Zitat Die Kreiselkräfte sind bei heutigen Motorrädern wohl eher ein Mythos als Realität.
Das kann man so nicht stehen lassen. Wenn du "Motorräder" durch "Motorradmotoren" ersetzt, mag es begrenzt stimmen. Aber ohne Kreiselkräfte würdest du mit einem Motorrad nicht voran kommen, ganz gewiss nicht! Sie sind nun mal zum Motorradfahren existenziell. Wobei auch die Kreiselkräfte des Motors absolut kein Mythos sind, nur ihre Einwirkung auf die Handlichkeit wird möglicherweise überbewertet.
Zitat von FalconeIm Ernst, dasist aber ein interessanter Hinweis: Inwieweit heben die Kreiselkräfte der Ausgleichswelle und der doch im Durchmesser relativ großen Kupplung die der Kurbelwelle wieder auf?
Kaum. Die Masse der KW dient in erster Linie der Stabilität und dem Rundlauf, nur ein geringer Teil davon dient dem Massenausgleich der oszillierenden Kolben. Und lediglich dieser Anteil wird durch die AW kompensiert. Die Kupplung wiederum dreht nicht mal halb so schnell wie die KW und kompensiert daher ebenfalls nur einen kleinen Teil der Kreiselkräfte der KW.
Zitat von FalconeFür mich ist jedenfalls inzwischen recht klar: Die Kreiselkräfte der KW oder auch die Summe der Kreiselkräfte im Motor haben keinen nenneswerten Einfluss auf das Fahrverhalten der W.
Man muss unterscheiden zwischen Kreiselkräften, die direkt beim Lenken überwunden werden müssen und solchen, die sich dort nur indirekt bemerkbar machen. Während das Massenträgheitsmoment des Vorderrads speziell bei höheren Geschwindigkeiten enorm den Lenker "hält" und sich gegen kleinste Winkeländerungen sperrt, bewirken die übrigen Trägheitsmomente lediglich ein Sperren gegen Kippen des Lenkkopfes, was sich sicherlich nicht in dem Ausmaß bei der Lenkkraft bemerkbar macht.
Zitat Wegen der grossen Rotationsträgheit führten nämlich scharfe Kurven auf eine Seite dazu, dass es zugleich eine grosse Kraft in vertikaler Richtung gab. Wenn die aufwärts zeigte, konnte das zum Ueberziehen und damit zum Absturz führen.
Moin,
denen sind in scharfen Manövern sogar die Motoren komplett rausgebrochen - der Rest war dann "siehe unten".
°°°°°°°
Also wenn sich keiner traut, dann nehme ich jetzt für ein Rechenbeispiel an, daß ein Motorrad in 0,5 Sekunden in 45° Schräglage gebracht werden soll. Ich selbst würde zwar niemals in dieser Geschwindigkeit und Auslenkung ein solches Manöver durchführen, aber ehe es wieder irgendwer besser oder schneller kann, nehm ich jetzt den Wert.
Eine 17 kg Kurbelwelle bastele ich mir zusammen am Rechner, bin zu faul jetzt für einzelne Scheiben irgendwelche Trägheitsmomente zu rechnen.
Noch ein Wort zur Ausgleichswelle: auch wenn diese unwuchtig vom Hersteller extra konstruiert wurde, bringt sie selbstverständlich Coriolismomente. Der Rückschluß, daß sie nur für die Kompensation der oszillierenden Massen zuständig sei und daher die Gewichte keine Coriolismomente aufbrächten, ist nicht zulässig!
Wer sich die Kreiselmomente verbildlichen möchte, sollte sogar mit einer Ausgleichswelle anfangen. Daran lassen sich nämlich Richtungen und Momente viel besser erklären, als an einer durchgehenden umlaufenden Masse.
Doch, saublöd, tät ich sagen. Man merkt, dass die Leute dort von Kreiselkinematik nicht allzu viel Ahnung haben und nur erzählen, was man seit Generationen schon immer erzählt, und sich nicht wirklich Gedanken machen. Zitat aus PS:
Die Kreiselkräfte der rotierenden Massen, speziell bei den Rädern, sträuben sich gegen einen Richtungswechsel und brechen nur mit einer entsprechend hohen Kraft aus ihrer Drehebene aus. Da zur Kurvenfahrt Vorder- wie Hinterrad ihre Drehebene von vertikaler Position in die Schräglage ändern müssen, tragen beide zur Massenträgheit bei. Wobei das Hinterrad durch den deutlich größeren Anteil an rotierenden Massen (Reifen, Kettenblatt und Felgenring) entsprechend etwas mehr Widerstand leistet als das leichtere Vorderrad. Dieses muss zwar den Lenkimpuls durch eine Drehbewegung einleiten, doch ist diese so langsam, dass dabei die rotierenden Massen eine eher untergeordnete Rolle spielen.
Der grundlegende Fehler ist der: Allein fürs seitliche Kippen eines Kreisels wird unabhängig von seiner Rotationsgeschwindigkeit nicht mehr oder weniger Kraft benötigt als wenn der Kreisel ruht, da die Reaktionskraft des Kreisels stets senkrecht zur Bewegungsrichtung steht und sich gegen das Abklappen nicht wehrt.
