Jetzt mal ein anderer Gedanke zum Thema Fahrwerk, ich fände es schön, wenn Wissendere als ich sich dazu äußern könnten.
Ich stelle mir vor, dass die W bei 120 Km/h in einer langgezogenen Kurve fährt und sich eine Unregelmäßigkeit in der Fahrbahn nähert, z.B. ein Absatz in Längsrichtung, eine Bodenwelle oder sonst was. Ich versuche mir vorzustellen, was jetzt am Motorrad passiert. Gabel: Durch die Schräglage und den Stoß von unten wird am Reifenaufstandspunkt eine der Kraftkomponenten als Querimpuls versuchen, das doppelte Rechteck bestehend aus oberer und unterer Gabelbrücke plus Standrohre sowie unterer GB und Radachse plus Stand- und Tauchrohre zur Seite zu verziehen. Übertrieben von vorne gesehen liegt das Vorderrad für kurze Zeit links oder rechts neben seiner eigentlichen Spur. Die anderen Kraftkomponenten lasse ich hier im Moment außen vor. Die Verschraubungen der G.B. und der Achse sowie die Eigensteifigkeit der Standrohre wirken einem Verzug entgegen. Ein Gabelstabi kann hier nach dem gleichen Prinzip wie eine Gabelbrücke versteifenden Beitrag leisten. In meiner Vorstellung kann hier eine schwache Gabel vor allem bei hoher Geschwindigkeit, wenn die Auswirkungen der Stöße von unten immer mächtiger werden, störende Schwingungsimpulse ins Fahrwerk leiten. Aber: Das Vorderrad bleibt lagemäßig immer in einer Ebene wie das Moped, kippt also nicht zur Seite weil es in stabil dimensionierte und ausreichend steife Parallelogramme eingebunden ist, die das kaum zulassen.
Gabelzeichnung.png - Bild entfernt (keine Rechte)
Der Rahmen bekommt von vorne her über den Steuerkopf ebenfalls einen Querimpuls ab, der sich um so weniger bemerkbar macht, je besser ausgesteift der Rahmen ist. Jetzt komme ich allmählich zu dem, was mich am W-Fahrwerk am meisten grübeln lässt.
Wir sind immer noch in schneller Schräglage und das Hinterrad überfährt die Unebenheit. Neben anderen Komponenten wird auch hier am Reifenaufstandspunkt ein Querimpuls eingeleitet. Die Hinterradschwinge weist allerdings nicht in dem Maße aussteifende Rechtecke auf. Sie ist ein U-förmiges Rohrgebilde das über Winkelaussteifungen an den Eckpunkten des U verfügt. Zwar bildet die Schwinge zusammen mit der Radachse ebenfalls ein Rechteck, aber ein liegendes und Störimpulse die das Rad unten am Aufstandspunkt seitlich auslenken wollen finden in dieser Belastungsrichtung erheblich weniger Widerstand vor wie an den stehenden Rechtecken vorne. Der selbe Störimpuls von Seiten der Fahrbahn dürfte hier ein Kippmoment des Hinterrades erzeugen das abhängig ist von der Steifigkeit der Schwinge und der Nachgiebigkeit der hinteren Stoßdämpfer und erheblich höher ist als in der Front. Während der Störimpuls an der Gabel für nach wie vor gleichmäßiges Eintauchen links und rechts sorgen wird, dürfte er hinten durch die weniger steife Schwinge für minimal ungleichmäßiges Eintauchen der Federbeine links und rechts sorgen. Radachse und die liegende Schwinge wird sich im Vergleich zu vorne mehr verziehen in Richtung einer verdrehten Ebene und alles was sich elastisch verzogen hat, will sich in Ausschwingvorgängen (die der Fahrer möglicherweise spürt) wieder strecken. Die Dämpfung der Federbeine dürfte hier eine große Rolle spielen.
