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Dieses Thema hat 328 Antworten
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 W650/W800 Technik Bereich
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Serpel Offline




Beiträge: 47.384

22.11.2009 20:26
Massenausgleich im Kurbeltrieb/Ausgleichswellen Antworten

Die dunkle Jahreszeit ist da - Zeit, sich wieder mehr den theoretischen Dingen des Lebens zu widmen.

Ich hab mich schon lange gefragt, wie die Komponenten Kolben, Pleuel, Kurbel- und Ausgleichswelle(n) eines Hubkolbenmotors aufeinander abgestimmt sein müssen, damit der Motor möglichst ruhig läuft. Mein erster Vorstoß in diese Richtung konnte zwar einige Fragen klären, jedoch blieb der Einfluss der rotierenden Massen - Kurbelwelle (KW) und Ausgleichswelle(n) (AW) - unberücksichtigt.

Klar, dass die Angelegenheit durch Hinzunahme weiterer Parameter nicht einfacher wird! Deswegen beschränke ich mich erst mal auf das einfachste Motoren-Layout, den Einzylinder und den gleichlaufenden Paralleltwin nämlich, die bezüglich des Schwingungsverhaltens miteinander identifiziert werden können (solange es nicht um Torsions- und Biegebelastungen der Kurbelwelle geht). Die W ist also gleich von Anfang an mit dabei. (Der Scrambler allerdings nicht. )

Keine Ahnung, wohin die Reise führt, aber ein Versuch ist es wert!

(Fortsetzung folgt)

Buggy Offline




Beiträge: 20.373

22.11.2009 20:46
#2 RE: Massenausgleich im Kurbeltrieb/Ausgleichswellen Antworten

Viel Spass beim forschen.
Aber jetzt nicht den Boxer zerlegen.(um mal rein zu schauen)

Gruß
Buggy


Schützt unseren Planeten,es ist der einzige mit Bier!
Mitglied der Bewegung 10.12. sinnfreie bunte Zellen der Revolution der sinnfreien Brigaden Europas

First Member of The Spießers MC Chapter H

Serpel Offline




Beiträge: 47.384

22.11.2009 20:51
#3 RE: Massenausgleich im Kurbeltrieb/Ausgleichswellen Antworten

Drauf gestossen bin ich über diese Seite, wo die ganze Angelegenheit sehr gut beschrieben wird.

Besonders schön finde ich die erste Bildfolge, wo mit verschiedenen Farben die unterschiedlichen Massen und ihre entsprechenden Ausgleichsgewichte der Kurbelwange dargestellt sind. Interessant und fürs Verständnis entscheidend dabei die hundertprozentige Auswuchtung der rotierenden Massen (blau, orange), wozu auch etwa die Hälfte der Pleuel gehören.

Und jetzt wird es spannend: auch die oszillierenden Massen (Kolben und die andere Hälfte der Pleuel) können durch Gegengewichte (grün) "ausgeglichen" werden. Dabei muss aber von vornherein klar sein, dass ein echter Ausgleich einer oszillierenden (hüpfenden) Schwingung niemals durch eine Drehbewegung einer Welle mit einer hinein konstruierten Unwucht gelingen kann.

Deshalb stellt sich die Frage: Warum überkompensiert man die auf natürliche Weise gegebene Unwucht der KW ("Wuchtgrad" 110-160%), warum ist dieser Wuchtgrad nicht eindeutig festgelegt und welcher Schwingungstyp resultiert schlussendlich durch einen solchen überhöhten Wuchtgrad?

