15. Tag – Route 66, Seligman und wilde EselDas schlechte Wetter wartet auf uns. Der erste Tag unserer Reise, an dem morgens nicht die Sonne scheint. Im Motel gab es Frühstück, was ja eher ungewöhnlich ist: Verschiedene Sorten Cornflakes aus dem Plastikspender, Automatenkaffee, O-Saft und Pappbrötchen. Na ja …
Wir brechen um 7 Uhr auf. Bis Seligman, unserem nächsten Ziel, sind es ca. 50 Meilen. Einen kleinen Regen bekommen wir ab, aber das trocknet schnell wieder. Vor Seligman verlassen wir die Interstate 40 an der Abfahrt 139 und fahren parallel dazu auf der alten Route 66 weiter. Links neben uns ein nicht enden wollender Güterzug der Santa Fé Railroad mit vier Lokomotiven, auf dessen Waggons die Container sogar übereinender gestapelt sind. Er hat fast das gleiche Tempo wie wir drauf, wir überholen ihn langsam und stoppen dann, um ein Foto zu machen.
Historic Route 66 zwischen Flagstaff und Seligman
Santa Fe Railroad Containerzug neben der Route 66
In Seeligman hat uns die Sonne wieder. Es ist angenehm warm. Wir hängen die Jacken ans Motorrad und beginnen unsere Runde durch das Städtchen.
Route 66 in Seligman
Vor einem Laden spricht uns ein älterer Herr an und führt uns hinein. Es ist ein kleiner Barbier-Laden mit seiner alten, gut erhaltenen Einrichtung. An den Wänden jedoch hängen hunderte oder gar tausende von Visitenkarten. Er zeigt uns einige von bekannten Filmstars und anderen Persönlichkeiten, natürlich auch die von Wolfgang Fierek. Wir merken, wir erhalten gerade eine Führung von Angel Delgadillo höchstpersönlich, vielleicht weil es so früh am Morgen ist.
The famous Delgadillo´s Barber Shop
Alle Wände über und über voll mit Visitenkarten
Hinter seinem Barbershop befindet sich ein deutlich größerer Laden mit all den Souvenirs, die so unverzichtbar sind für Route 66-Reisende. Gut, das wir keinen Platz haben. Die Wände sind voll mit alten Fotos, Urkunden, Erinnerungstücken, Geldscheinen aus aller Welt und alten Nummernschilder. Den Löwenanteil der Nummernschilder machen welche aus Deutschland aus. Anscheinend halten es viele Deutsche für notwendig, ihren Blechschrott nach Seligman zu expedieren und Angel hängt ihn brav auf – innen und außen am Haus, wo sich halt noch Platz findet.
Im Museum von Angel Delgadillo
Alles voll mit Urkunden, …
… Nummernschildern, …
…Fotos und was man sonst noch braucht fürs Ego.
Die Schweizer waren schon da, die Bayern natürlich auch …
… und alle wurden übern Löffel balbiert.
Es ist schon „very strange“ bei Angel Delgadillo, aber auch wieder wirklich sehenswert. Und der alte Mann lebt das, hat Freude daran und das macht dann wieder echt Spaß.
Und so sieht Delgadillo´s Barber Shop von außen aus.
Im benachbarten Café erholen wir uns von den vielen Eindrücken und unterhalten uns mit dem Besitzer. Wir sind noch die einzigen Gäste. So sickert durch, das dem alten Angel wohl einige der umliegenden Gebäude gehören. Scheint ein rechter Pfiffikus zu sein.
Bei einem Rundgang findet man in den Hinterhöfen überall alte Autos – die Grenze zwischen liegen gebliebenem Schrott und bewusster Zurschaustellung ist fließend.
Nebenan trinken wir einen Kaffee bei einem älteren Herrn, der uns Reiseempfehlungen gibt und auch sonst sehr gesprächig ist. Im Hinterhof des Hauses daneben stehen alte Autos, leider dem Zahn der Zeit überlassen. Ich feiere ein Wiedersehen mit einem 49er Chevy Coupe, genau so eines wie ich ein paar Jahre lang fuhr und mir in den 80ern mal aus San Diego mitgebracht hatte. Auch der berühmte Snow Cap steht dort, leider inzwischen ein verrosteter Abklatsch seiner selbst. Ein Imbiss verkauft Tacos, Burritos und tote Hühner.
Es hat schon was idyllisches …
… so durch die Höfe zu streifen. Dieser hier zieht mich magisch an, denn …
… mit genau solch einem 49er Chevy Coupe bin ich vor fast 25 Jahren durch Californien und Mexico gegeondelt. Alte Erinnerungen werden wach!
