Wir starten um 7 Uhr bei 18 Grad. Beide haben wir schlecht geschlafen und sind müde. kurz hinter Sonora kommen wir wieder auf die Straße, die wir vor drei Wochen schon mal gefahren sind, queren erneut den New Melons Lake und kommen nach San Andreas, den Ort unserer ersten Übernachtung. Erstaunlich, wie anders so eine Ortschaft wirkt, wenn man von der gegenüberliegenden Seite rein kommt. Wir halten an „Evelyn´s Café“, trinken Kaffee und essen Bagels mit Schinken und Cheddar Cheese. Diese kleinen Cafés sind immer wieder nette Plätze.
Evelyn´s Cafe in San Andreas
In Jackson stoppt mich Henny. Sie hatte das Gefühl, dass sie ihre Tarantel im Motel vergessen hat. Wir packen die Packtaschen aus. Leider trügt das Gefühl nicht. Sehr schade, denn wir beschließen, nicht zurück zu fahren – es sind inzwischen über 50 Meilen! Wir queren den Sutter Creek. Hier sind wir richtig im Herz des damaligen Goldrush angekommen. Sutter war ein exzentrischer Schweizer, der mit dem spanischen König in Verhandlung stand, ihm das Land hier abzukaufen, weil er ein eigenes Königreich gründen wollte. Dazu verdingte er einen Schreiner, der ihm am Sutter Creek eine Sägemühle bauen sollte. Beim Ausheben des Baches fand man Gold. Diese Nachricht verbreitete sich in Windeseile in die kleine Piraten- und Handelssiedlung San Francisco und von dort in atemberaubenden Tempo um die ganze Welt. Schon wenige Wochen später streiften Tausende durch die Wälder, im Jahr darauf Zehntausende. In Diamond Springs haben wir uns etwas verfahren. Der Maßstab der AAA-Karte für Californien war doch etwas zu grob. In Placerville machen wir eine Tankpause und essen bei McDonald cinnamon roles und Eis und trinken einen Kaffee. Als wir die 49 wieder haben, kommen wir nach Coloma. Eigentlich wollten wir in einem kleinen Café nur etwas trinken. Da seine beiden Tische aber voll belegt waren, nahmen wir zwei große Cola mit raus und wir legten uns unter Bäumen auf eine Bank. Der fehlende Schlaf machte sich bemerkbar. Ich wachte wieder auf, Henny schlief tief. So schaute ich mir den Ort an, der sich als wahre Perle für Goldrush-Interessierte entpuppte. Der ganze Ort war ein Museum. An jedem Haus standen Tafeln, die erläuterten, was hier früher mal los war, etliche Gebäude waren als begehbares Museum hergerichtet. Im Freien waren viele Maschinen und Einrichtungen aufgebaut, die mit der Goldgräberei zu tun hatten.
Cafe Argonaut in Coloma
Coloma Post Office
Stellmacherei mit Studebaker
Vor einer Stellmacherei mit einer schönen Studebaker-Kutsche darin fand ich ein Handy im Sand. Was tun. In der Nähe hatte ich ein Museumsgebäude gesehen. Ich ging dort rein und fragte an der Information, ob sie das Telefon an sich nehmen würden. Dort würde ja am ehesten danach gefragt werden. Man freute sich, dass ich es abliefere – gefragt hatte aber noch niemand. Als ich wieder raus kam, traute ich meinen Ohren nicht: Eine ältere Dame, ganz im Stil der Mitte des vorvorigen Jahrhunderts gekleidet, begleitet von einem ebenso gekleideten Banjo-Spieler sang: „There ain´t no bugs on me …“ Völlig irritiert lief ich zu Henny und berichtete davon. Ob das wohl ein altes Liebeslied sein könnte? Vielleicht heißt es ja „There ain´t no buds on me?“ Knospen passen ja besser als Ungeziefer und die Werbung hat den Text des alten Liedes verballhornt? Wir wollten es wissen und gingen zurück. Die beiden waren noch da und wir hörten zu. Dann erzählten wir die Geschichte von dem kleinen Hund in der Werbung und dass der keine Flöhe hat und ob es das Lied sei, dass sie da vorhin gesungen hat. Ja, meinet sie, das heißt tatsächlich „There ain´t no Bugs on me“ und das ist ein altes Goldgräberlied. Wenn ein Goldgräber auf eines der sehr selten auftauchenden Mädels traf, so sagte er gerne „Ich habe keine Flöhe, die anderen haben Flöhe, ich hab keine“ um sich so anzupreisen. Und dann sang sie das Lied, dessen Refrain so geht: Oh, there ain´t no bugs on me. There ain´t no bugs on me. There may be bugs of some of you mugs. But there ain´t no bugs on me. Als sie erfuhr, dass Henny Grundschullehrerin ist und dort auch Englisch gibt, suchten sie nach Liedern, die Henny kennt. Das war nicht schwer und so zwitscherten die beiden fröhlich vor sich hin, begleitet von einem Herrn mit Banjo, mitten in einer Goldgräber-Ghosttown in der Wildnis der Sierra Nevada. Eines unserer schönsten Erlebnisse und das nur wegen der Werbung für Flohpulver! Da sag mal einer was gegen Werbung!
