Zitat von thomasH im Beitrag #59... Viel mehr übe ich Kritik daran, was man heute alles anstellen muss, um einen Ausbildungsplatz zu bekommen, für den einst (!) der Hauptschulabschluss gereicht hat...
Die Zeiten ändern sich, ganz einfach. Die DM ist ja auch nicht mehr unsere Währung
Aber ernsthaft: versetz dich mal in einen Arbeigeber, möglichst einen Mittelständler oder kleinen Handwerker. Nach welchen Kriterien würdest du Azubis aussuchen?
Den (die) Ausbildungsplatzbewerber(Bewerberin) mal 3 - 4 Wochen im normalen Arbeitsalltag mitarbeiten lassen.
Ein erfahrener Meister oder wegen mir Geselle merkt sehr schnell ob ein "Stift" fähig oder willens ist die entsprechende Ausbildung vernünftig durchzuziehen.
Zitat von Mattes-do im Beitrag #63 Ein erfahrener Meister oder wegen mir Geselle merkt sehr schnell ob ein "Stift" fähig oder willens ist die entsprechende Ausbildung vernünftig durchzuziehen.
Ja, das ist sicher richtig. In vielen Fällen wird der "Erstkontakt" zwischen Bewerber und Ausbildungsbetrieb doch nicht durch einen erfahrenen Meister oder Gesellen hergestellt, sondern durch einen Personaler im Anzug, der doofe Fragen stellt. Meist sind das Menschen, die ein Studium hinter sich haben und davon ausgehen, dass nur dieser Weg zielführend ist.
Ich habe mich in den letzten Jahren immer wenn sich die Gelegenheit ergab mit dem Onkel meiner Frau unterhalten. Der war Jahrzehnte technischer Direktor von Alcan in Göttingen. Der alte Herr hat die Beobachtung gemacht, dass die Anforderung an die Qualifikation der Bewerber mit der Qualifikation der Entscheider steigt. Wir haben uns trefflich darüber gestritten, was zuerst da war: Das Huhn oder das Ei! Na ja... Jedenfalls vertrat er die These, dass ein Meister oft einem Ingenieur gleich zu setzen ist. Da nun aber irgendwann mal genügend Ingenieure da waren, war man geneigt, diese auch bei der Besetzung einer entsprechenden Stelle den Meistern vorzuziehen und das zu dem Preis, besser geeigneteren Meistern eine Absage erteilen zu müsste. Das hat man aber nicht gemerkt, da man ja nie angezweifelt hat, mit der Einstellung des Ingenieurs eventuell den schlechteren Griff gemacht zu haben.
Und noch was zum Probearbeiten: Lass die Bewerber einen halben Tag in der Lehrwerkstatt antanzen und von drei vier Gesellen beobachten, wie die Jungs den Hammer halten usw. Da braucht es keine drei oder vier Wochen.
Aber lieber Einstellungsgespräch nach dem Motto: "Was hat Sie dazu bewegt, sich bei unserem Unternehmen zu bewerben?" Alles selbstdarstellerisches Gesülze... ... mit dem Inkompetenz kompetent verschleiert wird!
Viele Grüße Thomas
Dinge rund um's Moped, die ich nicht mehr missen möchte:
- Schuberth J1 - Rukka sturmhaube windstopper - BMW Winterhandschuhe - Daytona Trans open GTX - Hupe Stebel Nautilus - HKS Kettenfett - Saito Batterieladegerät ...
Zitat von Axel J im Beitrag #62Aber ernsthaft: versetz dich mal in einen Arbeigeber, möglichst einen Mittelständler oder kleinen Handwerker. Nach welchen Kriterien würdest du Azubis aussuchen?
Axel
Das kann ich dir sagen! Mein Jüngster hat die Gesamtschule besucht und wollte nach dem mittleren Bildungsabschluss im letzten Jahr auch Fachoberschule machen. Wie das so ist, hat er sich Gedanken gemacht, wo er seine zwei Praktika absolvieren möchte und dabei zuerst an den Tischler um die Ecke gedacht, wo er vor einem Jahr sein Betriebspraktikum gemacht hat. Der Schreinermeister Jantzen hat ihn gefragt, ob denn nicht eine Ausbildung machen möchte. Der Junior hat das sofort mit uns besprochen, wir alle haben das miteinander besprochen und so hatte er einen Ausbildungsplatz, ohne eigentlich einen gesucht zu haben. Ausschlaggebend war das Betriebspraktikum, wo Daniel bewiesen hat, dass er Spaß und Interesse mitbringt. Leider hat eine ganze Menge Bewerber eine Absage erhalten.
