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Dieses Thema hat 184 Antworten
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 Reiseberichte / Motorradgeschichten
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3-Rad Offline



Beiträge: 34.795

14.11.2011 22:43
#76 RE: Meine Dritte Antworten

Vielleicht hast du dich einfach nur an die Regeln gehalten?

Ich kann allem wiederstehen,
außer der Versuchung.

pelegrino Offline




Beiträge: 51.592

14.11.2011 23:01
#77 RE: Meine Dritte Antworten

Das tue ich schon, im Prinzip: nie mehr als 10% über erlaubt - das kann in Norge aber schon richtig teuer werden ... , und außerdem bin ich auch immer gut für mal zwischendurch was zu verschusseln (wie, 60 - ich dachte, hier wäre 80 erlaubt )? Das kann noch teuerer werden ...

"Erfahrung ist der Name,
den jeder seinen Irrtümern gibt." (Oscar Wilde)

decet Online




Beiträge: 7.690

21.11.2011 09:04
#78 RE: Meine Erste Antworten

Eine hab ich noch. Das war im Oktober 1968.

Meine Feuertaufe hatte ich gerade auf einer ereignisreichen Italien-Fahrt mit dem 250er Gespann empfangen. Man redet immer von "entschleunigen", aber was das bedeutet, erfährt man aufs Deutlichste, wenn man an ein solo-übersetztes 13 PS-Krad einen viel zu schweren Seitenwagen schraubt. Laut Datenblatt ist im Seitenwagenbetrieb bei 88 km/h Schluß - mit der SW-Übersetzung! Die 15% längere Solo-Übersetzung ließ dem armen Triebwerkchen schon bei Tempo 70 die Puste ausgehen, es sei denn, die Schwerkraft schob bei Bergabfahrten mit an.
Aber Nutzlast mitnehmen konnte man völlig schmerzlos und in Krad-unüblichen Mengen.
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Später, als ich solo unterwegs war, mußte ich erst wieder lernen, mit leichtem Gepäck zu reisen.

In diesem Herbst allerdings machten sich Harry (der mit Weib und Kind, aber ohne Job) und ich mit unseren zwei gleichermaßen fehldimensionierten Gespannen kurz vor Semesterbeginn noch einmal auf, um in der Pfalz beim "Herbschte", der Weinlese, noch ein paar Mark zu verdienen. Den Tipp hatten wir von einer Bekannten seiner Schwiegereltern, der Liese. Die hatte uns auch angeboten, wir könnten eine Woche bei ihr nächtigen, was diese Expedition erst möglich gemacht hatte, denn der Herr Weinbauer hatte kein Nachtlager für uns.

Wir schnürten also unsere Ränzel und pflotterten zu später Vormittagsstunde - wir waren beide keine Frühaufsteher - in Richtung Nordwesten davon. Im Seitenwagen verstaut hatten wir neben unserem Zelt, einem beeindruckenden Satz Werkzeug und einem Sortiment Ersatzteile auch mehrere faltbare 20-Liter-Container, in die wir Wein direkt vom Erzeuger abfüllen lassen wollten. Die Seife in meinem Waschzeug war sorgsam gepolstert, weil mir auf einer früheren Tour die harte Federung das in der Seifendose frei bewegliche Stück zu Seifenpulver geschüttelt hatte. Man ist ja schließlich lernfähig. Die heißgeliebte Rollei, auf Kleinbildfilm umgerüstet, bekam einen Ehrenplatz auf dem Sitz des Beiwagens, damit ich schnell an sie rankam.

