Am Freitag morgen versuchte ich kurzentschlossen, an ein Vorführfahrzeug einer R.E. Interceptor ranzukommen... was mir am (bisher) heißesten Tag des Jahres tatsächlich binnen Stundenfrist gelang. Bei so einer Hitze fährt ja auch "kein Schwein" Motorrad in voller Schutzkleidung während der Mittagszeit, außer witterungsresistente Ganzjahresfahrer...
Beim neuen R.E.-Händler in Zweibrücken wurde mir eine Royal Enfield Interceptor in rot/schwarz zur Probefahrt anvertraut. Die Interceptor gibt es im Ausland übrigens auch im klassischen Look mit schwarzem Tank und verchromten Seitenflächen, abgesetzt mit goldenen Zierlinien.
R.E. gibt es im Ausland auch mit schwarzem Tank , Chrom-Seitenflächen mit goldenen Zierlinien.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)
Ich durfte erst einmal selbst zur Tankstelle fahren. Der Händler drückte mir vertrauensvoll zwei 10-Euro-Scheine in die Hand. Die fünf km bis dorthin genügten, um sich auf dem Mopped vertraut zu fühlen. Gewöhnungsbedürftig waren allerdings die ziemlich nach oben gedrehten Brems- und Kupplungshebel. Ich verzichtete darauf, nach dem Bordwerkzeug zu suchen. Der breite Lenker ist gut erreichbar und macht das Fahren handlich, unterstützt vom 18 Zoll großen Vorderrad. Der Knieschluss am Tank passt gut. Die Fußrasten sind allerdings deutlich höher angebracht (als bei der W - diese immer als Vergleichsfahrzeug im Hinterkopf), was die Sitzposition für Menschen mit langen Beinen nicht gerade prädestiniert.
Schon mal vorweg, mein Fazit nach Bauchgefühl: Ich würde mir keine R.E. kaufen. Sie kommt in Sachen Verarbeitung und Ausstrahlung einer W800 nicht nahe. Mir ist nochmals bewusst geworden, was für ein feines Mopped ich mit der "W" besitze - freilich die nachträglichen, technischen und optischen Verbesserungen mit eingeschlossen. Den Vergleich mit der W800-2 sehe ich da allerdings schon wieder anders.
Ich fange einfach mal an mit Dingen, die mir aufgefallen sind und die mir zumeist nicht gefallen haben. Aus der Nähe betrachtet, zeigt sich einfach der "Unterschied":
Da sind beispielsweise die klobigen Armaturen, oder auch die übergroßen, klotzigen Bremssättel. Das gefällt mir nicht, mag zwar rustikal, effektiv und haltbar sein.
Da ist der lose, klapprige Tankdeckel, bei dem man nicht weiß, wo man ihn ablegen soll, und der schmierige Belag auf der Tanköffnung.
loser Tankdeckel mit schmierigem Fettfilm auf Tanköffnung.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)
Da ist das billige Plastik als Instrumentengehäuse, einfach kein schöner Anblick. Die Schärfeeinstellung meines Smartphones hat davor kapituliert.
Plastikgehäuse an den Instrumenten.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)
Bei der Tachoskala hatte ich beim Draufschauen jedesmal das Gefühl, dass ich vergessen habe meine Lesebrille aufzusetzen.
Tachoskala.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)
Auf den Spiegeln stehen englischsprachige Hinweise, dass die Abstände zum "Hintermann" länger abgebildet werden als sie in Wirklichkeit sind.
Sichertheitshinweis auf englisch (Warnung, dass die Abstände nach hinten länger erscheinen als sie in Wirklichkeit sind).JPG - Bild entfernt (keine Rechte)
Gefallen hat mir der schöne Stabi an der Gabel. Die Gabel spricht leicht an. Bei dem heißen Wetter wäre sicher eine etwas größere Ölmenge angebracht. Aber die Gabel hat nie durchgeschlagen und auch auf der Autobahn bei Bodenwellen stets ein sicheres Fahrgefühl vermittelt.
