Nachdem ich mir erst einmal auferlegt hatte, meine Werkstatt aufzuräumen und dies nun geschehen ist, hab eich mich heute über den Motor von Chris hergemacht.
Chris schrieb damals: "Hallo W-Ler, ich könnte heulen - seit Sonntagnacht steht meine W in der Werkstatt mit Motorschaden (ich weiß, wie unglaublich das klingt). Und das mit 11tausend auf der Uhr (davon 500 mit mir). Was passiert ist - bin schön mit meiner Freundin auf der Bundesstraße unterwegs, auf einmal gibt es ein schnarrendes Geräusch von vorne. Es klang, als ob ich einen Ast in die Speichen bekommen habe. Also anhalten (dabei ging sie aus) und nachschauen. Nix in den Speichen, kopfschüttel, wieder drauf, Knöpfchen gedrückt - ein kurzes Rülpsen vom Anlasser, stop. Ok, nicht gut, aber wir haben ja einen Kicker dran. Nur ließ sich der kein Stückchen bewegen, war total fest."
Schon Beim Blick in den Einlass des linken Zylinders sah es nicht gut aus
Im Auslass konnte man schon die unnormale Stellung des Ventilschaftes sehen.
Der Versuch, die linke Zündkerze herauszudrehen, scheiterte auch.
Also als nächstes den Ventildeckel abnehmen. Auf den ersten Blick ist (fast) keine Anormalität zu sehen:
von oben
von hinten
von vorne (na, wer entdeckt was?)
Auch nach Abnehmen der Kipphebelbrücke sieht noch alles normal aus:
Zustand der Nockenwelle einwandfrei, keine Fressspuren oder sonstige Hinweise, die auf Ölmangel hindeuten Steuerzeiten stimmen.
Am rechten Auslassventil des linken Zylinders fehlt der Shim.
Alle Buchsen sind an ihrem Platz.
Nach dem herausheben der Nockenwelle sieht man in der Ölablaufbohrung einen O-Ring stecken: Ich hole ihn mit einer Zange heraus. Er ist unbeschädigt:
Auch an der Kipphebelbrücke und vor allem an den Auslass-Kipphebeln des linken Zylinders sind keine Schäden zu entdecken:
Die Feder des rechten Auslassventils am linken Zylinder kann ich einfach abnehmen. Die beiden Keile fehlen ebenso wie der Shim und liegen auch nicht im Kopf.
Ich nehme also als nächstes den Kopf ab.
Alle acht Bolzen sind nur handfest. Also hat die Werkstatt den Kopf schon mal herunter genommen oder zumindest angehoben um nach dem Schaden zu sehen.
So sieht der Brennraum des linken Zylinders aus:
Man kann auch erkennen, warum sich die Kerze nicht mehr herausdrehen lässt.
Und nun der dazu passende Kolben:
Der eine im Kolbenboden steckende Ventilteller lässt sich herausnehmen, der andere ist nicht mehr da. Entweder hat ihn die Werkstatt schon herausgefischt oder er hat sich durch das Loch nach unten ins Kurbelgehäuse verdünnisiert.
Ich ziehe die Zylinder ab. Der Kolben sieht schon arg bemitleidenswert aus. Ich denke, ich werde ihn nicht weiterverwenden. Der dazugehörige Zylinder weist keine Beschädigungen auf, nicht mal eine kleine Schramme.
Inwieweit das obere Pleuelauge etwas abbekommen hat, kann ich noch nicht sagen. Die Kolben habe ich noch nicht abgenommen.
Im Kurbelhaus liegen allerlei kleine und auch große Metallstücke.
Die Magnetprobe ergibt, es ist alles Aluminium, also Kolbenreste.
Nach dem Abnehmen des Ölfallrohres (Rücklaufrohr) sehe ich im Kurbelgehäuse weiter O-Ring-Reste:
Diese Reste sind ziemlich zerquetscht und zerrissen. Etwas merkwürdig.
