Zum Frühstück gibt es erst mal ein wenig Regen, dann Porridge. Die Landlady preist es uns derart an - „best porridge of ireland“- , dass wir nicht nein sagen können. Wir haben nicht gerade die besten Erfahrungen mit Porridge, hoffen aber, dass irisches Porridge vielleicht besser schmeckt. Leider nein. Auch hier einfach in Wasser aufgekochte Haferflocken, die im Mund irgendwie immer mehr werden. Mit Zucker und etwas eingerührter Marmelade geht es dann, denn wir wollen ja nicht das Gesicht verlieren. Zu unserer Freude folgt im Anschluss dann noch das volle Programm an Irish Breakfast. Die beiden Italiener sind schon verschwunden, der Regen macht es ihnen zum Glück nach.
Wir fahren weiter dem Wild Atlantic Way folgend nach Norden, um die Donegal Bay herum und dann an der Küste westwärts. Die Küste bietet das gleiche Bild wie die letzten Tage auch:
Flussmündungen
Weiße Häuser, eines wie das andere
Buchten
Ortschaften, hier Rhannakilla – im Hintergrund kann man die Zersiedelung des Landes ganz gut erkennen.
Landschaft
Über sehr kleine Straßen kommen wir durch eine wirklich schöne Gegend. Ganz vereinzelt schmiegen sich ein paar alte Cottages in die Weiden, Blumen blühen. Alles wäre wie im Irland-Reiseführer, wenn da nicht dauernd neue Häuser dazwischen stehen würden. Irland gräbt sich in dieser auf den Tourismus angewiesenen Region wirklich selbst das Wasser ab.
Nun, egal, wir erreichen ein großes Tor vor einer Baustelle. Links daneben ist ein Parkplatz. Es ist die Straße zu den Klippen Slieve League, zu denen wir eigentlich hin wollen. Wegen der Baustelle stellen wir die Motorräder auf dem Parkplatz ab, finden einen nur durch einen Haken verschlossenen Seiteneingang und wandern die weitere Straße entlang. Der Weg nimmt kein Ende, aber es kommen immer mal wieder Fahrzeuge an uns vorbeigefahren.
Nach einer Weile platzt mir der Kragen, und obwohl Falconette etwas meckert, kehre ich zu den Motorrädern zurück, sehe, dass man das große Tor auch öffnen kann. Anscheinend machen das alle so, die sich hier auskennen. Wir fahren jedenfalls nun den kleinen Weg hinauf, keiner stört sich dran und es war eine gute Entscheidung.
Falconette auf dem Weg zu den Klippen Slieve League
Der Weg zieht sich, obwohl …
… es ein paar ganz nette Fleckchen gibt.
Mit dem Motorrad geht es doch viel flotter den Berg hinauf.
Und man hat schnell einen …
… schönen Ausblick über den Atlantik
Die Landzunge mit der Insel Rathlin O´Birne
Die Klippen von Slieve League
Und sogar eine kleine Bude gibt es hier, wo man Schokoriegel oder auch Kaffee (Nescafe) bekommen kann. Mehr touristische Infrastruktur gibt es nicht, es sind auch nur ganz wenige Besucher zu sehen, die sich zudem gut verteilen. Gar nicht zu vergleichen mit Cliffs of Moher und zudem viel, viel schöner! Ganz davon abgesehen, sind diese Klippen drei Mal so hoch wie die Moher-Klippen und zählen zu den höchsten Europas, zumindest sind es mit über 600 Metern die höchsten, die man befahren kann. Dies war mal ein Ziel, das uns gut gefallen hat.
Wir fahren oberhalb der Klippen nordwestlich nach Glencolmcille, dort an der Malin Bay ist das Folk Village, ein weiteres Freilichtmuseum. Auf dem Weg dorthin mache ich noch mal ein Bild von der völlig zersiedelten Landschaft:
Das ist auch insofern bemerkenswert, weil der Distrikt zu den ärmsten Gegenden Irlands gehört. Im Grunde ist hier nämlich die Zeit stehen geblieben und es wird auch noch überwiegend Irisch statt Englisch gesprochen, Glencolmcille ist eine sogenannte Gaeltacht area, ein Gebiet, in den Gälisch gesprochen wird Bis zum Beginn der großen europäischen Wirtschaftkrise 2008 wuchs das Bruttoinlandsprodukt jährlich um 6% und Irland stand damit an der Spitze der EU. Die Bezeichnung „Keltischer Tiger“ wurde für diesen Boom geprägt. Viele ausländische, insbesondere amerikanische Firmen verlegten ihre Standorte ins steuerbegünstigte Irland. Innerhalb weniger Jahre wuchs die Bevölkerung um 25%. Vor allem im Osten der Insel, rund um Dublin, aber auch in den anderen großen Städten, löste das einen enormen Bauboom aus. Die Arbeitslosigkeit war gering, der gesetzliche Mindestlohn betrug 1200 Euro. Zuletzt wurden jährlich knapp 100.000 Häuser neu gebaut, was zu einer Immobilienblase führte, die dann 2007/2008 platzte – mit den europaweit bekannten Folgen. Als Reisende fiel uns neben den vielen neuen Häuser auch auf, dass es in Irland keine alten Autos gibt. Während der ganzen Zeit haben wir nicht einen einzigen Oldtimer oder auch nur Autos aus der Zeit von vor 1999 gesehen. Das ist insofern leicht zu prüfen, weil die Kennzeichen mit der Jahreszahlen der Erstzulassung beginnen. Interessant ist aber auch, dass Autos mit Kennzeichen nach 2009 auch sehr selten sind, zumindest auf dem Land so gut wie nie zu sehen – mit Ausnahme der Mietwagen der Touristen, die sich leicht erkennen lassen.
