Ich bin ja ein großer Bewunderer von Handwerkern. Man muss ich das mal vor Augen führen, um ihre Leistungen richtig einzuordnen: Sie sind überdurchschnittlich intelligent, denn sie erkennen ja schon in der Schule, dass sie Lehrern in allen Belangen über sind. Deswegen verzichten sie auch selbstlos auf weiterführende Schulen oder gar Studium. Voller Elan und Arbeitseifer absolvieren sie ihre Lehre, nach der sie als vollendet fähige Gesellen ins Leben treten. Hier liefern sie selbstständig agierend eine einwandfrei durchdachte Arbeit in einem zeitlich sauber getakteten und durchplanten Arbeitstag ab. Meisterprüfungen lehnen sie bewusst ab, denn Kalkulationen, Berechnungen und Analysen hindern sie ja nur an der von praktischer Erfahrung durchtränkten Ausführung ihrer selbstgestellten Aufgaben. Wie diese am besten zu bewerkstelligen sind, wissen sie ja ohnehin besser als der Meister oder gar der Kunde. Letzterer muss ohnehin froh sein, dass man ihm das Gewerk so ausführt, wie man es nach langer Erfahrung selbst für richtig erachtet und nicht so, wie er er es gerne hätte. Wenn man dann von diesen Akademikern, doppelnamigen Lehrerinnen und sonstigem Bildungsbürgertum genervt ist, feiert man mal ein paar Tage krank, erledigt Arbeiten für Freunde und sichert somit auch noch das Bruttosozialprodukt, zudem der Staat ja nicht in der Lage ist. Denn wenn man nicht so viel Arbeit hätte, würde man ja noch nebenher der Politik zeigen, wie man es richtig macht. Ich wäre gerne Handwerker.
oha .. da fühlt sich aber einer auf den schlips getreten.
@woolf: aus echtem interesse an deinem projekt frage ich nach. da ist also ein generalunternehmer involviert, den du oder deine eltern beauftragt haben? und der wiederum die handwerker beauftragt hat?
Vor Jahren (oder sind's Jahrzehnte?) haben wir einen befreundeten Schreinermeister, der in unserem Altbau schon einiges geleistet hat, mit der Konstruktion und dem Bau einer Garderobe beauftragt. Die Erfahrung hat uns damals gelehrt, dass wir geduldig sein müssen. Bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit hat uns der Meister Eder nämlich von der irrsinnigen Auftragslage erzählt: "Ich komme überhaupt nicht nach!"
Pause!
Nach der mittleren Reife hat unser Sohnemann entschieden, einen Beruf für's Leben zu ergreifen und den Schreinermeister gefragt, ob er dort denn eine Lehre machen kann. Konnte er! Da der Sohnemann ein äusserst kommunikativer ist, hat er zu Hause alle paar Wochen erzählt, wie angespannt die Situation im Betrieb ist. Ein von einer Leiharbeitsfirma gemieteter Geselle wurde gekündigt und überhaupt würden sie vor allem bei einer großen Wohnungsbaufirma Rolläden instandsetzen und Hausmeisterarbeiten durchführen.
Pause!
Nun gut, dachten wir uns und sind mal hingeschlappt und haben unsere Garderobe erneut in Gespräch gebracht. Bei dieser Gelegenheit hat uns der Meister Eder wieder von der irrsinnigen Auftragslage erzählt: "Ich komme überhaupt nicht nach!"
Pause!
Natürlich hab' ich den Sohnemann zur Rede gestellt und gefragt, was er für einen Sch... erzählt. Der hat dann erzählt, dass wichtige Maschinen, die man zum Bau solcher Möbel brauchen würde, seit Monaten defekt vor sich hingammeln. Nun gut. Es gibt noch andere Schreiner...
Pause!
Kurz vor Beendigung von Sohnemann's Lehrzeit hab' ich mal die Schuhe angezogen und dort vorgesprochen, wie es mit der Übernahme nach der Lehre aussieht. Bei der Gelegenheit hat uns der Meister Eder von der irrsinnigen Auftragslage erzählt: "Das Geschäft läuft dermaßen schlecht..." Mir ist dann der Kragen geplatzt und ich hab' ihn auf die defekten Maschinen angesprochen.
Jedenfalls sind wir jetzt keine Freunde mehr...
Ich will das nicht verallgemeinern. Aber Handwerksbetriebe, in denen sich die Meister selbst im Weg stehen, gibt es leider.
Zitatda fühlt sich aber einer auf den schlips getreten.
Falls du damit mich meinen solltest: Ganz und gar nicht. Ich weiß die Handwerkskunst sehr zu schätzen. Und dass dem so ist, weißt du auch.
