Tag 2 – Mittwoch, der 4.7.2012 Fichtelgebirge, Elstergebirge, Erzgebirge, Elbsandsteingebirge, Sächsische Schweiz
PDF-Datei am Ende des Beitrags
Am nächsten Morgen frühstücken wir um acht mit Wastl (der Rest der Familie ist bereits ausgeflogen) und schauen uns noch sein Gespann mit dem schönen Holzboot an, das in einem genau passenden kleinen Schuppen, einer ehemaligen Viehwaage, neben seinem Schafgehege steht. Um halb zehn ein letztes Winken und dann geht es weiter nach Osten ins Fichtelgebirge. Wir überfahren den Roten Main, der tatsächlich rotes Wasser hat, nachdem wir gestern bereits den weißen Main querten, und erleben so mal in Natura, was wir in der Schule über die Quellflüsse des Mains gelesen haben.
Die Ws stehen startbereit frühmorgens im Hof
Wastls Hausgeist wünscht und leicht skeptisch gute Fahrt
Die Funktion "kurvenreiche Strecke" des Navi leitet uns nördlich um den Schneeberg (mit 1051 m die höchste Erhebung) herum und südlich an Münchberg vorbei auf verkehrsarmen Nebenstraßen
Bei Asch überqueren wir die Grenze nach Tschechien und schneiden anschließend den südlichen Zipfel des Elstergebirges, immer in Tschechien bleibend. Die erste Rast gibt es auf dem Marktplatz von Graslitz (Kraslice)*, wo ein sozialistisches Prunkgebäude und ein klassisches Verwaltungsgebäude, das heute die Polizei beherbergt, einträchtig nebeneinander stehen. Es ist Mittagszeit und das nordböhmische Städtchen macht einen recht verschlafenen Eindruck. Wir trinken einen Kaffee in einer Bar.
Marktplatz in Kraslice
Kaffee in der Bar
Bei angenehm warmen, leicht bewölktem Wetter setzen wir die Fahrt fort. Die nun folgende Strecke im tschechischen Erzgebirge (Krušné hory) mehr oder weniger nahe an der deutschen Grenze kennen wir schon von früheren Touren und nennen sie für uns die „Böhmische Grenzkammstraße“. Bei Oberwiesenthal, der höchstgelegensten Stadt Deutschlands, touchieren wir die deutsche Grenze auf etwa 900 Metern Höhe. In Unterhals (Dolny Halze) kommen wir wieder mal an einem Haus vorbei, an dem noch vor wenigen Jahren ein Schriftzug „Kolonialwaren“ etwas verwittert, aber gut lesbar an der Fassade angebracht war. Inzwischen hat man ihn entfernt, die Spuren sind noch sichtbar. Ob den Besitzern eventuell fotografierende Touristen auf die Nerven gingen? In der ehemaligen Bergbaustadt Kupferberg (Medenec) sehen wir ein verlassenes Hotel, stellvertretend für einige Gebäude, die auf vergangene bessere Zeiten hinweisen. In dieser Gegend im Erzgebirge ist der Wohlstand noch nicht angekommen. Schon vor der Wende eine kaum noch besiedeltes Randgebiet hat sich auch inzwischen nicht viel getan – es ist einfach zu abgelegen.
Hotel in Kupferberg
Bei schönem Wetter hat man von unserer „Grenzkammstraße“ einen wunderbaren Blick über das Böhmische Becken im Süden, heute aber ist die Luft etwas diesig und es ziehen Wolken auf. An diesem Turm halten wir trotzdem und schauen ins Tal. Es ist inzwischen windig und deutlich kühler, auch bekommen wir ein paar vereinzelte Regentropfen ab.
Turm an der „Böhmischen Grenzkammstraße“ und …
Blick ins Böhmische Becken
Von dieser Höhenstraße kann man auch über wunderbar kurvige Straßen runter an die Eger fahren, z.B. nach Klösterle (Klášterec) und auch wieder auf ebenso kurvigen Straßen hinauf. Heute fahren wir auf der Höhenstraße weiter und kommen an der Preßnitztalsperre vorbei. Vor Komutov (Chomutov) fahren wir in Richtung Deutschland, sehen aber vor uns schwarze Wolken. Also tanken wir noch mal in einer der grenznahen Tankstellen günstigen Sprit, drehen und fahren weiter über Komutov
Bei Salusch (Zaluzi), nahe bei Brüx (Most), passieren wir eine riesige Kraftwerksanlage.
Bei Priesten (Prestanov) fahren wir in einen kleinen Feldweg und suchen uns einen Platz für eine Pause. Prompt landen wir auf einem ehemaligen Schlachtfeld, auf dem in den Napoleonischen Kriegen im August 1813 viertausend russische Soldaten gefallen waren. Mehrere Denkmäler und Gedenksteine zeugten davon. Gut ausruhen lies es sich aber in deren Nähe auch deswegen nicht, weil uns Waldameisen piesackten.
Kriegerdenkmal bei Prestanov
Und gleich noch eins
Kurze Zeit später kommen wir an einem weiteren prächtigen Denkmal an die Schlacht bei Kulm 1813 vorbei, an welchem ebenfalls des Sieges der Österreichischen Heeres über die Truppen Napoleons gedacht wurde.
Schlacht bei Kulm
Kurz vor Tellnitz (Tellnice) sehen wir ein zu einem Restaurant umgebautes Flugzeug.
Bei Hellendorf (Südlich Bielatal) wechseln wir in das Elbsandsteingebirge.
Bei Bad Schandau queren wir die Elbe, verfehlen leider das Kirnitzschtal, welches wir von früheren Touren aber schon kennen, und sind in der Sächsischen Schweiz. Wir wollen jedoch in Tschechien übernachten und wechseln bei Niedereinsiedel (Dolní Poustevna) wieder über die Grenze. Erst versuchen wir in Schluckenau (Sluknov), der nördlichsten Stadt Teschechiens, etwas zu bekommen, finden aber nichts, was uns zusagt. Nach der Vertreibung der Deutschen nach 1945 waren bis heute nur wenige Tschechen bereit, sich in dieser abgelegenen nordböhmischen Stadt niederzulassen. Heute ist die Stadt Šluknov und das ganze Schluckenauer Ländchen eine Problemregion in Tschechien. Die Einwohnerzahl beträgt nur noch 1/7 der Vorkriegszeit. Ein Fünftel der Bewohner sind Roma, unter denen eine hohe Arbeitslosigkeit verbreitet ist und deren Anteil an der Gesamtbevölkerung wächst. Es ist der Stadt kaum möglich, die vorhandene Bausubstanz zu erhalten. Leer stehende Gebäude sind Plünderungen ausgesetzt. Entsprechend sind wir ganz froh, aus der Stadt wieder rauszukommen.
Martplatz in Sluknov
Aber in Rumburg (Rumburk) werden wir dann fündig. Im Gegensatz zu Slukov sind in Rumburk schon wieder viele Häuser nach der Wende renoviert worden und das Städtchen macht einen properen Eindruck und die reich geschmückten Fassaden zeugen vom Wohlstand der Region in der Zeit zwischen Gründerzeit und zweitem Weltkrieg. Auf dem Marktplatz sehen wir eine Pestsäule von 1681, umgeben von einigen Heiligen-Figuren, als Erinnerung an das Erlöschen der Pestepidemie. Unser Hotel ist dann auch eine umgebaute und schön restaurierte alte Villa mit komfortablen Zimmern. Als Kontrast steht ein ähnliches Gebäude noch unrestauriert auf dem Nachbargrundstück. Rumburg ist mir auch vom Namen her bekannt, weil es mein Vater als „Fundort“ seiner ersten großen Liebe des Öfteren erwähnte. Nach dem reichhaltigen Abendessen auf der Terrasse und gutem tschechischem Bier vom Fass machen wir noch einen Spaziergang durch die Stadt und bewundern die reichen Verzierungen an den herrschaftlichen Häusern und auch die günstigen Bierpreise: 1,5 Liter Starkbier für 1,15 Euro! Auch die Rechnung am nächsten Morgen viel sehr günstig aus: 44 Euro für Abendessen, alle Getränke, Zimmer und reichhaltigem Frühstück im englischen Stil mit Ham´n´eggs. Ein guter Start in den ehemaligen Ostblock.
