jetzt nochmal etwas ausführlicher zum Thema Tuning und Übersetzungsänderung
Warum Tuning? Teil2 Leistungskurve / Bedarfskurve
Bei diesem Thema geht es um die Auswirkung von Tuning und Übersetzungsänderungen. Der Grundgedanke dabei ist, daß sich solche Maßnahmen auf die messbare Beschleunigung und das subjektive Empfinden der Leistung erheblich stärker auswirken, als die nackten Zahlen auf den ersten Blick vermuten lassen.
Indem wir die Bedarfskurve (wieviel Leistung braucht der Motor um eine bestimmte Geschwindigkeit zu halten) und die Leistungskurve (welche Leistung stellt der Motor bei welcher Geschwindigkeit zur Verfügung) aufeinanderlegen, können wir am Abstand der Kurven zueinander erkennen, wie stark der Motor das Motorrad beschleunigen kann. Erst wenn beide Kurven sich schneiden, ist die maximale Endgeschwindigkeit erreicht und es findet keine Beschleunigung mehr statt. Ein Beispiel: Wenn du mit dem Motorrad mit 120 Kmh unterwegs bist, benötigst du 20 PS, um diese Geschwindigkeit zu halten. Wenn der Motor aber 30 PS zur Verfügung stellt, bleiben dir 10 PS, die das Motorrad weiter beschleunigen. Jetzt tunen wir diesen Motor und er hat danach 35 PS. Das entspricht einer Mehrleistung von knapp 17 %. Das ist kein spektakulärer Wert, (aber durchaus respektabel für ein Tuningergebnis). Wesentlich erheblicher wirken sich die 5 PS aber auf die gefühlte und auch messbare Beschleunigung aus. Denn dafür stehen statt der 10 PS nun 15 PS zur Verfügung. Das sind 50% mehr. Und diese 50% sind kein Zahlenspiel, sondern erfahrbare Realität. Hier geht es um das, was wir unter „Druck“ verstehen. Das herrliche Gefühl, kraftvoll angeschoben zu werden. Natürlich ist dieses Beispiel willkürlich gewählt, aber ganz allgemein läßt sich sagen, daß der Gewinn an Durchzugskraft und Beschleunigung immer höher ausfällt als der relative Gewinn an nominaler Leistung.
Eine andere Möglichkeit mit einem ähnlichen Effekt ist die Verkürzung der Übersetzung. Wenn wir den Motor 5% kürzer übersetzen, wird auch die Kraft, die am Hinterrad ankommt, um 5% höher sein (wenn die Drehmomentkurve hier nicht gerade stark abfällt). Auch diesmal wird sich die Auswirkung auf die Beschleunigung stärker bemerkbar machen. Für alle, die es nicht selber nachrechnen möchten: Aus den 5% werden, um im obigen Beispiel zu bleiben,15%. Die kürzere Übersetzung hat allerdings den Nachteil, daß das Drehzahlniveau steigt und die mögliche Endgeschwindigkeit evtl. nicht mehr erreicht wird. Genauso gut könnten wir übrigens einen Gang runterschalten. Was aber nichts daran ändert, daß wir Motorräder lieben, die auch im letzten Gang ordentlich durchziehen.
Und jetzt treiben wir das Ganze mal auf die Spitze und übersetzen den getunten Motor 5% kürzer. Das erfreuliche Resultat ist ein um 67,5% gesteigerter Leistungsüberschuß. Da passiert es auch schonmal, daß der Besitzer nach der Probefahrt etwas Zeit braucht, das Grinsen wieder aus dem Gesicht zu bekommen.
Ich hab mir dazu auch mal Gedanken gemacht und nun endlich das Diagramm für die Zugkraft der W am Hinterrad im Serienzustand berechnet. Rechts ist die gefahrene Geschwindigkeit in km/h angegeben, nach oben die Zugkraft in Newton.
Zuerst ohne Berücksichtigung des Luftwiderstandes (1. Gang: blau, 2. Gang: rot, 3. Gang: grün, 4. Gang: lila, 5. Gang: orange)
Wunderschöne Kurven, könnte man meinen. Aber: wenn der Luftwiderstand dazukommt, sieht das Ganze so aus:
Die W ist zu Tode übersetzt. Die Gänge vier und fünf sind grad für die Katz. Es gibt keinen Geschwindigkeitsbereich, wo die luftwiderstandsbereinigte Zugkraft im vierten Gang grösser wäre als im Dritten oder im Fünften grösser als im Vierten. Das sind also reine "Schongänge".