Dazu folgende Modellvorstellung: Spannt man das untere Ende der Drehachse eines Kreisels in ein (stabiles) Scharniergelenk, so kippt der rotierende Kreisel genau so schnell aus seiner (labilen) horizontalen Gleichgewichtslage nach unten wie ein Kreisel, der sich nicht dreht. Von Kreiseleffekt keine Spur! Dieser zeigt sich erst, wenn man das Scharniergelenk durch ein Kugelgelenk ersetzt, dem Kreisel also den Ausgleich durch den dritten Freiheitsgrad der Bewegung erlaubt.
Man kann sich das auch beim Zweirad sehr gut veranschaulichen: Schweißt man den Lenkkopf fest (arretiert also die Lenkung) und versucht auf gerader Strecke ein Stück zu fahren, so fällt das Motorrad genau so schnell um wie wenn die Räder nicht rotieren würden. Von stabilisierendem Kreiseleffekt ist dann nichts mehr zu spüren, weil den Rädern der dritte Freiheitsgrad zur Kompensation der Fallbewegung fehlt.
Erst, wenn man den Kreiseleffekt auf dieser Grundlage richtig verstanden hat, kann man auch die Fahr- und Lenkdynamik eines Zweirads wirklich verstehen. Darauf geh ich aber erst später ein (wenn ich das selbst richtig verstanden haben werde ).
Ich glaube, ein anderes Beispiel erläutert das für den Laien besser, weil die Kräfte spürbar vermittelt werden:
Bau das Vorderrad aus deinem Fahrrad aus und nimm ein Achsenden in die Hand. Nun versetze das Rad in schnelle Drehbewegung. Du brauchst schon einige Kraft, um das Rad zu neigen, und zwar ums so mehr Kraft, je schneller es läuft. Damit werden die stabilisierenden Kreiselkräfte am Motorrad recht anschaulich, finde ich.
Nee, Falcone, du machst den gleichen Fehler, den alle machen: Allein zum Neigen des Rades brauchst du keine (kaum) Kraft. Die Kraft brauchst du lediglich in der Richtung, die senkrecht dazu steht und die übernimmt beim Motorrad der Rahmen. Die Lenkkraft selbst wird also in der Lenkung gar nicht spürbar!
Schade, ich habe jetzt kein Fahrrad-Rad zur Hand, sonst würde ich das mal ausprobieren.
Aber ich glaube, wir haben eventuell aneinander vorbeigeredet. Je größer die Räder sind, desto stabiler läuft das Motorrad. Gleiche Lenkgeometrie vorausgesetzt, brauchst du also mehr Kraft bei einem größeren Rad, um es von seinem bestrebten Geradeauslauf abzubringen, als bei einem kleinen Rad. Ist das so richtig?
Oder umgesetzt auf die W: Baust du eine 18er Felge statt der 19er ein, wird die W bei gleicher Reifenbreite handlicher.
Ich weiß, es ist hart, sich von gewohnten und vertrauten Gedankenmustern zu verabschieden, aber es ist nun mal so, dass das Rad, egal wie groß oder wie klein, egal wie schnell oder wie langsam, stets mit gleich wenig Kraftaufwand aus seiner Drehebene herauszudrehen ist, solange es in der Gabel des Zweirads eingespannt ist.
Man führe folgenden Versuch durch: Rahmen des Fahrrads zwischen den Beinen fest eingespannt, Füße mit sicherem Stand am Boden, Hinterrad ebenfalls, aber das Vorderrad in der Luft und in heftige Rotation versetzt. Jetzt bewege man den Lenker und stellt verblüfft fest, dass er sich genau so leicht drehen lässt wie im Stand als das Rad noch gar nicht drehte. Lediglich im Rahmen zwischen den Beinen wird ein gewisses Kippmoment (zur Seite hin) festgestellt, das umso größer ausfällt, je schneller das Vorderrad rotiert.
ich will jetzt nicht den ewigen Besserwisser spielen, aber wie ich oben schrieb: schweißt man den Lenkkopf fest, kippt das Motorrad in Fahrt genau so schnell um wie im Stand.
Das mit dem Handlicher bei Verkleinern auf 18 Zoll kann natürlich auch am sich dadurch ändernden Nachlauf liegen.
Die Kreiselkräfte sorgen doch aber dafür, dass das Motorrad stabil geradeaus läuft, sonst müsstest du ja dauernd nachkorrigieren, wie bei einem langsam gefahrenen Fahrrad.
ich will jetzt nicht den ewigen Besserwisser spielen, aber wie ich oben schrieb: schweißt man den Lenkkopf fest, kippt das Motorrad in Fahrt genau so schnell um wie im Stand.
Gruß Serpel
Moin Serpel
da ich, wie die meisten anderen hier, ohne festgeschweißten Lenkkopf fahre, hilft mir die Antwort jetzt nicht richtig weiter... Sträubt sie sich nun oder nicht?