Wie gesagt, unsere Fahrzeuge entschleunigten uns recht gründlich, und wir schafften bis zum späten Nachmittag lächerliche 250 km. In der Abenddämmerung schalteten wir die Lichter ein, denn noch waren wir einigermaßen frisch. Nicht aber Harrys Bordnetz, denn als er nur wenige km mit der sowieso trüben Funzel der R25/2 dahingerollt war, färbte sich seine Leuchte gelb, orange, rot - - aus. Das Ding gab noch ein paar asthmatische Schnaufer von sich, dann blieb es stehen. Tja, keine vornehme Magnetzündung für die Einzylinder, sondern eine von Gnade und Barmherzigkeit des 6V-Bleiakkumulators abhängende Batteriezündung. Die war natürlich arm dran, wenn wegen eines ausgeschlagenen vorderen Kurbelwellenlagers die Lichtmaschine heimlich ihren Läufer geschreddert hatte. Autobahn, Baustellenverkehr, wir fühlten uns auf dem Pannenstreifen angesichts der vorbeidonnernden Lastzüge nicht recht wohl, und dann purzelte auch noch direkt neben uns ein vollbesetzter Ford Transit auf die Seite... Der Fahrer hatte nach einem wohlverdienten Sekundenschlaf eine staubedingte Vollbremsung seines Vordermanns gerade noch so mitgekriegt, war seinerseits voll in die Bremsen gestiegen, ins Rutschen geraten, die Fuhre hatte sich quergestellt, und die knubbligen Nägel der provisorischen Mittellinie hatten die Kiste kurz vor Stillstand zum Stolpern gebracht, bautz, da lag sie. Verdattert kletterten die 8 Insassen durch die glücklicherweise oben gelandete Seitentür raus, der Vollbremser vor ihnen hatte nix gemerkt und war über alle Berge, ja, da standen sie nun dumm herum.

Wir nutzten den Umstand, daß die Leitplanke wegen der Baustelle Lücken hatte, und schoben unsere Dreiräder auf die Wiese. Für uns war der Tag gelaufen, und in der schnell hereinbrechenden Dämmerung schlugen wir unser Zelt auf. Ein Blick im Licht meines funktionierenden Scheinwerfers auf die 1:200000 Generalkarte zeigte uns, daß über eine Forststraße ein Dorf zu erreichen war, wir bauten die leere Batterie aus, und suchten eine Tankstelle. Der Pächter war so freundlich, die Batterie über Nacht an sein Ladegerät zu hängen. Bevor wir uns zur Nachtruhe begaben, nahmen wir als Schlummertrunk beim Wirt noch jeder zwei Gläser doppelt gemalzten, obergärigen Hopfenblütentees.

Geweckt wurden wir von einem grün gewandeten Herren von der Baden-Württembergischen Landgendarmerie, der uns freundlich darauf hinwies, daß hier kein Campingplatz sei. Na so eine Überraschung! Wir erzählten ihm unser Malheur, und er gab uns zwei Stunden Zeit, zu verschwinden, dann wollte er wiederkommen und nachsehen.
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Genügend Zeit, die geladene Batterie zu holen (war für umme gewesen, es gibt noch nette Leute, auch wenn es manchmal hilft, daß sie früher selber mal Motorrad gefahren waren) und einzubauen, während ich das Zelt abbaute und verstaute. Ein bißchen Strom lieferte die kranke Lichtmaschine ja noch, und ohne Scheinwerfer hielt die Batterie dann durch bis nach Landau in der Pfalz.

Die Liese war schon ganz hibbelich, sie hatte uns gestern erwartet, und von unterwegs telefonieren war ja damals nicht immer leicht - wir hatten es auch völlig vergessen. Und im Wingert (Weingarten) anfangen mußten wir eh erst am nächsten Tag. Das war dem Harry ganz recht, da konnte er noch einen barmherzigen Samariter mit einem Ladegerät suchen. Die Suche war bald zu Ende, denn Lieses Mann (der auch früher mal...) hatte so was im Keller. Man kann ja nicht immer nur Pech haben.

