Hatte im Zusammenhang mit den Reparaturversuchen der Steuerungselektronik bei meiner S 1000 RR diese Woche Gelegenheit zu einer Probefahrt mit oben genannten Motorrädern. Das Resümee gleich vorneweg: Jedes Motorrad hat seine speziellen Reize und lohnt, in den engeren Kreis der Favoriten genommen zu werden.
K 1300 R: Die zuerst, weil ich sie zuerst gefahren bin.
Im Stand ein Mordsklotz, der - erst mal in Fahrt - seinen Schrecken verliert, ja sogar erstaunlich handlich ist und dabei ein überlegenes Fahrgefühl vermittelt. Damit bist du wer und wirst vermutlich von der Umwelt so wahrgenommen. Ich bin die Flying Bricks nie gefahren (nur einmal ganz kurz), aber die neue K kann von der alten nicht so weit entfernt sein, wenn man den Beschreibungen glaubt. Auch der moderne R4 besitzt Legobaustein-Charme, dreht aber willig und einigermaßen geschmeidig bis in höhere Drehzahlregionen. Vom aggressiven Biss einer S 1000 RR zwar meilenweit entfernt, dafür aber mit jeder Menge Bums von unten raus und mit dem komfortableren Laufgeräusch. Auch mit diesem Motorrad ist man ständig zu schnell unterwegs, weil es souverän fährt und souverän macht. Dabei ist das Fahrwerk in keiner der drei ESA-Stufen ein gemütlicher Schaukelstuhl, sondern eher von der straffen Sorte, die auch bei sportlicher Gangart genügend Reserven bietet. Verblüffend die ausgeprägte Handlichkeit für so einen Riesenbock. Etwas enttäuscht war ich von der Unauffälligkeit der Hossack-Gabel, die sich beim Fahren kaum bemerkbar machte. Vermutlich ist das im Endeffekt aber eher Lob als Tadel. Tadel gibt es von mir lediglich für die Sitzposition, aber das ist wirklich sehr subjektiv, weil ich nun mal zu den Gebückten gehöre: die hohe, nah am Fahrer platzierte Lenkstange ist weder bequem noch einer aktiven Fahrweise zuträglich, sondern einfach Mist. Passt nicht zu einem Motorrad, das im Grunde als Sportler oder zumindest sportlicher Gran Turismo konstruiert wurde.* Wenn K 1300, dann auf jeden Fall K 1300 S (ohne die je gefahren zu sein).
Ach ja, der einzig echte Kritikpunkt ist die Sitzbank mit jeweils einer Kante im Seitenbereich, die bereits nach kurzer Fahrstrecke Unterseite Oberschenkel drückt und Schmerzen verursacht. Kaum zu glauben, dass BMW so was nach mehreren Jahren Bauzeit unverändert auf die Kundschaft loslässt. Und irgendwie seltsam muten auch die deutlich spürbaren Vibrationen an, die beim Gaswegnehmen wie aus dem Nichts entstehen und so gar nicht zu einem luxuriösen Motorrad passen wollen.
Gruß Serpel
*Kann sein, dass das ne Lenkstange aus dem Zubehör war.
F 700 GS: Als preisgünstiger Einsteiger-Töff konzipiert, macht beim anfänglichen Umkreisen und "Besteigen" des Motorrads erstmal so gar nichts wirklich an. Zwar wirkt nichts billig im negativen Sinn, aber alles ist so unheimlich nüchtern bis lieblos und rein aus der Funktionalität heraus geboren. Den Vogel schießt die Lenkstange ab, die ich als primitiv gebogenes schlichtes Rohr in Erinnerung habe. Auch sonst ist da kein Flair, kein Luxus, nur sachliche Langeweile.
Aber fahren tut das Ding, dass es richtig Freude macht! Damit hatte ich bei einem Fahrzeug der Brot-und-Butter Klasse nun wirklich nicht gerechnet. Zwar sitzt man eher im Motorrad als oben drauf, durch die Sitzhöhe hat man aber doch das Gefühl, in großer Höhe über die Fahrbahn zu schweben. Ja, schweben - zumindest in der "Comfort"-Einstellung des ESA-Fahrwerks, denn die Federelemente besitzen lange Wege und sind toll abgestimmt. Damit kann man stundenlang im komfortabel gepolsterten Sattel mit der etwas eingepferchten Sitzposition über zerfurchte Landstraßen gleiten, ohne durch Ermüdungserscheinungen im Allerwertesten eingebremst zu werden. Im positiven Kontrast zu den gebotenen Reisequalitäten steht die ausgeprägte Handlichkeit der Enduro, die es auch ungeübteren Fahrern leicht macht, in den Alpen engste Serpentinen flott und easy zu umkreisen. Wer damit am Stelvio keine Probleme hat, kann noch längst nicht Motorrad fahren, und das ist durchaus als Kompliment zu verstehen.
Der gleichlaufende Paralleltwin erinnert mich eher an den Antrieb der W 650/800 als an den Boxer aus dem Hause BMW. Zumindest von den Vibrationen her, denn im Laufgeräusch imitiert er den 180°-V-Motor mit 180° Hubzapfenversatz und 360° Zündfolge sehr genau. Nicht ganz so weich wie der vorbildliche Kawasaki-R2, aber doch rund und mit gehörig Drehmoment zieht die F 700 mit dem 800 ccm-Motor von unten raus und dreht munter hoch. Mit einem 200 PS Supersport-Aggregat natürlich nicht zu vergleichen, dafür aber zeigt das Multifunktionsdisplay sensationell niedrige Verbrauchswerte an. Und das entschädigt am Ende des Tages für so Manches.
