Seit Jahren versuche ich mich von der Firma zu lösen, meine alten Tage frei und ungebunden zu genießen, doch immer wieder holt mich der Laden ein.
Freiheit, was ist das eigentlich?
Am Eigentum kann das nicht hängen, denn genau das bindet mich ja immer wieder. Vorhin bin ich hinaus in den Regen und hatte die Idee, daß es enorm frei sei, wenn man statt all der kleinen Besitztümer nur noch ein Bankkonto hätte, und somit frei in die Welt gehen hinaus könnte, wo immer es einen hinführt. Weg von Haus und Hof, der Firma und den Geranienkästen oder was auch immer so in der Bude herumliegt.
Wieviel braucht man pro Tag zum Überleben, wie lange dauert es, allen Besitz zu verkloppen??? Und schon ist die Idee geplatzt : Es würde Jahre dauern, wenn man es ordentlich macht.
Bedeutet das nun, die letzten Jahre in Abhängigkeit und in Diensten des materiellen Besitzes zu verbringen?
aber nur aus deiner Perspektive, für den der im materiellen Elend steck, wären deine Besitztümer ein Traum.
Ja, Besitz macht unfrei, ob dies nun Autos, Motorräder, Häuser, Firmen oder sonst was ist, weil man muss sich ja dann mit seinem Besitz beschäftigen, erhalten, verbessern, pflegen, zählen und sortieren; bei körperlicher Inaktivität macht man sich schon mal Gedanken was man denn als Nächstes mit seiner Aktivität malträtieren könnte
Ob nun arm oder reich, wenig Geld oder viel Geld, ich hatte im meinem Leben immer das Gefühl von Unfreiheit wenn ich keine Zeit mehr zum Nichts Tun hatte.
Freiheit heißt für mich, meine Zeit selbst zu bestimmen, und genau da kommt das Eigentum wieder ins Spiel, je mehr du hast, desto mehr fühlst du dich verpflichtet zu kümmern, Eigentum verpflichtet halt doch und stiehlt dir deine Zeit
Solange dieser Zeitdieb eine geiles Mopped ist, kann ich mich damit arrangieren, bei allen anderen Zeitdieben werde ich zunehmend unleidiger
Das einzige was definitiv von Tag zu Tag im Leben weniger wird ist unsere Zeit. Die meisten von uns werden beim ihrem Tod aber noch Vermögen besitzen, nur was bringt es ohne Zeit
und beim Thema Zeit möchte ich noch von Gerhard Polt das Gedicht "Die Zeit zitieren: Zeit ist Zeit. Ist Einheit für Gemütlichkeit. Wäre Gemütlichkeit dreitausendsechshundert Sekunden in Zeit, für wieviel Gemütlichkeit bliebe dann Zeit?
Zeit plus Zeit ist mehr Zeit. Brot plus Zeit ist Brotzeit. Zeit mal Zeit ist Mahlzeit.
Der Maikäfer dreht um den Tisch eine Runde, Du weißt nicht das Jahr, Du kennst nicht die Stunde.
Die Kastanie im Biergarten blüht, freue Dich, Du bist auf erdbebensicherem Gebiet.
Das ist die Wurzel aus Zeit. Das ist per Saldo - Gemütlichkeit.
persönlich freue ich mich, dass Du Dir darüber Gedanken machst, nachfühlst und das hier ansprichst!
In meiner Erfahrungswelt ist das,was wir Besitz oder gar Eigentum nennen mehr Belastung und zu Unfreiheit führend als das es nachhaltig zufrieden und glücklich macht und einen Freiheit empfinden lässt. Je mehr ich mein Eigen nenne, desto mehr kreisen meine Gedanken und Gefühle um dieses Material und auch "tatsächlich" verbringe ich viel Zeit mit dem Kümmern um dieses. Dient es vielleicht oft einer Art "Ersatzbefriedigung" für anderes, das fehlt oder zu kurz kommt?
Durch das "Weggeben, Aufgeben, Loslassen" vieler Dinge, fühle ich mich freier denn je. Wobei es denn doch weniger um die Menge geht, als um die Konsequenz des Lösens von all dem. Ich hatte nie viel, wobei das immer nur relativ sein kann, und doch gibt es immer etwas unnötiges, was man wegschaffen kann um danach zu merken, wie schön es ist, weniger zu "haben". Und ich finde, dass es nur dann schwer erscheint, Sachen "zu verkloppen", wenn man an einem bestimmten Erlös hängt! Es kann sich auch gut anfühlen, Dinge weit "unter Wert" zu verkaufen und anderen damit eine Freude zu machen, gerade wenn man die Erkenntnis gewonnen hat, dass die Freude des Käufers leider eher nur kurzfristig sein wird und die eigene von Nachhaltigkeit und Tiefe geprägt ist.