Diese Kurven sind keine Kopien oder irgendwelche billigen Schätzungen, sondern sorgfältig berechnet mit Hilfe von Daten aus seriösen Quellen. Einzig bei sehr niedrigen Geschwindigkeiten sind die Kurven nicht sehr realistisch, weil dort ja mit der Kupplung gearbeitet werden muss. Ausserdem ist natürlich das Drehzahllimit zu beachten, das aus den Kurven nicht direkt ersichtlich ist.
Gruss Serpel
Edit: Noch was, bei der W steht in jedem Gang die grösste Beschleunigung im Geschwindigkeitsbereich 45-65 km/h zur Verfügung - schon sehr erstaunlich!
In Antwort auf:Die W ist zu Tode übersetzt. Die Gänge vier und fünf sind grad für die Katz.
Moin Serpel,
die praktische Anwendung spricht dagegen, also kann was nicht stimmen. Das sagt jetzt nicht der Physiker, sondern der Ingenieur. Es mag sein, daß Deinen Kurven aus seriösen Quellen stammen, aber ehe Du nicht selbst gemessen, solltest Du sie gleich vergessen.
Als 16-jähriger habe ich mal das Gangleistungsdiagramm einer 850 Norton Commando aufgemalt. Mit den vier Gängen, die das Ding hat, fiel die Leistung von 51 PS Nennleistung im größten Sprung gerade mal auf 48 PS ab. Damals stimmten die Kurven noch, die man bekam. Damals standen in der MOTORRAD auch noch Umrechnungsformeln für Drehmoment und Leistung, die ohne Taschenrechner nachvollzogen werden konnten. Heute wird viel auf dem Papier getunt. Schuld sind die Kunden, die mit den Werten protzen wollen und es nicht mehr raffen, obs auch stimmen könnte.
Klar ist, daß beim Motorrad der Widerstandsanteil einen ganz anderen Stellenwert einnimmt, als beim Auto. Deshalb sind die Beschleunigungen ja so gut. Aber für die Beurteilung des Verhaltens sind die Teillastkurven ebenfalls von enormer Wichtigkeit. Das Verhalten im Übergang von stationärem Fahren auf Beschleunigung ist es, was dem Fahrer das Lächeln auf das Gesicht zaubert, nicht nur die nackten Eckwerte. Niemand würde beispielsweise mit hoch sirrendem Motor im dritten Gang auf der Landstraße cruisen, auch wenn das hundertmal technisch in Ordnung ginge. Nein, wir wollen, daß der Motor tief und entspannt blubbert und beim Gasdrehen richtig loskoffert. Allein zu wissen, er kann es, läßt die Gashand schon ruhiger werden.
Ich schließe mich meinem geschätzten Vorredner an: die praktische Anwendung spricht dagegen, also kann was nicht stimmen. Das sagt jetzt nicht der Physiker oder der Ingenieur, sondern der Praktiker.
Klar, die W ist zu lang übersetzt - aber irgendwas an den Kurven stimmt nicht, so fährt eine W in der Praxis einfach nicht.
Grüße Falcone
Nur wer es schafft, auf das Notwendige zu verzichten, kann sich das Besondere gönnen.
öhh,nee, ich meinte nur allgemein. Ohne Hintergedanken. Von den etwa 200 aktiven Schreibern hier sind ja höchstens 25% die mehr Leistung wollen oder bessere Bremsen oder ein verbesserte Fahrwerk. Die große Masse beschränkt sich ja wohl auf optisches tuning und ist zufrieden mit der Serien-W. Oder lieg ich da so falsch?
edit sagt: und die 8fuffziger, die der Paul gerne hätte, ist sowieso außen vor, weil sie ja im Gegensatz zu den oben genannten Tuningmaßnahmen niemals realisiert wird.
In Antwort auf:Nein, wir wollen, daß der Motor tief und entspannt blubbert und beim Gasdrehen richtig loskoffert.
