Hand aufs Herz: Steht die W nicht vielleicht noch so da, wie sie nach der letzten Fahrt abgestellt wurde? Allenfalls geputzt? Aber man kann jetzt in den kalten Wintermonaten die Zeit nutzen, und die W mal durchchecken.
Arbeiten wir uns also von vorne nach hinten durch:
Als erstes suchen wir uns etwas, was wir von vorne unter den Motor schieben können, so dass das Vorderrad frei in der Luft hängt. Nun fassen wir die Gabel von vorne her unten rechts und links an den Tauchrohren und bewegen sie vor und zurück. Dabei darf weder ein Spiel oben im Steuerkopf spürbar sein, noch ein Spiel in den Tauchrohren an sich, also der Lagerung Standrohre in den Tauchrohren. Nun drehen wir die Gabel nach rechts und links jeweils bis an den Anschlag. Das muss leicht, spielfrei und ohne Hemmnisse möglich sein. Auf keinen Fall darf es haken oder rattern – sonst ist nämlich das Steuerkopflager hinüber. Nun noch ein Blick auf das Vorderrad: Es muss sich leicht und geräuschlos frei drehen. Schleifgeräusche können von der Bremse kommen, sollen aber nicht sein. Schleift es leicht, ist dies ein Indiz dafür, dass im Bereich der Bremse nicht mehr alles ganz freigängig und sauber ist. Schleift es deutlich, besteht dringender Handlungsbedarf am Bremssattel. Dabei können wir gleich mal einen Blick auf die Bremsbeläge werfen. Mehr als zwei Millimeter (neu 4,5mm, Grenzwert 1mm) sollten sie schon noch an Stärke des Reibbelages aufweisen, ansonsten den Wechsel bald einplanen.
Und wie sieht die Bremsscheibe aus? Alles gleichmäßig glatt? Oder doch schon die ersten umlaufenden Riefen, oder gar ein beim Drüberfassen spürbarer Rand außen? Die Mindeststärke ist 4,5mm (neu 5mm).
Nun fassen wir das Rad am Umfang und versuchen, es zu kippen. Da darf jetzt kein Spiel fühlbar sein, sonst wären die Radlager verschlissen.
Zuletzt nehmen wir einen Schraubenzieher und klopfen jede Speiche ab. Erst auf der einen, dann auf der anderen Radseite. Die inneren und die äußeren Speichen klingen dabei leicht unterschiedlich, beide müssen jedenfalls hell klingen, dumpfer oder matter Klang deutet auf eine lockere Speiche hin. Rundum sollten alle Speichen schön gleichmäßig hell klingen.
Jetzt noch einen Blick auf die Faltenbälge: Sitzen sie schön gleichmäßig und haben keine Dellen? Dort fangen sie nämlich später an, Risse zu bekommen. Sind die drei Ablauflöcher nach hinten unten gerichtet?
Die Motorunterstützung kann jetzt wieder raus und wir wenden uns dem Lenkerbereich zu. Geht der Gasgriff leichtgängig? Das Spiel am Gaszug darf ruhig ganz minimal eingestellt sein, umso besser spricht der Motor bei Gaswechseln an. Der Kupplungszug hingegen braucht Spiel, sonst schleift ungünstigenfalls die Kupplung. 3mm sollten es sein. Dazu vorsichtig (reißt gerne ein!) die Gummitülle vom Hebel über den Zug wegschieben und an der Stellschraube den Zug auf das korrekte Spiel zwischen Hebel und Halter einstellen. Ein paar Tröpfchen Öl auf das Gelenk des Handhebels werden nun auch aufgebracht. Ebenso auf der anderen Seite des Lenkers am Handhebel der Bremse.
Nun noch einen Blick auf das Schauglas des Bremsflüssigkeitsbehälters: Ist die Flüssigkeit noch schön hell? Oder schwappt da gar schon eine dunkle, braune Soße mehr als drei Jahre drin rum? Dann wird es höchste Zeit, diese mal zu wechseln oder wechseln zu lassen.
Was macht das Instrument? Wackelt es wie ein Lämmerschwanz in seiner Halterung oder sitzt es noch schön stramm. Falls es locker ist, kann man dem mit 10er Karosseriescheiben abhelfen, die zwischen Halter und Gummi eingelegt werden. Ein lockeres Instrument kann jedenfalls mit der Zeit in seinem Inneren Schaden nehmen.
Funktioniert das Zündschloss noch leichtgängig und rastet die Lenkersperre noch rechts und links ein?