Der Wingert war nicht in Landau selber, sondern einige km weit draußen, in Nußdorf. Auch die Liese hatte zur Lese bei dem Weinbauern angeheuert, und nach dem Frühstück stieg sie kichernd in Harrys Seitenwagen, dessen Sitz er freigeräumt hatte. Diese Art der Fortbewegung war ihr zwar neu, aber es gefiel ihr, und lachend winkte sie mir zu, als mich der Harry überholte - er hatte ja eine Navigatrix dabei und wußte, wo es hin ging. Wir knatterten auf den Hof, wo sich das Trüpplein der Erntehelfer schon versammelt hatte. Im trüben Morgenlicht wurden wir vom Hofherren knurrig begrüßt, und dann wurde es Ernst. Der Boß
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warf seinen Lanz an. Aus der Nähe hatte ich das noch nie gesehen, und neugierig stellte ich mich dazu. An der Einspritzpumpe war ein Seilzug, der den Ventilausheber bediente. Der Herr Ökonom holte aus der hölzernen Zubehörkiste unter dem Sitz die Kurbel heraus, hängte sie ein, und fing an, die Schwungscheibe anzudrehen, die etwa die Ausmaße eines Schweizer Käselaibes hatte. Nee, die war sogar noch größer. Das war schon mal richtig Arbeit, und so nach 10 Kurbelumdrehungen hatte er etwa 120 U/min erreicht, im rechten Augenblick den Ventilausheber lösen, die Einspritzung machte ein leises, scharfes "Tick", und eine Umdrehung später gab es das erste, laute "Tack" aus dem Schornstein-Auspuff. "Tack" .... "Tack" ... "Tack" .. "Tack" "Tack" "Tack-tack-tacktacktack...", nach einem Griff ans Standgas besänftigte sich das hochratternde Kraftwerk und bequemte sich zu einer Arbeitsdrehzahl von etwa 400 U/min. Der Maschinenmeister bedeutete uns, daß wir neben der Bütt, einer großen grünen Plastikwanne, auf dem Hänger Platz nehmen sollten, und alsbald stampfte die Fuhre los, Richtung Weingarten. Die Einfahrt zu seinem Feld mit den abzuerntenden Rebstöcken ging steil von der Straße hinauf, der Kutscher auf dem Trecker schlug scharf ein und gab Vollgas, aber nicht die Drehzahl des Zerknalltreiblings erhöhte sich, sondern das Auspuffgeräusch wurde nur härter und lauter, als der Schlepper seine Last die steile Zufahrt hinaufwuchtete.

Die Liese stellte uns vor, da waren außer uns noch drei Herbschterinnen, Tochter und zwei Nichten des Bauern, und der "Schoseff", ein Sergeant der französischen Armee, der jeden Herbst seinen Urlaub dazu benutzte, als Hotteknecht seinen spärlichen Sold aufzubessern.
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Der Joseph konnte die Kohle gut brauchen, hatte er doch fünf Kindermäuler zu stopfen. Wir übrigen kriegten je eine Zeile mit Rebstöcken zugewiesen, einen Kübel und eine Gärtnerschere in die Hand gedrückt, und dann hieß es schneiden, schneiden, schneiden. War der Kübel voll, winkte man dem Joseph, wenn er mit der Hotte auf dem Rücken vorbeikam, er blieb stehen, beugte sich leicht vor, und man leerte den Kübel in die Hotte. War die Hotte ihrerseits voll (dann wog sie so um die 80 kg), stieg der Joseph eine kleine Trittleiter am Hänger hoch, machte eine tiefe Verbeugung über der Bütt, und der Traubensegen ergoß sich hinein. Die Wanne mußte so drei, vier Kubikmeter Fassungsvermögen haben, und mittags kam der Chef, holte sie ab, und stellte einen Hänger mit einer leeren Wanne hin. Wir waren gut beschäftigt. Harry hatte im Gymnasium Französisch gehabt, und er hängte dem Joseph auch bald bei jeder Gelegenheit ein Geschwätz auf, überredete ihn gar, auch einmal die Hotte tragen zu dürfen - der Harry war kein Schwächling, aber nach zwei, drei Gängen zur Bütt gab er das schwere Ding ganz gern wieder ab.
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Nach etwa einer Stunde guckte ich meine Hände an - schwarz! Der Traubensaft bildete mit dem Eisen der Schere eine pappige, schwarze Schmiere, die ich bald überall hatte, denn ich wischte mir den Schweiß von der Stirn, der mir trotz der herbstlichen Temperaturen ausbrach, kratzte mich auch mal am Kopf oder bohrte g'schwind in der Nase - das konnten die grinsenden Herbschtamazonen alles an den schwarzen Schmierern sehen, die meine verpappten Finger hinterlassen hatten. "Wo kann ich mir die Hände waschen?" fragte ich die Liese. Die lachte "Waschbecke hammer da herauße net, komm ich zeichs der." Ich sollte meinen Traubeneimer zum Hänger mitnehmen, und dann griff sie hinein, drückte mir eine Traube in die Hand "Da zerdrückschde se, da dermit kannsch' Dir die Händ wasche. Aber über der Bütt, dermit nix dernebe geht!" Na ja, wenn's schee macht...

Die Liese guckte uns anfangs über die Schulter, ob wir's auch richtig machten, zeigte auch, wie's leichter ging, und als ich eine etwas verdächtig aussehende, verschrumpelte Traube hängen ließ, stieß sie mich an, sagte "Die derfschde net hänge lasse, des sin die beste, die mit der Edelfäule!" Sie hieß mich die unansehnlichen Beeren kosten, und tatsächlich, sie waren besonders süß. Alles klar.