Unser Hotel in Rumburk (rechts) und das Nachbarhaus
Restaurierungsarbeiten in Rumburk
Der schöne Marktplatz mit der Pestsäule
Viele reich verzierte Villen gibt es
Abendessen
Karte 2. Tag, 379 km
* Nach reiflicher Überlegung habe ich mich entschlossen, die deutschen Ortsnamen zu verwenden, soweit es ehemals deutsche Siedlungsgebiete waren. Die heute gültigen Ortsnamen stehen in Klammern. Das ist bitte nicht als reaktionäre Verklärung misszuverstehen, sondern diese Reise war für uns auch eine Zeitreise zurück zu unserer Herkunft und ich denke, dass auch selbst den meisten in unserer Nachkriegsgeneration die deutschen Ortsnamen mehr sagen, als die weitgehend unbekannten aktuellen Namen.
Grüße Falcone
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Tag 2 - Seite 8-17.pdf
Zitat Nach reiflicher Überlegung habe ich mich entschlossen, die deutschen Ortsnamen zu verwenden, soweit es ehemals deutsche Siedlungsgebiete waren. Die heute gültigen Ortsnamen stehen in Klammern. Das ist bitte nicht als reaktionäre Verklärung misszuverstehen, sondern diese Reise war für uns auch eine Zeitreise zurück zu unserer Herkunft und ich denke, dass auch selbst den meisten in unserer Nachkriegsgeneration die deutschen Ortsnamen mehr sagen, als die weitgehend unbekannten aktuellen Namen.
Ist doch selbstverständlich, und mir ist schon früher positiv aufgefallen, dass du das gerne machst. Ich tät für einen Bericht über Südtirol auch nie die italienisierten Namen verwenden.
Tag 3 – Donnerstag, der 5.7.2012 Westsudeten: Zittauer Gebirge – Isergebirge - Riesengebirge
Als PDF unten im Anhang
Gut gelaunt und gut gestärkt geht es bei schon ziemlich warmen Temperaturen kurz nach neun durch Rumburk nach Osten, wo wir gleich am Ortsende die Grenze überqueren und durch Neugersdorf fahren. Wir schlagen einen Haken um Varnsdorf und fahren durchs Zittauer Gebirge auf kleinen Straßen bis nach Zittau, von dort geht es südlich nach Oybin und wieder über die tschechische Grenze ins Lausitzer Gebirge. Geologisch sind Lausitzer Gebirge (tschechische Seite, Lužické hory) und Zittauer Gebirge (deutsche Seite) eins, beide zeichnen sich durch markante Sandsteinformationen aus. Insbesondere im Süden bricht das Gebirge jäh zur Ebene ab, so dass es teilweise ziemlich schroff neben der Straße nach oben ragt und, wohl eine Eigenart des weichen Sandsteins, von vielen Höhlen durchzogen ist. Ab der Elbe ostwärts zählen die Gebirge schon zu den Sudeten, deren Bezeichnung sich von „Soudeta ore“ ableitet, was Wildschweinberge bedeutet. Sudetendeutsche als „Wildschweindeutsche“ zu bezeichnen, wird der Sache aber nicht gerecht. Nach den Sudeten wurde zwischen 1918 und 1938 und bis heute die deutsche Minderheit in der Tschechoslowakei, die Sudetendeutschen, benannt. Ihr Siedlungsgebiet wurde Sudetenland genannt, umfasste aber nicht nur das Gebiet der Sudeten, sondern das gesamte Grenzgebiet der Tschechoslowakei zum Deutschen Reich und Österreich.
Wilder Hirsch am Straßenrand – man achte auf das frisch bezogene Bett auf dem Dach des Vorbaus!
Henny orientiert sich am Nordrand des Zittauer Gebirges und ich denke, dass jetzt nur noch eine Zug für eine schöne Aufnahme fehlt, und …
… da kommt auch schon die Zittauer Schmalpurbahn!
Kurz vor der tschechischen Grenze kommen wir an einigen markanten Sandsteinformationen vorbei.
Henny meint, die sind echt, ich glaube eher, …
… dass die aus PU-Schaum sind.
Vom Nordrand des Zittauer Gebirges zur Südseite hin wechselt auch der Baustil der Häuser. Im Norden fallen die Häuser durch ihre gemütlichen Rundbögen auf, im Süden ist es eher eine Blockhüttenbauweise, bei der zwischen die Balken Lehm geschmiert und weiß angemalt wird. Hat was von kalter Hund.
Schönes Haus an der Grenze bei Olbyn
Die Rundbögen und …
… nach dem Wechsel in den Kreis Reichenberg …
… die ersten Häuser im Blockhaustil.
Auf dem Weg nach Haida (Novy Bor) fahren wir an der Abrisskante des Sandsteingebirges entlang. Die Häuser sind teilweise dicht an die Felsen gebaut, wie dieses hier:
Ist es eine Fabrik gewesen? Führen in dem Haus Gänge in den Felsen? Es steht leer und es mach neugierig – aber es ist eingezäunt, eine Erkundung nicht möglich.
Kurze Zeit später kommen wir wiederholt an Höhlen vorbei.
Höhlen
Weiter an den Felsformationen entlang der Straße folgend, gelangen wir nach Haida, dem Geburtsort meines Vaters. Schon vor ein paar Jahren waren wir mal dort gewesen und hatten auch die alte Glasfabrik meines Großvaters ausgemacht, konnten aber das Wohnhaus nicht wiederfinden. Dieses Mal war ich besser gewappnet, hatte ein altes Foto beschafft, die alte Adresse „Kinskystraße“ als heutige „Sloupka“ ausgemacht und bei Google geschaut, welches Haus in Frage kommt. Entsprechend hatte ich einen markierten Stadtplan im Tankrucksack. Aber keines der Häuser passte. So kommen wir am Marktplatz an, der sich seit der Vorkriegszeit kaum verändert hat.
] Marktplatz mit der Pfarrkirche und ihrem charakteristischen Zwiebeldach sowie dem alten Post- und Zollamt (ganz rechts)
Geschäfte am Marktplatz wie vor 80 Jahren
Nahe des Marktplatzes finden wir ein kleines Café und ruhen uns im Schatten bei Eiskaffee und Eis etwas aus. Es ist verdammt warm. Auch italienisch essen kann man hier, wie eine auch für nicht Tschechen leicht verständliche Speisekarte verrät.
Café-Restaurant in Haida
Eis mit frischen Blaubeeren
Italienische Küche auf Tschechisch
Alte Fotos und Postkarten an der Wand
Noch will ich wegen des Hauses nicht aufgeben und Henny meint auch, ich hätte mich zu sehr auf die falsche Straßenseite fixiert gehabt, auf der anderen Seite habe sie ein Haus gesehen, dass dem Foto schon entsprochen habe.
Also noch mal los in die Kinskystraße. Und tatsächlich: Von der anderen Seite kommend fällt Opas Haus sofort ins Auge. Die Dachspitze fehlt und es ist stark eingewachsen, so dass man nur noch das obere Stockwerk, die Beletage, sieht. Schade, dass ich meinem Vater nun kein Foto mehr zeigen kann.
Opas Villa heute …
… und damals
Wir sind auf der richtigen Straße nach Bürgstein (Sloup), wo ich mir gerne noch mal den Einsiedlersteinansehen möchte, auf dem ich als Kind mit acht Jahren mal gewesen bin und der mich damals sehr beeindruckt hat.
Aber wie das so ist: Heute ist er gar nicht mehr so imposant wie er damals als Kind auf mich gewirkt hat. Dazu kommt, dass er touristisch erschlossen ist, was bedeutet, erst mal Geld fürs Parken auf dem schon reichlich gefüllten Parkplatz zu zahlen, dann bei der Hitze mit den Motorradklamotten zum Fels wandern und dort hinaufkraxeln …
Wir beschließen, es zu lassen.
Blick zum Einsiedlerstein in Sloup
Weiter fahren wir auf der Straße, auf der wir auch schon nach Haida gefahren sind, an den Sandsteinfelsen entlang nach Osten und entdecken einen Wegweiser mit der Aufschrift Pekelne Doly Motoclub, der zu einer Höhle führt. Wir kommen zu großen Felsen, vor denen etwa fünfzig Motorräder geparkt sind, ausnahmslos mit tschechischen Kennzeichen. An mehreren Stellen kann man in die Höhlen hinein fahren. Der Boden ist asphaltiert und auch mit weißen Linien versehen. In den Höhlen brennt aber kein Licht und es ist erstaunlich, wie das Licht des Scheinwerfers in den Höhlen drin verschluckt wird. Es ist schon ein besonderes Abenteuer, in den Höhlen herumzukurven. Allzu groß sind sie nicht, es besteht keine Gefahr, sich ernsthaft zu verfahren. Inmitten der Höhlengänge ist eine Bar. Hier kann man mit dem Motorrad direkt an den Tresen fahren und etwas essen oder trinken. Auch Sofa-Ecken und Schlafplätze gibt es. Und das Höhlen-Patrouillen-Fahrzeug ist eine alte Jawa. Nicht zuletzt wegen der angenehmen Kühle in den Höhlen sind wir eine ganze Weile geblieben und haben unsere Freude daran gehabt.