(Fortsetzung folgt)

@Buggy: Danke, und keine Angst - bis zum Boxer (der gar keine AW hat) werde ich nicht vordringen, höchstens bis zum 270°-Twin

Serpel Offline




Beiträge: 47.384

22.11.2009 21:31
#4 RE: Massenausgleich im Kurbeltrieb/Ausgleichswellen Antworten

Fürs erste also ganz bescheiden bleiben:

Das bedeutet auch, dass bei der Oszillation des Kolbens vereinfachend von einer harmonischen (sprich Sinus-) Schwingung ausgegangen wird (dazu müsste das Pleuel seehr lang sein). Die erste Frage, auf welche Weise diese durch die Auf und Ab Bewegung des Kolbens verursachte Hüpfschwingung durch schrittweises Hinzufügen weiterer Ausgleichsgewichte an eine an und für sich schon zu 100% ausgewuchtete KW verändert wird, klärt auf sehr anschauliche Weise folgende Grafik:



Läuft die KW für sich genommen 100% rund, so resultiert die als senkrechte blaue Strecke markierte Hüpfschwingung für den Motor. Wird der Wuchtgrad nun über die 100% hinaus erhöht, so kommt sukzessive eine horizontale Schwingungs-Komponente hinzu, während die vertikale Komponente abnimmt. Wir erhalten eine Schwingungsellipse (Drehschwingung), die umso breiter und flacher wird, je höher der Wuchtgrad der KW.

Irgendwie erstaunlich: Allein durch verschiedenes Wuchten der KW kann man einen in der Senkrechten hüpfenden Motor in einen waagrecht (rot) schwingenden selbigen verwandeln. Mit sämtlichen Zwischenstufen (von denen sich der violette kreisförmige Schwingungstyp als der interessanteste herausstellen wird).

Ach ja, und ganz wichtig: diese Schwingungsellipsen werden genau umgekehrt im Vergleich zur Drehrichtung der Kurbelwelle durchlaufen!

(Fortsetzung folgt)

PeWe Online




Beiträge: 21.655

22.11.2009 21:44
#5 RE: Massenausgleich im Kurbeltrieb/Ausgleichswellen Antworten

Oh, es ist Winterzeit....Es wird wieder sehr theoretisch....

Grüße
PeWe

"W 650 - a real motorcycle in a sea of shit."

w-paolo Offline




Beiträge: 25.136

22.11.2009 22:32
#6 RE: Massenausgleich im Kurbeltrieb/Ausgleichswellen Antworten

In Antwort auf:
...Deswegen beschränke ich mich erst mal auf das einfachste Motoren-Layout, den Einzylinder und den gleichlaufenden Paralleltwin



...wobei Du dann weder/noch mitreden kannst.

DAS tut mir jetzt aber w-irklich Leid für Dich .............................................

Paule.

Es gibt nur einen Jahrhundert-Reifen !

Surfin´Bird Offline



Beiträge: 1.933

23.11.2009 02:41
#7 RE: Massenausgleich im Kurbeltrieb/Ausgleichswellen Antworten

Guten Morgen Serpel,

Deine Diagramme haben doch immer wieder etwas,äh,erfrischendes.

Da der Winter ja noch lang wird,hier erstmal ein paar Appetithäppchen:

Die Ausgleichswelle benötigt man in erster Linie für die Massenkräfte 2.Ordnung.

Alle Zylinder ,die mehr als 16° aus der Senkrechten herausgeneigt sind,werden wie liegende betrachtet.

Mehr,im Zusammenhang, später,wenn ich weiß was Du eigentlich exakt wissen willst.

Gruß aus Berlin
Surfin´Bird

Sunday?...on any Day!

Serpel Offline




Beiträge: 47.384

23.11.2009 07:36
#8 RE: Massenausgleich im Kurbeltrieb/Ausgleichswellen Antworten

Moin Surfin´Bird,

´ne kleine Erfrischung kann man nachts um 02:41 Uhr auch ganz gut gebrauchen, nicht?

Zitat von Surfin´Bird
Die Ausgleichswelle benötigt man in erster Linie für die Massenkräfte 2.Ordnung.

Jaaa, z. B. beim Vierzylinder-Reihenmotor halt, weil dort die Massenkräfte 1. Ordnung bereits durch die gegenläufigen Kolbenpaare eliminiert werden. Dort kann man sich den Luxus leisten und die Ausgleichswellen mit doppelter KW-Drehzahl rotieren lassen (in diesem Fall braucht´s aber immer zwei Wellen).