Ist es nicht die Identifizierung mit und das Verhaftetsein an materiellen Dingen, die/das uns es so schwer macht, was weg-/aufzugeben? Ist die Identifizierung vielleicht so stark, dass wir sogar meinen, von uns selbst als Wesen etwas wegzugeben/zu verlieren, wenn wir uns von all dem Kram verabschieden?
Vielleicht reicht aber auch schon eine Art "innerer Loslösung" vom Besitz, eben das Aufgeben der hartnäckigen Verhaftung an dem Angehäuften/Aufgebauten. Es ist eh unausweichlich, nur das man sich dann an dem Weggeben nicht mehr erfreuen kann. Und die Kinder? Ja, die haben direkt viel Material dann. Und? Erben sie Unfreiheit? Vielleicht, ich weiß es nicht.
Aber jedem sei es selbst überlassen sich überhaupt damit zu beschäftigen, wie viel er von was braucht oder nicht, sein Besitz nennen möchte oder nicht. Der Begriff des Eigentums und Besitzes könnte auch eher rein rechtlicher Natur sein. Ist er wohl auch. Ansonsten gibt es ihn nicht wirklich ... so denke ich.
Falls Du Dich mit den Themen "Haben oder Sein" näher auseinandersetzen möchtest, kann ich Dir das gleichnamige Buch "Haben oder Sein" von Erich Fromm empfehlen.
Freiheit oder frei sein sieht und definiert jeder anders. Als meine Frau 2002 starb war ich damit gefordert, mein Leben und meine Arbeit wieder zu ordnen und unsere Kinder, die 13 und 11 Jahre alt waren „menschenwürdig“ aufwachsen zu lassen. Erst als sie auf „eigenen Füßen“ standen, wurden die Pflichten weniger. Jetzt kann ich zwar nicht tun und lassen, was ich will, aber ich fühle mich schon ziemlich „frei“. Ich besuche oft Ausstellungen und habe mir zwei (!) Digitalkameras gekauft, die ich auch oft nutze. Ich freue mich schon darauf, traditionell am 22.12 den Weihnachtsbaum aufzustellen und zu schmücken, dazu höre ich Rockmusik und trinke einen Cognac. Das ist für mich auch eine Art Freiheit. Finanzielle „Unabhängigkeit“ gehört auch dazu. Die Tatsache, jeden Euro zweimal herumdrehen zu müssen, trägt nicht gerade zum persönlichen Wohlbefinden bei. Grüße Hanns
Komisch, aber ich habe manchmal ähnliche Überlegungen.
In jungen Jahren habe ich mich über alles gefreut, was ich so ergattern konnte, sei es durch Kauf, Sperrmüllfund, geschickten Tausch usw. Ein abbezahltes heim, viel Platz und viele nette Dinge in einer Umgebung, die mir Freude macht. Aber um alles muss man sich auch kümmern, um manches kümmere ich mich deutlich zu wenig und um anderes will ich mich gar nicht mehr kümmern. So langsam ist auch mir klar (was andere scheinbar viel früher schon wissen), dass der Besitz auch belastet. Deswegen träume auch ich manchmal davon, einfach in die Welt hinauszuziehen und schauen, wo ich wohl am Abend landen würde. Da ich aber nicht mehr so jugendlich-leichtsinnig bin, so etwas ohne oder nur mit wenig Geld machen zu wollen. Weiß ich natürlich auch, was mich das Tag für Tag kosten würde. Und ich weiß auch, dass es mit der Freiheit ganz schnell vorbei ist, wenn die Gesundheit nicht mehr mitspielt. Und so bleibt es beim Traum. Aber es gibt ja auch noch kleinere Fluchten ...
Zitat von Falcone im Beitrag #7 Aber es gibt ja auch noch kleinere Fluchten ...
Das erinnert mich an den Film "Kleine Fluchten". Die Handlung weiß ich nicht mehr genau. Ein alter schweizer Bauer erfüllt sich seinen Traum eines Rundfluges um das Matterhorn und er kauft sich auch noch ein Mofa. Grüße Hanns
Zitat von Falcone im Beitrag #7 .....Deswegen träume auch ich manchmal davon, einfach in die Welt hinauszuziehen und schauen, wo ich wohl am Abend landen würde.
....Aber es gibt ja auch noch kleinere Fluchten ...
Dafür gibt es dann die kleinen bis großen Urlaubtrips, in denen genau das erfahren wird mit gefülltem Portemonnaie.
Dieser Satz trifft es im Wesentlichen, den ich vor einiger Zeit las und der mir einleuchtend im Gedächtnis blieb:
"Freiheit ist ein Gut, das durch Gebrauch wächst und durch Nichtgebrauch dahinschwindet." (Weizäcker)
Freiheit, man muss sie sich nehmen, von Zeit zu Zeit, wenn's passt.
Moin. Keine Zeit für eigene Gedanken zu haben ist für mich die schlimmste Einschränkung meiner Freiheit. Lebenssituationen in denen der Tagesablauf nur aus Arbeit, nötigen Aufgaben und dem lösen von Problemen besteht. Nur noch funktionieren müssen.