Mittags setzten wir uns alle zur Brotzeit an die Straßenböschung. Es gab selbstgebackenes Brot, Butter, Leberwurst von der letzten Hausschlachtung, und Haustrunk aus einer 5 Liter-Korbflasche.
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Die Flasche reichte gerade so. Harry und ich, "die Schdudente", wir langten ordentlich zu, schmierten auf die dicken Brotscheiben Butter unter die Leberwurst, was der ranghöchsten Sippenangehörigen nicht so recht gefallen wollte. Am zweiten Tag fing sie deshalb an, bei der mittäglichen Nahrungsaufnahme mit ihrer Kusine ekelerregende Histörchen und Witze zu erzählen, wohl in der Hoffnung, uns den gesunden Appetit zu verderben. Ach, Du brave Bauersfrau, Du hast ja keine Ahnung, wie grundverdorben und abgebrüht die heutige Stadtjugend ist... Harry sah mich an, ich sah den Harry an, und in einer Gesprächspause erzählte ich ihm (laut) den Witz vom Streuselkuchen, und er erzählte mir (noch lauter) den Witz von den Spaghetti, worauf ich den Witz vom Spucknapf zum Besten gab. Angeekelt und sichtlich erschüttert schoben die Psycho-Kriegerinnen ihre Leberwurstbrote weg und überließen uns das Feld. Es blieb dann auch bei dem einen Versuch.

Abends durften wir am Tisch der Familie mit essen, es gab viel Kartoffeln und Kraut, und auch etwas Fleisch. Die Liese erzählte mir dann, daß der Hausherr zwar in betrieblichen Belangen das letzte Wort hatte, aber auf dem Geld hockte seine bald 90-jährige Schwiegermutter, ein vertrocknetes, zähes Luder, das geizig darauf achtete, daß niemand mehr aß, als sie ihm zugestand.
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Wenigstens war sie mit dem Wein nicht knauserig, und die Heimfahrten zurück nach Landau unter dem nach den trüben Tagen überraschend sternklaren Himmel waren promillemäßig kein einziges Mal legal, aber unfallfrei, und mit unseren offenen Helmen schmetterten wir während der Fahrt - ganz unpassend zur Jahreszeit - zweistimmig des Brandner Kaspars Frühlingslied. Von dem vorzüglichen Tropfen hatten wir übrigens an den darauf folgenden Morgen keinen einzigen Kater zu beklagen. Ich lud mir allerdings vom nahen Schuttabladeplatz einen zentnerschweren Betonbrocken in den Beiwagen, denn ich hatte ja nicht wie der Harry eine Liese als Kielschwein im Boot... Danach kam das Ding auch in den - wie es mir schien - unzähligen Rechtskurven des Heimwegs nicht mehr so unverhofft wasserleichenhaft hoch.

Fünf Tage hatten wir ordentlich hingelangt, und hatten unser Soll brav erfüllt. 22 Mark am Tag hatten wir verdient, ein Fünftel davon legten wir in je einem Sechserkarton "Nußdorfer Herrenberg" an, so hieß der gute Wingert unseres Arbeitgebers. In unsere Plastik-Container wollte uns sein Verwalter keinen Wein abfüllen, das sei nicht steril, und das dürfe er nicht. Na gut. Wir hatten jede Menge über den Weinbau und die Verarbeitung gelernt, und das hörte sich plausibel an. Das Eine oder Andere von dem Gelernten war allerdings wohl nicht unbedingt zur Weiterverbreitung geeignet, und die Jahrzehnte haben über die interessanteren Details (die mit der Chemie) auch schon den gnädigen Schleier des Vergessens gelegt.

Der Bauer trank übrigens seinen eigenen Wein nicht, denn er war zuckerkrank. Für sich selber hatte er einen eigenen kleinen Weingarten in Vorzugslage, aus dessen Trauben er sich einen köstlichen Diabetikerwein zauberte. Er ließ uns - einmal - einen Schluck probieren. Das war kein Dreck, was er sich da gönnte, Donnerwetter. Sein Nachbar, der Wambsganss Willi, kam auch mal rüber, wollte wohl uns Schtudente und unsere Motorräder unter die Lupe nehmen, war allerdings etwas enttäuscht von unseren minderen Geräten, hatte er doch selber zwei 500er BMWs in der Scheune stehen, eine Vorkriegs-R5 von seinem Vater, und eine R51/3 - er fuhr allerdings nicht mehr, weil er's in den Stirnhöhlen hatte. Und obwohl in Harrys Augen ein gieriges Licht aufglomm, als wir die schönen Schaustücke gezeigt bekamen, erlosch dieses Licht ganz schnell wieder bei den auf Anfrage geäußerten Preisvorstellungen des ebenso gierigen Willi.