Vor den Höhlen
„Straßen“ führen durch die Höhlen bis …
… zu einer Bar, wo …
… wir dann auch eine Pause machen und dem Treiben etwas zuschauen, bevor …
… es dann wieder gen …
… Ausgang geht.
Ein „Höhlenbewohner“ kommt gerade aus der Schlafhöhle
Höhlen-Servicefahrzeug
Die Höhlen sind gut besucht.
Die GS eines Tschechen
Weiter geht es ostwärts, bei Gabel (Jablonné v Podještědí) biegen wir nach Norden ab und machen kurz nach dem Grenzübertritt nach Deutschland eine Pause. Vor Zittau biegen wir ostwärts ab, sind plötzlich in Polen, geben mal kurz Gas und sind wieder in Tschechien. So schön es ist, ohne irgendwelche Beeinträchtigungen von einem Land ins andere fahren zu können, so wenig kommt es uns gerade zupass, denn in diesem Dreiländereck wird gebaut und wir haben vor Grottau (Hradek) die Straße in Polen nicht nehmen können, der wir eigentlich folgen wollen. Statt nun in Tschechien auf der 35 zu bleiben, biegen wir nordwärts ab nach Ullersdorf (Oldrichov), weil das Navi mir dort die richtige Straße zeigt. Das Dumme ist nur, dass die von uns gewünschte Straße in Polen und die in Tschechien, auf der wir uns befinden, wie in alten Zeiten zur geschlossenen Grenze, nebeneinander herlaufen und durch einen Wall voneinander getrennt sind. Zwar steht kein Grenzzaun mehr, aber eben der Wall und Büsche. Am Ortsende des völlig verschlafenen Dörfchens Ullersdorf wird der Grenzwall flacher und mit einem beherzten Anlauf fahren wir die Ws drüber. Nun sind wir wieder da, wo wir hin wollten: in Polen.
Illegaler Grenzübertritt
Schon nach kurzer Zeit stoßen wir auf die Straße zwischen Kleinschönau (Sieniawka) und Waldorf (Opolno-Zdroj), die als landschaftlich schön in der Karte vermerkt ist. Zu unserem Erstaunen breitet sich aber ein riesiger Braunkohletagebau vor uns aus, soweit das Auge reicht.
Tagebau bei Reichenau (Bogatynia)
Kurz hinter Reichenau verlassen wir Polen schon wieder und fahren durch das Isergebirge. Anfangs geht es durch schöne Eichen-Alleen auf abgelegene Straßen, dann wird es bald bergiger. In Haindorf (Hejnice) halten wir kurz an der Walfahrts-Basilika an:
Basilika in Hejnice
Auf gut 850 Metern Höhe in der Nähe des Siechhübel (Jizera) machen wir bei angenehmen Temperaturen an einem kleinen Bach halt und ruhen uns aus. Das Wasser ist stark rot gefärbt, vermutlich eisenhaltig. Verkehr gibt es hier so gut wie keinen, lediglich ein paar Radfahrer kommen vorbei. Wie auch im gesamten Tschechien das Radfahren ein richtiger Volkssport ist. Wir haben zeitweise das Gefühl, dass gerade auf den Nebenstraßen mehr Radfahrer als motorisierte Fahrzeuge unterwegs sind. Das Wetter ist prima, fast wolkenlos. Aber es muss heute schon mal geregnet haben, denn stellenweise sind die Straßen noch nass.
Der Bach lädt zum Rasten ein
Eine Pause tut gut, denn …
… immerhin haben wir fast 38 Grad, da ….
… müssen auch die Füße mal gelüftet werden.
Bei Harrachsdorf (Harrachov), nahe der polnischen Grenze wechseln wir vom Isergebirge ins Riesengebirge. Wir haben uns kleinste, kurvenreiche Sträßchen ausgesucht und tauchen ein in die Welt des Rübezahl. Durch das genussvolle Trödeln rauf und runter durch die engen Täler und über weite Berghöhen ist leider das Fotografieren etwas in Vergessenheit geraten. Lediglich diese schöne Ernteszene mit dem „landwirtschaftlichen Nutzskoda“ …
… und diese schrille türkisfarbene Kapelle sind als Erinnerungsfoto vorhanden
Schon sind wir bei Hohenelbe (Vrchlabi) auf der Straße rauf nach Spindlermühle. Hier fließt die Grundwasser in die Elbe, die hier noch den tschechischen Namen Labe trägt. Spindlermühle ist ein Wintersportgebiet, aber auch im Sommer ist es ein beliebtes Touristenziel. Das wusste auch schon Franz Kafka, der hier 1922 weilte und den Roman „Das Schloß“ schrieb.
Wir lassen uns in einem Cafe direkt an der Elbe nieder und ich genieße einen vorzüglichen Blaubeerkuchen mit Schlagobers.
Ankunft in Spindlermühle, etwa 750 Meter hoch im Kreis Königgrätz gelegen
Cafe direkt an der Elbe, wo …
… es wunderbaren Blaubeerkuchen gibt, der …
… dann auch schnell kleiner und kleiner wird.
Auf dem Rückweg zu den Motorrädern sehe ich einen Hut über eine Brückenbrüstung lugen, der eigentlich nur der vom …
… Rübezahl sein konnte! Und so ist es auch:
Die Straße nach Spindlermühle ist eine Sackgasse und so müssen wir zurück nach Hohenelbe um von dort aus unsere Route in Richtung Osten wieder aufzunehmen. Weit wollen wir nicht mehr fahren und wir versprechen uns eine günstige kleine Unterkunft eher in einer er Seitenstraßen als an der Hauptstraße. Wir biegen ab nach Schwarzenthal (Černý Důl), nahe am gleichnamigen 1300 Meter hohe Berggipfel.. Noch vor Schwarzenthal, dessen Zufahrt ohnehin wegen Bauarbeiten gesperrt ist, sehen wir im Vorbeifahren in Ober Langenau (Horní Lánov ) ein paar Leute auf Bänken vor einem Haus sitzen, an dessen Giebel ein Schild auf eine Pension hinweist. Wir wenden und fahren auf den Hof. Dort werden wir lachend begrüßt. Wie sich herausstellt, hat man uns natürlich vorbeifahren gesehen und gewettet, dass wir umdrehen und nach einem Zimmer fragen werden – wie es ja auch geschah. Man ist sehr freundlich zu uns und die erste Frage lautet: Wollt ihr ein kühles Bier? Klar, nach so einem heißen Tag! Ein Zimmer gibt es auch und die Familie verschwindet in der Küche, um uns ein Essen zuzubereiten, während wir das erste Bier, ein feines Pilsener Urquell, genießen. Und bald wird aufgetischt: Zuerst gibt es eine Linsensuppe, danach Gegrilltes mit Sauerkraut und Kartoffelnudeln, zuletzt noch einen Kuchen zum Nachtisch. Sehr lecker!
Die Pension
Lecker Linsensuppe
Passt man nicht auf, wird einem das Essen geklaut!
Kaum sind wir mit dem Essen fertig, als ein kräftiges Gewitter niedergeht. Der Rest des Abends wird so auf dem Zimmer verbracht, nicht schlimm, hat doch das Gewitter die drückende Schwüle vertrieben. Allerdings vertrieb es auch den Strom aus der Leitung. Wir schlafen also schon sehr früh und leider nicht so übermäßig gut, denn wir haben abends einfach zu viel gegessen.
Karte 3. Tag , 277 km
Grüße Falcone
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Tag 3 - Seite 18-36.pdf
Zitat von Falcone im Beitrag #20Kurz vor der tschechischen Grenze kommen wir an einigen markanten Sandsteinformationen vorbei.
Henny meint, die sind echt, ich glaube eher, …
… dass die aus PU-Schaum sind.
Letztes Jahr, auf meiner "Alte Böcke" Tour in das Zittauer Gebirge, in der Grenzbaude in Oybin war unser Quartier.