Nicht aber beim Einzylinder oder (echten) Paralleltwin. Dort gibt es ja wie wir oben gesehen haben keinen natürlichen Ausgleich der Massenkräfte 1. Ordnung (im Sinne von: ist nicht möglich), also werden dort die Ausgleichswellen nur und ausschließlich zur Kompensation dieser 1. Ordnung verwendet. Und das geschieht immer mit KW-Drehzahl!

Gruß
Serpel

Falcone Offline




Beiträge: 112.500

23.11.2009 08:19
#9 RE: Massenausgleich im Kurbeltrieb/Ausgleichswellen Antworten

Einerseits interessante Überlegungen, Serpel, andererseits auch reine Theorie, den bei heutigen Motoren wird man kam noch mal selbst an das Auswuchten Hand anlegen (können). Ich kann mich aber noch gut erinnern, wie wir früher zu einem Feinmechaniker der Braunschweiget TU nach Hause gepilgert sind, der eine schöne alte Auswuchtmaschine im Keller hatte. Das Ding war eigentlich gar nicht kompliziert.
Es war eine große in einem Stahlbock leicht drehende gelagerte Scheibe mit einer kleineren, ebenfalls leicht drhenden Scheibe etwas seitlich versetzt, so dass ein Kurbelwellenzapfen in das V zwischen den Scheiben hinein gelegt werden konnte. Ein Arm am Ende stützte das ganze ab. So konnte die halbe Welle leicht gedreht werden und unser Auswuchtzauberer glich so lange mit Plastilinklüpchen an der Welle aus, bis sie rund lief. Dann wurde das Plastilin abgenommen, seine Position mit dem Bleistift markiert, das Plastilin gewogen und gegenüber der markierten Position eine Bohrung angebracht. Wobei er natürlich das Gefühl dafür hatte, wie viel er wegbohren durfte, um genau das negative Gewicht des Plastilins zu erreichen.

Ich versuche mal, ob ich noch eine Skizze der Maschine hinbekomme, zwecks besserem Verständnis.

Die Pleuel wurden mittels einer Art Briefwaage ausgewogen, indem sie Pappscheiben in die Pleuelaugen bekamen und die jeweils nicht zu wiegende Seite an einem Arm mittels dünnem Faden mitten durch die Pappscheibe genau waagrecht aufgehängt wurden. Die andere Seite lag in einer Drahtstütze auf der Waage.

Ich glaube, die ganzen Vorrichtungen stammten aus den 20er Jahren, funktionierten aber tadellos.

Grüße
Falcone
Muste eine Welle gewuchtet werden, die nicht zerschraubt oder auseinandergepresst werden konnte, dann kamen zwei solcher Auswuchtböcke zum Einsatz, die auf einer gemeinsamen Platte penibel ausgerichtet wurden.

Falcone Offline




Beiträge: 112.500

23.11.2009 08:33
#10 RE: Massenausgleich im Kurbeltrieb/Ausgleichswellen Antworten

Hier die Skizze das Auswuchtbocks (ich hoffe, meine Erinnerung ist noch in Ordnung)



In die linke Aufnahme wird das Ende des Kurbelwellenzapfens eingespannt, in dem die Spitze der Aufnahme in die Zentrierbohrung des Zapfens gesteckt wird. Die Aufnahme-Spitze sitzt in einem leicht drehenden Kugellager.
Nahe der Kurbelwange wird der Kubelwellenzapfen dann zwischen die beiden Scheiben gelegt, so dass der Kurbelwellenzapfen so zu liegen kommt, wie es die Strichpunktlinie angibt.
So dreht sich die (halbe) Kurbelwelle ganz leicht und kann gewuchtet werden.

Grüße
Falcone

Serpel Offline




Beiträge: 47.384

23.11.2009 11:36
#11 RE: Massenausgleich im Kurbeltrieb/Ausgleichswellen Antworten

Wenn ich die Apparatur richtig verstehe, kann damit nur ein Wuchtgrad von 100% bewerkstelligt werden, oder anders gesagt: es geht dabei vermutlich ums Feinwuchten.