Auf einem Absatz im Kurbelgehäuse liegt zudem noch ein Stück einer Feder aus sehr dünnem Draht, deren Herkunft ich mir auch nicht erklären kann:
Tja, und das Ergebnis der ganzen Aktion? Eine gewisse Ratlosigkeit bei mir. Ulf hat ja mal vermutet, dass dann, wenn man den Kipphebel beim Einstellen zur Seite schiebt, er in dieser Position hängen bleiben kann. Dann drückt er seitlich auf den Ventilteller und die Keile können sich lösen. Dann müssten aber Spuren vom Kipphebel auf dem Ventilteller zu finden sein und wahrscheinlich auch abnormale Spuren am Kipphebel. Beides ist definitv nicht der Fall. Alle Buchsen waren an ihrem Platz. Da hat sich also auch nichts gelöst und ist herumvagabundiert. Es gibt auch im Bereich der Ventilfeder keine Spur, die auf eine Einklemmen von irgendwas hindeuten könnte. Der entsprechende Kipphebel ist leicht beweglich, hat also auch nicht geklemmt. Die herumhängenden O-Ringe im Fallrohr schiebe ich auf eine entsprechende Unachtsamkeit beim Wiederzusammenbau. Die können jedenfalls nichts mit diesem Schaden zu tun haben.
Bleibt nur noch das merkwürdige Stück einer Feder.
Wahrscheinlich werde ich morgen noch mal die Ölwanne abbauen und dort noch mal nachsehen. Ich verspreche mir aber nicht allzu viel davon.
Möglicherweise hat Chris wirklich einfach nur Pech gehabt und es handelt sich um einen Materialfehler im Ventilschaft. Das lässt sich so nicht mehr feststellen, weil Ventilschaft und Ventilteller zerhämmert sind. Ein Fehler der Werkstatt lässt sich jedenfalls nicht eindeutig feststellen, ich fand auch keine Indizien dafür.
Vielleicht sieht ja von Euch noch jemand etwas auf den Fotos, das ich übersehen habe?
Hallo Martin, wenn die Feder, die den Kipphebel in die richtige Position drückt, bricht und dann der Kipphebel gewandert ist, dann kann es doch sein, dass der Kipphebel den Teller runtergedrückt hat und so die Halbmonde rausgesprungen sind.
Grüße Friedo
Bzw., wenn die Federn OK sind, dann muss einer geschludert und hat nicht darauf geachtet, dass der Kipphebel zurück geschoben wird. (Verkantetes Shim?)
Diese Theorie hat zwei Haken: Einmal, wie schon geschrieben, müssten Spuren des Kipphebels auf dem Federteller zu finden sein und zum anderen müsste eine Feder kaputt sein oder fehlen. Die sitzen aber alle brav an ihrem Platz und sind ok.
Zitat Bzw., wenn die Federn OK sind, dann muss einer geschludert und hat nicht darauf geachtet, dass der Kipphebel zurück geschoben wird. (Verkantetes Shim?)
Nicht auszuschließen - aber auch dann müssten eigentlich ein paar Spuren auf dem Federteller zu sehen sein.
Zitat von Falcone im Beitrag #185Diese Theorie hat zwei Haken: Einmal, wie schon geschrieben, müssten Spuren des Kipphebels auf dem Federteller zu finden sein und zum anderen müsste eine Feder kaputt sein oder fehlen. Die sitzen aber alle brav an ihrem Platz und sind ok.
Da frage ich mich aber, wo die Fragmente der Feder herkommen.
Ich auch. Sie ist von der Materialstärke übrigens dünner als so eine Kipphebelfeder. Eher vergleichbar mit einer Kugelschreiberfeder. Es könnte also auch was angesaugt worden sein - nur was?
wenn der Ventilteller abgerissen ist, wird der Ventilschaft weiter normal geführt (mit 0 Ventilspiel) und die Keile und der Shim können nicht weg. Es sei denn, der Ventilschaft wäre in der Führung steckengeblieben und hätte zu einem sehr großen Ventilspiel geführt.
