Passend zu den britischen Bikes regnet es in Strömen, 130 Kilometer Wasserfahrt liegen bereits hinter uns, als wir im pfälzischen Ramberg bei British Motorcycles ankommen. Klaus, der 1. Vorsitzende des Triumph Motorcycle Owners Club Deutschland hat seine 69er 650er Trophy mitgebracht, sein Clubkollege Oliver die beinahe schon antike 750er Bonneville. Ich mit meiner neuen 800er Triumph Bonneville und Michael mit seiner zu den Engländern passenden japanischen Interpretation Kawasaki W 650 wollen auf dieser Tour herausfinden, was besser ist, die Originale oder die Kopien?
Achim Ertel, der mit viel Liebe zum Detail Triumphs und Nortons sowie andere britische Marken renoviert und umbaut, hat Erbarmen mit uns, und während wir seine Werkstatt und Motorräder bewundern, setzt er den Kaffee auf. Bei ihm beziehen auch Oliver und Klaus sowie die anderen Mannen des TMOC die lebenswichtigen Ersatzteile, die ihre Lieblinge am Leben erhalten und bekommen auch den einen oder anderen Tipp, wie man sie zu pflegen hat.
Frisch gestärkt und wieder in die Regenkombis verpackt, geht es bei Wissembourg (Weißenburg) über die naheliegende Grenze. Da es nach wie vor in Strömen gießt, nehmen wir die Autobahn in Richtung Straßburg, verzichten aber auf einen Besuch der herrlichen Altstadt, des Münsters und der Ile de France, da 300 Kilometer Regenfahrt und die Vibrationen der 650er Trophy Klaus so zugesetzt hatten, dass uns eine heiße Dusche und ein deftiges elsässisches Abendessen ins Arnoldhotel in Itterswiller zieht.
300 Kilometer Regenfahrt 590 Franc sind sicher ein stolzer Preis pro Zimmer und Nacht mit Frühstück, aber durchaus gerechtfertigt. Die Zimmer in diesem Fachwerkhaus sind groß, komfortabel und bieten trotz Regen einen herrlichen Blick über die malerische Hügellandschaft des Elsass. Das familiengeführte Hotel legt Wert auf Service, und die Garage für unsere Motorradschätze wird uns kostenlos zur Verfügung gestellt. Keller und Küche lassen uns den Kampf gegen den Regen vergessen.
Unser Fotograf Martin, der immer noch auf sonnige Schnappschüsse hofft, ergötzt sich an seinem Fischmenu, während Klaus und ich es nicht schaffen, das vorzügliche elsässische Sauerkraut mit neun Beilagen zu vernichten. Der 97er Tokay Pinot-Gris „Fruehmess“ aus dem hauseigenen Weingut ist ein phantastisches Beispiel für die Finesse des Elsässer Weins. Frucht und Säure sind so harmonisch abgestimmt, dass die Verführung groß ist, mehr als ein Glas zu trinken.
Auch der aus dem Hause Klipfel in Barr stammende 99er Pinot-Noir auf Eichenfass ausgebaut, ist an Harmonie kaum zu übertreffen. Sicher sind die Weißweine im Elsass dominierend, aber dieser Tropfen beweist, dass auch mancher Rotweinschatz hier gehoben werden kann. Noch lange sitzen wir hier beim Benzingespräch, und Klaus, wie ein Missionar, versucht unnachgiebig, Michael davon zu überzeugen, von der Kawa auf eine echte Triumph umzusteigen. Einen alten Klassiker meint er natürlich!
Der Himmel ist bedeckt, aber die Straßen sind trocken, und es regnet nicht. Da ich schon früh wach bin und noch genügend Zeit bis zum Frühstück bleibt, poliere ich die Bonnie, um Martin doch noch etwas funkelnden Chrom für die Kamera zu liefern. Vergebene Liebesmüh. Pünktlich zur Abfahrt fängt es an zu nieseln, so dass wir die herrlich geschwungenen Kürvchen der Route de Vin mit gemäßigtem Tempo anfahren. Über Dammbach-La-Ville, welches noch über drei Tore der Befestigungsanlage aus dem Mittelalter verfügt, geht es vorbei an Scherwiller, Châtenois und Kintzheim nach Saint-Hippolyte.