Ich möchte hier aber auf etwas anderes hinaus. Mir geht es als nächstes um die Frage, wie die Kawasaki-Ingenieure es geschafft haben, mit nur einer Ausgleichswelle diesen tollen 676 cc-Motor so weit zu beruhigen, dass er nicht wie seine englischen Ahnen selig den Rahmen und sämtliche Anbauteile zerbröselt.

Wie die Grafik oben zeigt, bewirkt ein KW-Wuchtgrad von 100% lediglich den Ausgleich der rotierenden Massen. Die oszillierenden bleiben dabei völlig unberücksichtigt und hüpfen weiter fröhlich im Zylinder auf und ab. Dem kommt man mit nur einer Ausgleichswelle prinzipiell nicht bei, da hierbei der oszillierenden Schwingung eine Drehschwingung überlagert wird, welche sich gegenseitig niemals auslöschen können.

Was macht man also? Man bedient sich eines einfachen Tricks: Das hübsche Bildchen oben zeigt ja, dass bei einem überhöhten KW-Wuchtgrad von 100% der rotierenden plus zusätzlichen 50% der oszillieren Massen insgesamt ein kreisförmiger Schwingungstyp (violett) für das System Kolben-Pleuel-Kurbelwelle resultiert. Und das ist ja genau der Typ, den die AW auslöschen kann. Man packt also auf die KW zusätzlich zu den 100%, die eigentlich nur nötig wären, um selbige auszuwuchten nochmals 50% für die oszillierenden mit drauf und baut eine Ausgleichswelle ein, die bei entsprechender Auslegung die restlichen 50% der oszillierenden Massen übernehmen kann.

Da der Schwingungskreis oben (wie bereits angedeutet) umgekehrt zur KW-Drehrichtung durchlaufen wird, muss die AW dabei ebenfalls gegensinnig zur KW rotieren (und selbstverständlich mit gleicher Frequenz ). Um die bei dieser Konfiguration entstehenden Massenmomente (die beim Einzylinder und beim echten Paralleltwin primär nicht vorhanden sind) möglichst gering zu halten, muss die AW möglichst nahe bei der KW installiert werden.

Hier eine "Animation" des Vorgangs, wenn bei einer solcherart überwuchteten KW die Unwucht der AW schrittweise von 0 (blau) auf 50% (rot) angehoben wird:



Der Kreisschwingungen nehmen entsprechend ab, bis bei 50% die Massenkräfte 1. Ordnung vollständig aufgehoben sind. Ein solcher Motor mit seehr langen Pleueln würde nun sehr ruhig laufen ...

(Fortsetzung folgt)

Wännä Offline




Beiträge: 17.488

23.11.2009 11:38
#12 RE: Massenausgleich im Kurbeltrieb/Ausgleichswellen Antworten

Hallo,

da hatte ich gestern einen dicken Beitrag zu - und hab ihn wohl irgendwie verschossen , jedenfalls ist er nicht drin.

- - - -

Ich wuchte Maschinenteile damit aus (leider kann ich nich so schön freihandzeichnen).




Die Schienen werden per Wasserwaage ausgerichtet und dann darf das rotierende Teil sich in jeder beliebigen Stellung nicht mehr bewegen. Es kann sogar gut sein, ein ganz klein wenig Schräglage zu erzeugen und dann zu schauen, ob das Teil vorwärts wie rückwärts aufgelegt, das gleiche Wegrollverhalten zeigt.

Mein selbstgebautes Ladegebläse ist damit ausgewuchtet worden und läuft bei 16.000/min absolut ruhig.


Gruß

Wännä

Serpel Offline




Beiträge: 47.384

23.11.2009 21:27
#13 RE: Massenausgleich im Kurbeltrieb/Ausgleichswellen Antworten

Zitat von Wännä
Hallo,
da hatte ich gestern einen dicken Beitrag zu - und hab ihn wohl irgendwie verschossen , jedenfalls ist er nicht drin.

