Für heute beschließe ich, die Anreise für beendet zu erklären und auf "kurvenreiche Strecke" umzuschalten, denn der 'Peak District', die 'Yorkshire Dales' und der 'Lake District' rufen. Dabei berücksichtige ich leider nicht, dass es landschaftlich und streckentechnisch erst ab Derby (gespr. "Darbi") interessant wird, so dass ich auf dem ersten Stück viel Zeit und Energie liegen lasse, denn TomTom lässt mich alle paar Minuten an einer neuen Kreuzung abbiegen. Die Kurven bestehen somit im Wesentlichen aus einer Abfolge von Straßenabzweigen ...
Aber das Wetter passt. Hier bei der Abfahrt in Hinckley:
Die SQ ist auf Grund ihres kleines Tanks (17 Liter) der beste Freund der Tankstellen, denn schließlich füllt man nicht nur den Treibstoffvorrat auf, sondern gönnt sich jedesmal noch irgendeine Kleinigkeit. Der Verbrauch liegt mit ca. 5 Litern/100 km auf Landstraßen dagegen im grünen Bereich. Auf der A447, nur 5 km nördlich von Hinckley, benötigt sie bereits kurz nach dem Aufstehen in aller Früh schon ihr Lebenselixier:
Die Brücke von Swarkestone hat ’s laut Wiki in sich. Erbaut im 13. Jahrhundert mit 17 Bogen und einer Länge von etwa 1.5 km stellte sie lange Zeit die Hauptüberquerung des Trent im englischen Mittelland sicher. Und sie ist immer noch die längste Steinbrücke und die längste Inlandbrücke Englands.
Mir ist nur aufgefallen, dass sie sich Hunderte von Metern über trockenes Land spannt:
Des Rätsels Lösung: Als ich kurz nach den sintflutartigen Regenfällen im July 2007 da drüber fuhr, war das ganze Land unter Wasser - so weit das Auge reichte. Anscheinend tritt der Trent öfter mal über die Ufer, so dass der aufwändige Brückenbau bereits vor über 700 Jahren an dieser Stelle sinnvoll erschien.
Ein kurzes Stück weiter dann dieses (stillgelegte) Kraftwerk, dessen Anblick mit den weidenden Schafen an die "Animals" von Pink Floyd erinnert:
Stimmt, Robert, und irgendwie sieht das Schaf rechts vorne aus wie ein Schwein (fällt mir gerade auf), ich weiß aber sicher, dass es lauter Schafe waren ...
Am Ladybower Reservoir möchte TomTom gerne nach rechts, ich lese aber nach links den Hinweis auf "Snake Pass" und ignoriere den naseweisen Routenheini am Lenker, denn ich weiß vom Vorjahr, dass die Snake Road eins vom Feinsten ist, was England fahrtechnisch und landschaftlich zu bieten hat. Wo ich dabei am Ende rauskomme, ist mir in dem Moment schnurz - schließlich ist das eine Urlaubsfahrt ohne konkretes Ziel. Aber TomTom wandelt den strikten Umkehrbefehl bereits nach kurzer Wegstrecke in ein "weiter so!", so dass sich der Umweg in Richtung Norden also in engen Grenzen halten wird.
Vorsichtig rolle ich nach links in die Snake Road ein und genieße das herrliche Röcheln und Sägen des scharfen Boxers beim langsamen Aufziehen der Drosselklappen und Ausdrehen der Gänge, bis ich beschließe, im Dritten eine kleine Orgie zur Passhöhe hinauf zur veranstalten. Der Belag ist griffig und es gibt zahlreiche Stellen, wo die kürzeren und längeren Dosenschlangen problemlos overtaked werden können. Es flutscht mal wieder wie am Schnürchen. Bis die Dosenfahrer überhaupt merken, dass sie von hinten aufgesemmelt werden, ist der gelbe Blitz längst vorbei und auf und davon. Die erste Dose - zack - die zweite - zack, die dritte, vierte und fünfte - zack, zack, zack, ein Truck - zaaack - und zwischendrin die schönsten Kurvenkombinationen, die man sich vorstellen kann. Woooaaauuuhhh - ist das geil! Und bloß nicht hochschalten, damit die volle Power der mit verschärften Steuerzeiten und riesigen 52er Schlünden gesegneten Maschine stets abrufbereit zur Verfügung steht.
Am meisten Spaß macht das hemmungslose Hinausbeschleunigen auf steilere Bergaufpassagen, wo schon mal das Vorderrad leicht wird und der Lenker auszukeilen beginnt. Ganz zart nur - inzwischen spüre ich nämlich ziemlich genau, wo die Grenze liegt zwischen Flug und Abflug. Entscheidend dabei die Hände nur leicht aufzulegen, damit keine Störimpulse die fatalen Kreisel-Reaktionsmomente freilegen. Rasant und souverän geht es bergan - Kurve für Kurve, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Und immer wieder schreit der Boxer heiser auf und brüllt sein lustvolles "jaa, gib ’s mir!" hinaus in die Welt. Jetzt bloß der Versuchung widerstehen und nicht unkontrolliert noch weiter am Kabel ziehen, schließlich geht es hier um Leben und Tod. Adam hat ’s seinerzeit verbockt, deswegen muss ich die Scheiße hier jetzt auslöffeln. Aber noch ist es nicht so weit, mein Freund - ich habe mich unter Kontrolle!
