsprechend gemütlicher durchwandert wird.
Kann aber auch gerade von Nachteil sein, da müsste Ulf was dazu sagen.
Zitat von Wännä im Beitrag #227 Es gibt keine höheren Einsichten in sowas.
Da bin ich aber beruhigt!
Danke, für die Erklärungen, Werner! Ist ja nicht so, dass ich behaupten könnte, auch nur ansatzweise von diesen ganzen technischen Rätseln was zu verstehen. Aber sauinteressant ist es allemal und mit der einen oder anderen Erklärung kann erhellt sich selbst bei mir ab und an ein Licht!
Dadurch, daß die Zeit des Gaswechsels sich beim langsamen Durchgang vergrößert, werden bessere Füllungen erreicht. Die Zeit für die Verbrennung wird dadurch nur unbedeutend kürzer kürzer. Unterm Strich kommt mehr Leistung raus. Bei sehr niedrigen Drehzahlen ist wohl auch die Klopfneigung etwas geringer, weil der Kolben sich schneller wieder "verzieht". Renault hab mal in den 70ern damit Reklame gemacht, Ok, schlecht nachprüfbar, Fakt ist allerdings, daß die damaligen Renault-Motoren butterweich aus Tiefstdrehzahlen rauskamen und im oberen Bereich heftig gedröhnt haben. Sie hatten für damalige Zeiten extrem kurze Pleuel mit ca. 1:3,5
Ansonsten klar, Bauhöhe, schlankerer Zylinderblock möglich wegen kürzeren Hebelarmen usw.
Zitat Aber sauinteressant ist es allemal und mit der einen oder anderen Erklärung kann erhellt sich selbst bei mir ab und an ein Licht!
Als: weiter so!
Grüße Monika
Hallo Moni,
das ist so ähnlich, wie in Deinem Job mit Buchungen von sehr viel Geld in die eine oder in die andere Richtung. Steht jemand neben Dir und sagt: "Zeig mir den Haufen Geld, ich will ihn sehen, wei er kleiner oder größer wird!" dann sagst Du: "es gibt keinen Haufen!"
Bei der Mathematik ists eben so. Da sind Gesetze, deren Anwendung sich als richtig herausstellt und die auch bewiesen werden können. Wer das oft macht, ist mit der Mat(h)erie so vertraut, daß es ihm verständlich vorkommt - aber noch längst nicht sein muß.
Bei Reihenentwicklungen hörts bei mir auf mathematisch. Wir haben es zwar auch gehabt, aber geprüft wurde es nicht. Die Dinge sind mathematisch einwandfrei, geben aber dem Konstrukteur wenig an die Hand, um seine Maschine besser zu bauen.
Ich gebe armen Schüler(inne)n Nachhilfe in Mathe, aber da bleiben wir schööön bei Differential und Integral und weiter wage ich mich auch nicht hinaus. Mit der Partialbruchzerlegung krieg ich schon Blutdruck . Mit einer Schülerin bin ich neulich zum Fluß gegangen und wir haben mit Stöckchen und Steinen und Seilen die ungefähre Flußtiefe ermittelt. Haben ein Profil erstellt und den Querschnitt ausgerechnet. Haben die Fließ-Geschwindigkeit grob ermittelt und die daraus resultierende Wassermenge. Alles Blödsinn könnte man sagen, aber . . . .
Sie ist von 6 inzwischen auf 4-. Vielleicht kriegen wir das ganze noch stabilisiert. Von der kleinen Anerkennung ihres Opas werde ich mir einen neuen Hubschrauber kaufen
Zitat von Wännä im Beitrag #237Ich gebe armen Schüler(inne)n Nachhilfe
Hab ich bis vor 2 Jahren auch gemacht. In erster Linie Deutsch, Englisch, Spanisch und kaufmännische Buchführung! Aber immer wieder auch Mathe - bis zur 10. Klasse Dafür hab ich mich immer besonders gut vorbereiten und manchmal meinen Kumpel Andy, den Mathelehrer, fragen müssen! Aber ist ein schönes Gefühl, wenn die Nachhilfe von Erfolg gekrönt ist.
Ich für mich würde sagen, dass ich in diesem Fred einen ähnlichen Sprung wie deine Nachhilfeschülerin geschafft habe!
Dann ist ja die Bemerkung, daß Du diese Dinge nicht ansatzweise versteht, auch so in der Form nicht haltbar .
Spanisch könnte ich auch gerne, aber bei mir hats nur zu ein paar Brocken Italienisch gereicht, die sich freilich auch in Spanien halbwegs anwenden lassen, ohne daß es den Leuten allzu spanisch vorkommt .
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Vielleicht bringt ja eine ganz andere Betrachtungsweise noch etwas mehr in dieses Thema:
Ein auf und niederlaufender Gegenstand gezeugt logischerweise Gerappel, den man damit ausgleichen könnte, daß man einfach einen gleichschweren Gegenstand in entgegengesetzter Richtung laufen läßt. Sozusagen beidhändiges, gegenläufiges Bügeln mit zwei Eisen. (Bis hierhin einfach, denke ich ?)
Aber dies zu tun, bedeutet einen erheblichen Bauaufwand, den der Masch.-Bauer eben scheut, weil der Kunde diesen Aufwand bezahlen müßte und der Ausgleichsgegenstand sozusagen toter Ballast ist.
Die Erfindung des Boxermotors schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe, weil dort die beiden Kolben genau das gleiche in entgegengesetzter Richtung tun und dies fast genau auf der gleichen Linie. Für Zweizylindermotoren gibt es keine bessere Alternative.
Allerdings hat dieses Bauprinzip auch wieder andere Eigenschaften und Nachteile, sodaß es nicht für jedermann erste Wahl ist.
Wir schauen nun auf einen Hubschrauber, der sich gerade startklar macht
Du stehst vor ihm, dort, wo der Filmende sich aufhält, und ich sehe das ganze von der Seite. Tatsächlich siehst Du gar nicht die Drehbewegung des Rotors, sondern Du weißt einfach nur, daß er sich dreht. Markieren wir ein Flügelende mit einem Punkt, dann siehst Du diesen immer nur hin und her laufen.
Ich sehe das gleiche, der Punkt läuft vor meinen Augen hin und her. Wir beide machen die gleiche Beobachtung und wenn es wahr wäre, was wir sehen, dann müßte das den fragilen Hubschrauber förmlich zerreißen bei den hohen Kräften.
Wenn wir uns aber genau abstimmen, stellen wir fest, daß wir nicht zur gleichen Zeit dassselbe sehen. Mein Hin und her ist für den anderen Betrachter vor und zurück und umgekehrt. Wir haben also einen 90°-Versatz bei unserer Betrachtung. Erst wenn der Hubi eine gewisse Flughöhe erreicht hat, sehen wir wirklich, daß sich dort etwas dreht. Wir sehen also vor dem Abheben eine Drehbewegung zerlegt in ihre beiden Anteile.
Die Schwingung eines Kolbens besteht auch aus einem Anteil der Drehbewegung. Der andere Anteil, der die Drehbewegung wieder rund macht, fehlt und muß durch technische Kunstgriffe so ersetzt werden, daß es wieder Ruhe gibt im Gehäuse.
Die vielen Erfindungen von Rotationskolbenmaschinen etc, nicht zuletzt auch die Turbine, haben genau den Zweck gehabt, dieses lästige Auf und Ab schon von Anfang an zu vermeiden. Aber der gute alte Hubkolbenmotor ist aus verschiedenen Gründen noch lange nicht tot. So wird man also auch weiter mit Vibrationen leben und teilweise etwas dagegen tun.