hier ist ein Reisebericht mit einer 125er, den ich schon vor längerer Zeit in einem anderen Motorrad-Forum gepostet hatte, ist also nicht ganz aktuell. Anyway, ich leg´dann mal los.
Neben den Reiseenduros hatte ich die letzten 12 Jahre parallel eine Suzuki TU 125 XT. Luftgekühlt, 10 PS, 85 Sachen nach Tacho, dies allerdings windabhängig stark variabel
Eigentlich gekauft für die bessere Hälfte, Stichwort alter 3er Führerschein, wurde das nix (zwischen der TU und ihr, wir beide sind noch zusammen )
Was nun? Gut, kostet ja kaum Unterhalt das Teil, mal behalten.
Und nun geschah es, daß ich mit dem Ding erstmal so in die Stadt, dann auf kleinere, und später auf immer größere Touren ging
Dies entwickelte sich peu à peu so weiter, es handelt sich wirklich um die "Entdeckung der Langsamkeit", und das ausgerechnet mir, bis dato (nein bis heute!) immer gern eher ambitioniert unterwegs
Die Fahrweise mit so einer Gurke ist völlig anders, geradezu konträr zum "normalen" Motorradfahren.
Sportlicher Ehrgeiz wird, abgesehen am Stilfser Joch bergab , schon im Keim erstickt. Man gondelt vor sich hin, erfreut sich der phantastischen Landschaft und am Spritverbrauch, der 3 Liter nie übersteigt.
Man sieht einfach viel, Fakt. Ausserdem erstaunlich, wie so ein winziger "Einzelkämpfer", umgeben von einfachster Technik, einen, doch mit Gepäck und allem, recht ordentlich über die höchsten Pässe bringt.
Anfang dieses Jahres (das war 2012) mit 55.000 km auf der Uhr schweren Herzens verkauft.
Der Höhepunkt des Ganzen war dann in 2009, als ich über Umwege mit dem Ding nach Stuttgart - Barcelona und retour fuhr. Von dort stammt meine LAG. Es waren fast 4000 km in 8 (!) Fahrtagen, unten 4 Tage Pause. Fast ausschließlich mittlere bis kleine Landstraßen. Man kann von einem 45er Schnitt ausgehen, was zu täglich um die 10 - 12 Stunden reine Fahrzeit führt.
Sightseeing ist da nicht mehr, war froh wenns mittags zu einem Baguette mit einem Cappu gereicht hat
Die Holde übrigens buchte German Wings und lehnte den Platz auf dem Sozius dankend ab. Why that?
OK, ich berichte einfach mal (so wie ich es noch zusammenbringe)
Teil 1: Von Stuttgart ins französische Jura
Motorradfahren im vollen "Schiff" ist nicht angenehm. Fahren mit einer luftgekühlten 125er Suzuki auf der Autobahn auch nicht. Beides zusammen ist die Hölle.
Der nächste LKW setzt zum Überholen an, nachdem er mir so dicht aufgefahren ist, daß ich den Daimlerstern schon formatfüllend im Spiegel sehe. Ein leichter Sog zieht mich nach links, ich sehe absolut null, und der 40-Tonner zieht so knapp vor mir wieder rein, daß ich kurz vom Gas muß.
Scheiß Hobby, scheiß Idee. Mit der TU 125 nach Spanien, klar. Könnte grad wieder umdrehen. No way, aufgegeben wird ein Brief!
Runter von der Autobahn, auf die N83, es hört nicht auf zu regnen, und die N83 ist kein bisschen besser wie die Autobahn. Colmar, Mulhouse, Montbeliard. Bloß runter von der Route Nationale, Schnauze voll.
Die Straßen werden kleiner, der Verkehr nimmt urplötzlich ab, und trotz der Nässe kommt das erste mal so etwas wie Fahrfreude auf. Die Suzi schnurrt vor sich hin, immer schön den Schwung halten, dann geht´s auch halbwegs vorwärts.
Weiter Richtung Pontarlier, es kommt ob der fantastischen Landschaft Urlaubsstimmung auf.
Jetzt ein Cappu und ein Snack, selbst beim Mc Donalds ein Segen.