Der Nutzwert eines solchen Motorrads aber wird nicht nur durch seine Wirtschaftlichkeit bestimmt, sondern auch und im Besonderen zum Beispiel durch ein Topcase, das phänomenal einfach zu bedienen ist und einen echten Vollvisierhelm schluckt. Und zwar nicht mit Hängen und Würgen, sondern einfach so: reinlegen, zuklappen, fertig. Und obendrein durch simples Umlegen eines stabilen Metall-Bügels in Sekundenschnelle auf optisch erträgliche Bauhöhe heruntergefahren werden kann.
Wenn ich was vermisse an einem Superbike, dann den legendären Praxisnutzen eines solchen Heckkoffers.
Zitat denn im Laufgeräusch imitiert er den 180°-V-Motor mit 180° Hubzapfenversatz und 360° Zündfolge sehr genau.
??
Aber ansonsten stimme ich dir zu: Ein ideales Reisemotorrad. Wenn sie nur nicht so grottenhässlich wäre - teuer noch dazu. Aber es gibt ein Zubehör-Angebot, bei dem keine Wünsche offen bleiben.
Trotzdem: Ich will mich auch an einem Motorrad erfreuen und mich auch damit identifizieren können. Ich fahre ja auch keinen Golf!
Zitat denn im Laufgeräusch imitiert er den 180°-V-Motor mit 180° Hubzapfenversatz und 360° Zündfolge sehr genau.
??
B2-Motor.
Zitat von Falcone im Beitrag #3Wenn sie nur nicht so grottenhässlich wäre
Ja, das ist sie. Seltsamerweise gefällt mir die teurere 800er bereits wieder recht gut. Aber ich bin BMW-verseucht und gehe den Marketing-Fuzzis offenbar voll auf den Leim. Die W ist ja aber auch nur im Neuzustand und frisch geputzt wirklich schön. Etwas angejahrt und schlecht gepflegt wirkt sie schnell schmuddelig.
Mein Urteil: Was die F in puncto Antrieb der W unterlegen ist (ist sie das überhaupt?), macht sie beim Fahrwerk mehr als wett. Das Fahrwerk der F ist - für die Preisklasse - sensationell gut.
Zitat Was die F in punkto Antrieb der W unterlegen ist (ist sie das überhaupt?)
Ich denke, das ist sie nicht. Als Falconette und ich damals die Vergleichsprobefahrten zwischen F800 und F650 (so hieß die F700 damals noch) machten, legten wir besonderen Wert darauf, dass der Motor einen vergleichbaren guten Durchzug von unten heraus und damit stressfreies Motorradreisen bietet. Das hat er voll erfüllt, im Gegensatz zur im Vergleich ziemlich nervösen F800.
Ja und Martin hat natürlich recht, das arme Erdferkel Erdferkel sind süß, aber kein Futter muss immer herhalten. Das ist zu tiefst ungerecht und ferkelistisch.
K 1300 R: ... Damit bist du wer und wirst vermutlich von der Umwelt so wahrgenommen
Sorry, aber das ist kompletter Realitätsverlust, es mag ja ein gutes Motorrad sein, aber wenn mir jemand mir so einer Kasperkiste entgegenkommt lach ich ihn aus.
ich bin Motorradfahrer, kein Motorradposer. Bruno, für immer in unseren Herzen
Zitat von Serpel im Beitrag #2 Aber fahren tut das Ding, dass es richtig Freude macht!
Jetzt noch folgende Details ändern: - den Sitzbalken gegen eine WÜDO-Sitzbank austauschen - Federbein der F 800 GS und Wirth-Federn montieren - die Übersetzung auf die der F 800 GS ändern - Lufttemperaturbescheißer einbauen (das bedingt eine sanftere Gasannahme)
Und um mit allen Vorurteilen aufzuräumen: Die "kleine" F ist 2,27 m lang und hat über 210 kg Zuladung. Außerdem geht der Motor auch noch im Zweipersonenbetrieb ordentlich voran. Die F 650 hatte übrigens nur eine Scheibe am Vorderrad. Und die Bremse bremst! Damit wäre bewiesen, dass die Kawa-Ingenieure wohl keine große Lust gehabt haben. Es wäre schlimm, wenn sie's nicht besser könnten...
Aber schöner ist eine W auf jeden Fall.
Aber das macht nix!!!
Viele Grüße Thomas
Dinge rund um's Moped, die ich nicht mehr missen möchte:
- Schuberth J1 - Rukka sturmhaube windstopper - BMW Winterhandschuhe - Daytona Trans open GTX - Hupe Stebel Nautilus - HKS Kettenfett - Saito Batterieladegerät ...
bei den vielen Optimierungsansätzen frag ich mich dann schon, warum ich so einen Augenlicht gefährdenden Hobel kaufen soll.
Dann doch lieber gleich so einen Yamaha Dreizylinder-Bügeltostervollautomat. Billiger, schneller, Drehmomentmonster und sieht fast noch schlechter aus.