Zitat von Falcone im Beitrag #20 Weiter fahren wir auf der Straße, auf der wir auch schon nach Haida gefahren sind, an den Sandsteinfelsen entlang nach Osten und entdecken einen Wegweiser mit der Aufschrift Pekelne Doly Motoclub, der zu einer Höhle führt. Wir kommen zu großen Felsen, vor denen etwa fünfzig Motorräder geparkt sind, ausnahmslos mit tschechischen Kennzeichen. An mehreren Stellen kann man in die Höhlen hinein fahren. Der Boden ist asphaltiert und auch mit weißen Linien versehen. In den Höhlen brennt aber kein Licht und es ist erstaunlich, wie das Licht des Scheinwerfers in den Höhlen drin verschluckt wird. Es ist schon ein besonderes Abenteuer, in den Höhlen herumzukurven. Allzu groß sind sie nicht, es besteht keine Gefahr, sich ernsthaft zu verfahren. Inmitten der Höhlengänge ist eine Bar. Hier kann man mit dem Motorrad direkt an den Tresen fahren und etwas essen oder trinken. Auch Sofa-Ecken und Schlafplätze gibt es. Und das Höhlen-Patrouillen-Fahrzeug ist eine alte Jawa. Nicht zuletzt wegen der angenehmen Kühle in den Höhlen sind wir eine ganze Weile geblieben und haben unsere Freude daran gehabt.
Vor den Höhlen
„Straßen“ führen durch die Höhlen bis …
… zu einer Bar, wo …
… wir dann auch eine Pause machen und dem Treiben etwas zuschauen, bevor …
… es dann wieder gen …
… Ausgang geht.
Ein „Höhlenbewohner“ kommt gerade aus der Schlafhöhle
Am morgen erwartet uns strahlend blauer Himmel und ein reichhaltiges Frühstück. Dabei schaut uns wohlwollend der Kaiser Franz-Josef zu und eine große alte Karte zeigt uns das Gebiet der k.u.k. Donaumonarchien. Ein bisschen scheint hier die Zeit stehen geblieben zu sein. Der nette Wirt klärt uns auf: In seinem Haus finden öfters kleine Tagungen leitender Persönlichkeiten von VW und Audi statt, und die mögen das gerne so. Aha!
Frühstück unter …
… dem wohlwollenden Blick des Kaisers – mit seinem Reich.
Rübezahl wünscht gute Fahrt
Von Ober Langenau geht es um 9.00 Uhr schon weiter zurück auf die Hauptstraße und im Bogen nach Norden zur Schneekoppe. Auf der Straße dorthin fallen uns wieder viele leerstehende Industriegebäude auf. In der Vorkriegszeit dank Wasserkraft ein prosperierendes Industriegebiet verfiel der Landstrich im Norden Böhmens nach ´45 in Lethargie. Erst in den letzten Jahren dank des Tourismus bewegt sich wieder einiges.
Alte, leerstehende Fabrik mit Birke auf dem Schornstein
Wir biegen nach links von der Hauptstraße ab und fahren hinauf zur Schneekoppe, mit 1602 Metern die höchste Erhebung im Riesengebirge, der höchste Berg der Sudeten und auch ganz Tschechiens. Den Lift hinauf zur Schneekoppe nutzen wir nicht, allein der wiedermal gebührenpflichtige Parkplatz schreckt uns schon ab.
Einfahrt zum Parkplatz und zur Schneekoppe-Seilbahn
Wir bleiben in Petzer (Pec pod Sněžkou) und schauen uns den Ort an, der aber nicht besonders spannend ist.
Pec pod Sněžkou
Dienstkrad vor der Tourist-Information
Auf der Rückfahrt zurück zur Hauptstraße wird Henny von einem Insekt gestochen. Da sie allergisch ist, halten wir schnell an und bereiten uns auf einen Notfall vor. Zum Glück zeigen sich keine bedenklichen Reaktionen, so dass wir nach einer angemessenen Wartefrist weiter fahren können. Auf den Straßen sind noch viele Spuren des starken Gewitters der vergangenen Nacht zusehen: Laub, Äste und weggeräumte Bäume.
Zwangspause wegen Insektenstich
Das gestrige Gewitter hat auch hier gewütet
Umgestürzte Bäume waren bereits von der Straße geschafft worden
Wir fahren durch eine sehr schöne Landschaft auf gut ausgebauter Straße nach Norden in Richtung Polen und halten in Klein Aupa (Mala Upa), dem alten Grenzort am Nordrand des böhmischen Königreiches.
Riesengebirgslandschaft
Klein Aupa, früher gab es hier nur …
… zwei Grenzbauden.
Im Gemischtwarenladen des Dörfchens versorgen wir uns, sitzen in der Sonne, schauen dem spärlichen Treiben zu und schreiben ein paar Postkarten. Viel ist wahrlich nicht los. In direkter Nachbarschaft steht eine einsatzbereite und gut gepflegte alte Feuerwehr.
Hunger- und Durstbekämpfungsstätte
Brandbekämpfungsfahrzeug
Wegemissbrauchbekämpfungsschild
Einreise nach Polen
Gleich hinter dem Ort queren wir die polnische Grenze, die Straßen sind sofort deutlich schlechter. Während auf der Südseite des Riesengebirges noch die, wenn auch meist leer stehenden, industriellen Gebäude unübersehbar waren, kommen wir nun in ein rein landwirtschaftliches Gebiet mit viel Brachland. Es macht einen zwar gepflegten aber doch sehr ärmlichen Eindruck auf uns.
Landschaft bei Liebau in Schlesien
An einem See vorbei kommend, erreichen wir Landshut (Kamienna Góra), dort schwenken wir nach Südosten ab und sind bald wieder in Tschechien. Der nächste größere Ort ist Braunau (Broumov), wo wir nach einer uns vom Navi angezeigten Tankstelle suchen. Leider ist sie nicht auffindbar, deswegen haben wir keinen rechten Blick für das kleine Städtchen, lediglich das Kloster fotografiere ich noch vor der Weiterfahrt, in der Hoffnung, bald auf eine Tankstelle zu stoßen.
Kloster in Broumov
Wir nehmen unsere Route wieder auf, verlassen Tschechien nur wenige Kilometer später, und kommen durch abgelegene Gebiete im Glatzer Kessel im Süden Schlesiens im Grenzland zu Tschechien. Die Straßen sind zwar schlecht, aber die Landschaft ist schön und wir fahren oft im Schutze von Alleen, die die Hitze etwas dämpfen. Die Straße führt nördlich am Habelschwendter Gebirge entlang.
Südschlesien
Schlechte Straßen und …
… Schatten spendende Alleen mit …
… schönen Ausblicken
Kurz hinter Habelschwendt, wo wir endlich tanken können und im Schatten einen Donut essen, machen wir eine Rast am Ufer der Glatzer Neiße und schlafen ein halbes Stündchen im Schatten der Bäume.
Rast an der Glatzer Neiße
Bald wechseln wir wieder nach Tschechien und kommen im Kreis Olmütz in Mähren an. In Mährisch Rothwasser (Červená Voda) am Hannsdorfer Bergland halten wir an einem Lokal an und trinken einen Kaffee, denn nach der letzten Pause sind wir nicht wieder richtig munter geworden. Die Verständigung ist schwierig und Henny schafft es nicht recht zu vermitteln, dass wir gerne einen Kaffee mit Milch hätten. Wir bekommen einen Kaffee im Glas, einfach Kaffeepulver hineingeschüttet und heißes Wasser drauf, etwas Milch gibt es dazu. Geht auch, man muss nur kräftig umrühren und warten, bis sich das Pulver unten im Glas abgesetzt hat, was man ja gut beobachten kann. Dazu gibt es noch eine heimische Kola, die stark nach Lakritz schmeckt. Henny führt im leider kaum kühlenden Schatten das Tagebuch, während zwei junge Männer auf einer Jawa vorbeiknattern.
„Rasthaus“ in Mähren
Kaffee und Cola
Solche Motorräder sind hier noch im täglichen Gebrauch.
Es ist warm
Wir fahren weiter ins Hannsdorfer Bergland und über Mährisch Schönberg (Šumperk )in den Süden des Altvatergebirges.
Hannsdorfer Bergland in Mähren
Am Skritek-Pass nahe des Rabensteins im Altvatergebirge halten wir an. Hier begegnen uns auch ein paar andere Motorradfahrer, denn die Straßen sind verkehrsarm aber sehr gut ausgebaut und kurvenreich. Zwei KTM-Fahrer treffen ein, die wir zuvor auch schon mal gesehen hatten. Fahrradfahrer gibt es ohnehin immer und überall, obwohl selbst hier oben noch 28° zu ertragen sind, was wir aber schon als sehr angenehm empfinden.