Schade! Kannst Du den nicht irgendwie vielleicht reaktivieren? Würde mich interessieren!

Zitat
Der Kreisschwingungen nehmen entsprechend ab, bis bei 50% die Massenkräfte 1. Ordnung vollständig aufgehoben sind. Ein solcher Motor mit seehr langen Pleueln würde nun sehr ruhig laufen ...

Einen solchen Motor gibt es aber (natürlich) nicht. Tatsächlich nimmt das Schubstangenverhältnis (Verhältnis aus Pleuellänge zu halbem Hub) im allgemeinen Werte zwischen 3 und 4 an und insbesondere bei der W etwa 3.4 (wie wir dank Ulf wissen). Und das hat nun weitreichende Konsequenzen für den Massenausgleich.

Zunächst mal der Vergleich zwischen der oben betrachteten harmonisch verlaufenden Hubbewegung (die nur Massenkräfte 1. Ordnung freisetzt) und der realistischen für die W:



Aufgetragen ist in beiden Fällen die Kolbenbeschleunigung über dem KW-Winkel, wobei die Skalierung der Hochwertachse bedeutungslos ist. Obwohl wir diesen Vergleich schon mal hatten, möchte ich nochmals auf die eklatanten Unterschiede zwischen idealisierter Kurve (blau) und der tatsächlichen (rot) hinweisen: Demnach verläuft die Kolbenbewegung in der oberen Hälfte sehr viel schneller als in der unteren, wo die Beschleunigung längst nicht so große Werte annimmt wie oben. Auffallend ist auch die leichte Delle beim Durchlaufen des unteren Totpunkts, die umso stärker ausgeprägt ist, je kürzer das Pleuel (auch das hatten wir schon). Daraus folgt, dass die bisherigen Überlegungen nur von qualitativer Bedeutung sein können. Möchte man statt der blauen die rote Schwingung beruhigen, so sind weitergehende Überlegungen nötig.

Als erstes ist es von großem Vorteil, die rote Kurve (die durch eine äußerst unhandliche, komplizierte Formel gegeben ist) mathematisch besser zugänglich zu machen. Das gelingt sehr effektiv mit Hilfe einer sog. Taylor-Entwicklung, wobei Details hier definitiv zu weit führen würden. Erstaunlicherweise genügt (für realistische Schubstangenverhältnisse) eine Entwicklung bis zur 2. Ordnung, was so viel bedeutet, dass ein klassischer Kurbeltrieb nur Massenkräfte 1. und 2. Ordnung produziert. Massenkräfte 3. und höherer Ordnung treten erst bei unrealistisch kleinen SV auf.

Hier der "Beweis". Bei SV=3.4 sind exakte Kurve (rot) und Näherung (blau) kaum voneinander zu unterscheiden:



Selbst bei SV=2 ist der Unterschied noch nicht so groß, dass die Näherung (blau) komplett verworfen werden müsste:



Somit ist also die Tauglichkeit der Näherungsformel für alles, was da kommt, gecheckt ...

(Fortsetzung folgt)

Wännä Offline




Beiträge: 17.488

23.11.2009 23:33
#14 RE: Massenausgleich im Kurbeltrieb/Ausgleichswellen Antworten

In Antwort auf:
Um die bei dieser Konfiguration entstehenden Massenmomente (die beim Einzylinder und beim echten Paralleltwin primär nicht vorhanden sind) möglichst gering zu halten, muss die AW möglichst nahe bei der KW installiert werden.


In Antwort auf:
Schade! Kannst Du den nicht irgendwie vielleicht reaktivieren? Würde mich interessieren!


Moin Serpel,

ich hab wohl gestern abend in meinem Tran nur die Voransicht geschaut und dann (hundmüde) abgestellt, anstatt nochmal aufs Knöpfchen zu drücken.

