Wassergehalt im obenliegenden Ausgleichsbehälter zu messen, ist für die Katz. Die Bremsflüssigkeit zirkuliert ja nicht. Entscheidend ist die Flüssigkeit unten im Zylinder des Bremsbacken. Die muss Bremshitze aushalten ohne Dampfblasen zu bilden.
Nicht nur die Bremsflüssigkeit zirkuliert nicht ... auch die Luft zirkuliert ja nicht, weil der Ausgleichsbehälter gegen die Athmosphäre bestens abgedichtet ist. So gesehen "zirkuliert" also die Bremsflüssigkeit über die Verbindung zwischen Ausgleichsbehälter und Bremsleitung eher miteinander als mit der Außenluft ... und spätestens dann macht die "Wasser-Stands-Messung" im Behälter dann doch wieder Sinn. Alle Klarheiten beseitigt?!
Gehen wir vom gleichen Effekt wie beim Benzintank aus: wassergesättigte Flüssigkeitsanteile sinken nach unten ab und bleiben unten (im Bremsbacken) ... Oben werden Messungen ein abweichendes Ergebnis zeigen. Der Zeitaufwand für einen Br.fl.wechsel an der W ist so gering, dass sich eine Messung des Wassergehaltes mit allen Unschärfen im Ergebnis nicht lohnt. Ein jährlicher Br.fl.keitswechsel und der merklich verbesserte, eindeutigere Druckpunkt hat mich allemal praktisch überzeugt.
Diese regelmäßige Messung in Österreich erstaunt mich schon. Bedeutet das tatsächlich, dass die den Bremsflüssigkeitsbehälter aufschrauben, die Gummimembran herausnehmen, die Flüssigkeit messen und alles wieder ordentlich und ohne zu tropfen zusammenschrauben?
Kawasaki schreibt den Wechsel bei der W alle 24.000 km oder alle 2 Jahre vor - je nachdem, was eher eintritt. Hält man sich daran, ist man auf jeden Fall auf der sicheren Seite, weil diese Werte auch bei ungünstigsten Bedingungen gelten (böse Zungen sagen ja, weil die Werkstätten was zu tun haben müssen ).
Betrachten wir die Angelegenheit mal genauer: Flüssigkeit lässt sich nicht komprimieren. Ob nun in einer Bremsanlage reines Wasser oder Bremsflüssigkeit ist, merkt man nicht am Druckpunkt, wenn man die Bremse zieht. Das gilt aber nur so lange, wie die Bremse nicht warm wird. An der Bremsscheibe kann eine Bremse ohne weiteres über 100 Grad erreichen. Diese Temperatur wird über den Bremskolben dann auf die Flüssigkeit übertragen. Wasser würde nun schlagartig verdampfen und beim Bremsen greift man ins Leere, denn Dampf lässt sich ja sehr wohl komprimieren. Die bei der W verwendete Bremsflüssigkeit DOT 4 verdampft aber erst bei Temperaturen über 230°. Das erreichen normale Bremssysteme wie das der W nicht. Bremsflüssigkeit nimmt aber gerne Wasser auf, man nennt dieses Verhalten "hygroskop". Dieses Verhalten hat nicht nur Nachteile, sondern auch Vorteile, denn Wasser wird damit in der Bremsflüssigkeit gebunden und kann keine Wassertropfen bilden. Wassertropfen würden nämlich bei Druck schlagartig verdampfen, in Bremsflüssigkeit gebundenes Wasser tut dies nicht. Das gilt aber nur bis zum Bereich von etwa 3% Wasseranteil. Diesen Anteil kann man messen und spätestens dann sollte die Bremsflüssigkeit gewechselt werden, sie kann dann nämlich schon bei 160° beginnen, Dampfblasen zu bilden. Ist der Wasseranteil nämlich höher, können sich bei starker Erhitzung des Bremssystems (z.B. bei Pass-Bergabfahrten) diese Dampfblasen in der Flüssigkeit entstehen und man greift beim Bremsen ins Leere.