Am letzten Abend feierte der Winzer ein bißchen mit seinen Herbschtehelfern, und es gab Schlachtplatte mit etwas weniger Kartoffeln als sonst. Wein natürlich bis zum Abwinken. Der Joseph war ziemlich aufgekratzt, denn anders als wir bekam er keine Tagespauschale, sondern wurde nach der Zahl der Hotten bezahlt, die er in die Bütt gekippt hatte. Es war ein gutes Weinjahr gewesen, und der brave Hotteknecht hatte etwas mehr erschuften können als im Vorjahr. Die Liese fragte ihn dann später am Abend, wes Geschlechts denn seine Kinder wären, und er zählte an den Fingern auf: "Jeune fille... jeune fille et garçon... garçon... jeune fille..." da knuffte ihn eine der Kusinen und fuhr ihm in die Parade: "Dummerle, haschd doch drei Bube!" Errötend korrigierte der verwirrte Vielvater seine Aufzählung, die ihm dann beim zweiten Anlauf unbeanstandet gelang.

Gut durchlüftet und gut gelaunt, wenn auch zum ersten Mal leicht verkatert, nahmen wir am nächsten Morgen mit artigen Dankesworten Abschied von der Liese. Aber gestern abend hatte der Joseph dem Harry, der sich lange auf Französisch mit ihm unterhalten hatte, noch einen unschätzbaren Tipp gegeben: Die französische Armee, so hatte er berichtet, hätte im vergangenen Sommer eine Menge Motorräder ausgemustert, darunter auch BMW-Einzylinder, und auf den Schrottplätzen der grenznahen Nachbarorte sei bestimmt noch die eine oder andere Maschine zu finden, eine Kunde, die in Harrys Augen wieder ein Licht aufglimmen ließ. Ich weiß nicht, wie er's immer macht, aber kurz bevor wir den ersten Schrottplatz erreicht hatten (es war die Firma Klotz KG in Landau, die gibt es heute noch), da fuhr er rechts raus. Das Kreuzstück im Kardangelenk seines Hinterradgetriebes war wohl schon seit einiger Zeit angeknackst gewesen, jetzt war es gebrochen, und nur noch die drübergeschraubte Aluguß-Glocke hielt die beiden Gabeln des Gelenks zusammen.
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Au weia. Die Glocke sah auch schon nicht mehr sehr vertrauenerwckend aus. Ganz langsam tuckerten wir auf den Hof des Ausschlächters. Und Bingo! Der Verwerter hatte aus dem französischen Ramschverkauf noch etwa ein Dutzend Horex Regina, und noch zwei R25/2 auf dem Hof stehen.
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Eine sogar mit Beiwagen, und korrekt übersetzt dazu, wie wir an den eingeschlagenen Zahlen erkennen konnten! Mit etwas Chuzpe erschacherte der Harry das seltene Hinterradgetriebe, eine komplette Auspuffanlage, eine Lichtmaschine, ein Vorderrad und diverse Kleinteile für insgesamt 50 DM. Den Beiwagen hätte er am liebsten auch noch genommen, das war ein Steib LS200, viel besser als sein uralter S350, aber dafür wollte der Schrottler noch einen fürstlichen Preis, und soo flüssig waren wir auch wieder nicht. Das Hinterradgetriebe bauten wir dem Harry notgedrungen sofort ein (das hatten wir schon geübt), der Rest verschwand in den unergründlichen Tiefen seines Beiwagenbootes. Ich erstand für einen Zehner einen 18 Liter fassenden Regina-Tank, den ich mit des Sepps Hilfe für meinen Stoffel passend zu machen hoffte, dessen Tank nur 12 Liter fasste (Die Hoffnung erfüllte sich allerdings nicht).

