ZitatDie Aussis haben jetzt den Vogel abgeschossen.
Mir war gar nicht bewusst, dass das Gendern auch außerhalb Deutschlands so "beliebt" ist.
Zitat von manx minx im Beitrag #74ich weiss nicht, ob ich das so unterschreiben wuerde. wenn man sich bisschen intensiver mit dem thema auseinandersetzt, warum z. b. der ausdruck "reklame" deutlich negativer belastet ist als der ausdruck "werbung", dann wird schnell klar, wie sprachpraegend so mehr oder weniger subtiler druck von oben wirken kann. anderes beispiel die gezielte entwertung des begriffs "atom" und ersetzung durch den begriff "kern" in den 70ern in westdeutschland. oder das verschwinden der anrede "fraeulein ..." fuer unverheiratete frauen. geschickt gemachte sprachpolitik ist haeufiger wirksam als wir das im alltag mitbekommen.n
Ist das wirklich auf "Druck von oben" hin geschehen? Bzw. - was ist Druck von oben? Hat die bis in die 60er Jahre präsente "Reklame" sich nicht einen negativen Beigeschmack erworben, weil sie genervt hat, und deswegen haben die Werbetreibenden dann den Begriff Werbung bevorzugt? Und der Vorläufer der Reklame war die Propaganda. Sind das nicht genau die fließenden Sprachveränderungen, die doch eher von unten her ausgelöst werden? Ähnlich beim Atom: Erst etwas total fortschrittliches mit ungeahnten Möglichkeiten, kehrte es sich um, als die Auswirkungen bekannt wurden und auch keine Aktentasche über dem Kopf mehr half. Kernspaltung klang da doch viel unverfänglicher. Aber ist das wirklich von oben her eingeleitet worden? Wenn ich es bei Kernspaltung noch am ehesten der drei Beispiele annehme, so nehme ich bei "Fräulein" eher an, dass sich das aus der (weiblichen) Bevölkerung heraus durchsetzte. Immer mehr junge Frauen rebellierten gegen den Begriff, schon zu meiner Kindheit. Und das drang langsam durch - also doch typisch für die fließende Sprachveränderung. Übrigens hatte ich eine dürre Schachtel als Deutsch- und Religionslehrerin, die mit Nachdruck darauf bestand, dass sie mit Fräulein angeredet wird.
Mann und Frau, also Männlein und Fräulein. Dame und Herr, also Dämlein und Herrlein. Oder doch Dämchen und Herrchen? Herrchen und Frauchen gilt ja nur aus Sicht des Hundes.
bei dem Durcheinander hat das Gendern dann mal was Positives: Herr*innen - kurz und gut.
Zitat von Falcone im Beitrag #76Ist das wirklich auf "Druck von oben" hin geschehen? Bzw. - was ist Druck von oben? Hat die bis in die 60er Jahre präsente "Reklame" sich nicht einen negativen Beigeschmack erworben, weil sie genervt hat, und deswegen haben die Werbetreibenden dann den Begriff Werbung bevorzugt? Und der Vorläufer der Reklame war die Propaganda. Sind das nicht genau die fließenden Sprachveränderungen, die doch eher von unten her ausgelöst werden?
leider nicht, martin. der umschwung kam in deutschlands unseligster zeit, getriggert von den ueblichen verdaechtigen. 1929 fungierte die fachausstellung des werbewesens noch als "reklame schau" (gibts ein schoenes poster vom lucian bernhard dazu), aber bald aenderten sich die zeiten. hier bisschen was zum begriff "werbung":
ZitatDer Begriff ist historisch mit spezifischen Inhalten belegt: Er ist seit dem 19. Jahrhundert in Gebrauch, allerdings wurde er spätestens seit 1933 ideologisch aufgeladen. „Deutsche Werbung“ war das konstruierte Pendant zur marktschreierischen „jüdischen Reklame“. Werbung bezeichnete angeblich ein geordnetes, sachlich überzeugendes, ehrliches „deutsches Werbewesen“, während Reklame für Manipulation, Verführung, unlauteren Wettbewerb, Kapitalismus und grenzenloses Konkurrenzdenken stand.
Quelle: Schug, Alexander (2010): "Deutsche Kultur" und Werbung: Studien zur Geschichte der Wirtschaftswerbung von 1918 bis 1945. Seite 4.
und zur sprachpolitik in sachen atom, da hat die wikipedia bisschen was dazu:
ZitatDer Lobbyverband der an der Technik interessierten deutschen Unternehmen wurde 1959 als Deutsches Atomforum gegründet. In den folgenden Jahrzehnten distanzierten sich die Befürworter der Technik von der Vorsilbe Atom und verwendeten in Deutschland ausschließlich Kern. Parallel dazu geschah im englischen Sprachraum eine Verschiebung von atomic zu nuclear. Als Grund gilt die unerwünschte Assoziation mit dem zunehmend negativ besetzten Begriff der Atombombe. Kritiker behielten dagegen die Vorsilbe Atom sowohl in der Eigenbezeichnung Atomkraftgegner als auch in Slogans wie etwa „Atomkraft? Nein danke“ bei. Sie sprachen weiterhin von Atomenergie und Atomkraftwerken mit der Abkürzung AKW.
zum "fraeulein": das wurde schon 1954 im bundestag diskutiert und schlappe 18 jahre spaeter dann tatsaechlich auf genscherschen geheiss hin ein unwort im offiziellen sprachgebrauch. das jaegerschnitzel beim sonntaeglichen gasthofbesuch wurde dann freilich noch ueber jahre weg weiter vom frollein gebracht.
Ich glaube, bei solcher Art wissenschaftlicher Erklärung wird gerne mal das Volk völlig außer Acht gelassen.
Ich würde drauf wetten das 90% der Menschen, die an dem althergebrachten, oft abschätzig benutztem Begriff Fräulein, Anstoß genommen haben, nix von Genschers Geheiß gewusst haben.
Bei sowas sind die Gründe bestimmt so vielschichtig, das ich es für äußert gewagt halte sie als Beispiel für "von oben verortnet" anzuführen.