Skritek Pass
Nach weiteren rund 10 Kilometern, mittlerweile im Kreis Mähren-Schlesien, sehen wir eine einladende Pension in Altendorf (Stará Ves), offensichtlich benannt nach einem sehr berühmten Rennfahrer, und fragen erfolgreich nach einem Zimmer.
Pension Albert in Stará Ves
Erst wird Wäsche gewaschen, dann …
… beim Bier Tagebuch geführt bis …
… Forelle und …
… Schnitzel auf dem Tisch stehen.
Nach dem Essen machen wir noch einen Verdauungsspaziergang durch das Dorf am Podolski-Bach. Ob dieser Fußballer weiß, dass er wie ein Bach heißt? Auch dieser Bach ist rot gefärbt, wir sind aber auch in einem Eisenerz-Gebiet.
Diese Pension in der Nachbarschaft hat geschlossen, wahrscheinlich ist sie für Wintersportler reserviert
Gepflegtes Kriegerdenkmal von 1922
Die Häuser sind klein, meist gut in Schuss gehalten, …
… manchmal aber auch etwas vernachlässigt
Staustufe am „Podolsky-River“
Nach dem Spaziergang sitzen wir noch beim Bier auf der Terrasse, die sich immer mehr mit Einheimischen füllt. Bald zieht ein Gewitter auf, zwei Sportmotorräder von auch hier wohnenden Gästen werden unter das Vordach geschoben und wir sitzen alle drumherum, während es vor uns aus Kübeln schüttet. Wir verziehen uns aber bald ins Bett. Das Wetter tut der Feierlaune der Gäste jedoch keinen Abbruch, es geht mächtig laut zu bis weit in den Morgen.
Karte 4 Tag, 265 km
Grüße Falcone
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Tag 4 - Seite 37-52.pdf
Wir haben heute kein Frühstück und sind daher schon um acht Uhr auf dem Motorrad. Es verspricht, wieder ein heißer Tag zu werden. Inzwischen fahren wir auch mit Jeans und leichten luftdurchlässigen Motorradschuhen. Die Übernachtung hat insgesamt samt Abendessen nur 60 Euro gekostet, Tschechien ist ein günstiges Reiseland.
Start in aller Frühe bei azurblauem Himmel
Weiter geht es ostwärts. Wir sind im tschechischen Teil von Schlesien angelangt, der sich im Norden an Mähren anschließt. Wir verlassen das Altvatergebirge und kommen über Freudenthal (Bruntal) ins Niedere Gesenke. Wir fahren durch an ein Mohnanbaugebiet – weißer Mohn soweit das Auge reicht
Das Helle rechts sind Mohnfelder, die …
… die man hier etwas besser als solche erkennt.
Wir fahren durch das Tal der Mohra (Moravice.) und kommen an zwei Seen und an der Talsperre Slezská Harta am Fuße des Berges Hart vorbei. Die kleine Nebenstraße ist großteils noch gepflastert und windet sich kurvenreich durch das Tal, man am Fluss entlang, mal mehr in den Bergen drin.
Gepflasterte Straße im Mohra-Tal
Auf der Mauer der Talsperre Slezská Harta
Tal des Flusses Mohra
Kurz nach 9 Uhr kommen wir in Wigstadt (Vitkov) an und kehren in einem Café am Marktplatz ein. Die Kuchenauswahl ist begeisternd und wir genießen die warme Morgensonne bei einem schönen Milchkaffee.
Marktplatz in Vitkov
Fantastische Kuchenauswahl …
… und ein guter Milchkaffee
Kurze Zeit später queren wird die Oder und die Mährische Pforte, die eine Talwasserscheide zwischen oder und Donau ist, und gelangen in die Mährische Walachei. Damit haben wir nun auch im geografischen Sinne die Sudeten verlassen und sind in den Karpaten angekommen.
Unser erstes Ziel auf der anderen Seite der Oder ist Nesselsdorf, jedem Liebhaber alter Autos bekannt durch Ignaz Schustala, in dessen Firma Nesselsdorfer Wagenbau-Fabriks-Gesellschaft in späteren Jahren wegweisende technische Konstruktionen entstanden und die und durch die markanten Stromlinenautos mit Heckmotor bekannt wurde – heute heißt der Ort Kopřivnice und die Firma heißt seit 1923 Tatra.
Wir parken bei mittlerweile bei erneut großer Hitze direkt vor dem Eingang neben einem schnittigen Stromlinientriebwagen
Tatra Triebwagen
Tatra Museum
Ausgiebig besichtigen wir das interessante Museum, die besonderen Autos haben sogar Henny interessiert, zumal wir eine Zeit lang ja einen Tatra 603 im Fuhrpark hatten und ich in meiner Jugendzeit einen im Alltagsverkehr gefahren habe. Schon immer mal wollte ich dieses Museum besuchen und ich habe mich sehr gefreut, dass es endlich geklappt hat. Es ist halt nicht gerade „um die Ecke“.
3785 Blick ins Museum Weitere Bilder von unserem Museumsrundgang gibt es hier Im Tatra-Museum
Kurz hinter Kopřivnice tanken wir noch und trinken gut gekühlten Eistee. Wir beraten die Strecke. Wir wollen nach Norden, aber entlang der Oder durch das Ostrauer Becken wollen wir bei der Hitze nicht fahren. Wir müssten dann mehr oder weniger durch die Großstadt Ostrau (Ostrava), der drittgrößten Stadt Tschechiens und mitten durch ein Schwerindustrie-Gebiet. Das wollen wir uns nicht antun. So weichen wir nach Osten aus an die Mährisch-Schlesischen Beskiden um dann über Cieszyn wieder nach Westen abzubiegen und über die Mährische Pforte nach Norden von Tschechien nach Polen zu wechseln
Kühlung an der Tanke hinter Kopřivnice
Im Bereich der auf beiden Seiten der Grenze gelegenen Stadt Teschen (Cieszyn / Český Těšín) wechseln wir einmal hin und her über die polnisch-tschechische Grenze, ohne viel davon mitzubekommen. Das grenzenlose Europa begeistert uns immer wieder aus Neue. Noch vor wenigen Jahren wäre diese Tour auf so einfache Weise undenkbar gewesen. Wir fahren entlang der Olsa und nähern uns Ostrau, wie man unschwer an den zunehmenden Industriebauten erkennen kann. Am Ufer der Olsa halten wir mal an. Einen schönen Rastplatz findet sich hier nicht und so nehmen wir, was wir bekommen können. Zwischen Fluss, Straße und Kanal stehen ein paar Bäume und spenden wenigstens etwas Schatten. Im Wasser kann man etwas die Füße kühlen. Auf der anderen Seite des Flusses in Plen fährt ein Zug entlang.
Pause an der Ostra
Mal die Füße kühlen
Eisenbahn drüben in Polen
Wir wechseln alsbald die Richtung nach Norden und damit nach Polen. In Loslau (Wodzisław Śląski ) steuern wir einen McDonalds an – nicht, weil wir übermäßige Gelüste nach den dort feilgebotenen Köstlichkeiten haben, sondern weil dieser Laden mit Gewissheit klimatisiert ist. Eine halbe Stunde kühlen wir uns erst mal ab. Wie wir später zu Hause erfahren, ist es einer der zehn wärmsten Sommer seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen.
McDonalds in Loslau verspricht Kühle
Das Thermometer hat die 40 Grad erstmals überschritten
Mit bald wieder kühlem Kopf beraten wir unsere weitere Reise. Geplant war, in Polen nach Norden bis nach Hindenburg (Zabrze) zu fahren, einer Vorstadt von Kattowitz, in der Hennys Vater geboren wurde. Sowohl die Temperaturen als auch die Landschaft bringen dieses Vorhaben jedoch ins Wanken. Wir sind hier in der südschlesischen Industrieregion. Es sieht aus wie in jedem Industriegebiet der westlichen Welt, man könnte genauso gut mitten im Ruhrpott sein, es wäre nur an den anderen Autokennzeichen und an den anderssprachigen Reklametafeln mit den gleichen Bildern zu bemerken. Daher verwerfen wird den Plan, zumal eine genaue Adresse des Elternhauses von Hennys Vater sowieso nicht bekannt ist. Von der Gegend kann Henny sich aber ein Bild machen und sie hat nichts dagegen, nach Osten abzubiegen und möglichst schnell wieder ins Bergland mit den dort zu erwartenden angenehmeren Temperaturen zu kommen. Wir fahren also weiter in Richtung Südosten bis in die Schlesischen Beskiden und dort im Tal der Weichsel entlang. Bald steigt die Straße an und wir erreichen über eine schöne Serpentinenstrecke den Weißkreuzpass (Biały krzyż) und rasten dort bei Eistee und einem weiten Blick ins Land, in dessen Bergen die Weichsel entspringt.