Leider ist die "Passhöhe" viel zu schnell erreicht, und ich beschließe, die Übung zu wiederholen, schon allein, um nicht in die Hände der vereinigten Dosenmeute zu geraten, die irgendwann den Buckel hoch gekrochen kommen. Also gleich weiter hinab nach Glossop und wieder zurück. Ich bin zwar immer noch zu früh, aber als sie dann endlich kommen, regt sich keiner auf. Warum sollten sie eigentlich auch, schließlich hab ich keinem was getan ...
Irgendwie ein verschärftes Gerät, das Teil. Die Herren, die sich das ausgedacht haben, verstehen ihr Handwerk:
An diesen drei geschmacklosen Plastikpollern sollst du sie erkennen, die Passhöhe der Snake-Road, denn die langgestreckte Hochebene macht das Lokalisieren schwer:
Genau hier in dieser gottverlassenen Gegend Englands, wo der Pennine Way die Snake-Road kreuzt, befindet sich in diesem Moment der Nabel der Welt!
Aber nicht lange, denn ich hab noch einen weiten Weg vor mir ...
Weiter geht ’s über den Holme Moss Summit, der ebenfalls sehr schön zu fahren ist, aber leider noch kürzer,
dafür aber mit toller Aussicht (was ist das für ein Turm im Hintergrund?)
und weiter via Saddleworth-Road mit lustiger Reklame
und ebenso toller Aussicht auf die M62, die Liverpool an der Westküste
quer durchs Land mit Hull an der Ostküste verbindet:
Die beiden haben leider das Schild nicht gelesen und sind gerade am Diskutieren, wer als erster springt:
Ich habe weder Lust zu springen noch zu telefonieren und fahre einfach weiter über Cross Hills, wo ich mich schweren Herzens von meinem Rucksack trenne
und die A65 bis in den Lake District im Nordwesten Englands. Die Yorkshire Dales vernachlässige ich dabei ein wenig, aber die kenne ich erstens schon, und zweitens hat mich die "kurvenreiche Strecke" am Morgen bereits zu viel Zeit gekostet.
Hier eine Aufnahme von der Fell Foot Brow Road über das südliche Ende des Lake Windermere:
Ab hier mach ich tatsächlich ein wenig gemütlicher, weil ich spontan beschließe, entgegen der ursprünglichen Absicht bereits im Lake District Zwischenstation zu machen. Nur die beiden Pässe, die ich vom Vorjahr her schon kenne, möchte ich heute noch unter die Räder nehmen. Allerdings in der anderen Richtung - diesmal also von West nach Ost.
Wo dieses Bild
entstanden ist, lässt sich an Hand dieses Wegweisers
rekonstruieren: Das ist auf der Austhwaite Brow, genau hier. Unglaublich einsame Gegend dort!
Ein Stück weiter im Eskdale an der Westrampe des Hardknott Passes. Im Hintergrund sind die Mauerreste einer römischen Befestigung zu sehen. Das Bild ist übrigens tatsächlich unbearbeitet:
Das Steinhäufchen markiert den Passübergang des Hardknott:
Noch einmal von der anderen Seite:
Hier treffe ich auf einen VFR 1200-Fahrer, der gerade von einer ausgedehnten Wanderung über die angrenzenden Höhenzüge zurückkommt. Auf seine Empfehlung hin unternehme ich eine kleine Wanderung hinauf zum Scafell, was in Anbetracht des mehrtägigen Sitzmarathons keine schlechte Idee ist. Allerdings wird mir dabei so warm, dass das Wasser die Nase runter tropft.
Dieses Schaf war irgendwie echt sensationell. Es warf sich effektiv in Pose als ich den Foto zog. Vermutlich wollte es zeigen, wer auf diesen einsamen Bergrücken der Herr im Hause ist (Schafe finde ich ohnehin weitaus intelligenter als Kühe oder Pferde - sie nehmen den Straßenverkehr offenbar bewusst wahr und reagieren sinnvoll):
Am Wrynose Pass ein Portrait des schwarzen Mannes, aufgenommen von einem anderen hilfsbereiten Wanderer:
Unterkunft finde ich in einem eher exklusiven (und 50 Pfund teuren) B&B etwas nördlich von Grasmere:
Beide Bilder sind bereits vom nächsten Morgen, dieses hier zeigt den gegenüberliegenden Helm Crag:
Oh, schön, alte Erinnerungen werden wach. Da will ich auf jeden Fall auch noch mal hin, aber diesmal mit der W - und das Apfelkreuz steht ja überhaupt auch noch aus.
Wrynose
Hardknott
Grüße Falcone
Im Sommer ist es zu warm, um das zu machen, wofür es im Winter zu kalt ist.
Zitat von Falcone im Beitrag #238Oh, schön, alte Erinnerungen werden wach. Da will ich auf jeden Fall auch noch mal hin, aber diesmal mit der W Wrynose
Macht vielleicht auch mehr Spaß, den Pass mit einem Motorrad hinauf und hinunter zu fahren, statt ihn rauf und runter zu laufen, mo sogn!