Deinen Satz hatte ich in etwa so ausgedrückt: "Bei der älteren YAMAHA TX 750 gab es noch zwei Ausgleichswellen - maschinenbauerisch die bessere Lösung. Bei der W hat man sich das gespart und die Welle so dicht wie möglich an die KW gerückt und den nicht ausgleichbaren Rest als "good vibrations" verkauft.

Natürlich gibt es durch EINE Welle Drehschwingungen, aber die gibt es ohne diese Welle auch schon durch den Ungleichförmigkeitsgrad. Anders gesagt: rappeln tut immer irgendwas, sonst wärs kein Motorrad.

Die gegenläufig drehende Welle hat für den Ungleichförmigkeitsgrad eine ganz entscheidende Bedeutung. Das Massenträgheitsmoment ist - wie Du schon schreibst - ungefähr gleich und bewirkt somit die Aufhebung des Reaktionsmomentes der beschleunigten bzw. abgebremsten Kurbelwelle. Dieser Umstand mag auf den ersten Blick unbedeutend erscheinen, vergleicht man aber "echte" englische Twins oder die XS650 (an der man natürlich mal wieder alles, aber auch alles weggelassen hat) im Leerlauf und im unteren Drehzahlbereich mit der W, dann wird es klarer - ein nicht unwesentlicher Teil der Schwingungen geht nämlich auf das Konto Ungleichförmigkeitsgrad.


Mein kleiner süßer HONDA (GX 35) hat nur 30 mm Hub und einen winzigen Kolben, sodaß die Vibrationen nicht schlimm sind. Schlimm ist aber der Ungleichförmigkeitsgrad bis so ca. 2500/min. Der reißt mir mein Modell einer historischen Klemm 25 fast auseinander. Und gerade diese alten Schätzchen sollen auf den Flugvorführungen ja stilvoll mit niedriger Drehzahl anrollen etc.

Was also tun? Ich werde versuchen, auf der Rückseite des Motors eine zweite Schwungmasse zu installieren, die gegenläufig, aber mit höherer Drehzahl dreht. Dazu suche ich noch eine kleines Planetenradgetriebe evtl. von einem Anlasser eines kleinen Motorrades. Wenn ich da noch einen Anlasser dran kriege, wirds richtig gut

Nun könnte ich ja auf die Idee kommen, diese Welle mit gleicher Drehzahl laufen zu lassen und unwuchtig auszuführen. Dann aber hätte ich Kippschwingungen quer zur Kurbelwelle, die den drehenden Propeller zu argen Coriolismomenten bringen würden (Sie konnten ja bisher noch folgen, Herr Serpel ?!). Somit werde ich mich mit einer einfach Schwungmasse begnügen, die - entsprechend dimensioniert - die Kurbelwelle, aber vor allem den dicken Propeller kompensieren soll. Da Massenträgheitsmomente sich quadratisch mit der Übersetzungsänderung verhalten, braucht diese Masse nicht groß zu sein (bei Modellflugzeugen nicht unwichtig). Das ganze müßte noch per Fliehkraftkupplung bei 4000/min auskuppeln - dann wärs gekauft !!

- - - -

Die Fourier-Reihe würde mich schon interessieren. Wir haben im Studium eine Näherungsformel verwendet, die ich aber leider nicht mehr parat habe und auch in der gängigen Google-Literatur nicht finde. Diese Näherungsformel galt damals für Verhältnisse 1:5, also allenfalls noch für Schiffsdiesel oder Dampflokomotiven.

Jedenfalls sehr interessant, diese beiden Linien einmal übereinander zu sehen.