Heutige Bremssysteme sind geschlossen. Früher war in den Deckeln des Bremsflüssigkeitsbehälters eine Belüftungsbohrung, damit die Volumenänderung beim Bremsvorgang durch Luft ausgeglichen werden konnte. Über diese Bohrung kam die Bremsflüssigkeit immer direkt mit Luft in Berührung und musste dementsprechend häufig ausgetauscht werden. Schon länger setzt man eine Membran ein, die auf der einen Seite die Bremsflüssigkeit hermetisch gegen die Luft abriegelt, auf der anderen Seite den Druckausgleich durch die Bohrung im Deckel aber zulässt. Tastet man sein Bremssystem also nicht an, kommt theoretisch auch kein Wasser ins System. Da so ein System aber nicht wirklich und dauerhaft hundertprozentig dicht ist, schreiben die Hersteller Wechselintervalle vor. Und das ist auch gut so.
Sollte man aber glauben, dass sich nach einem jährlichen Wechsel der Bremsflüssigkeit der Druckpunkt geändert hat, so stimmt irgendetwas anderes nicht. Vermutlich liegt es eher daran, dass vielleicht auch neue Bremsbeläge eingebaut wurden und sich damit das Gefühl etwas verändert. Normalerweise ist es nicht möglich, bei einer Prüfung am Druckpunkt zu unterscheiden, ob die Bremsflüssigkeit ein Jahr alt oder neu ist.
Ich will jetzt nicht einer Verzögerung des Bremsflüssigkeitswechsel das Wort reden, ein Wechsel nach zwei Jahren ist empfehlenswert und keinesfalls verkehrt. Aber die Erfahrung zeigt, dass auch nach 5 Jahren eine unberührte Bremse immer noch gut und dauerhaft bremst. Da ist also ein Sicherheitspolster vorhanden. Steht aber eine Alpenfahrt an, sollte man doch mal in sich gehen, ob man nicht die Flüssigkeit vorher besser wechselt.
Da ein Bremsflüssigkeitswechsel eben nicht ganz so banal vonstatten geht, wie gerne behauptet wird, ist es mir jedoch lieber, der eine oder andere Motorradfahrer fährt drei oder vier Jahre mit einer Bremsflüssigkeit und lässt sie dann von einem Profi wechseln (und entsorgen), als dass er sich selbst versucht und hinterher wirklich ein Problem hat.
Und mal Hand aufs Herz: Wie viele ältere Autos im Straßenverkehr sehen keine Werkstatt mehr für eine Inspektion, einfach weil sie problemlos fahren. Wie alt deren Bremsflüssigkeit ist, möchte ich lieber gar nicht wissen. Insofern ist so eine Prüfung wie in Österreich vielleicht gar nicht verkehrt.
Der Druckpunkt nach dem Br.fl.wechsel ist spürbar "fester" und das merkt man einfach, wenn man es ausprobiert... (ohne Br.belagwechsel etc.) Hier hilft tatsächlich nur die erhellende Praxis, statt grauer Theorie...
Auch Flüssigkeiten werden natürlich komprimiert, wenn auch nicht so leicht wie Gase oder Dämpfe ... Bei einem Druck bis zu 100bar sollte da was "zusammengehen". Doch merkt man den Unterschied, auf den ich hinweise, sicherlich erst wenn man eine Stahlflexbremsleitung verwendet. Die Original-Gummischläuchen haben zu flexible Umwandungen.
Mit der Bremsflüssigkeit würde ich tatsächlich nicht spaßen.
Ich hatte in Misano 2016 einen Totalausfall der Bremse, da war das Motorrad (und damit die Bremsflüssigkeit) noch keine zwei Jahre alt. Der gefürchtete Griff ins Leere bei Tempo >>200 - da machst du echt in die Hose. Ob die mehr als zur Hälfte verschlissenen Beläge dran schuld waren oder die Bremsflüssigkeit, hab ich nicht in Erfahrung bringen können, vermutlich war es die Kombination aus beidem.
Gruß Serpel
"DA SIND WIR LETZTES MAL AUCH GESESSEN MIT BLICK AUF DAS MURMELTIER!"
Zitat von Falcone im Beitrag #34Diese regelmäßige Messung in Österreich erstaunt mich schon. Bedeutet das tatsächlich, dass die den Bremsflüssigkeitsbehälter aufschrauben, die Gummimembran herausnehmen, die Flüssigkeit messen und alles wieder ordentlich und ohne zu tropfen zusammenschrauben?