Ich fahre auf kleinen Strässchen noch bis abends um etwa 19 Uhr weiter und bin froh, daß ich in einem kleinen Nest eine Auberge finde. Dort treffe ich noch auf eine Gruppe Sportfahrer mit Ansbacher Kennzeichen. Als ich Ihnen bei Pizza und Wein meine Tourenpläne erzähle, wissen sie nicht so genau, ob sie mr eher anerkennend auf die Schulter klopfen oder mich doch lieber gleich in die Geschlossene einweisen lassen sollen
Genau, es geht noch härter: mit dem Mofa bzw. z.Zt. mit dem Mopedroller auf Tour - wenn er (2Takter) nicht so laut wäre und immer voll am Anschlag...
Letzte Logik meiner Überlegung: E-Bike (40km/h) mit Ersatzakku dabei. Oder ohne - das erhöht die Verweildauer und fördert die Gesprächskultur mit Einheimischen in der Dorfkneipe beim Laden des Akkus.
P.S. Im hohen Alter dann: Wie Philemon und Baucis auf dem Bänkchen vor dem Haus sitzen und mit sich und der Welt zufrieden sein und von früheren Zeiten schwärmen, als wir noch auf Tour gingen...
Schönen Sonntag heute - auch so ein Ruhetag, an dem wir die Langsamkeit wieder neu entdecken können...
Für denselben Zweck hab ich über den Winter eine 80er KTM Bj. 1983 (Sachs-Motor) wieder flottgemacht. Kreidler gabs keine vernünftige mehr, der Markt ist wie leergefegt!
Der Wecker klingelt viel zu früh für einen Langschläfer wie mich. Bitte Petrus, laß´ heut mal gut sein
Ein erster Blick durch den Vorhang gen Himmel: Blllllaaaaauuuuuuu , zumindest partiell.
Flux noch die Kette geschmiert (dazu später noch mehr ), das Petit Dejeuner eingeworfen, Gepäck aufgeschnallt und ab dafür.
Weiter geht´s Richtung Süden, auf kleinen Straßen. Nach alter Väter Sitte, Route auf einen Zettel geschrieben und den Zettel oben auf´m Tankrucksack. Manchmal ist ein kurzer Blick auf die Karte notwendig, manchmal fahr ich frei Schnauze.
Bei immer schöner werdendem Wetter und steigenden Temperaturen, in dieser Region kann man den Süden schon fühlen, geht´s über Aix-les-Bains, Chambery Richtung Barcelonette.
Obwohl der berühmte Col de la Bonette daneben liegt, ich kenne ihn von früheren Touren, entscheide ich mich für den Col de la Cayolle, mit 2300 irgendwas Meter der "Höhepunkt" der Tour. Abgesehen vom Stilfser Joch hatte ich mit der TU nie Probleme, was den Anstieg auf Pässe angeht. Das Motörchen zieht da hoch, und ich bin immer wieder erstaunt, wie problemlos, wartungsfrei und sparsam man mit der Suzi reisen kann!
Weiter durch die traumhaften Gorges de Dalouis (eine echte Empfehlung!), das Mittelmeer kann man fast schon riechen
Nizza, die Cote d´Azur, ein Etappenziel ist erreicht. War das letzte mal 12 Jahre zuvor mit meiner Freundin als Sozia auf der Pegaso da, ich liebe es.
Das Übliche: Abendessen, noch 2 oder 3 Viertel Wein am belebten Boulevard Anglais, dann ab in die Präsidentesuite des Hotel Negresco und schlafen.
Übrigens nebenbei: Für meine TU 125 als Neufahrzeug hab ich im Jahr 2000 weit weniger bezahlt, wie eine Nacht in der Präsidentensuite kostet Fortsetzung folgt....
Das ist ein leckerer Bericht - macht große Lust, den Spuren zu folgen... allerdings würde ich mir dafür nicht extra eine 125er zulegen, W-andern ist ja auch entschleunigt
Alkoholfreies Bier... schmeckt richtig, ist aber falsch.
Teil 3: Von Nizza nach Avignon - Revanche am Mt. Ventoux
Erstmal, ich hab euch wegen der Übernachtung angelogen
Die Präsidentensuite war mir echt zu popelig , hab dann aber doch noch was Passendes gefunden
Nach einem kleinen Abstecher zu einem Nest Berre les Alpes, wo besagter Urlaub Jahre zuvor verbracht wurde (hat gleich mal wieder 2 Stunden gekostet ) gehts weiter Richtung Provence. Die berühmte Parfumstadt Grasse wäre sicher interessant zu besichtigen, allein der Zeitplan lässt es nicht zu. Also, weiter und durch, that´s life.