Am Weißkreuzpass
Blick nach Nordosten ins Land.
Runter geht’s ins Tal, das nächste Ziel ist die Hohe Tatra. Auf dem Weg dort hin kommen wir …
… an seltsamen Holzfiguren und …
… an schrill gefärbten Bildstöcken vorbei
Die Bergdörfchen sind klein, die zum Trockenen aufgestellten Heugarben fallen auf. Im Tal werden die Orte größer und moderner, die großen Werbetafeln nehmen wieder zu und wir schauen uns nach einer Übernachtungsmöglichkeit um, die hier nicht gerade häufig zu sein scheinen. An einem Campingplatz mit angeschlossener Pension werden wir abgewiesen, bekommen aber einen Tipp zu einem Motel, das wir dann auch bald finden. Ganz modern liegt es hinter einer großen Tankstelle. Die Übernachtung mit Frühstück soll 43 Euro kosten, gut. Unser Zimmer ist ebenerdig und so können wir die Motorräder direkt vor´s Fenster stellen und das Gepäck durch das Fenster rein reichen. Das Restaurant sieht nobel und teuer aus und so versorgen wir uns an der Tanke mit Bier und belegten Broten. Vor dem Fenster sitzend, beobachten wir Störche auf der Wiese in der untergehenden Sonne und fühlen uns wohl. Es wird hier schon merklich früher dunkel als bei uns zu Hause.
Es ist angerichtet!
Abendruhe kehrt ein, auch bei …
... den Störchen, die noch eine letzte Maus erhaschen.
Karte 5. Tag, 369 Kilometer
Grüße Falcone
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Tag 5 - Seite 53-63.pdf
Zitat lässt in etwa erahnen, wie akkurat Du / Ihr das Ganze plant!!
Eher weniger! Lediglich die Strecke wird geplant und in Etappen ins Navi eingegeben, aber sie dient nur zur Orientierung und wird oft verlassen oder auch ganz über den Haufen geschmissen, wie dieses Jahr auch.
Am nächsten Morgen, wieder bei herrlich blauem Himmel, gehen wir ins angeschlossene Restaurant. Das Frühstück ist gut, Rührei mit Schinken, Omelette mit Marmelade. Wir schauen auch in die Speisekarte und ärgern uns ein wenig: Die angebotenen Speisen scheinen lecker und gar nicht teuer – und die Karte ist in deutsch! Also kein Bestellen auf Verdacht. Wir hätten mal besser gestern Abend hier essen sollen! So richtig sind wir im Kopf scheinbar in den östlichen Ländern noch nicht angekommen, das Essen ist durchweg gut und vor allem sehr günstig. Richtung Tatra geht es weiter, aber wir wählen eine kleine Nebenstraße entlang der Grenze zur Slowakei. Wenig Verkehr, gute Straßen, verträumte Dörfchen mit Holzhäusern – die Fahrt macht richtig Spaß.
Holzhäuser und …
… Holzkirche in Südschlesien
Die Gegend ist sehr kirchlich geprägt, überall sieht man Kreuze, Kapellen und sehr hübsche, gepflegte Kirchen und Friedhöfe. Da heute Sonntag ist, sind auch viele Kirchgänger unterwegs, die uns oft freundlich grüßen.
Bildstock mit Bild des Papstes am Wegrand
Kirche mit Friedhof
Weites Hügelland und …
… verschlafene Dörfer, über die …
… fast immer Störche wachen.
Je weiter wir nach Süden kommen, desto durchgehender sind die Häuser aus Holz gebaut, auch die ganz neuen.
Nur noch Holzhäuser, dazwischen …
… Wiesen mit Heugarben und …
… wieder Holzhäuser (Chochołów, dicht an der slowakischen Grenze), auch …
… ganz neue.
Wir nähern uns den Bergen, die Straßen sind immer noch außerordentlich verkehrsarm. Aber über den Bärgen ziehen sich dunkle Wolken zusammen.
Dunkle Wolken, aber …
… wenig Verkehr
Wir nähern uns von Südwesten der Tourismus-Stadt Zakopane am Nordrand der Tatra. Schon im Vorfeld warnte man uns: Dort steppt der Bär! Schlagartig änderte sich auch das Bild: Große Reklametafeln, Menschenmassen auf der Straße, überall gebührenpflichtige Parkplätze und Kinder, die die Autofahrer überredeten, auf die Plätze drauf zu fahren, dichter Verkehr bis hin zu Stau und Stillstand. Wir schlängeln uns durch und sehen zu, dass wir wieder raus kommen. Zakopane hinterlässt einen ziemlich schlechten Eindruck bei uns. Nur die beiden folgenden Bilder entstehen noch am Rande der Stadt. Später haben wir nicht mal mehr die Gelegenheit, irgendwo anzuhalten, der Verkehr zieht uns einfach mit.
Es beginnt, sich zu stauen und …
… Kinder locken Autos auf die Parkplätze
Kaum raus aus Zakopane, wo die Sonne noch schien, wird es dunkler. Dicke Wolken haben sich über der hohen Tatra zusammengezogen. Da sie sich von Westen her auftürmen, hoffen wir, ihnen in Richtung Osten eventuell noch entgehen zu können und geben Gas.
Die Berge der Tatra sind kaum noch zu sehen und …
… die Wolken werden immer bedrohlicher.
So bekommen wir von der Schönheit der Tatra fast gar nichts mit. Man muss aber auch sagen, dass die Tatra ein wirklich kleines Gebirge ist: Kaum drin, ist man schon wieder draußen – und nur eine Straße führt hindurch. Von Ost nach West erstreckt sie sich über gut fünfzig Kilometer und von Süd nach Nord sind es kaum fünfundzwanzig. Unser heimischer Vogelsberg ist da deutlich größer. Aber natürlich nicht so wild, zerklüftet und hoch. Der Gerlachovský štít, oder deutsch Gerlsdorfer Spitze bzw. Gerlach, ist mit 2655 Metern der höchste Berg der gesamten Karpaten! Man bezeichnet die Tatra auch als das kleinstes Hochgebirge der Welt. Ein bisschen schade ist es schon, dass wir so wenig davon mitbekommen. Schnell erreichen wir die Grenze zur Slowakei und schon wird die Straße nass. Die schöne kurvenreiche Strecke müssen wir etwas vorsichtig nehmen, aber bald hört es auf zu regnen. Doch die schwarzen Wolken sind über bzw. hinter uns. Wir fahren durch die Weiße Tatra oder auch Beler Kalkalpen genannt (Belianské Tatry)
In Altlublau (Stará Ľubovňa) im Tal der Poprad, der wir seit Zipser Bela (Spišská Belá) folgen, halten wir auf dem Kirchplatz vor einer Bar auf einen Kaffee. Wir sind im Lande Zipser angekommen, einer deutschsprachigen Bevölkerungsgruppe, die den Bereich von der Nordslowakei über die rumänische Maramuresh bis hin in die nördliche Bukovina bewohnt oder besser bewohnte. Heute gibt es nur noch sehr wenige dieser deutschsprachigen Bewohner, das Zipserdeutsch ist so gut wie ausgestorben.
Aber wir sitzen noch nicht lange, da holt uns der Regen ein. Er kommt plötzlich und sehr heftig, geht aber auch schnell wieder vorbei.
Kleine Bar in Altlublau
Die Motorräder werden gewaschen.
Zwischen Schönbrunn (Šambron) und Baierhau (Bajerovce) im Kreis Sabinov fällt uns ein Kreuz auf, das eine kyrillische Inschrift trägt. Auch die Ortsschilder von Schönbrunn und Baierhau, so fällt uns auf, sind zweisprachig, also auch kyrillisch beschriftet. Beim nächsten Ort will ich anhalten und so ein zweisprachiges Ortsschild fotografieren – aber da ist es schon wieder vorbei damit. Wir haben demnach gerade ein kleines Siedlungsgebiet der Russinen oder Russniaken am Rande der Leutschauer Berge passiert
Kreuz mit …
… kyrillischer Inschrift
An den Leutschauer Bergen (rechts)
Auch hier wieder in fast jedem Dorf ein Storchennest.