Genau das bedeutet es. Lack und Schrauben sehen dementsprechend schnell mitgenommen aus
ZitatHier hilft tatsächlich nur die erhellende Praxis, statt grauer Theorie...
Ganz meiner Meinung. Und die Praxis zeigt, dass der Unterschied für einen normal sensiblen Menschen nicht fühlbar ist. Viel öfters habe ich es jedoch erlebt, dass ums Verplatzen sich der alte Druckpunkt nicht wieder einstellen wollte, wenn man nach der Pumpmethode die Flüssigkeit austauscht. Die W ist da zum Glück unproblematisch, aber bei anderen Motorrädern muss man schon mal ziemliche Klimmzüge veranstalten.
ZitatOb die mehr als zur Hälfte verschlissenen Beläge dran schuld waren oder die Bremsflüssigkeit, hab ich nicht in Erfahrung bringen können, vermutlich war es die Kombination aus beidem.
Schade, dass die Ursache nicht ausfindig gemacht werden konnte. Denn gerade bei der Bremse ist der Sicherheitspuffer seitens der Hersteller ja sehr groß. Angefangen bei den dicht verschlossenen Systemen (s.o.) bis hin zu Bremsflüssigkeitsbehältern, deren Inhalt auch bei völlig abgefahrenen Scheiben noch genügend groß bleibt. Bei einer ordnungsgemäß befüllten, original belassenen und gewarteten Bremse sollte so was nicht vorkommen können.
Ja, Dieter, das könnte auch eine Rolle spielen. Nur, wie kommt im Normalbetrieb Luft in die Anlage? Bei extremer Schräglage und bei klassischem M-Lenker vielleicht? Bei einer richtig gehandhabten Ablassschraube mit Entlüftungsfunktion durch Rückschlagventil sehe ich da keine Möglichkeit. Ich tippe eher auf die veränderte Konsistenz der Br.flüssigkeit selbst.
Es bleibt bei der Ausgangsfrage, auf die ich eine für mich stimmige Antwort gefunden habe: Warum also den Rest der gekauften Bremsflüssigkeit entsorgen?, statt ihn im kommenden Jahr zu einem zusätzlichem FLüssigkeitswechsel zu nutzen!
Zitat von Falcone im Beitrag #41Schade, dass die Ursache nicht ausfindig gemacht werden konnte. Denn gerade bei der Bremse ist der Sicherheitspuffer seitens der Hersteller ja sehr groß. Angefangen bei den dicht verschlossenen Systemen (s.o.) bis hin zu Bremsflüssigkeitsbehältern, deren Inhalt auch bei völlig abgefahrenen Scheiben noch genügend groß bleibt. Bei einer ordnungsgemäß befüllten, original belassenen und gewarteten Bremse sollte so was nicht vorkommen können.
Es waren von Louis die billigere Variante der Beläge drin und knapp zweijährige DOT 3 oder DOT 4 Flüssigkeit, keine 5.1. Die Beläge waren wie gesagt mehr als zur Hälfte verbraucht. Da ich mit Nachpumpen so etwas wie einen Druckpunkt herstellen konnte, gehe ich nicht von Fading der Beläge aus, sondern von Dampfblasenbildung. Bei der extremen Beanspruchung in Misano könnte es schon sein, dass der Sidepunkt der Bremsflüssigkeit selbst überschritten war. Für die Rennstrecke wird nicht umsonst spezielle Bremsflüssigkeit verwendet. Und beim letzten Service hat mir der Mechanikus DOT 5.1 statt DOT3 oder DOT 4 eingefüllt, weil "man den Reifen ansieht, dass da jemand bisweilen stärker am Kabel zieht".
Gruß Serpel
"DA SIND WIR LETZTES MAL AUCH GESESSEN MIT BLICK AUF DAS MURMELTIER!"
ZitatUnd beim letzten Service hat mir der Mechanikus DOT 5.1 statt DOT3 oder DOT 4 eingefüllt, weil "man den Reifen ansieht, dass da jemand bisweilen stärker am Kabel zieht".