Kleines Päuschen oberhalb von Grasse
Weiter geht´s in Richtung Grand Canyon du Verdon. Ich glaube, man braucht hierzu nicht mehr viel zu schreiben, die Landschaft ist einfach sensationell.
Was mich überrascht ist, trotz Sommersaison und guten Wetter, der kaum vorhandene Verkehr. Bin recht allein unterwegs. Phantastisch. Kann ich die Kurvengeschwindigkeit der 125er optimal ausnutzen
Die Route folgt weiter, durch herrliche Lavendelfelder der Provence unweigerlich in Richtung Mt. Ventoux.
Und dann ist es soweit, der erste Blick auf den Mont Ventoux eröffnet sich.
Mont Ventoux, der einsame Riese in der Provence, Schrecken ganzer Generationen von Rennradfahrern. Und Schrecken zumindest eines deutschen Moppedtouristen, der meint, da zu unpassender Zeit noch drüber zu müssen
Wir haben Sommer 2003, also 6 Jahre zuvor, ich fahre mit meiner Aprilia Pegaso unter ein Vordach im Örtchen Sault am Fuße de Mt. Ventoux. Ich packe den Regenkombi aus, das Tröpfeln beginnt in Regen überzugehen. Es ist recht spät, sieben oder halb acht abends.
Der Himmel zieht recht bedenklich zu, ansonsten ist alles ruhig. Kein Mensch, kein Auto weit und breit. Dunkel-dämmrige Stimmung. Im Nachhinein wirlich strange!
Etwas genervt und wider besseren Wissens nehme ich die Straße gen Gipfel.
Unterhalb der Baumgrenze ist noch alles soweit in Butter. Der Wind frischt auf und der Regen nimmt zu.
Mit zunehmender Höhe wird das Ganze aber langsam stärker, und was dann oberhalb der Baumgrenze abgeht, ist nicht normal.
Ich kenn aus zahllosen Alpentouren durchaus auch Gewitter in den Bergen, da geht´s schon ab. Da bin ich eher unempfindlich.
Aber jetzt ist Schluß mit lustig, mir geht der Arsch auf Grundeis. Echte Angst macht sich breit, wie ich sie eigentlich nicht nochmal erlebt habe.
Die Sicht beträgt geschätzte 5 Meter, der Wind pfeift mich fast vom Mopped. (...die Geräuschkulisse )
Und das Derbste ist, daß man ja quasi in den Wolken fährt und die Blitze mehr rechts und links neben einem niedergehen. Auf Augenhöhe quasi. Obwohl statistisch unwahrscheinlich, warte ich jeden Moment auf den Einschlag im Lenker >>>> Grillhähnchen
Ich seh nix, fahre mit halboffenem Visier und schalte dauernd zwischen erstem und zweitem Gang hin und her, ständig bemüht des Mopped auf der eh nicht ersichtlichen Straße zu halten.
Dolle Sache.
Irgendwann bin ich oben, kein Unterschlupf zu finden. Ein Autofahrer, den einzigen den ich während der ganzen Überfahrt wahrnehme, kommt am Pakplatz oben im Ostfriesennerz auf mich zugerannt und fragt ganz hektisch nach dem Weg. Ich verstehe kein Wort, zeige in irgendeine Richtung :mrgreen: und fahre gleich weiter.
Schnell verliere ich an Höhe, genauso schnell lässt der Wind nach. Es regnet Hunde und Katzen.
In Carpentras nehme ich, ungeachtet des Preises, das nächste *** - Hotel. Meine Freundin berichtet später, ich hätte beim abendlichen Telefonat seltsam niedergeschlagen geklungen.
Ich schwöre dem Berg Rache. Eines Tages..............
Ende Rückblende ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
.......und der ist heute!
Die Sonne lacht, ich bin noch früh dran. Windig ist es trotzdem, der Berg trägt seinen Namen zurecht.
Diesesmal ist die Straße ein Genuß sondersgleichen.
Danke, Mont Ventoux. Wir sind quitt!
Avignon ist schnell erreicht. Ein Billighotel im Industriegebiet genommen, danach noch in die Stadt. Es findet gerade rein zufällig ein internationales Musikfestival statt!
Einer meiner schönsten Motorradtage ever geht standesgemäß zu Ende, Musik an jeder Ecke.
Die Menschen tanzen bis spät in die Nacht, und ich bin froh, nach zwei Vins Rouge , das Hotel im Industriegebiet wieder zu finden