Das sehe ich ganz genau so - die Fahrbarkeit der W ist doch nun schon hinlänglich bewiesen worden, oder? Und was die "Schongänge" betrifft ... vielleicht hat gerade deshalb der W-Motor die Option auf die 100tkm ... dann schone ich meinen Motor doch gern! Optimal für die "klassische W-Fahrweise" wäre in meinen Augen ein "Drehmoment-Tuning" für die Bereiche 2000-5500/min?! Ich meine wenn diese Drehzahlbereiche durch Ulf's Tuning-Programm gestärkt werden, dann ist das "Klassenziel" erreicht. Nach dem Prüfstandslauf werden wir ja sicher mit der ersten Nm/min - Vergleichskurve beglückt ...
Zitat von Wännädie praktische Anwendung spricht dagegen, also kann was nicht stimmen.
Zitat von FalconeKlar, die W ist zu lang übersetzt - aber irgendwas an den Kurven stimmt nicht, so fährt eine W in der Praxis einfach nicht.
Ohh, Wännä und Falcone in trauter Eintracht, das muss ich im Kalender vermerken!
Alle Achtung, Ihr lehnt Euch ja ganz schön weit aus dem Fenster! Aber natürlich stimmen die Kurven. Ich geb Euch jetzt sogar noch den jeweiligen Gültigkeitsbereich in den einzelnen Gängen an:
Die Kurve für den 1. Gang gilt bis 75, die für den Zweiten bis 110, für den Dritten bis 140, für den Vierten bis 170 und für den Fünften bis 200 km/h (auf 5 km/h genau).
Vielleicht legt Ihr Euch auch mal ein bisschen fest, was genau Euch an den Kurven stört, damit ich die Einwände besser entkräften kann. (Einfach zu sagen: "Ich habe da so ein Gefühl, dass was nicht stimmt" erinnert mich ein wenig an Loriots "Szenen einer Ehe" )
In Antwort auf:Ich habe da so ein Gefühl, dass was nicht stimmt
Besser kann ich es leider nicht. - Aber so extrem, wie du es beschreibst, dass sowohl Vierter als auch Fünfter nur Schongänge sein sollen, das kann ich mir halt aufgrund der Fahrerei mit der W nicht vorstellen. Vielleicht verstehe ich auch diene Kurven noch nicht richtig?
Grüße Falcone
Nur wer es schafft, auf das Notwendige zu verzichten, kann sich das Besondere gönnen.
In Antwort auf:Vielleicht legt Ihr Euch auch mal ein bisschen fest, was genau Euch an den Kurven stört
z.B. das die W im dritten nicht 170 schnell sein kann, bei 7700 U/min erreicht die W 143km/h im dritten, im ersten geht es bei ca. 78 km/h in den Begrenzer. jenseits von 65 geht die W im 2. besser ab als im ersten ohne wenn und aber - laut deinem diagramm müßte sie bis 90 im ersten besser gehen (was ja in der realität überhaupt nicht gehen kann)
der 4. geht bis 177 - was dem Topspeed entspricht - passt also perfekt (wenn alles optimal läuft sind sogar etwas mehr drinnen - dann natürlich im 5.) und der 5. ist ein Overdrive
In Antwort auf:Vielleicht legt Ihr Euch auch mal ein bisschen fest, was genau Euch an den Kurven stört, damit ich die Einwände besser entkräften kann.
Soso, Du willst also nichts begreifen, sondern nur entkräften ?? Und da soll ich jetzt mich aus der Deckung wagen ??
KV (kannste vergessen)
Also meine W (mein Gugelhupf) hat im oberen Bereich einfach nicht diese Leistung. Da wickelt sich die Maus keinen Faden um den Schwanz. Mich "stört" also weniger die Kurve, als die Leistungsentwicklung meiner W. Es ist eine Kat-W und die Nichtkat-W dreht nach oben definitiv williger raus.
Im Endeffekt bedeutet dies, daß nominell im vierten die höchste Geschwindigkeit zu erreichen sein müßte, was ich natürlich längst ausprobiert habe und was nicht funktioniert. Wenn man im vierten drehen läßt, bis nichts, aber auch gar nichts mehr kommt (~7200/min), und dann in den fünften (~6200/min) schaltet, wird die W schneller. Nicht mehr viel, aber immerhin. Das ist der Beweis, daß im fünften bei dieser Drehzahl mehr Leistung sein MUSS.
Diese paßt nicht damit überein, daß die höchste Leistung bei 7000/min sein soll. Sie ist auch gefühlt eher bei 6341/min angesiedelt.
Gruß
Wännä
P.S.: von trauter Eintracht mit Falcone kann übrigens keine Rede sein. Er schätzt mich und ich fürchte ihn