Bevor wir unsere Vorderräder wieder nach Süden lenkten, hatten wir noch eine Station ins Auge gefaßt. In Neckargemünd war eine Gehörlosenschule, und die Anneliese war dort als Ausbilderin tätig. Die Annelie kannten wir nicht soo gut, aber ihre kleine Schwester Marianne, kurz Nanni, war bei ihr auf Besuch, und auf die Nanni standen wir beide sehr (Der Harry mußte allerdings kurz treten, denn seine Helga hätte im Fehlerfall ihm und ihr die Augen ausgekratzt).

Der kürzeste Weg nach Neckargemünd führte nach meiner Generalkarte irgendwo auf der Höhe von Bruchsal über den Rhein. Laut Legende war bei Leimersheim eine Fähre eingezeichnet. Wir navigierten über immer kleiner werdende Straßen zu dem Rheinübergang, und kurz vor dem Ufer hing eine rot-weiße Kette quer über der solide gepflasterten Straße, die dahinter sang- und klanglos in den schmutzig-grauen Wassern des Stroms verschwand und gegenüber wieder raus kam. Keine Fähre weit und breit. Ich glaube, das war eine NATO-Panzerfurt, und auf der Generalkarte war eine Fähre eingezeichnet, um den bösen Feind in die Irre zu leiten. Na gut, dann überquerten wir den Rhein halt bei Germersheim, und diesmal hatte die Generalkarte Recht.

Die beiden Mädchen fanden unseren Besuch Klasse, zumal wir im großen Innenhof der Schule einen Nachmittag lang mit den Gespannen die gehörlosen Kinder umeinanderkutschierten. Besonders begeistert waren die Kleinen, wenn wir mit einem gekonnten Schlenker das Boot mit dem Insassen hochnahmen und dann um den großen Baum in der Mitte des Hofes ein paar Runden drehten. Vor Vergnügen gequietscht haben sie allerdings nicht, daran mußten wir uns erst gewöhnen, sie saßen nur mit weit aufgerissenem Mund im Beiwagen und bedeuteten uns, daß sie nochmal wollten, wenn sie dem Nächsten Platz machen sollten. Zur Belohnung mußten wir unser Zelt nicht im zugigen Schulgarten aufschlagen, sondern durften die Schlafsäcke in der kleinen Turnhalle auf die Bodenturnmatten legen, und die Schwestern luden uns sowohl zum Abendessen, als auch zum Frühstück ein - pennen mußten wir in der Turnhalle.
Die Anneliese hat ein Jahr später einen Ami geheiratet und ist mit ihm über den großen Teich gegangen, und die Nanni schnappte mir der Bernhard weg, der sich mit dem Duft frischgedruckter Banknoten parfümieren konnte. Shit happens.

Das Frühstück war ein frühes, denn die Anneliese hatte Dienst, und es war schlechtes Wetter angesagt, also machten wir uns aus dem Staub. Harrys neue Lichtmaschine war ja noch nicht eingebaut, und wir mußten zusehen, daß wir bei Tageslicht heimkamen. Na ja, mit genügend Stunden zur Verfügung schafft man auch mit einem 45er Schnitt die Strecke nach München.
Entschleunigt.

Falcone Offline




Beiträge: 113.619

21.11.2011 09:43
#79 RE: Meine Erste Antworten

Wieder eine sehr schöne Geschichte, die den Tagesbeginn versüßt!

Zitat
Regina-Tank, den ich mit des Sepps Hilfe für meinen Stoffel passend zu machen hoffte, dessen Tank nur 12 Liter fasste (Die Hoffnung erfüllte sich allerdings nicht).


Warum nicht? Der passte doch, ich hatte den auch auf meiner blauen R25/3 drauf und den Luftfilter dann direkt auf dem Vergaser.

Grüße
Falcone

decet Online




Beiträge: 7.690

21.11.2011 09:54
#80 RE: Meine Erste Antworten

Zitat von Falcone

Zitat
Regina-Tank, den ich mit des Sepps Hilfe für meinen Stoffel passend zu machen hoffte, dessen Tank nur 12 Liter fasste (Die Hoffnung erfüllte sich allerdings nicht)


Warum nicht? Der passte doch, ich hatte den auch auf meiner blauen R25/3 drauf und den Luftfilter dann direkt auf dem Vergaser.