Trotz des Regens sind Klaus und Oli von der Schönheit der Dörfer begeistert, und für den ersten Vorsitzenden des TMOC steht fest, dass er hier nochmal bei blauem Himmel hinkommen will. Classic-Bikes im Nasstest Von Saint-Hippolyte, das im 8. Jahrhundert gegründet wurde und für seinen Rouge de Saint-Hippolyte (Pinot-Noir-Traube) bekannt ist, führt eine herrliche Strecke hinauf auf die hohe Königsburg. Meine moderne Bonneville (natürlich etwas überarbeitet, so dass Durchzug und Klang näher am Original sind) würde am liebsten den Berg hinaufbrechen, und es fällt mir schwer, mich der Nässe anzupassen und nicht die straffen Fahrwerksqualitäten dieser Maschine voll auszukosten.
Michaels W 650 gibt sich da schon etwas schwammiger, und obwohl sie von Linie und Motordurchzug her durchaus den Vorbildern gleicht, eignet sich das Fahrwerk eher für gemütliche Touren. Dass Klaus und Oli mit sattem Durchzug, straffem Fahrwerk und dem tiefen Grollen aus dem klassischen Auspuff tönend hier voll auf ihre Kosten kommen könnten, wird nur durch die Nässe gestoppt. Der Panorama-Blick von der hohen Königsburg beschränkt sich heute leider nur auf 20 Meter Umkreis, denn der Nebel ist so dicht wie im November. Martins Stimmung sinkt auf den Tiefpunkt, denn sein fotografisches Auge hat mehr als reichlich Motive erspäht, doch das schlechte Wetter macht seine kreativen Pläne zunichte.
Nach einem Stopp in Riquewihr, ein absolutes Muss bei jedem Elsassbesuch, denn nirgendwo anders ist die mittelalterliche Baukunst so gut erhalten wie hier, fahren wir durch Kintzheim ins nahegelegene Kaysersberg. Das zum gleichnamigen Hotel gehörende Bistrot Chambard ist unser heutiger Zufluchtsort, um dem Regen zu entkommen und uns zu stärken. Nicht nur eine gemütliche Atmosphäre und ein hervorragendes Essen, sondern ein erstklassischer Service heitern uns auf.
Hier ist der Biker König
Ob Lederjacke oder Regenkombi, ob Helm oder nasse Überschuhe, alles wird uns freundlich abgenommen und zum Trocknen aufgehängt. Hier ist auch der Motorradfahrer König. Colette Faller und ihre Töchter Catherine und Laurence führen seit 1979 diese Domäne, die am Fuße des Schlossbergs, umgeben von Weinbergen und Rosen, gelegen ist. 1612 von Kapuzinermönchen gegründet, erhält das Gut den Namen des Bachs, der durch das 26 Hektar große Weingut fließt. Trotz einem stressigen Programm nimmt sich Catherine viel Zeit für die Weinprobe.
Das Hauptanliegen der drei Frauen ist die Qualität ihres Produkts. Daher entsteht nur Wein aus ökobiologischem Anbau ohne chemische Düngung, und alle Weine sind in 40 bis 60 Jahre alten Eichenfässern vergärt. Uns fällt es schwer, die Weine wieder ausspucken zu müssen, denn ob der Muskat Jahrgang 2000, dessen Frucht unaufdringlich über die Zunge geht oder der Riesling Grand Cru Schlossberg, der eine feine Säure hat, über den typischen Gewürztraminer bis hin zur Tokay Auslese, alle Weine bestechen durch Finesse, Frische und Klarheit. Hier kann so manch männlicher Winzerkollege noch etwas dazu lernen. Für die Weinliebhaber eine absolute Perle!
