Ich fange mal mit dem an, was man bei so einem Sechszylinder vermutlich am wenigsten erwartet: Sie vibriert - und das nicht zu knapp. Das hat mich ganz schön irritiert. Die Sei läuft zwar auch ein wenig rauh, die CBX ist aber sanft wie ein Lämmchen. Man muss sich die Vibrationen von der Stärke her etwa so vorstellen, wie eine W mit M-Lenker und Fußrasten ohne Gummis. Also mehr als bei einer Serien- W - wenn auch (natürlich) mit einer andere Frequenz, nämlich kribbelnder. Jetzt nicht wirklich dramatisch - aber auch nicht schön.
Besonders positiv ist mir aufgefallen, dass sich das Trumm von Motorrad (249 kg) verblüffend handlich fahren lässt. Das Rangieren bei uns auf dem Hof, sitzend auf dem Motorrad, war gar nicht so einfach, da sie relativ hoch ist und eine breite Sitzbank hat. Ich komme nur mit den Fußspitzen auf den Boden! Rollt sie aber erst einmal, fährt sie sich enorm handlich, fällt leicht in die Kurven, lässt sich wider Erwarten leicht hin und her schwenken und folgt der eingeschlagenen Linie auch leichtfüßig, ohne aber nervös zu wirken. Kurvenräubern macht Spaß. Das haben sie bei Horex wirklich gut gemacht. Die Bremsen sind tadellose Zwei-Finger-Bremsen. Kraftvoll und bestens zu dosieren.
Auf meiner Hausstrecke gibt es auch ein holpriges Kurvenstück. Da war sie gut, ich würde mal sagen: tourensportlich. Die BMW RR war da irgendwie härter. Wo ich gerade die BMW erwähne: Die ist in allem eine Spur direkter, klarer, exakter. Wobei die Horex nicht irgendwie verwaschen ist, aber eben eher ein Sporttourer. Eigentlich ist es auch unfair, diese beiden grundverschiedenen Motorräder zu vergleichen.
Die Horex hat satte Kraft, aber nicht diese überbordende Kraft, die 1000er Sportler haben. Man wird mächtig, aber nicht unangenehm oder gar erschreckend vorangedrückt. Überholvorgänge gehen sehr schnell und unaufgeregt vonstatten. Vor einem plötzlich aufsteigenden Vorderrad oder einem abschmierenden Hinterrad muss man sich wohl kaum fürchten. Es ist ganz klar ein Drehmomentmotor, der gleichmäßig kräftig schiebt. Wie eine W mal drei. W-Fahrer werden die Charakteristik ganz sicher mögen. Es ist fast egal, in welchem Gang man sich befindet, es geht immer entspannt kraftvoll voran. Die Ganganzeige, mittig im Panel plaziert, ist schon ganz nützlich. Ich habe mich ein paar mal erwischte, einfach im vierten geblieben zu sein. Egal, ob man dann in den fünften oder sechsten Schaltet, die Leistungsentfaltung kommt einem nicht sonderlich unterschiedlich vor. Einfach immer genug. Das hat schon was.
Ein absolutes Alleinstellungsmerkmal und unvergleichlich ist der Klang: Es dominiert das helle Sechszylindersingen oder -fauchen, dass einem die Nackenhaare aufstellt und das einen viel schneller vorkommen lässt, als man ist. Das besondere ist aber, das dieser Klang von einem dumpfen, bassigen Grollen unterlegt ist, den ich von keinem anderen Sechser kenne. Das Zusammenspiel der Klänge hat mich über die Maßen fasziniert. Das macht schon süchtig, denke ich. Allerdings hat man wohl einen guten Draht zum TÜV, denn subjektiv ist dieser Remus (Serien)-Auspuff weit lauter als erlaubt.
Nachdem ich mich so etwa 50 Kilometer mit dem fast neuen Motorrad (mit 110 km übernommen) vertraut gemacht hatte und auf bekanntem Terrain angekommen war, habe ich auch etwas mehr Gas gegeben. Mit mehr als 170 bin ich auf den Vogelsbergstraßen zwar nicht unterwegs gewesen, aber bis in diesen geschwindigkeitsbereich lief sie tadellos. Schnelle Gaswechsel im Ortsverkehr quittiert sie vereinzelt mal mit einem kurzen Ruck, aber nicht dramatisch. Das elektronische Gas, das nur eine Drosselklappe steuert, funktioniert unauffällig.
Je höher man den Motor dreht, desto weicher läuft er. Allerdings verleitet einen die Motorcharakteristik nicht unbedingt zum exzessiven Hochdrehen. Bei 4000/min stehen schon fast 140 km/h auf der Uhr und das Ausdrehen der unteren Gänge macht bei dem Leistungsangebot auch nicht sonderlich Sinn. Beim zügigen Landstraßencruisen ist man aber voll im Vibrationszenit. Ob man Horex empfehlen sollte, die Kurbelwelle anders zu wuchten? Ich weiß es nicht.
Angenehm ist die Sitzposition. Sie ist der auf der W mit Flachlenker nicht unähnlich. Leicht nach vorne, entspannt, die Füße aber ein klein wenig weiter hinten. Passt. Wohlfühlen. Alles in allem hat mit das Motorrad gut gefallen. Es ist in seinen Proportionen klassisch, aber nicht retro. Und das sit gut. Formal ist es auch eigenständig und ausgewogen. Die Verarbeitung ist bis auf ein paar kleine Ausnahmen gut. Nichts, was nicht sicher bald nachgebessert wird.
Wenn der Preis nicht wäre, ich könnte mir so ein Krad im Fuhrpark gut vorstellen.