Der Hinterhof der ehemaligen Tankstelle …
… und Delgadillos berühmtes Snow Cap, inzwischen ziemlich runtergekommen.
Früher fuhr es so als Attraktion durch Seligman, hatte Hydraulikzylinder statt Federn und konnte springen.
Tote Hühner gefälllg in Delgadillo´s Drive Inn, garniert …
… mit markigen Sprüchen?
Ein sehr verschlafenes Nest, dieses Seligman, aber mit Charme!
Auch ein Motel gibt es hier.
Und das Snow Cap Restaurant (hat schon mal jemand Root Beer probiert
)
Weitere Läden, die man an der Mainstreet findet, sind mehr auf Touristen zugeschnitten und nicht so urwüchsig wie das kleine Delgadillo-Imperium. Trotzdem gibt es viele nette und originelle Souvenirs zu betrachten.
Noch eine reihe von Eindrücken aus Seligman:
Lieferwagen im Hinterhof – kennt jemand die Marke?
Wohnwagen zu verkaufen
Als der Verkehr hier noch rollte, hatte jede der zahlreichen Tanken in Seligman ihr Auskommen – heute muss man das Geld anders verdienen.
Souvenirs in der Waschhalle der Tanke.
Merkwürdige Damen-Dekoration und ein Edsel
Auch hier konnte man guten Kaffee bekommen.
Für alle, die dachten, Seligman ist ein großer Ort, weil er so berühmt ist: Mehr is nich!
Wir brechen auf nach Kingman. Die Gefahr ist noch nicht gebannt, von Osten her rückt die Wolkenwand heran. So verzichten wir auch auf den geplanten Stopp in dem kleinen Hackberry, einer weiteren typischen Route 66-Ansiedlung.
Die letzten Tage mit Regen haben in der Wüste schon erste Veränderungen hervorgerufen. Viele scheinbar verdorrte Büsche sind mit zartem Grün überzogen, die ersten Gräser und Blüten sprießen. Ein, zwei Tage später hätten wir vielleicht eine grüne Wüste erlebt.
In Kingman machen wir Halt an einem Lokal und essen erst man was Richtiges. Das Frühstück im Motel hat nicht vorgehalten. Ich leiste mir ein Steak und Henny ein Omelett mit Brokoli und Pilzen. Cola wird nachgefüllt. Es war gut.
Eigentlich wollten wir Kingman noch ein wenig anschauen. Ich hatte vermutet, dass es auch so etwa wie Seeligman ist und an die alte Route 66-Zeit erinnert. Aber es ist eine moderne Geschäftsstadt im Westen Arizonas, Knotenpunkt mehrere Straßen und Güterumschlagplatz. Im Gegensatz zu anderen früher mal wichtigen Orten an der 66, hat Kingman seine Bedeutung behalten. Schön ist es deswegen nicht.
Wir beschließen, weiter zu fahren, denn der Wetterbericht wusste, dass das Schlechte Wetter an den Hualapai Mountains, an deren Fuß Kingman liegt, stehen bleiben würde.
Wir halten am Ortsausgang noch mal an, um ein paar Fotos vom Angebot eines Oldtimer-Händers zu schießen und biegen dann ab auf eine kleine Straße, die historische Route 66, die zum Sitgreaves Pass führt.
Klassiker-Händler in Kingman
Meist wird in Kingman eine andere Richtung bevorzugt, nämlich nach Norden zum Hoover-Dam, nach Las Vegas und von dort zum Death Valley, wo wir eigentlich auch hin wollten. Leider hatten wir schon erfahren und auch im Fernsehen gesehen, dass das Death Valley für Motorräder wegen der großen Hitze gesperrt ist. Und Las Vegas hätten wir sowieso umfahren.
Also gleich weiter nach Westen. Erst mal geht es geradeaus durch ein Wüstengebiet, dem Land der Roadrunner (miep, miep), dann windet sich die Straße in engen, teilweise recht steilen Kurven in die Felsenlandschaft hinein.
Die Oatman Road hinter Kingman, alte Route 66
Wieder mal einen „Lieblingsami“ gesichtet, aber er passte nicht mehr ins Gepäck
Noch ist die Strecke schnurgerade …
Wie muss es den Reisenden in der 30er Jahren ergangen sein? Erst durch die Wüste mit ihren alten Autos, dann diese abweisende felsige Bergkette mit dem 1150 Meter hohen Pass vor sich und dann erwartet sie die Mojave …
Auf halber Höhe fällt uns eine alte, völlig allein stehende Tankstelle aus Natursteinen auf. Vor dem Gebäude noch die Zapfsäulen aus den 30 Jahren. Wir sind in Cold Springs und die Tankstelle ist das einzige Gebäude der „Ortschaft“ neben einem Toilettenbudchen und einem Wohnwagen, in dem die Tankstellenbesitzer wohnen. Früher war das die letzte Möglichkeit für die Reisenden, Wasser zu fassen. Heute ist die Tankstelle, die 1968 abbrannte und um die Jahrtausendwende von einem Ehepaar aus Los Angeles originalgetreu wieder aufgebaut wurde, ein Museum.