Das wuchs sich zum Projekt aus, der war unter den Kniekissen verrostet, dann hab ich die abgemacht, alles entrostet, geschliffen und gespachtelt, schwarz gespritzt, die Zierlinien draufgemalt (mit Tesaband abgedeckt, das dauerte pro Seite einen halben Tag), und dann schwafelte der Sepp etwas von dem langen Ansaugschnorchel des Originaltanks, und daß sie ohne den nicht richtig läuft, dann hatte ich noch anderen Ärger, und letzten Endes blieb der fertige Tank dann im Schuppen liegen, wie so viel anderer angefangener Kram. Kennst Du das nicht?

Dieter

Falcone Offline




Beiträge: 113.619

21.11.2011 10:13
#81 RE: Meine Erste Antworten

Doch. leider. Nur zu gut ...

Grüße
Falcone

radmanni Offline




Beiträge: 204

21.11.2011 20:18
#82 RE: Meine Erste Antworten

Super Geschichten Dieter.
Such Dir einen Verleger und mach ein Buch davon.

Schornsteinfeger helfen

Caboose Offline




Beiträge: 12.603

21.11.2011 22:55
#83 RE: Meine Erste Antworten

Zitat von radmanni
Super Geschichten Dieter.
Such Dir einen Verleger und mach ein Buch davon.



Sagte ich doch schon einstens.

Einen Verleger braucht man dazu nicht unbedingt.
Auf Neudeutsch heißt das ,Print of demand', passiert
im Digitaldruck und ist vor allem für Miniauflagen
geeignet. Das Verfahren wird häufig für Dissertationen
und sonstige sehr spezielle Fachbücher genutzt.

Nur auf die Druckqualität sollte man achten. Von sehr
gut bis äußerst schaurig wird alles geboten.

Preise lassen sich über das Internet ermitteln.

Gruß, Caboose

.
Ein jeder möge nach seiner Fasson ... .

decet Online




Beiträge: 7.690

22.11.2011 06:32
#84 RE: Meine Erste Antworten

Danke für die Blumen, liebe Leser,
aber ich mach mir keine Illusionen.
Erstens würde es ein dünnes Buch. Zweitens ist der potentielle Leser- oder Käuferkreis immer kleiner, als man denkt. Drittens veröffentliche ich ja! Lesen kann das Forum jeder. Und reich werden kann man mit so was nicht, da ist die Konkurrenz zu groß. Ich such ab und zu mal nach vergessenen und verschütteten Details, und was man da im Internet für hochwertige Amateur-Literatur findet, läßt einen vor Neid erblassen.
Ich habe beim Schreiben meiner kleinen Berichte die Freude, meine Erinnerungen noch einmal zu erleben, und wenn's Euch gefällt, ist das ein Bonus.

Dieter (der immer wieder verblüfft ist über die Leistungen des Gedächtnisses)

decet Online




Beiträge: 7.690

22.11.2011 09:06
#85 RE: Meine Erste Antworten

HEUREKA. Ich hab die Bilder wieder gefunden, und jetzt sind sie da, wo sie hingehören.

Dieter

pelegrino Offline




Beiträge: 51.592

22.11.2011 10:24
#86 RE: Meine Erste Antworten

Zitat
...reich werden kann man mit so was nicht, da ist die Konkurrenz zu groß. Ich such ab und zu mal nach vergessenen und verschütteten Details...

Mach' das - ein bischen mehr Sex & Crime, und schon läuft das ...


pelegrino, der Deine Erzählungen auch gern liest !

"Erfahrung ist der Name,
den jeder seinen Irrtümern gibt." (Oscar Wilde)

Falcone Offline




Beiträge: 113.619

22.11.2011 10:55
#87 RE: Meine Erste Antworten

Mit Bildern gleich noch mal so schön.
Allein das Schrottplatzbild ist vorzüglich.
Ihr habt die armen alten Einzylindern ja mit schweren "Schweinekisten" behängt. Da kann ich mir den Wunsch nach einem leichten LS gut vorstellen.

Grüße
Falcone

Caboose Offline




Beiträge: 12.603

29.11.2011 22:36
#88 RE: Meine Erste Antworten

Kommt noch 'was? - Hoffentlich!

Gruß, Caboose

.
Ein jeder möge nach seiner Fasson ... .

Soulie Offline




Beiträge: 29.637

29.11.2011 22:38
#89 RE: Meine Erste Antworten

Jooo!
Das hoffe ich auch!
Schön wär's ...

Soulie

Ulf Offline




Beiträge: 13.049

29.11.2011 23:00
#90 RE: Meine Erste Antworten

Ich auch.

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