Klasse geschrieben, Martin, man spürt intuitiv, dass du in allen Belangen den Nagel auf den Kopf triffst, ohne die Maschine jemals gefahren oder auch nur gesehen zu haben.
Für gemütliches Fahren sind moderne Getriebe in Verbindung mit den modernen Motoren im Grunde viel zu eng gestuft. Mit der RR beispielsweise kann ich im Bereich von 25-100 km/h im Ersten, Zweiten, Dritten, Vierten, Fünften oder Sechsten fahren. Ist im Grunde einerlei. Im ersten tönt’s bei 100 am Besten, im Sechsten bei 25 ...
In silber finde ich sie etwas bieder. Das Rücklicht ist sehr schön gemacht, aber trotzdem gefällt es mir nicht. Es guckt wie eine Zunge unter der Bank hervor. Auch das "angehängte" Nummernschild gefällt mir nicht so recht. Aber sonst habe ich eigentlich nix zu meckern Schade finde ich, dass sie so einen beliebigen Auspuff bekommen hat. Die Prototypen-Version mit den drei Rohren fand ich interessanter und passender.
Die Schokoladenseite ist eindeutig rechts, links wirkt sie unaufgeräumter. Der schon von Ludwig bemängelte Stecker am Motorgehäuse (an der roten Dichtung zu erkennen) wirkt billig und aufgesetzt. Das muss besser gehen, zumal er an dieser Stelle viel zu deutlich ins Auge fällt. Wenigstens eine gebürstete Alu-Kappe oder so etwas sollte man ihm spendieren. Stecker in groß:
Auf der rechten Seite fiel mir übrigens eine Kupplungsgehäusedichtung auf, die nicht genau passte, unter dem Deckel rundum hervorlugte und quietschgrün (!) war. So was muss nicht sein, und wenn man den Lehrling vor der Auslieferung mal mit dem Cutter da drumherum schneiden lässt: Im Frühling grünt die Dichtung
Aus dieser Perspektive gefällt sie mir am besten:
Hier sieht man die "Rücklichtzunge" schön. Die Blinker sind unauffällig und edel. Der Auspuff versucht wenigstens durch sechs Öffnungen in zwei Töpfen eine Beziehung zu sechs Zylindern in zwei Reihen herzustellen - finde ich aber etwas gezwungen. Das wäre auch origineller umzusetzen gewesen. Aber sicher muss man auch bei Horex aufs Geld schauen.
Schon, schlicht, klar und aufgeräumt gestaltet finde ich die Instrumente, wie auch die gesamte Front.
Die Plakette mit der Seriennummer (ich hatte # 83) stört eher ein wenig und könnte dezenter und wertiger ausfallen. Die Ganganzeige in der Mitte wird übrigens durch ein großes Zapfsäulensymbol ersetzt, wenn man auf Reserve fährt. Ein Restwertanzeige oder ähnliches habe ich vermisst. Ein kleiner Mangel machte ich auch gleich bemerkbar: Es gibt keine Leerlaufkontrolle. Als ich an die Tanke fuhr, wusste ich nicht, ob ich nun im Leerlauf bin, da ich kein "N" sah, sondern nur die Zapfsäule. Durchaus nachteilig. Im Display werden ODO und Trip parallel angezeigt. Schön. Aber eine Uhrzeit oder ein Thermometer war nicht da. Ich habe aber auch nicht alles durchprobiert, was der unauffällige "Mode"-Schalter links am Lenker noch in petto hat. Ich denke aber, Trip, ODO, Temperatur und Zeit sollte heute jederzeit ablesbar sein, ohne Schalter betätigen zu müssen. Dominant ist die mittig angeordnete Benzinuhr. Durch die große Skala sieht man sehr schön, wie der Zeiger nach links wandert. Schon auf den ersten fünf Kilometern nach dem Tanken verlässt er seine Ruheposition rechts. Es ist geradezu spannend zu beobachten, wie sich der Sprit im 17-Liter-Tank vergurgelt. Bei 180 km ging die Reserve an und ich habe nach 200 km 16,6 Liter getankt - also 8,3 Liter auf 100km. Nicht ganz zeitgemäß.
Ein klein wenig Angststreifen habe ich dann doch noch für den nächsten Testfahrer übrig gelassen.
Danke Martin! Fein geschrieben,hast Dir richtig Mühe gemacht.
Bis auf die Krümmerführung und die Endtöpfe ein schönes Motorrad.Allerdings erschließt sich mir der Preis nicht so recht. 22 000 Euro sind einfach zuviel,wenn auch HOREX draufsteht.Bin gespannt,ob sie genügend Käufer finden(was ihnen zu gönnen wäre).
Man muss den Preis halt im Kontext mit anderen Kleinherstellern sehen, wobei die sogar oft noch einen fertigen Motor zukaufen. Ich denke, dann passt das schon. Trotzdem: Andere Motorräder (große Naked-Bikes) können das alles genauso gut und kosten gut die Hälfte. Aber gerade Motorradfahrer kaufen halt nicht unbedingt mit dem Verstand
der Bericht kam für mich total unerwartet. Ich dachte, das sein ein Scherz, mit dieser Maschine zu liebäugeln. Nun kann ich so tun, als könne ich mitreden (und kenne sogar den Testfahrer, oops , hab ihn mal gesehen) Da komm ich heute auf den Herrenabend groß mit raus
Aber ich finde ein Drittel der Zylinderzahl und ein Drittel der Leistung auch ganz passabel, um Spaß am Fahren zu haben.
Vom Aussehen her wirkt die Horex auf den Fotos klotziger, als in den 3D-Zeichnungen vorher - finde ich.