Alte Tanke in Cool Springs
Wir erwerben kühle Säfte und kommen mit der Inhaberin ins Gespräch. Sie zeigt und Fotoalben mit Fotos aus der Zeit der großen Auto-Trecks. Die Wagen sind über und über mit Fellsäcken behängt, in denen man Wasser mitgenommen hat – zum Trinken und zum Kühlen der Motoren. Andere Bilder zeigen den Tankstellenbetrieb aus dieser Zeit und auch die abgebrannten Ruinen in den 70ern. Zuletzt die Aufbauphase. Im Hintergrund der Bilder sieht man hin und wieder Esel. Wir fragen natürlich danach: „Halten sie Esel?“ Sie stutzt einem Moment und berichtet, dass die hier frei und wild leben. Ob man den mal welche zu Gesicht bekommt. „Fahren sie nach Westen?“ fragt sie. „Dann werden sie schon welche sehen.“
Henny kann etwas Schmuck nicht widerstehen, während ich mich mit einem Cold Springs Pin als Erinnerung und einer Postkarte begnüge.
Die Tankstelle beherbergt eine Mischung aus Museum und Trödelladen
Manches unterscheidet sich kaum von Deutschland, manches …
… doch ziemlich.
Kinderauto mit Überleben sicherndem „Desert Water Bag“
Hier konnte man stilecht ein Eiskaltgetränk zu sich nehmen und …
… Mädels anschauen.
Ist schon eine verdammt karge Gegend, dieses Cool Springs, das aus genau einem Haus besteht.
Weiter geht es den Pass hinauf. Wir kommen an Ed´s Camp vorbei. Diese kleine Siedlung von zwei Häusern und mehreren Nebengebäuden ist vor nicht allzu langer Zeit abgebrannt. Alles liegt noch herum, scheinbar aufgegeben.
Die Black Mountains am Westrand des Colorado Plateau – die Straßen …
… werden verdammt eng und schön kurvig. Da hat sich wohl seit den 30ern straßenbaumäßig nicht mehr viel getan.
Nach weiteren tollen Kurven und einem wunderbaren Blick zurück auf die Wüste von Arizona und den darüber wie festgeschraubt stehenden schwarzen Wolken mit ihren „isolated and scattered thunderstorms“ sehen wir am Straßenrand tatsächlich eines der gelben Warn-Schilder in Form eines auf der Spitze stehenden Quadrates mit einem Esel und der Aufschrift „next 9 miles“. Ah, jetzt, ja!
Esel-Schild – und der Himmel über Californien ist wunderbar blau …
… während beim Blick zurück über Arizona noch die dicken Wolken hängen.
Da ich mir nicht vorstellen kann, in der Mittagshitze wirklich Esel zu Gesicht zu bekommen, mache ich wenigstens ein Beweisfoto von einem Haufen Esel-Äpfeln, die am Straßenrand liegen.
Wir kommen zum Seagrave-Pass und halten an. Jeweils ein tolles Panorama nach Osten und nach Westen bietet sich uns. Vor uns liegt die Mojave-Wüste. Frühere Reisende haben bestimmt ein banges Gefühl gehabt, wenn sie hier standen. Wir fahren langsam weiter, denn ich habe ein wachsames Auge auf Esel. Aber selbst, wenn sie anwesend gewesen sind, hätte man sie in der graubraunen Felslandschaft wahrscheinlich kaum ausmachen können. Esel können sich hier prima tarnen. Wir kommen an der Geisterstadt „Goldroad“ vorbei, einer verlassenen und teilweise verfallenen Goldminensiedlung. Die Straße führt in steilen Serpentinen bergab. Später erfahren wir, dass Ängstliche einen Scout mieten können, der ihnen dann das Auto diese gefährliche Strecke hinunterfährt.
Sitgreaves Pass – unter mir fährt Henny auf der Gold Road
Der Sitgreaves Pass mit 3556 ft.
