Ja, die Sehnsucht nach dem einfachen (armen) Leben, die uns alle immer wieder überfällt, nachdem statt des Plumpsklos nun das Dritt-WC mit Bidet vorhanden, statt der Kohlen Schlepperei aus dem Keller nun die Fußbodenheizung mit Geothermie plus Solarzellen unsere Flossen und den Arsch erwärmt.
Wie schön. Vielleicht sogar tatsächlich, sofern selbst bestimmt (mit Ausstiegsklausel natürlich).
Ich kann mich allerdings immer noch an das Plumpsklo übern Hof etc. erinnern und ich hasse den muffigen Geruch von Altbauten mit Sickergruben.
Wenn schon Eremit und Ruhe, dann bitte mit einem Rest Qualität, aber den PC und alle Telefoniermöglichkeiten sollte man dann konsequent auch vergraben.
Na ja, knapp 1.200 Kilometer können schon ganz schön lang sein. Und eine vernünftige Fluganbindung gibts nicht. Verona oder Bergamo. Aber der Gardasee war Liebe auf den ersten Blick. Das muss wohl 1967 gewesen sein. Dann ging die Surferei los, 1974, und die hat mich nach wie vor gepackt. Bloß ist mir momentan das Wasser noch zu kalt. Dann das Klima, logisch. Und die Menschen. Und schließlich kam noch das Kradeln dazu. Für mich ist es das Schlaraffenland. Die feine italienische Cucina genießen wir allerdings nur bedingt. Dazu sind wir zu wenig Gourmets, ich eher Gourmand. Ich bin heute nur rund 40 Kilometer geknattert, aber schwindlich gekurvt.
Um euer Zweit-/Erstdomizil am Gardasee beneide ich euch. Wir werden dieses Jahr wohl gar nicht runterkommen. Sommerurlaub ist diesmal anderweitig geplant. Monatelang Sommer, Segeln, Surfen, Schwimmen, Kradeln, Wandern ...
Ich könnte natürlich noch weiter ausholen. Die Architektur, die Kultur, die Art, wie man hier Straßen pflastert, die Glockenspiele der Kirchen. Bei uns in Hamburg schlägt die - monoton-traurig klingende - Glocke morgens um neun, um zwölf und um sechs jeweils 180 mal im Sekundentakt Bum-Bum-Bum. Ruhestörender Lärm! Als die Kirche gebaut wurde mussten auf Beschwerde der - betuchten - Nachbarn an zwei Seiten die Schallfenster geschlossen werden. In meine Richtung darf sie leider schallen. In dieser Richtung wohnen sozial Schwächere. Vor 20 Jahren hatte ich den damaligen Pfarrer schon um 120 Schläge runtergehandelt. Bin ich der Einzige, den dieser bräsige Lärm stört? Oder resignieren die anderen bzw. sind duldsamer? Diese jeweils drei Minuten Bum-Bum-Bum nerven mich jedenfalls gewaltig, wenn ich außerhalb meiner vier Wände bin. Ich hatte mich mal über dieses Thema im Wartezimmer meines Zahnarzts mit einer ebenfalls auf dessen Bohrer wartenden Frau unterhalten und sie gefragt, ob die Menschen hier im Norden wirklich so bräsig sind, dass sie das nicht stört. Ja, meinte sie. Hier lausche ich den unterschiedlichen, wunderschönen Glockenspielen. Ich erfreue mich dran.