Kleine Anekdote am Rande: Um die Unglückszahl 13 zu vermeiden, wurde für das Jahr 2013 beschlossen, die Kennzeichen nicht mit 13 beginnen zu lassen, sondern mit 131 für die erste Hälfte des Jahres und 132 für die zweite Hälfte.
Einen Einblick in die Zeit vor dem großen Boom gibt uns jetzt das Folk Village Museum. Im Gegensatz zu dem Museum, das wir drei Tage zuvor besichtigt hatten, ist dieses hier historisch korrekt. Jedes der Häuser ist entsprechen einer Zeit nachgebildet und beinhaltet die passende Einrichtung aus dem 18., dem 19. oder dem 20. Jahrhundert. Und das wurde wirklich sehr genau uns liebevoll gemacht, zusammen mit ausführlichen Informationen, auch in Deutsch.
Hier ein paar Fotos, die einen Einblick verschaffen können:
Blick auf das Museumsdorf Glencolmcille Folk Village oder auf Gälisch: Fáilte go dtí An Cláchán
Schusterwerkstatt und …
… Wohnung unter einem Dach im 19. Jahrhundert
Pub, Lebensmitteladen und Schuhmacherhaus
Kaufladen und Pub
2560 Kaufladen und …
… Pub um 1975
Guinnes-Werbung
Wohnzimmer 19. Jahrhundert
Kamin und Alkoven
Einraumcottage eines Fischers …
… um 1980 (!)
Initiiert und begründet wurde dieses Museum 1967 von Father James McDyer, dem mit dessen Figur hier am Feuer ein Denkmal gesetzt wurde.
Wir nehmen noch Kaffee und Kuchen in der von Ehrenamtlichen geführten kleinen Gaststätte zu uns und fahren dann weiter nach Osten in die Berge. In Anbetracht des zunehmend schlechter werden Wetters (Brundi hat uns ja vor dem Kälteeinbruch im Forum schon gewarnt) beschließen wir, uns nicht mehr weiter an der Nordküste aufzuhalten, sondern quer rüber nach Nordirland zu fahren.
Die Schafe, die es hier reichlich gibt haben …
… teilweise eine merkwürdige Farbe
Wir erreichen die Crocknamurrin Mountains, eine bergiger, von Torfgewinnung geprägter Landstrich. Der Torf wird getrocknet und als Brennmaterial genutzt
Bei Ardara sehen wir noch ein letztes Mal den Atlantik, bevor wir endgültig ins Landesinnere fahren. Hier treffen wir auch auf einen Ausflug des örtlichen Ferguson Clubs, halten an und winken. Die Traktorfahrer freuen sich über uns aber mindestens genauso.
Die Landschaft in bergig, aber recht karg.
Später wird sie karg und weniger bergig
Dann kommt zur Abwechslung (für die man wirklich dankbar ist) auch mal ein See, der Lough Ea
Wir fahren durch die Blue Stack Mountains, die …
… aber eher ein langweiliges Hügelland sind. Vielleicht hätte Sonnenschein uns die Schönheit der Landschaft besser erschlossen, so aber trübt Nieselregen die Laune. Längst haben wir Regenklamotten übergezogen, die auch zusätzlich gegen die Kälte schützen. Irgendwo haben wir auch noch mal getankt und einen Kaffee getrunken, es dürfte Ballyboley gewesen sein. Foto gibt es keins.
Über einen „Schafstop“ freuen wir uns. Abwechslung!
Uuups, nun hatte ich doch ganz vergessen, zu erwähnen, dass wir schon längst in Nordirland sind. Die „Grenze“ haben wir bei Strabane überquert, ohne es bemerkt zu haben. Ich hatte geglaubt, dass zwischen Irland und Nordirland allein schon wegen der Unruhen zumindest mal eine sichtbare Grenze, wahrscheinlich sogar eine Kontrolle sein wird. Aber nichts von alledem. Aufgefallen ist uns im Nachhinein, dass auf der irischen Seite vor Strabane auffällig viele Supermärkte, Möbelhäuser und dergleichen zu finden waren, auf der nordirischen Seite nichts derartiges mehr. Es ist anzunehmen, dass die Waren in Irland für die Nordiren billiger sind. Ich war eigentlich davon ausgegangen, dass es eher umgekehrt sein dürfte, da Nordirland im Vergleich zu Irland als armes Land gilt. Kurz, den Unterschied haben wir erst mal nur anhand der Autokennzeichen festgestellt.