Dieses Gesangsduett hat alle Flöhe vertrieben
Danach gingen wir ins Museum. Der Angestellte erkannte mich wieder, wir konnten kostenlos rein. Da das Museumsgebäude relativ neu war, wurde auch die Geschichte der Indianerzeit nicht so verklärt dargestellt, wie wir es sonst schon öfters erlebt hatten. Hier bekam man einen realistischen Blick in das Indianerleben, in die Zeit des Goldrausches, die Indianerverdrängung und die Krankheiten, die sie in riesiger Zahl dahingerafft hatten. Indianerkriege wie im mittleren Westen gab es in Californien nicht. Den Indianern wurde einfach durch die plötzlich hereinquellenden Massen von Goldgräbern jeder Platz genommen. Infektionen taten das Übrige. Ein trauriges Kapitel.
Das Innere eine Goldgräberhütte vor 150 Jahren
Diorama Indianerin mit Kind
Diorama Goldwäscher
Weiter auf der 49 kommen wir durch Cool – nur 38 Grad – und dann nach Auburn. Wir essen einen Salat, kühlen uns ab, drehen eine Besichtigungsrunde und schauen nach einem Motel, finden aber nichts. Macht nix – so toll ist die Stadt an der Interstate 80 nicht. (Sicher wird es da Motels gegeben haben, wirklich Mühe, eines zu finden, machten wir uns nicht).
Selten gewordener Ford El Rancho in Auburn im täglichen Einsatz bei einer Tischlerei
Mal wieder sind wir nördlich der Interstate 80. Dass wir in Californien so weit nördlich kommen würden, hätten wir am Beginn unserer Reise nie gedacht. Aber es macht uns hier immer mehr Spaß, also weiter nach Norden, weiter auf der 49, die uns richtig ans Herz gewachsen ist. Kurz vor Grass Valley werden wir dann fündig. Das Golden Chain Motel ist goldrichtig. Gut, das wir weiter gefahren sind. Wir ruhen uns ein wenig aus, bevor wir den Tipp der Inhaberin folgen und auf den Markt nach Grass Valley fahren, der heute dort stattfindet. Sehr aufregend ist der Markt nicht, aber wir haben schon unseren Spaß an den verschiedenen Ständen, die sich von europäischen Märkten gar nicht so sehr unterscheiden. In Nord-Californien trifft man auf viel Öko und alternative Medizin, so auch hier. Ein Stand, in dem man sich in aller Öffentlichkeit massieren lassen konnte, war dann doch etwas ungewöhnlich. Wir kauften Pfirsiche und Brombeeren, die Früchte sicher doppelt so groß wie bei uns.
Markt in Grass Valley
Ein Massagestand auf einem Markt wäre bei uns wohl doch etwas ungewöhnlich
Der lief uns in Grass Valley auch über den Wg – Für unsere Ratefreunde: Was ist das für eine Wagen?
Golden Chain Motel bei Grass Valley
Die Stühle auf der Veranda warten schon auf uns
Im Supermarkt noch schnell was zum Abendessen geholt und dann haben wir es uns auf der Motel-Veranda gemütlich gemacht. Nach einer Weile kam eine Gottesanbeterin zu Besuch und hatte gar keine Angst vor uns. Meine Schulter fand sie besonders geeignet, um auf Insektenjagd zu gehen, obwohl: There ain´t no bugs on me!
Immer wieder schön, deinen Reisebericht zu lesen, Martin! Ist die Stoßstange original von dem 'Feuerstuhl'? Auf alle Fälle ist die Kiste vor meiner Zeit. Ich tippe auf was greisliches.
Das wäre mein zweiter Tipp gewesen. Aber wie gesagt, vor meiner Zeit ...
Gruß Soulie
edit: Du weißt schon, was ich damit meine - vor meiner Zeit ... Ich bin nur für die 50er Jahre zuständig. Aber da bist du ohnehin noch viel sattelfester!
@Falcone: Na, das mit dem Mercury hast Du ja fast schon verraten! Aber für dieses Rätsel hier hab ich tatsächlich etwas Zeit und flinke Finger gebraucht ...
Ich möchte für die Rätselfreunde nochmals zurückkommen zu diesem Bild:
Das hat ein bisschen mehr Beachtung verdient, finde ich. Die Fragen:
1. Wie heisst die Strasse nicht, die da geradlinig nach hinten zum Horizont hoch führt ?
2. Welcher Event wurde 2004 und 2005 (evtl. auch die folgenden Jahre) in dem Backsteingebäude links hinten gefeiert?
3. Welches Artefakt könnte man auf diesem Bild ausmachen, wenn man die Bildmitte stark vergrössert?
Falcone darf natürlich nur die Fragen beantworten, die er nicht weiss!