An meiner BMW ist eigentlich nur noch der Hauptrahmen von '77, der Rest ist zusammengesetzt aus einem 100RT-Motor aus dem letzten Jahrgang mit kürzerer Übersetzung aus einer 100GS, Teilen von Honda, Kawasaki, LSL, Louis, Magura, K&N, Siebenrock, Wilbers, P&W, Polybauer, Highsider, Brembo, EBC, Morad, Lucas, JMT, Knoscher, Guzzi, uff ... und einigen Eigenbauteilen. Normal ist da fast nix mehr. Konrad, der sehr nette Vorbesitzer nannte sie deswegen schon „Bastard". Ich nenne sie „Little Bastard", Namen und Schriftzug sind ausgeliehen von James Deans kleinem Porsche.
Die Cobra ist leider nur eine Lack-Inspiration...
Jedes Spielzeug hat ganz bestimmte Talente. Die Blaue sieht nicht nur schnell aus, sie liebt den Bereich zwischen 100 und 180. Auf Landstraßen, denn ich vermeide langweilige Autobahnfahrten. Und weil sie so ruhig, stabil und windschlüpfrig fährt unterschätzt man die echte Geschwindigkeit. Der tiefe, sonore Klang hat nicht mehr viel vom harmlosen Original. Ein 1000er Siebenrock-Kit reduziert die Vibrationen, dreht schneller hoch und macht richtig Druck in allen Drehzahlbereichen. Sie ist leicht, durchzugstark und erstaunlich handlich. Enge Kurven sind trotz Stummellenker kein Problem. Moderne Wilbers-Federbeine eliminieren störende Kardanreaktionen beim Schalten in Kurven und beim Anfahren. Fühlt sich (fast) an wie ein Kettenantrieb. „Gummikuh" war einmal.
Die Tagesausbeute an Insekten...
Konrad hat mich besucht und hat seine alte BMW bald nicht wiedererkannt. Das hat ihn ganz schön mitgenommen. Er hatte sie 20 Jahre geliebt, optimiert und nur aus gesundheitlichen Gründen verkauft. 2004 hat er einen riesigen Siegerpokal bei einem Boxertreffen gewonnen und war damit in der "MO". Wir sind zusammen ausgefahren. Nach einer Viertelstunde hat er angehalten und die warm gefahrene BMW nur nach Gehör sauber eingestellt. Danach hat sie die rote Triumph Thruxton locker abgehängt (aber nicht die Grüne). Wir haben die Motorräder zwischendrin getauscht und waren uns einig: Sie hat so um die 75PS.
So hat der Bastard vor dem Umbau mal ausgesehen... irgendwie uralt und keine Schönheit:
Die BMW war richtig klein im Vergleich zur Vespa meiner Frau. Nachdem ich von ihr das Okay hatte einen Teil des Wintergartens als Werkstatt und Stellplatz zweckentfremden zu dürfen war es mir im Winter nicht mehr langweilig.
Hier sind noch Fotos aus der Bastelphase:
Den schraubbaren (!) Heckrahmen zurechtgeflext, mit angeschweißten Knotenblechen versteift und hinter den Federbeinaufnahmen ca. 5cm hochgebogen. Die Batterie mit Ladekabel unter den Höcker verlegt. Mittlerweile ist eine leichte JMT-Lithium-Batterie drin. Ein Druck auf den Starter und sie ist im Frühjahr ohne Vergaserprobleme sofort wieder da. Besser als mancher Japaner...
Den P&W-Höcker und die schöne, aber angeknaxte P&W-Halbschale repariert, verstärkt, und eine Ausbauchung für den Tacho einlaminiert. War ein Reststück vom gekürzten GFK-Fender (Typ „Ducati"). Alle Befestigungspunkte und neue Statikstreben versteckt nach innen verlegt. Halbschale und Sitz sind jetzt mit Rändelmuttern ohne Werkzeug in einer Minute abnehmbar um an Werkzeug, Batterie und Sicherungen zu kommen. Die Spiegel sind an inneren Auslegern befestigt um deren Winddruck nicht an der Halbschale oder am Lenker zu haben. Das mit den neuen Statikstreben war ein Experiment, das aber beim Fahren einwandfrei funktioniert und beim TÜV nicht als erhebliche Abweichung vom Original erkannt wird. Ich kenne da einen Prüfer der sieht zuerst den 2 seitigen Schein und dann die BMW aus 2 Meter Entfernung an, sagt: „sieht ja alles gut aus", und dann bekomme ich die Plakette. Damit fährt er nicht...versteh ich, mit kurzen Hosen und Sandalen ist das eine Zumutung.
Der Polizeitank mit altmodischem „Brotzeitfach" wurde verkauft und getauscht gegen einen ohne Fach und mit mehr Tankvolumen (2V-Boxer-Fans kaufen alles, auch „Schrott", zu stolzen Preisen). Er liegt hinten ca. 2cm höher für eine saubere, sportlichere Gesamtlinie. Dadurch lag der Tanktunnel im Freien. Dem Sattelunterteil hab ich deswegen (und für eine bessere Sitzposition) vorne am Tank eine Erhöhung anlaminiert.
Tacho, Blinker, Scheinwerfereinsatz, Endtöpfe und die linke Schaltereinheit von Louis montiert
Eine neue, klappbare Kupplungsarmatur von einem Motocross-Ausrüster macht die Kupplungsbetätigung leichtgängiger als bei jeder anderen Maschine die ich kenne! Man glaubt erst, da ist was kaputt, so leicht geht das. Nachteil: Wegen der geänderten Hebelverhältnisse verglichen mit dem Original ist kein Kupplungsspiel mehr einstellbar. Ein Nachstellen des Kupplungszugs ist manchmal nötig.