Ein interessanter Ansatz noch zur aktuellen "Unsitte" der kurzpleueligen Motoren:

Durch das für althergebrachte Verhältnisse sehr unharmonische Schubstangenverhältnis wird etwas erreicht, was für Hochleistungsmotoren wichtig ist - nämlich Zeit für den Gaswechsel. Der Kolben bewegt sich im Verdichtungs- und Arbeitsbereich sehr schnell, um dann im unteren Bereich sich Zeit zu lassen. Der Zweitakter profitiert davon überaus gut, aber auch der Viertakter hat in diesem Bereich einen großen und wichtigen Teil des Gaswechsels. Man kann also Motoren bei einer Drehzahl von - sagen wir - 7000/min so gut füllen, wie sonst bei 6000/min oder weniger, ohne daß man die Steuerzeiten ändern muß. Die Verdichtung ist zeitunkritisch, sie kann quasi ohne Zeit erfolgen. Vielleicht ist gerade noch ein bißchen Vermischung drin, aber sonst nichts. Und die Verbrennung kann man mit Hilfe geschickter Brennraumgestaltung so "auf Trab" bringen, daß sie diese schnellen Bewegungen mitmacht. Das ganze wirkt sogar ein wenig der Klopfneigung entgegen.

Somit ist die Kurzpleueligkeit also nicht - wie damals von mir geschrieben - nur auf die Minimierung von Bauhöhe und Gewicht zurückzubringen, sondern auch dem Streben nach Leistung zuzuschreiben. Wie immer im Leben muß daraus der beste Kompromiß gefunden werden.


Gruß

Wännä

Serpel Offline




Beiträge: 47.384

24.11.2009 19:58
#15 RE: Massenausgleich im Kurbeltrieb/Ausgleichswellen Antworten

Viele interessante Ansätze, Wännä, die sich lohnen würden, der Reihe nach genauer zu verfolgen und zu analysieren. Zuerst möchte ich allerdings den Aufbau und die Wirkungsweise der W-Ausgleichswelle verstehen.

Dazu bringen wir nun die Massenkräfte 2. Ordnung ins Spiel und sehen uns zunächst nur mal an, wie sich in diesem (realen) Fall ein schrittweises Überwuchten der KW von 0 - 100% der oszillierenden Massen (also zusätzlich zu den obligatorischen 100% der rotierenden Massen) auf die Schwingungsellipsen des allerersten Bildchens in diesem Fred auswirkt. Eine AW ist jetzt also noch nicht im Spiel.

C'est la différence:



Die Schwingungsellipsen sind effektiv also deformiert. Im Extremfall - wenn die oszillierenden Massen zu 100% durch Gegengewichte der KW ausgeglichen werden - erhalten wir nicht mehr eine reine Horizontalschwingung, sondern eine Kippschwingung (rot). Aber auch in dieser realen Situation ist es ohne AW gehüpft wie gesprungen: die gemittelte Schwingungsamplitude ändert sich nicht, der Motor vibriert so oder so gleich stark.

So - nun kommt wieder die AW ins Spiel. Da wir oben beim idealisierten Fall mit dem violetten Kreis als Ausgangssituation die besten Erfahrungen gemacht haben (50%-Ausgleich der oszillierenden Massen durch die KW), tun wir das hier auch. Und siehe da: wenn wir schrittweise (analog zur "Zielscheibe" oben) die Gewichte der AW erhöhen, so reduzieren wir die Schwingungen, bis wir beim 50%-Ausgleich der "restlichen" oszillierenden Massen durch die AW bei der roten "Kurve" anlangen. Diese schwingt mit doppelter KW-Frequenz in senkrechter Richtung, und man kann zeigen, dass es die kleinstmögliche Restschwingung ist, die man durch diese AW-Anordnung erreichen kann. Hierbei handelt es sich um eine reine Oberschwingung mit doppelter KW-Frequenz - den Massenkräften 2. Ordnung also.



Wir können also festhalten, dass man mit einer AW, die mit KW-Frequenz rotiert, bestenfalls die Massenkräfte 1. Ordnung eliminieren kann (diese aber vollständig), die Massenkräfte 2. Ordnung jedoch gänzlich unbeeinflusst davon bleiben. Erreicht wird das durch einen jeweils hälftigen Anteil für die Kompensation der Hüpfschwingungen durch KW und AW.

(Fortsetzung folgt)

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