Wenn ich jetzt an die Gabel mit ihrem doppelten stehenden Rechteck und 39mm Standrohren denke und das dann mit der Situation hinten vergleiche kann ich nur zu dem Schluss kommen, das hinten das wesentlich größere Problem liegt. Ein Freund von mir fährt die 1000-er Firestorm gedrosselt, geht 240 und nach seinen Aussagen absolut stabil auf der Straße bis hin zur Endgeschwindigkeit. Konventionelle Gabel mit 41-er Standrohren (also putzige 2mm mehr als an der W), nix Upside Down. Aber hinten ein Trümmer von einer Schwinge verglichen mit der W, mit zentralem Federbein. Da verzieht sich garantiert nichts. Also frage ich mich ob man sich nicht viel mehr Gedanken über Alternativen zur originalen Schwinge machen sollte in Richtung steifer und größere Querschnitte und dem einen viel größeren Stellenwert als den Verbesserungen vorne geben sollte. Ich habe in der Suche bisher nichts darüber gefunden.
Zitat von Falcone im Beitrag #44Ok. Akzeptiert. Und ohne Relevanz für die W.
dann können wir ja wieder zur Tagesordnung übergehen.
Aber natürlich von großer Relevanz für die W, denn auch damit möchte man sicher, komfortabel und evtl. sogar einigermaßen flott in den Bergen unterwegs sein. Und wer mal erfahren hat, dass das mit 2.5 bar viel besser geht als mit 2.3 bar, der fragt sich, warum er im flachen Land mit dem Druck wieder runter gehen soll. Der Federungskomfort bei der W ist auch mit härteren Reifen mehr als ausreichend.
Ungeachtet dessen können wir aber selbstverständlich zur Tagesordnung übergehen.
Gruß Serpel
Also ich habe mal gelernt, dass ein größerer Latsch Haftungsvorteile bringt, speziell in Schräglage. Und mit sinkendem Druck wird der Latsch größer, andererseits leidet das Handling. Letztlich geht es wohl darum, den persönlichen Sweet spot zu finden.
Aber der hängt ja von Reifenform und -aufbau, Gesamtgewicht der Fuhre, Fahrweise, Vorlieben usw. ab. Pauschalaussagen scheinen mir da unangebracht.
- Zwischen den Reifenherstellern liegen Riesenunterschiede, speziell Bridgestone will immer viel mehr Druck. - Auf der W fahre ich immer noch alte AVON runter, die kriegen z.B. vorne auch 2,3 statt der empfohlenen 2,0. Fühlt sich besser an. - Die Slicks (Pirelli Superbike SC1/SC2) auf meiner Renn-1198S kriegen aber z.B. nur vorgeheizt v2,1 / h1,9. Haftung und Handling sind allerdings auch nicht vergleichbar mit der W . Andere Slicks wie Dunlop sind noch extremer (h1,5).
Erfahrungsgemäß scheinen mir die Druckempfehlungen bei Straßenreifen eher hoch zu sein, um bei Vollgas auf der Autobahn nix zu riskieren.
Zitat von Knallert im Beitrag #46Jetzt mal ein anderer Gedanke zum Thema Fahrwerk, ich fände es schön, wenn Wissendere als ich sich dazu äußern könnten.
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Was meinen die Fachleute?
Grüße, Knallert
Ohne mich hier als Fachmann zu bezeichnen:
1. Ja, ich glaube auch, dass die Schwinge einen großen Beitrag zur fehlenden Fahrstabilität der W leistet. Ich habe stabilere Brücken (LSL) und eine von Franz Racing umgebaute Gabel (geänderte Löcher im Dämpfer, keine Cartridge o.ä.) dran, damit ist zwar etwas mehr Ruhe, aber kein Vergleich z.B. zu einer 1995er Ducati 900 SS mit ausgelutschtem Showa Fahrwerk. 2. Ich glaube das der Rahmen ebenfalls seinen Beitrag leistet. Der Oberzug ist nicht wirklich verwindungssteif und die Schwingenlagerung auch nicht so stabil. 3. Die Reifen sind auch nicht doll...