In der Hoffnung, doch noch ein paar Bilder in den Kasten zu bekommen, geht’s zurück auf die Route de Vin in Richtung Bergheim. In diesem malerischen Örtchen wollten wir eigentlich im Hotel-Restaurant Chez Norbert am Folgetag übernachten, denn ein Essen im wunderschönen Hof des Fachwerkbaus oder dem Restaurant in der urgemütlichen Scheune ist ein echtes elsässisches Vergnügen.
Zurück zu den Wurzeln
Nur einen Katzensprung von Itterswiller entfernt in Nothalten ist die Domäne Julien Meyer zu Hause. Patrick Meyer führt diesen neun Hektar großen Familienbetrieb und meine Frage, in wievielter Generation, konnte er nicht beantworten. Denn so viele seien es schon gewesen. Patrick ist kein Mann von vielen Worten. Er entschuldigt sich, uns nur junge Weine präsentieren zu können, denn seine Weine sind so begehrt, dass er sich keine Sorgen um den Absatz machen zu brauche. Er gießt ein, wir probieren, und er beobachtet unsere Gesichter. Auch er baut die typischen Rebsorten Pinot-Gris, Pinot-Blanc, Gewürztraminer, Silvaner und Pinot-Noir an.
Die Weine bestechen durch Klarheit und unverfälschte Charakteristik der einzelnen Rebsorten. Ich wollte das Geheimnis ergründen und in seiner etwas verschlossenen und zurückhaltenden Art erklärt er mir, dass auch hier ökobiologischer Anbau betrieben werde. Wichtig sei für ihn, dass der Boden des Weinbergs lebe, und deshalb kämen hier keine Maschinen zum Einsatz, und auch die Weine werden handgelesen. Zurück zu den Wurzeln? „Ja unbedingt“, meint er, „denn, wenn wir die Natur nicht respektvoll behandeln und zurück zum natürlichen Anbau gehen, wird es in dreißig Jahren keinen typischen Wein mehr geben.“
Nachdenklich sitzen wir an diesem Abend wieder an dem gut gedeckten Tisch. Ob Klaus wohl immer noch darüber nachdenkt, wie er Michael zum Triumph fahren bekehren kann? Oliver überlegt sich, ob das schlechte Wetter vielleicht an ihm liegt, denn bisher hat er noch keine Tour ohne Regen hinter sich gebracht, und Martin grübelt darüber nach, wie er am besten an Bilder kommen soll. Mich bewegen die vielen Eindrücke. Ja das sind die hervorragenden Weine, die gemütlichen elsässischen Ortschaften und die vielen kurvigen Streckchen in und um das Elsass herum. Col de la Schlucht, den sind wir nicht gefahren.
Die Route de Crete auch nicht, und auch den Grand Ballon hat uns das Wetter vermiest, aber ich kenne diese Träume auf zwei Rädern Gott sei Dank auch bei Sonnenschein. Und wie würde ich sie am liebsten befahren? Mit der wunderschönen 650er Trophy von Klaus oder Olivers drehmomentstarken 750er Bonnie oder mit der total relaxt zu fahrenden Kawasaki W 650? Doch die Qualitäten der neuen Triumph Bonneville haben mir es auch angetan. Keine Vibrationen und trotzdem ein klassisches, fast sportliches Fahrverhalten.
Auch wenn es Klaus nicht gelungen ist, mit Argumenten wie Langhuber und Klangsinfonie seiner Trophy Michael zum Triumph fahren zu bekehren, war es ein harmonisches Miteinander zwischen Original und Kopie. Klaus durch seinen trockenen Humor zum Sir John Tea-Bird ernannt, Oli zum freundlichen Rainman befördert, Martin, der zum arbeitslosen Fotograf gemacht wurde und Mike, the Minibike, wir alle kommen wieder, um Kurven, Bikes, ein sonniges Fotoshooting und natürlich die kulinarischen Spezialitäten genießen zu können.
WWL-EhrenMitGlied
Bleibt zu hoffen, dass das absehbare Ende des US-Imperiums nicht mehr all zu viele Kriege, Tote und weiteres unsägliches Leiden wie im Irak nach sich zieht.
(clemens ronnefeldt)