Wir fahren weiter und kommen an eine Gabelung. Links von uns, die eigentlich geplante Strecke, dräuen wieder dunkle Wolken. Wir biegen bei Torysa also nach rechts ab und folgen dem Tal der Törz nach Süden. Eine hübsche, stark kurvige aber nicht besonders gute Straße bringt uns bei Kirchdrauf (Spišské Podhradie) an die Hauptverkehrsstraße zwischen Poprad und Presov. Hier fahren wir erst mal an eine Tankstelle, fassen Benzin und trinken etwas und überlegen, in welche Richtung es weiter gehen soll. Ins Helle oder ins Dunkle? Die dunklen Wolken sehen wir natürlich in unserer Richtung.
Wir versuchen es erst mal ins Helle, um einen Haken um die dunklen Wolken schlagen zu können. Aber das gelingt nicht, wir finden keine geeignete Straße, also fahren wir doch wieder zurück und in die ursprüngliche Richtung nach Osten, anders wären wir einfach zu weit vom Weg abgekommen. Wir folgen der Landstraße nach Preschau (Presov), der drittgrößten Stadt der Slowakei. Da neben uns eine Autobahn in die gleiche Richtung führt, ist die Landstraße nahezu verkehrsfrei, mal abgesehen von mehreren Prozessionen, die wir langsam überholen. Wir haben zudem einen schönen Ausblick auf die beeindruckende Zipser Burg, der größten Burganlage Mitteleuropas und einer ursprünglich keltischen Befestigungsanlage.
Zipser Burg
Inzwischen haben sich die Wolken, die in unserer Richtung drohten, auch vollständig verzogen, und noch ein Stück vor Presov machen wir eine Rast an einem kleinen See und dösen ein wenig in der Sonne.
Rast am See
Durch Presov geht es schnell durch, eine Großstadt wie jede andere auch, zum Glück am Sonntag mit einem nur geringen Verkehrsaufkommen.
Presov
Weiter geht es nach Osten. Zunächst liegt die gut ausgebaute Fernstraße 18, über die der Verkehr in die Ukraine und nach Ostungarn läuft, noch landschaftlich schön am Rande des Sovarer Gebirges (Slanské vrchy), später wird das Land flach und die Fahrt an der Töpl (Topla) entlang langweilig. Geplant ist, noch bis zum Zempliner Stausee zu fahren, weil wir erhoffen, dort problemlos Übernachtungsmöglichkeiten zu finden. In Großmichel (Michaľovce) haben wir aber ein wenig Orientierungsprobleme, schlagen einmal die falsche Richtung ein und kommen dann doch noch an die Südseite des Sees. Dort finden wir auch schnell ein kleines Motel, allerdings in einem sehr einsamen Dorf – nichts mit Tourismus. Einerseits sehr schön, andererseits fällt uns schnell auf, dass wir ja so gut wie nichts zum Abendessen dabei haben. Nach Michaľovce zurückfahren, dazu haben wir keine Lust. Der so freundliche wie auch geschäftstüchtige Wirt bietet uns an, uns zwei Pizza zu bestellen, was wir dankend annehmen. Sein Motel ist ziemlich neu, er hat sicher viel investiert und alles ist sehr schön und komfortabel gemacht. Wir haben ein nettes Zimmer unter dem Dach. Zwar befürchten wir erst, hier durch die herrschende Hitze nachts einzugehen, aber es gibt beidseitig Fenster für einen Durchzug und auch einen großen Ventilator über dem Bett, so dass es ganz erträglich wird. Das Motel scheint eher weniger gut zu laufen, ein angeschlossenes Restaurant hat schon zu gemacht. Der eigentliche, generell wohl eher spärliche, Tourismus findet vermutlich auf der Nordseite des Sees statt.
Inzwischen sind auch die Pizzen angekommen, Bier gibt es sowieso und so lassen wir den Abend ruhig und gut gesättigt ausklingen. Das schon übliche abendliche Gewitter sorgt für ein wenig Kühlung
Das Motel, vor der sich …
… diese beiden Mädels die Pizza teilen.
Der Tag war ein wenig enttäuschend: Von der Tatra hatten wir uns mehr versprochen und das Wetter hat unsere Tourpläne durchkreuzt, so dass wir nicht wie geplant weiter nördlich durch die Westkarpaten gefahren sind, sondern mehr an deren Südrand entlang. Na, sei´s drum, die Reise hat ja erst angefangen und sie wird noch viele schöne Strecken bieten.
Karte 6. Tag, 374 km
Grüße Falcone
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Tag 6 - Seite 64-76.pdf
Ich meinte das aber eigentlich mehr so, dass es schön gewesen wäre, dort etwas schöneres Wetter zu haben um mal ein pause zu machen und etwas mehr vom Gebirglein zu sehen. Da scheint es nämlich ganz schön zu sein.
Wir gehen zum Frühstück durch die Hintertüre in das eigentlich geschlossene Restaurant. Der Motel-Wirt bietet uns ein vielfältiges Frühstück an und fragt ob wir dies und jenes haben wollen: Brot, Marmelade, Wurst, Ei, Saft, Joghurt usw. usw.. Später stellt sich heraus, dass alles einzeln berechnet wird. Schlitzohr! In der Summe aber trotzdem nicht teuer, beide der abendlichen Pizzen zusammen haben z.B. nur 6 Euro gekostet!
Wir haben jetzt die letzte Gelegenheit, uns zu entscheiden, ob wir über die Ukraine weiterreisen wollen oder über Ungarn. Der Wirt bestätigt uns zwar, dass man für die Einreise in die Ukraine kein Visum mehr benötigt, er sei schön mehrfach dort gewesen, aber es kann durchaus passieren, dass man an der Grenze sehr lange warten muss. Das, insbesondere wegen des wieder zu erwartenden sehr warmen Tages, sowie der Umstand, dass beide Motorräder auf meinen Namen zugelassen sind, brachten uns dazu, den Weg über Ungarn zu wählen. Wir müssen also die Karpaten erst mal verlassen.
Als wir unsere Motorräder packen, kommt die schwarze Katze von gestern Abend vorbei und bringt noch ihren Spielkameraden mit, einen weißen Pudel. Beide kobolzen um uns herum. Wie uns der Wirt mitteilt, sind beide zusammen aufgewachsen und verstehen sich deswegen blendend.
Wir verlassen also die sogenannten Waldkarpaten und fahren auf kleinen Sträßchen durch das Ostslowakische Tiefland, einen sehr flache Landstrich am Rande der pannonischen Tiefebene, der bei uns einen recht ärmlichen Eindruck hinterlässt. Die Dörfer werden entweder von älteren einstöckigen Häusern geprägt oder aber von zahlreichen sozialistischen Einheitsbauten in Quaderform mit nach hinten stufig abfallendem Flachdach, von denen eines dem anderen gleicht.
Typische Dorfstraße in der Ostslowakei
Sumpfgebiete
Verhältnismäßig wenige Flächen sind wirklich landwirtschaftlich genutzt, dazwischen große Brachen. In diesen Brachen sieht man sehr häufig die verfallenen Gebäude landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften. Kurz vor Neustadt am Zeltberg (Sátoraljaújhely) hat jemand versucht, ein Naherholungsgebiet an einen See zu schaffen, aber auch das verfällt schon langsam wieder und sieht aus, als sei es nie in Betrieb genommen worden
Versuch, ein Naherholungsgebiet zu schaffen, Blick auf das Tokajer-Gebirge
Angler vertreiben sich die Zeit an der Bodrog
Der öffentliche Nahverkehr scheint besonders gerne von Ziegen genutzt zu werden.
Brücke über die Ronava und Grenze zu Ungarn
Sátoraljaújhely ist eine Grenzstadt in Ungarn, das wir nun südostwärts in Richtung Rumänien queren. Gleich hinter der Grenze ermahnt uns eine Radarkontrolle, das Limit von 90 km/h einzuhalten. An uns werden sie bei unserem Reisetempo kaum was verdienen können. Das Land ist hier sehr flach und besonders fallen uns die Mengen von riesigen Sonnenblumenfeldern auf. Wir sind in der östlichen Puszta. Das Wort bedeutet sowohl Ödnis als auch Weide. Die Gegend hat schon fast was Amerikanisches mit ihrer Weite und der dünnen Besiedelung. Und so passt es auch gut, als wir eine nahezu frei in der Landschaft stehende Tankstelle finden, die neben dem benötigten Benzin auch etwas Schatten und Erfrischungen bietet.