Diese Satireeinlage soll nur zeigen, dass Satire halt immer nur dann angenehm ist, wenn andere betroffen sind. Und wenn der Müsli-essende und SUV-fahrende Doppelnamen-Lehrer dann mal zurückschlägt, steht der Meckerer auf einmal in der Pfütze seiner Unzulänglichkeiten da.
da habt ihr mit eurem schreiner seinerzeit einfach pech gehabt. meine erfahrungen mit schreinern sind ganz überwiegend sehr positiv. auch meine erfahrungen mit dachdeckern sind äußerst positiv (leider hat sich der gute mann nach zwei jahren selbständigkeit dafür entschieden, selbige an den nagel zu hängen und fürderhin bei der stadt nürnberg zu arbeiten). und auch meine erfahrungen mit zimmerleuten und flaschnern sind sehr positiv. es gibt eben auch im handwerk wie in jedem anderen berufsfeld solche und solche .. aber das ist doch nicht das thema (dachte ich jedenfalls). mir hat die website des besagten fliesenlegers aus riedenburg deshalb so gut gefallen, weil ich sie als hinweis auf die durch beruf und lebenswelt geprägten verhaltensweisen und anspruchshaltungen interpretiert habe. und die überaus große resonanz auf die presseberichterstattung verstehe ich als bestätigung, dass nicht nur dem riedenburger fliesenleger und mir, sondern auch vielen anderen handwerkern auffällt, dass es bestimmte zielgruppen gibt, bei denen es signifikant häufiger zu schwierigkeiten kommt als bei anderen. .. ich habe übrigens auch ausgesprochen sympathische siemensingenieure unter meinen kunden. .. also auf meiner hp würde ein solcher hinweis sicher nicht zu finden sein.
Zitates gibt eben auch im handwerk wie in jedem anderen berufsfeld solche und solche .. aber das ist doch nicht das thema (dachte ich jedenfalls).
Genau. Wie überall gibt es solche und solche. Deswegen auch mein Beitrag oben.
Und ich kann sogar gut nachvollziehen, dass es bei bestimmten Berufsgruppen zu diesen Schwierigkeiten kommt. Da prallen halt oftmals sehr konträre Lebenseinstellungen gepaart mit nicht unerheblichen Vorurteilen aufeinander. Wenn dann noch ein gerüttelt Maß an Sturheit oder auch nur mangelnde Kommunikationsbereitschaft dazukommt, kracht es.
Es gibt in jedem Beruf höchstens 10%, die wirklich gut sind und was können. Egal ob Lehrer, Anstreicher oder Arzt..... Und man muss immer das Glück haben, einen davon zu erwischen. Das sagte mir übrigens mal ein älterer Siemens Ingenieur. Ich habe die Erfahrung gemacht, das stimmt wirklich.
Zitat von SR-Wolfgang im Beitrag #54Es gibt in jedem Beruf höchstens 10%, die wirklich gut sind und was können.
So einen 10%igen hatten wir mal im Betrieb. In seinem Fach unschlagbar - aber sonst zu nichts zu gebrauchen. Da hatte der Chef mehr von den mittelmäßigen Allroundern die er für alle Tätigkeiten einsetzen konnte. Die waren zwar auch nicht schlecht, aber eben für alle anfallenden Aufgaben verwendbar.
So schlimm, dass sich sogar der Spiegel der Sache annimmt?
Ich weiß nicht, was mir mehr Angst macht: Der Niveau-Tiefflug der Medien, die Gutgläubigkeit mancher Zeitgenossen oder schlicht die Verrohung unserer Gesellschaft.
Gruß Serpel
"DA SIND WIR LETZTES MAL AUCH GESESSEN MIT BLICK AUF DAS MURMELTIER!"
Ich finde, der Spiegel hat da ziemlich sachlich berichtet. Selbst die im Interview dargelegten Gründe kann ich nachvollziehen, wenn ich sein Verhalten auch nach wie vor für unklug und die Wortwahl vielleicht für etwas überzogen halte. Eine Verrohung kann ich da jetzt nicht erkennen, allenfalls ein Mangel an gegenseitiger Achtung und Gesprächsbereitschaft.
Für bedenklich halte ich allerdings auch, "dass sich ... der Spiegel der Sache annimmt". Da hast du Recht. Im Endeffekt wedren die Animositäten nur weiter geschürt und übers Land verbreitet. Was der Sache nicht dienlich ist.
ich habe mich durch die meisten der kommentare zum spiegelartikel gelesen und auch noch mal drüber nachgedacht, warum mich das thema eigentlich so angesprochen hat.
allgemein gesprochen, finde ich es durchaus richtig und wichtig, wenn sich die gesellschaft über die unterschiedlichen perspektiven unterschiedlicher gruppen verständigt. und in diesem speziellen fall zeigen mir die zahlreichen reaktionen der handwerker, dass hier offenbar ein aus handwerkerperspektive wunder punkt angesprochen wurde. man ist offenbar froh als handwerker, dass hier mal einer "aus unseren reihen" tacheles spricht.
in einer welt, die sich zunehmend als "wissensgesellschaft" versteht, fühlt sich der handwerker abgewertet, als "globalisierungsverlierer", "kleiner mann" oder als einer "bildungsfernen schicht" zugehörig denunziert. start-ups und digitalisierung werden gefeiert, es ist von den "mint" fächern die rede, aber über "gas-wasser-scheisse" wird nie gesprochen. und als "mann der tat" ist er meist weniger kommunikationsfähig und schlagfertig als "ein studierter".
aber nun meldet sich einer zu wort und teilt der welt die sicht des handwerkers mit. in einfachen worten, gespickt mit dem einen oder anderen rechtschreibfehler, ungekünstelt und klar verständlich. und generiert ein riesen-echo.