Die Abdeckung des alten Tachogebers ist ein aufgeklebtes 5-Cent-Stück, das unten so hohlgeschliffen ist daß es auch den Überdruck im Getriebe rausläßt. Bei einer Katzenwäsche wird das abgeklebt. Und der Ledersattel und die Löcher im Luftfilterdeckel ebenso. Regen kennt die Blaue sowieso nicht.
Und noch was Komisches: Die Rückholfeder der Schaltung ist etwas altersschwach gewesen, eine typische 2V-Boxer-Krankheit, wurde vom Vorbesitzer sogar schon mal getauscht. Eine große Reparatur, die ich nicht nochmal machen wollte, vor allem ohne Aussicht auf Besserung. Ich habe also einen federnden Karbonstab so unter den Schalthebel platziert, daß er nach dem Runterschalten den Schalthebel schnell und sicher wieder in die Mittelposition bringt. Funktioniert perfekt zusammen mit der extrem leichtgängigen Kupplung. Fühlt sich irgendwie japanisch und modern an.
Eine edle Aluabdeckung für die peinliche Original-Blech-Gabelbrücke mit 2 integrierten, BMW-typischen Ladekontrolleuchten entworfen, gezeichnet und fräsen lassen. Das geht nur mit besten Beziehungen. Mit „so was" soll ich bloß nicht mehr daherkommen
Zwischendurch hat sie zufällig fast so ausgesehen wie der Flat-Twin aus dem Joe-Bar-Comix im Band 1, der das Joe-Bar-Team im Straßenrennen aufgemischt hat. Bei den Franzosen heißt diese BMW mit Flic „Lévrier noir" (Schwarzer Windhund). Ich hab sie hier in einer italienischen Version gefunden: https://www.youtube.com/watch?v=kAI8YIyhZFE
Dazu passt, daß meine BMW im ersten Leben tatsächlich eine R75-Polizeimaschine war, mit 120000km auf dem Buckel. Im zweiten Leben kamen noch 40000km mit neuem, zuletzt getunten 1000er Motor dazu. Die alten Werte im KFZ-Schein bei Gewicht (218), Leistung (64 PS) und Vmax (180) liegen im dritten Leben bei gewogenen 196 kg vollgetankt, geschätzten 75 PS und echten 200 km/h, und dann kam eine Kurve, sonst wär noch mehr gegangen…
Und nachdem die edle Lackierung (wie immer vom Bernd) und der feine Ledersattel mit Gel-Einsatz (wie immer vom Capalbo) im Frühling endlich fertig waren sieht man den chaotischen Unterbau und die ganze Arbeit nicht mehr. Zu dieser Zeit ungefähr muß ich mir den Umbau-Virus eingefangen haben.
Ein begeisteter Opi an einer Tankstelle sagte zu mir: „Schade, daß BMW sowas früher nicht gebaut hat. Da hätten die Japaner einpacken können..."
Ich seh in ihr eher einen Gegenentwurf zu meinen italienischen Träumen aus den 70ern, zu früher mal probegefahrenen Königswellen-Ducatis (900SS, MHR1000) und Guzzi-Klassikern (LM1,V7 Sport). Die hatten alle ihre Macken (oder eher: eigenen Charakter), und wenn's nur Flammen aus den offenen Vergasern waren oder der Wendekreis eines LKWs, oder dies, oder das... man musste leiden können und viel Geld übrig haben. Verglichen damit ist „Little Bastard" stressfrei und pflegeleicht, und bei den Fahrleistungen ebenbürtig. Eine Tagestour halte ich trotz lädierter Handgelenke (Karpaltunnel) noch aus.
Und schick ist sie auch noch geworden – für eine BMW – was sie ganz extrem rar macht.
Ich wünsch euch und euren Familien noch schöne Feiertage, aufregende Hobbies und 'nen guten Rutsch !
Es wurde schon alles gesagt ... (Aber noch nicht von allen)
Fesch! Natürlich hab ich wieder was: Die weißen Streifen der Verkleidung hätt'ich analog den übrigen senkrecht verlaufen lassen. Und das Rücklicht ... Für die Überwachung aus der Luft. Würde hier im Norden mit Sicherheit beanstandet. Ansonsten wie gewohnt ganz edle Arbeit.
Hallo Enzo, meine ganz persönliche konstruktive Kritik:
gefällt auf jeden Fall sehr gut (vor allem auch die Lackierung), aber diese spindeldürre Originalgabel wär wirklich das erste, was ich bei einem sportiven Boxer-Umbau rausschmeißen würde! Es muss ja nicht gleich eine Upside down sein, aber ein paar stämmige Standrohre mit Vierkolbenzangen schaut einfach um Lichtjahre besser aus.
Hast du schon mal an einen R 80 G/S bzw. ST-Tank gedacht, gefällt mir besser weil schlanker und in der Seitenansicht deutlich kompakter - eventuell kombiniert mit einem dieser schön luftig bauenden gewölbten Lufikasten-Deckel aus Guss, und den dann explizit nicht poliert (am liebsten Block in schwarz und nur Stirn- und Ventildeckel poliert, Kühlrippen überschliffen).
Die hochgezogene Sitzbankvorderkante ist auch nicht so mein Fall, ebenfalls dürfte die zu breite Halbschale gern einen Ticken schmaler ausfallen.
ZitatDie Neigung des Rücklichts sollte vielleicht mehr in der optischen Flucht der Sitzbank stehen.
Da hatte Enzo wohl plötzlich keine Lust mehr. Ein bisschen integriert im Höcker und entsprechend der StVZO mit sekrechter Streuscheibe - dann passts. Dennoch: Respekt!