Also die Schwinge an sich und auch ihre Lagerung sind ganz gewiss nicht die Schwachstellen der W. Die sind für 50 PS wirklich stabil ausgelegt. Die Gabel, die Gabelbrücken und auch der Rahmen hingegen dürften schon eher für das Geschaukel in Kurven verantwortlich sein.
Auf jeden Fall liegt die W schon deutlich ruhiger mit guten Reifen (Conti), besseren Stoßdämpfern, Wirth-Gabelfedern und etwas weniger Luftpolster in der Gabel. Alles, was darüber hinaus geht, geht richtig ins Geld und ist nicht mehr recht wirtschaftlich. Was natürlich niemanden hindern soll, es trotzdem zu tun.
Ach ja, und noch etwas: Ein Gewichtstuning des Fahrers macht auch enorm viel aus.
Die Schwinge wird nicht von PS verdrillt, sondern von Nm, angeliefert von der Kette. Von 200 PS darf man sich nich blenden lassen - bei Motorrädern vom Supersporttyp, also denen mit der massiven, torsionsfesten Schwinge, werden die Nm lediglich über einen größeren Geschwindigkeitsbereich angeliefert, es müssen deswegen nich so viel mehr sein.
Ansonsten finde ich das eine sehr gute Frage, die da aufgeworfen wurde, deren Beantwortung aber so komplexe physikalische Zusammenhänge berücksichtigen muss, dass wir das hier im Forum vermutlich nicht beantworten können. Noch dazu, wenn Leute die Antwort schon kennen, ohne sich jemals vertieft mit der Problematik auseinandergesetzt zu haben.
Und du meinst also, dass wir bei der W so viele unterschiedliche Motoren verbaut haben, dass die Aussage "50 PS" in die Irre führt, weil wir es an der Schwinge mit mit unterschiedlichen Drehmomenten und dadurch variierenden Belastungen zu tun haben? Oder auf welchen Pfad der Tugend sollte uns "Die Schwinge wird nicht von PS verdrillt, sondern von Nm, angeliefert von der Kette" bringen?
Aber um noch mal auf die Stabilität der Schwinge zurückzukommen: Ich zumindest war nie enttäuscht von dem Aufwand, den Kawasaki mit der Dreifach-Lagerung der Schwinge betrieben hat und es zeigt sich ja auch, dass hier keine Schwachstelle zu erkennen ist.
Die Deformation der Schwinge ist eine statische Größe, die kann man nicht mit PS berechnen.
Aber egal: Jetzt wissen wir immerhin, dass die Belastung der Schwinge bei einem 200 PS-Motorrad nur etwa 70 % größer ist als bei der W. Ob die Hersteller dafür ein derartig verwindungssteifes Teil gebaut hätten, wenn bei einem 50 PS-Möfi eine simple Zweiarmschwinge bereits für tadelloses Fahrverhalten sorgen würde?
Wie schon gesagt: Rein vom Gefühl her sehe ich bei der Schwinge keine Schwachstelle und ich denke, deine Aussage "Die Deformation der Schwinge ist eine statische Größe" dürfte das bestätigen. Es wird ja oftmals angenommen, dass sich die Schwinge im Fahrbetrieb deswegen verwindet, weil in Kurven die eine Seite mehr belastet wird als die andere und sich deswegen die beiden Schwingarme zueinander verdrehen. Ich denke, du wirst bestätigen, dass dem nicht so ist. Und eine spielfreie Lagerung sollte ja auch gegeben sein, wenn alles stimmt. Ein stabilerer Vorderbau ist also sicherlich die zielführendere Maßnahme, um der W die Schaukelei in langgestreckten Kurven abzugewöhnen.
Zitat von Falcone im Beitrag #56Es wird ja oftmals angenommen, dass sich die Schwinge im Fahrbetrieb deswegen verwindet, weil in Kurven die eine Seite mehr belastet wird als die andere und sich deswegen die beiden Schwingarme zueinander verdrehen. Ich denke, du wirst bestätigen, dass dem nicht so ist.
Nein, auf Grund der nicht verschwindenden Breite des Reifens ist das tatsächlich so.