Wenn keine Zeit ist das Tagesgeschehen zu verarbeiten habe ich das Gefühl aus der Substanz zu zehren. Nach Beendigung solcher Situationen freue ich mich weniger über weniger Arbeit, vielmehr endlich wieder denken zu können woran ich will.
Zitat von Falcone im Beitrag #7Komisch, aber ich habe manchmal ähnliche Überlegungen...
da gibt es sicherlich noch einige andere, die solche Gedanken hegen, ich gehöre dazu. Wobei ich da unterscheide, zwischen Glück (glücklich sein) und Freiheit (frei sein, zu tun und lassen, was man will).
Zu ersterem gibt es einige Untersuchungen, dass Reichtum nicht glücklicher macht, allenfalls temporär (die langfristigen Folgen sind eben so wie von C4 beschrieben), mit Märchen hat das überhaupt nchts zu tun. Die Sache mit der Freiheit sehe ich schon etwas komplexer, die hängt doch sehr stark von nicht oder kaum änderbaren Parametern ab, wie z.B. Gesellschaft, Familie, Staat, Rechtswesen etc. Da würde nur Turtles einsame Insel helfen, aber will ich das als Mensch und normalerweise soziales Wesen? Inwieweit bin ich persönlich bereit, Kompromisse einzugehen?
Oder um auf C4s Dilemma zurückzukommen: Eigentum verpflichtet, auch und gerade im nicht so gebräuchlichen Sinne und kann folgerichtig auch zur Last werden.
Genau das ist der Grund warum ich für mich 2 Entscheidungen getroffen habe.
Ein eigenes Haus oder Heim, das ist natürlich schön. Unabhängig gestalten zu können, selbstbestimmt darüber zu Verfügen und vor allem ein besonderes Gefühl von "zu Hause" zu besitzen. Ja, das hätte ich generell gerne; aber zu welchen Bedingungen ? Für mich käme aber ein Eigenheim nur in Frage wenn ich so viel Geld hätte, dass ich es mal eben nebenbei bezahlen könnte. Ich verdiene relativ gut, aber die Finanzierung eines Eigenheimes wäre schon eine Angelegenheit mit der ich Jahrzehnte beschäftigt wäre und genau da wird mir der ganze Gedanke ein Graus ! Denn in dem Moment würde ich es als Klotz am Bein empfinden. Ich habe einen guten Job, meine Arbeit macht mir insgesamt Spaß. Aber Karriere kam für mich auch nie in den Sinn. Der Preis dafür wäre mir zu hoch, weil wenn man eine berufliche steile Karriere anstrebt muß man dafür so einiges unterordnen. Wie immer auch der Sinn meines Lebens aussehen mag, dass wäre er nicht.
Tja, da sieht man wieder mal: Geld beruhigt ganz gewiss, aber zum "Glücklichmachen" taugt es nicht zwangsläufig.
Ich habe da noch einen ganz anderen Gedanken auf welchen ich durch diese Überlegungen komme. Wir sprechen von materiellen Dingen die wir einerseits besitzen, uns andererseits aber Freiheit kosten. Ich finde das fängt auch schon im immateriellen Bereich, im Kopf an. Nämlich bei den Ansprüchen die wir in uns tragen. Anspruch auf etwas was wir vielleicht gar nicht in der Hand halten, was physisch noch gar nicht in unserer Reichweite liegt. Nur die Tatsache dass der jeweilige Anspruch sein Dasein in unserem Kopf und unseren Gedanken fristet. Auch das kann unfrei machen. Denn der Anspruch wird dann oft abgewogen mit dem was uns tatsächlich zu Teil oder nicht zu Teil wird und daraus entsteht Unzufriedenheit. Und Unzufriedenheit nimmt einen Teil in unserer Gedankenwelt ein und verdrängt dadurch einen Bereich der durch Zufriedenheit gefüllt werden könnte.
Ich habe irgendwann gelernt die Zahl der Ansprüche welche ich stelle mal spürbar zu reduzieren. Ansprüche vollkommen zu verwerfen ist wohl für einen Mensch nicht hinzubekommen, muß ja auch nicht sein, es soll ja nicht zu einem sportlichen Wettbewerb ausarten. Aber seitdem gelingt es mir viele Dinge wesentlich gelassener zu sehen. Aus vielen Angelegenheit geht der negative Druck raus. Dabei muß es sich nicht nur um Ansprüche gegenüber anderen oder dem Leben handeln, auch die Ansprüche die man an sich selbst stellt. Natürlich ist dies zumindest in meinem Fall auch stark durch meinen Glauben getragen, dass erwähne ich der Vollständigkeit halber. Gehe aber nicht weiter darauf ein bevor sich wieder der ein oder andere allein dadurch provoziert fühlt.
FREIHEIT. Gönne sie Dir. Gönne sie anderen ! Auch letzteres macht einem selbst etwas freier.