Die Landschaft (Sperrin Mountains) geht jedenfalls genauso aufregend weiter und gleitet an uns vorbei wie die Zeit. Ja. Es ist Zeit, nach einer Übernachtungsmöglichkeit Ausschau zu halten. Es kommt aber nix. Im Gegensatz zu Irland ist Nordirland keineswegs zersiedelt, die Häuser sind eher alt, die Dörfer klein und selten, auf Tourismus scheint man eher weniger eingestellt zu sein.
Erst schon relativ spät, so gegen 20 Uhr, treffen wir in Magherafeld ein, einer Kleinstadt unweit des großen Sees Lough Neagh. Wir fahren in drei größere Straßen hinein, finden aber nur in einer ein Hotel – und sind ganz froh. B&B-Schilder haben wir nämlich schon den ganzen Tag keines mehr zu Gesicht bekommen.
Das Terrace-Hotel ist zwar nicht sonderlich hübsch, aber sehr gut ausgestattet, kostet uns aber auch 90 Pfund. Dafür haben wir es bequem und die Klamotten können auch gut durchtrocknen. Wir machen noch einen Rundgang durch den Ort. Auch hier haben einige Restaurants bereits geschlossen. Es gibt drei Banken zu Auswahl und wir holen bei der Bank of Ireland am Automaten Pfund, denn die brauchen wir ja jetzt wieder für eine ganze Weile. Das war ein Fehler, wie sich später herausstellt.
Für weitere 35 Pfund haben wir dann zu Abend gegessen, Fisch und Lammgulasch. Beides hat gut geschmeckt. Dass es üblich ist, dass man mit diversen Saucen etwas nachwürzen muss, haben wir inzwischen auch begriffen. Ebenso, dass Nordirland nicht billig ist.
Wir sitzen anschließend noch ein wenig in der Bar herum, ganz alleine. Bald gehen wir dann ins Bett, draußen nieselt leichter Regen so vor sich hin …
Warum isses dort in Irland - auf der angeblichen Insel - genauso kahl wie in Schottland? Wird dort immer noch alles als Weideland genutzt, oder warum Forsten die nicht wieder auf ... klimatisch sollten doch beste Bedingungen dafür herrschen?!
Aufgeforstet wir wohl teilweise wieder. Natürlich eher mit gewinnbringenden Nadelbäumen als mit den ursprünglichen Laubbäumen. In Irland leben statistisch mit 8 Millionen Exemplaren weitaus mehr Schafe als Menschen. Und die brauchen halt Weideland. Die Schafe, meine ich jetzt.
Grüße Falcone
Zephyr
(
gelöscht
)
Beiträge:
12.12.2014 11:46
#82 RE: 12. Tag - Isle of Man, Irland, Schottland, Wales 2014
Ich denke, das liegt eher am Wetter. Normalerweise empfinde ich waldarme Gegenden, in denen man Weitblick hat, sehr viel angenehmer als lange Fahrten durch Wälder, wo man rechts und links nix sieht. Das Schöne an solch einem Hügelland ist ja, dass man hinter jedem Hügel wieder in ein Tal schauen kann. In Irland sah halt leider oftmals ein Tal wie das andere aus. Das lag vielleicht aber auch daran, dass wir diesbezüglich nicht eine optimale Strecke gewählt hatten. Aber zum Motorradfahren spannendere Länder gibt es ganz gewiss.
Zitat von Zephyr im Beitrag #82Danach wollte ich auch gerade fragen. Dieses "waldlose" wirkt irgendwie depressiv.
C4
Deswegen verstehen wir Norddeutschen ja auch so gar keinen Spaß, haben null Humor und sind stets besoffen, weil wir uns ansonsten in dieser waldlosen Einöde depressiv von den Klippen ins Watt stürzen würden!
Zitat von Falcone im Beitrag #79Irgendwo haben wir auch noch mal getankt und einen Kaffee getrunken, es dürfte Ballyboley gewesen sein. Foto gibt es keins.
Ballyboley liegt an der Ostküste bei Larne, Du meinst sicher Ballybofey. [klugscheißermodus off]
Zur Frage nach dem nicht (mehr) vorhandenen Wald. Einfach mal die Engländer fragen! Die haben in der hunderte Jahre währenden Besatzung von Irland nicht nur massiv Bäume gefällt für den exzessiven Schiffsbau, sie haben auch dafür gesorgt, dass durch Monokulturen wie Kartoffelanbau und Schafzucht, die irischen Einwohner arm und beherrschbar blieben. Ohne die Kartoffel-Monokultur hätte die Kartoffelfäule keine so entsetzlichen Folgen für das Land gehabt. (Eine Million Tote, zwei Millionen ausgewandert. Quelle)
Ich sehe es wie Falcone: Bei strahlendem Sonnenschein und dem für Irland eigentlich so typischen Bild der jagenden Wolken über den "40-grades-of-green" wirkt das Land eben anders als bei grauem Nieselwetter.