Stabi.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)
Die hinteren Federbeine haben mich (entgegen meiner Annahme) in ihrer Auslegung sehr überzeugt, obwohl der Federweg ja mit 88mm recht gering ausfällt. Das Überfahren von Spurrillen, Kanaldeckeln und Schlaglöchern brachte keine Unruhe ins Fahrzeug und erst recht keinen Schlag ins Kreuz des Fahrers. Die Federn sind progressiv gewickelt und die Dämpfung dank des separaten Behälters recht ansprechend ausgelegt.
Die Verarbeitung beispielsweise der Auspuffnähte zeigt sich gediegen, aber nicht unbedingt ästhetisch. Die Alufarbe auf den Zylinderköpfen sieht wie Ofenrohr-Farbe aus, zumal die Oberfläche der Rippen recht pickelig wirkt.
gediegen aber nicht unbedingt ästetisch.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)
Eher rustikal, nicht smart; ausladend aber nicht diskret, wirken die Haltegriffe an der Seite und der riesige Bügel am Heck. Man kann allerdings zwischen Bügel und Sitzbank eine kl. Gepäckrolle einspannen. Wahrscheinlich sollte ich dies rein praktisch sehen.
rustikal nicht smart ausladend nicht diskret.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)
Ja, die Schaltung ist sehr leichtgängig und präzise, trotz der Umlenkung. Doch fehlte mir die Rückmeldung durch das Stiefelleder hindurch, so dass ich das eine oder andere Mal nicht den zweiten Gang richtig einlegte - wohl nur eine Gewöhnungssache.
Schalthebel.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)
Die Fußrasten könnte man eventuell à la Axel tieferlegen - und dazu ein Rohr direkt an den Befestigungsschrauben des Auspuffs anbringen. Neue Modelle haben den Nachteil, dass der Aftermarkt hinterherhinkt.
Immerhin zwei Hupen sind symmetrisch links und rechts des Ölkühlers angebracht. Sie klingen kläglich und verdecken zudem den verbliebenen Luftstrom zur Kühlung der Zylinderköpfe.
zwei kläglich piepsende Hupen voll im verbliebenen Kühlstrom für die Zylinderköpfe.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)
Wer eine R.E. Interceptor kauft, sollte wissen, dass er / sie ein gediegenes, modernes Motorrad erhält, das auf dem neuesten Stand der Technik ist. Doch wer einmal eine W650 /W800-1 gefahren ist, trägt andere Ansprüche an Verarbeitung und Ästhetik mit sich. Fast vergessen habe ich das Motorgeräusch der R.E. Interceptor zu erwähnen. Im Stand klingt sie leise und unruhig. Ein sattes Motorgeräusch stellt sich beim Fahren erst ab 4000 U/min ein, darunter "zwitschert" der Motor merkwürdig. Es fehlt mir einfach der tiefe, groovige Sound der W, welcher beim Fahren Entspannung und Ruhe schenkt.
Nicht verschweigen möchte ich, dass ich mir nach der Probefahrt mit der Interceptor noch in der "Triumph-World" in Bad Kreuznach eine längere Probefahrt mit einer Triumph Bonneville Bobber Black gegönnt habe und sich bei mir gleich ein Dauergrinsen eingestellt hat. Sattes Motorengeräusch und Drehmoment machen Freude. Doch auch hier bringt der 270°-Versatz ein unruhiges Motorengeräusch mit sich, das mir selbst nicht liegt. Diese hier war in Matt schwarz (man sieht jeden Regentropfenabdruck darauf).
So ging es mir (ich glaub anno 2008) bei der Probefahrt mit einer HD Nightster Ergonomie passte, geiles Sitzgefühl, Motor , Drehmoment, alles war da............aber dann gabs da nach 10 min eine Serpentine und bei geringer Schräglage Bodenkontakt, und dann wars das...
Zitat von Sprinter7 im Beitrag #741Fast vergessen habe ich das Motorgeräusch der R.E. Interceptor zu erwähnen. Im Stand klingt sie leise und unruhig. Ein sattes Motorgeräusch stellt sich beim Fahren erst ab 4000 U/min ein, darunter "zwitschert" der Motor merkwürdig.
Ein weiteres Indiz dafür, dass Triumph bei der Entwicklung Schützenhilfe geleistet hat.
Gruß Serpel
"DA SIND WIR LETZTES MAL AUCH GESESSEN MIT BLICK AUF DAS MURMELTIER!"