Blick von Sitgreaves Pass rüber in die Mojave
Die Gold Road kurz vor Oatman
Leider haben wir bisher keine Esel gesehen. Wir kommen nach Oatman am Fuße der Bergkette. Oatman ist auch eine ehemals verlassene und inzwischen wiederbelebte kleine Bergbau-Siedlung. Und was lungert da auf der Straße rum? Esel! Da eine Gruppe, dort ein paar einzelne - kleine, große, graue, braune, gescheckte und weiße – alles voller Esel. Dazwischen auch vereinzelte Zweibeiner, die die Esel mit Salat und Mohrrüben füttern, was diese dazu bewegt, um die Mittagszeit in Oatman einzufallen – was wiederum die Touristen aus Needles oder Lake Havasu dazu bewegt, nach Oatman zu kommen. Und deswegen gibt es in Oatman einen Haufen Souvenirläden und Kneipen, von denen die Oaties leben können. Und so sind alle zufrieden und auch wir haben großen Spaß und bleiben eine ganze Weile dort.
Oatman Mainstreet mit Eseln
Überall Esel
Esel, Esel und …
… noch mal Esel!
Oatman Hotel, das erste Haus am Platz
Henny such den Schatten, während ich ein wenig den kleinen Ort erkunde.
Zwei Motorräder und …
… ein Bikertreff auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
Souvenir-Shop und …
… einen Willi gab es hier auch!
Am Ortsrand gab es auch das eine oder andere alte Auto zu entdecken – natürlich immer dabei ein Esel
Wir müssen weiter. Es sind ca. 30 ziemlich gerade Meilen zum nächsten Ort, aber die Straße erscheint bei über 40 Grad im Schatten endlos. Dann endlich die Ansiedlung, Golden Shores. Aber nur Hallen und ein Maklerbüro. Kein Supermarkt, keine Tankstelle, keine Menschen – nur flirrende Hitze. Wir suchen Schutz unter einem Vordach – vermutlich sind es da kühle 45 Grad statt 50 Grad in der Sonne oder so ähnlich. Ich mache zu Fuß einen Vorstoß zur Kreuzung. Immerhin ist das hier eine „Junction“ und da gibt es eigentlich immer eine Tankstelle. Aber nix zu sehen. Würde das Benzin knapp werden? Immerhin sind wir schon mal an einer ausgebrannten Tankstelle vorbei gekommen. Wir berechnen den Tankinhalt und die Strecke seit Kingman und sind sicher, dass wir die nächste Stadt, Needles, erreichen werden. Also rauf aufs Motorrad. Wir biegen ab, kommen um eine Ecke und da ist sie: Eine Tankstelle, den Blicken verborgen gewesen hinter einer Halle. Ich glaube, ich hab mich noch nie so sehr über eine Tanke gefreut und Henny ging es wohl genauso. Die Inhaberin erkannte gleich, dass wir ein „Hitzeproblem“ hatten und gab und nasse Handtücher, die wir uns in den Nacken legen sollten. Danach führte sie uns zum Abkühlen in ihren Kühlraum. Von wasweißichwievielenfünfzig Grad schockgekühlt zu werden auf vier Grad war heftig. Zumal sie noch die Türe hinter uns zu machte. Angst! Aber man konnte die Türe auch von innen öffnen und wir gingen lieber wieder raus. Wer weiß, was der Kreislauf sonst treibt. Es stellte sich dann schnell heraus, dass die Inhaberin keineswegs mit gefrorenem Mensch handelt, sonder sich echt um uns kümmerte. Wir tranken viel, aßen etwas und bewunderten die große Menge an Alkoholika, die geschützt von einer Laserschranke in einem riesigen Regal angeboten wurden. Wir waren nahe der Grenze zu Californien – ob es dort irgendwelche Unterschiede im Preis oder der Verfügbarkeit gibt?
Die Route 66 führt runter in die Mojave-Wüste
Wüstiger kann es nicht mehr werden: Kein Baum, kein Strauch, nur Sand.
Rast in Golden Shores – suche nach Schatten.
Fast 45 Grad im Schatten – in der Sonne traf einen die Hitze wie ein Keulenhieb. Es ging an die Kondition.
Nach Needles waren es noch gut 10 Meilen, die wir dann, etwas heruntergekühlt und mit den freundlicherweise geschenkten nassen Handtüchern im Nacken ganz gut schafften. Wir fuhren durch das hier recht grüne Tal des Colorado durch, hatten aber nicht so recht ein Auge dafür. Der Colorado bildet hier die Grenze zu Californien.
Froh waren wir, als wir gleich am Ortseingang von Needles ein günstiges Motel fanden. Es wurde auch schon dunkel. Um 21.30 sind es noch 30 Grad im Zimmer, die Klimaanlage läuft auf Hochtouren. Wir beschließen, morgen schon um 5.00 loszufahren, um möglichst früh durch die Wüste zu kommen.
Endlich in Needles!
Unser Motel
Als Erinnerung an die Wüste: Ein Roadrunner – miep, miep ….