Zitat Es sei denn, der Ventilschaft wäre in der Führung steckengeblieben
Ich hatte so einen(ähnlichen) Schaden an meiner Enfield ... also hängendes Auslaßventil mit gleichem Ergebnis ...
Meine Theorie deshalb: falsches bzw. nicht vorhandenes Ventilspiel ... in dessen Folge (mind.)ein Auslaßventil überhitzt, festgegangen ist und zur Kollision mit dem Kolben geführt hat ...
Zitat wenn der Ventilteller abgerissen ist, wird der Ventilschaft weiter normal geführt (mit 0 Ventilspiel) und die Keile und der Shim können nicht weg. Es sei denn, der Ventilschaft wäre in der Führung steckengeblieben und hätte zu einem sehr großen Ventilspiel geführt.
Tja, da stellt sich jetzt die Hühnerfrage. Was war zuerst da? Ist das Ventil abgerissen und daraufhin der Schaft stecken geblieben und dann konnten die Keile raus? Aber warum sind sie dann nicht mehr da? Oder wurde doch der Shim vergessen, die Keile sind rausgehuppt und das Ventil ist in den Brennraum gefallen und abgeschlagen worden? Ich überlege, ob es, wenn bei der Inspektion der Shim vergessen wurde, nicht derart auffällige Ventilgeräusche hätte geben müssen, dass es dem Mechaniker bei einem Probelauf hätte auffallen müssen. Oder hat er nicht bemerkt, dass kein Shim drin war und hat quasi das Ventilspiel zwischen Ventilteller und Kipphebel eingestellt? Das hätte möglicherweise wirklich eine Weile gut gehen können. Ich schaue mir das morgen daraufhin noch mal ganz genau an, ob das möglich gewesen wäre. Vielleicht finden sich ja aber auch die Keile in der Ölwanne.
Zitat falsches bzw. nicht vorhandenes Ventilspiel ... in dessen Folge (mind.)ein Auslaßventil überhitzt, festgegangen ist und zur Kollision mit dem Kolben geführt hat ...
Auch das wäre grundsätzlich denkbar. Ein Ventil mit zu knappem Ventilspiel kann schon sehr heiß werden und festgehen. Dann geht aber alles sehr schnell: Festgehen, zerschlagen, Keile rausspringen geht innerhalb von ca. einer Sekunde. Da können dann die Keile eigentlich kaum verschwinden, also weggespült werden in die Ölwanne.
Morgen bekommen wir aber Besuch - wird also Abend werden. Ich halte euch auf dem Laufenden.
Ein Materialfehler ist sicher nicht auszuschließen, aber doch sehr ungewöhnlich, und an einen Zufall so kurz nach einer Inspektion mag ich dann doch noch immer nicht so recht glauben. Vielleicht sehe ich auch zu viel Tatort
Zitat von Falcone im Beitrag #192Oder hat er nicht bemerkt, dass kein Shim drin war und hat quasi das Ventilspiel zwischen Ventilteller und Kipphebel eingestellt?
Könntest Du mir das mal begreiflich machen, wie man da ohne Shims was einstellen kann? Oder sind da noch irgendwelche, für Laienaugen unsichtbare Stellschrauben am Kipphebel?
Na, das Spiel zwischen Teller und Kipphebel eingestellt. Ich denke, das geht, wenn man etwas verpeilt oder abgelenkt ist. Nicht sehr wahrscheinlich, aber vermutlich nicht unmöglich, da die Auflagefläche des Kipphebels größer ist als der Sitz des Shims, der ja über den Teller hinausschaut. Genau das will ich morgen aber an Objekt nachprüfen.
An diesen vier stellen würde der Kipphebel auf dem Teller aufliegen.
Möglich wäre auch, dass der Mechnaiker den Shim noch mal rausgenommen hat und vergessen, wieder einzusetzen. Sagte ich ja schon.