Viele Grüße Thomas
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Zitat von Falcone im Beitrag #45Das man frühestens in der dritten Klasse hängen bleiben kann, ist bei uns auch so. Und? Ist das etwa schlecht?
Es gibt natürlich Eltern, die gleich in der ersten Klasse Noten für ihre Kinder sehen möchten. Natürlich aber nur Einsen und Zweien. Wenn es eine Drei gibt, möchten sie dann doch lieber ganz schnell keine Noten
Genau da beginnt die Inflation des Abiturs. Man will ja niemandem die Zukunft verbauen...
Übrigens habe ich auch zwei Ehrenrunden gedreht. Das spätere Studium war inhaltlich völlig für die Katz, hat aber im kommunikativen Sektor viel gebracht, das ich später im echten Leben nutzbringend einsetzen konnte.
Wenn ich später Bewerber eingestellt habe, war das ganz einfach: Alle Bewerbungsmappen 1 halbes Jahr ungelesen in den Schrank, danach Müll. Wer persönlich nachgefragt hat und vorbeigekommen ist, kam ins Gespräch und, wenn positiv, auf die Bewerberliste.
Priorität hatten immer Leute, die ohne Anlaß aufkreuzten und nachfragten. Es war mir immer egal, ob direkt aus dem Knast oder was auch immer. Man merkte schnell, wer wollte, und wer nicht. Ein paar Wochen Probezeit, dann hat sich der Eindruck bestätigt,oder auch nicht. Das hat gut funktioniert.
Den (die) Ausbildungsplatzbewerber(Bewerberin) mal 3 - 4 Wochen im normalen Arbeitsalltag mitarbeiten lassen.
Genau diese Möglichkeit wird ja bereits geboten. In Hessen (und ich denke, das ist in den anderen Bundesländern nicht anders) sind Praktika Pflicht. Und da haben beide Seiten die Möglichkeit, Beruf und ggf. auch Personen kennen zu lernen. Schon da kann man die Weichen stellen. Und schon da wird sich die Spreu vom Weizen trennen: Der Schüler mit Ambitionen knüpft bereits Kontakte für die Zukunft, der unambitionierte sitzt nur seine Zeit ab.
Insofern ist eine Fragestellung auch falsch, wieso man denn heute für einen Handwerksberuf Abitur braucht. Dem ist ja nicht so. Nur, wenn weitaus mehr Schüler Abitur machen als früher, stehen auch mehr Abiturienten bereit, von denen es den einen oder anderen doch ins Handwerkliche zieht. Und warum soll der Meister/Arbeitgeber dann nicht den "besseren" auswählen, wenn der nicht gerade zwei linke Daumen hat?
Zitat von Falcone im Beitrag #69Insofern ist eine Fragestellung auch falsch, wieso man denn heute für einen Handwerksberuf Abitur braucht. Dem ist ja nicht so.
Guten Morgen!
Eine derart gestellte Frage wäre tatsächlich falsch! Allerdings ist es sehr wohl so, dass in einigen Betrieben die Abiturienten den Vorzug bekommen und das zuerst einmal nur deshalb, weil diese Abitur haben. Also wird das Abitur als primäres Auswahlkriterium heran gezogen. Und das halte ich für falsch und die daraus resultierende Auswahl für nicht belastbar.
Nehmen wir mal an, es würde sich in unserem Land eine Quote für Abiturienten durchsetzen. Nur noch 10 % aller Schüler dürften überhaupt Abitur/Fachabitur machen. Nach aktuellem Stand der Dinge und der Argumentation hätte der Betrieb, in dem sich Robin beworben hat, in ein paar Jahren keine Zerspanungsmechaniker, da diese ja momentan Abi/Fachabi brauchen. Nun ist sonnenklar, dass man sehr schnell die Anforderungen anpassen würde und nun Leute mit mittlerem Bildungsabschluss einstellen würde. Und ich behaupte, die würden ihren Job nicht besser oder schlechter machen als die Jungs vorher mit Abitur. Das würde dann beweisen, dass das Abitur keinen Vorteil bringt und aus diesem Grund halte ich es für dumm, das Abitur/Fachabitur als Primärkriterium anzusetzen. Es sagt über die Qualifikation des Bewerbers für diesen Beruf nichts aus.