Sonnenblumenmeer vor dem Tokajer Gebirge
Tankstelle in Cigánd
Das Benzin kostet umgerechnet 1,44 Euro, also auch nicht wirklich günstig.
Und weiter geht es durch flaches Land mit kleinen Dörfchen, Sonnenblumen- und große Maisfelder wechseln sich ab, aber auch Felder mit Weinreben sind häufig zu sehen. Wir queren die Theis (Tisza) und kommen an einem Schild vorbei, das mich bremsen und kurz umdrehen lässt. Steht auf dem Schild doch der Nachname eines Forumsmitglieds! Toll, ein ganzer Bezirk ist nach ihm benannt! Ich bin doch sehr beeindruckt.
Keule-Land beginnt …
… hinter der Theis und …
… ist weiterhin sehr flach.
In Gyulaháza kommen wir an einer Schule vorbei, auf deren Schulhof ein Düsenjäger als Denkmal steht. Seltsam. Leider habe ich weder vor Ort noch im Internet herausgefunden, welche Bewandtnis es damit hat.
Seltsames Denkmal vor einer Schule
Die Dörfer zeichnen sich durch eine recht breite Straße aus, flankiert von Straßengräben. Erst vor den immer eingezäunten Grundstücken kommt der Fußweg. Zu den Einfahrten der Grundstücke führen Brücken über die Straßengräben.
Typische Dorfstraße im Südosten Ungarns
Sind die Dörfer jedoch abgelegener und ist die Straße unbedeutender, wirkt das ganze nicht mehr so gepflegt, bleibt aber in der Anordnung gleich.
Nebenstraße durch ein kleines Dorf
In Porcsalma lädt ein kleiner Park mit Schatten spendendem Baumbestand zu einer Pause ein. Die eintönige Landschaft hat müde gemacht und sehr warm ist es obendrein. Eine Bar oder ein Café haben wir schon lange nicht mehr gesehen
Pause in Porcsalma
Auch die Motorräder freuen sich über ein wenig Schatten.
Wir sind jetzt schon kurz vor der rumänischen Grenze, aber der Verkehr ist noch recht dünn. Bei Satu Mare (Sathmar, Szatmárnémeti) wechseln wir hinüber nach Rumänien. Das erste Mal müssen wir den Grenzern unsere Ausweise vorzeigen, werden dann aber gleich durchgewunken. Gleich hinter der Grenze pulst das Leben. Der Verkehr nimmt schlagartig zu, die Straßen sind breit und teilweise vierspurig. Wir steuern erst mal eine Tankstelle an, tanken und essen und trinken etwas. Rumänische Lei haben wir noch keine, das Bezahlen per Scheckkarte ist, wie eigentlich so gut wie immer auf dieser Reise, problemlos möglich.
Auf der Ausfallstraße nach Nordosten finden wir schnell einen Bankomat, besorgen uns ein paar Lei und staunen über die großen und prächtigen Häuser. Bald sehen wir auch wieder die Karpaten vor uns
Die Karpaten der Maramuresch
Selbst in den Dörfern der nun schon wieder recht abgelegeneren Gegend verblüffen uns die prächtigen und oft reich verzierten Häuser, meistens noch ziemlich neu erbaut.
Barocke Villa, ganz frisch erbaut
Dorfstraße, ein Neubau neben dem nächsten, gerne mit zwei, drei teuren Autos in der Einfahrt.
Auch etwas ältere Häuser sind aufgestockt und frisch renoviert.
Die Verzierungen sind mannigfaltig, was wir in fast ganz Rumänien sehen werden.
Gerne genommen werden prunkvolle Zäune und gewölbte Dachelement wie auch sehr großzügige Verglasung.
Man hat uns sowohl persönlich als auch in der Reiseliteratur vor dem Kulturschock gewarnt, den der Westeuropäer erleidet, wenn er nach Rumänien kommt. Da ist was dran. Solche Häuser in solchen Mengen sieht man bei uns nur in den Nobelvierteln der Speckgürtel großer Städte. Der große Unterschied zu Ungarn diesbezüglich ist ebenfalls überraschend.
Einige Kilometer weiter, die Straße ist mittlerweile eher einspurig geworden und die Karpaten haben uns wieder, steht eine Kuh auf der Fahrspur. Wir halten an, ein Mädchen treibt sie beflissen fort. Gleich neben uns ist eine Bar. Das passt doch gut, uns ist jetzt sehr nach einem Kaffee.
Kleine Bar an der Landstraße
Die Bar ist recht neu mit großen Fenstern und mit dem schon seit Polen und der Slowakei üblichen Blechdach in Ziegelimitat gedeckt. Ein künstliches Mühlrad steht an der Seite und innen ist es auch auf rustikal gemacht – es erinnert ein wenig an unsere Partykeller der 70er Jahre.
Das neorustikale Innere
Inzwischen ist die Kuh auch wieder zurückgekehrt und ein Traktor schüttet einen Parkplatz auf:
Ein Karpatenwolf streicht ebenfalls um das Haus. Oder sollte es der Verbote von den zahlreichen streunenden Hunderudeln sein, die durch das Land streifen und vor denen man uns intensiv gewarnt hat, weil sie über Motorradfahrer herfallen?
Karptenwolf
Und tatsächlich: Als wir unsere Fahrt fortsetzen, bekommen wir immer mehr Hunde am Straßenrand zu sehen, obwohl meist weit und breit keine Ansiedlung in Sicht ist. Allerdings haben die nicht das geringste Interesse an uns, nicht mal, wenn man neben ihnen anhält.
Die Vagabunden der Straße
Aber auch anderes Viechzeug steht einfach so im Wald herum
Pferde dürfen frei herumlaufen, ebenso …
… wie die Ziegen
Auf kurven- und serpentinenreicher Strecke und über den 587 Meter hohen Huta-Pass kommen wir in die Maramuresch, diesem leicht sagenumwobenen Land im Norden Rumäniens, in dem die Zeit stehen geblieben sein soll.
Kreis Maramuresch, Schild auf dem Huta-Pass
Kurz hinter einer Serpentine taucht ein hübsches rotes Holzhaus nahe der Straße auf. Im Vorbeifahren lesen wir das Schild „Pensiun“ und drehen um. Eine dicke freundliche Mama empfängt uns und spricht etwas italienisch. Ein Zimmer ist schnell klar gemacht und Abendessen ist auch avisiert. Na prima.
Pensiun
Wir beziehen das Zimmer, das sich als Kammer entpuppt, aber sogar über ein winziges Bad verfügt, und in dem es allerdings ziemlich streng nach Holzkohle riecht. Der Geruch kommt von draußen rein. Das Fenster kann man aber nicht schließen, weil seine Öffnung mit einer festgepinnten alten Gardine gegen Mücken verschlossen wurde. Mal sehen, wie sich das entwickelt.
Erst mal raus aus den Klamotten
Auf der Terrasse vor dem Haus sitzt das Wirtsehepaar mit einer älteren und einer jüngeren Frau zusammen. Die jüngere, so stellt sich heraus, ist Englischlehrerin, arbeitet aber wegen der schlechten staatlichen Bezahlung derzeit als Dolmetscherin in der Industrie. Die ältere ist ihre Mutter. So können wir uns ganz gut unterhalten und erfahren auch, was es zu essen geben wird: Schnitzel mit Käse überbacken, dazu Bier und zum Nachtisch Pfannkuchen. Na, bestens. Samt Frühstück und Übernachtung soll alles 33 Euro kosten. Noch besser! Wir erfahren, dass man hier einen besonderen Schnaps selbst brennt (seinen Namen habe ich mir nicht gemerkt) und dass der ganz toll schmeckt. Spontan bietet uns die Mutter der Dolmetscherin ihr großes, mit Schnaps gefülltes Wasserglas an – wir mögen doch einmal probieren. Schnell sitzen wir zusammen am Tisch und Henny hat sofort Freundschaft mit einem kleinen Hund geschlossen. Im Hintergrund läuft ein Fernseher, auf dem wir mehrfach Frau Merkel sehen. Sie scheint es uns nachzumachen und auch Rumänien zu besuchen. Der Abend verläuft gemütlich, während draußen das übliche Gewitter für Abkühlung sorgt.
Der neue Freund
Das Essen ist serviert
Qual der Wahl
Draußen geht ein heftiges Gewitter nieder
Alles ist gut!
Karte 7. Tag, 283 km
Grüße Falcone
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Tag 7 - Seite 77-92.pdf