Durch die momentane Vorgehensweise werden all diejenigen, die gerne nach dem MBA eine Lehre machen würden, dazu gezwungen auch Abitur zu machen und zwei weitere Jahre die Schulbank zu drücken. Und das kann ja auch vor dem Hintergrund, dass man mit G8 dafür sorgen wollte, dass die Menschen schneller in Studium kommen (ein eigenes Thema!) und Geld verdienen und damit in die Sozialversicherun einzahlen so nicht gewollt sein.
Allerdings haben wir dadurch natürlich philosophierende Dreher, das hat was!
Viele Grüße Thomas
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Zitat von Falcone im Beitrag #69wenn der nicht gerade zwei linke Daumen hat?
Und ich stelle in Frage, dass das in einigen Betrieben jemand feststellt, weil der Bewerber bis zu seinem ersten Arbeitstag mit niemandem zusammen trifft, der das beurteilen kann!
Viele Grüße Thomas
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Was auch so ein Ding ist: Unser Ausbildungssystem wird gerne mit dem von anderen europäischen Ländern verglichen. Und im Gegensatz zu diesen Ländern haben wir relativ wenige Studenten.
Nun ist in anderen Ländern aber so ein hochqualifizierter Beruf wie Nageldesignerin ein Universitätsstudium, ebenso wie z.B.Hufschmied, Sattler, Frisörin.........
Die Handwerkliche Ausbildung wie hier in Deutschland (duales System) gibt es in diesem Maße woanders nicht. Ein Meister hier ist z.B. in England ein Ingeneursstudium wert. Jeder Elektriker hier darf z.B.in England alles was mit Elektrik zu tun hat machen. Die "einheimischen" Elektriker nicht, weil ihnen oft die benötigten Scheine fehlen, die sie auf der Uni machen müssten. z.B. Sat-Anlagen anschließen
Und die Politik möchte natürlich dem europäischen Standart von sounsoviel Uniabsolventen nicht hinterher hinken und senkt die Voraussetzungen, damit jeder ein Studium machen könnte. Dass ein Handwerksgesellenbrief oder ein kaufmännischer Gehilfenbrief in anderen Ländern ein Studium ist, wird gerne übersehen. Zumal viele, hier nur von Schulen zertifizierte Ausbildungen, dort ebenfalls ein Universitätsstudium benötigen. In England laufe ich tatsächlich unter Tierärztin.
Wenn jetzt natürlich von der Politik das Studium als die einzig Wahre Art der Ausbildung angepriesen wird, weil alle anderen Länder das auch so haben, ist alles, was nicht studiert hat, nix wert. Unser Ausbildungssystem im Handwerk wird inzwischen weltweit anerkannt und teilweise kopiert, nur hier gilt das auf einmal nicht mehr. Und warum? Weil da irgendwelchen europäischen Statistiken hinterher gehechelt wird.
Und schon sind wir bei dem Problem, dass ohne Abi und am besten Studium, keiner mehr ne Lehrstelle bekommt. Und das wird über kurz oder lang ein echtes Problem. Zumal viele Jugendliche ja an Eltern und Großeltern sehen, was so 40 jahre Handwerk aus einem machen. Und da haben die wenigsten Bock drauf.
Das, was du beschreibst ist in der Schweiz auf die Spitze getrieben. Hier gibt es nur sehr wenige Hochschulabsolventen, aber diejenigen, die das hinter sich haben, sind echte Akademiker mit entsprechenden Berufsaussichten.
Umgekehrt ist die handwerkliche Ausbildung hier in der Schweiz noch um einiges anspruchsvoller als in Deutschland, und die Leute sind in ihrem Beruf in der Regel top.
Auch hier merkt man aber bereits die politische Beeinflussung hin zum Ausbildungs-Einheitsbrei, wo am Schluss jeder Akademiker ist und niemand mehr was kann.
Nicht zuletzt deswegen: D raus aus der EU, ehe es zu spät ist!