Alle elektrischen Funktionen mal durchprüfen: Standlicht, Fahrlicht, Fernlicht, Blinker rechts und links, Hupe, Rücklicht, Bremslicht – auch am Fußhebel. Alle Kontrollleuchten noch ok? Und die beiden Instrumentenbeleuchtungslämpchen nicht vergessen! Stimmt die Scheinwerfereinstellung in ihrer Höhe? Die Stellschraube sitzt unten unter dem Scheinwerfer.
Gehen wir weiter nach hinten: Geht das Tankdeckelschloss noch leicht oder sollte man es mal etwas schmieren, bevor der Schlüssel verbogen ist? Vielleicht verträgt auch der Benzinhahn mal einen Tropfen Öl und geht dann wieder leichter? Geht das Sitzbankschloss noch leicht und rastet die Sitzbank sauber ein, wenn man sie wieder aufsetzt? Auch hier darf gerne mal etwas geschmiert werden.
Wie geht es den Batteriepolen? Keine Säureausblühungen und alles schön sauber? Vielleicht mal wieder leicht nachziehen oder gleich je eine Wellscheibe unter die beiden Polschrauben legen? Polfett kann nicht schaden. Bei der Gelegenheit kann man unter der Sitzbank auch mal wieder etwas Staub wischen ;-)
Sitzt das Rücklicht noch fest (ansonsten Karosseriescheiben wie am Instrument verwenden), hat das Glas keine Risse rund um die beiden Kreuzschlitzschrauben? Ist das Nummernschild noch ohne Risse? Und das Schutzblech links und rechts beim 99er Modell auch?
Habt ihr auch alle schön brav ein Katzenauge montiert?
Kommen wir zum Hinterrad: Bitte einmal Speichenprüfung wie vorne. Dann einen Blick auf den Bremsschlüssel: Steht er bei getretener Bremse etwa im rechten Winkel zum Bremsgestänge? Wenn er schon deutlich schräg nach vorne steht, muss er auf seiner Vielfachverzahnung ggf. um einen Zahn zurückgesetzt werden. Dann aber beim nächsten Reifenwechsel auf den Verschleiß der Bremsbeläge in der Trommel achten, denn das ist ein Indiz für fortgeschrittene Abnutzung.
Auch darf man jetzt mal die Bremse etwas nachstellen. Das Hinterrad muss sich frei drehen und man zieht die 14er Schraube am Bremsgestänge nach (das geht mit der Hand, wenn alles leichtgängig ist), bis die Bremse anfängt, leicht zu schleifen. Nun die Schraube um eine Umdrehung zurück drehen. Jetzt stimmt der Bremspedalweg wieder. Bitte noch einen Tropfen Öl auf die Bremspedalwelle und das Gelenk des Bremsgestänges. Durch das Nachstellen kann es aber sein, dass nun das Bremslicht nicht mehr frühzeitig genug anspricht. Also mal prüfen und ggf. den Bremslichtschalter nachjustieren.
Am Hinterrad analog zum Vorderrad hin noch die Radlager kontrollieren und sehen, ob der Kettenblattträger nicht schon kippelt. Dann sind nämlich seine Ruckdämpfergummis verschlissen. Die Kette sollte sich nicht deutlich vom Kettenblatt abheben lassen und in der Mitte des Kettentrums den korrekten Durchhang haben – nicht zu stramm! Frisch gereinigt und gefettet freut sie sich.
Jetzt die Schwinge von der Seite her anpacken und auf einen zu und von einem weg drücken. Es darf kein Spiel im Schwingenlager bemerkbar sein.
Lassen sich die Stoßdämpfer noch leicht verstellen? Wenn es sandig knirscht, mag die drehbare Buchse sowohl eine Reinigung als auch etwas Öl. Ölaustritt an der Kolbenstange innerhalb der Feder hingegen deutet auf das Ende des Dämpfers hin.
Nun noch die Auspuffrohre hinten anpacken und die Töpfe hoch und runter bewegen. Das geht nur, wenn die Gummis an den hinteren Auspuffhaltern verschlissen sind. Diese Gummis sollte man erneuern, denn wenn erst mal Metall auf Metall zu sitzen kommt, reißen die Töpfe am Übergang zu den Krümmern gerne mal ein. Wäre schade.
Jetzt auf der rechten Seite hinter dem Getriebe noch mal die beiden Stopfen aus den dort herunterhängenden Schläuchen ziehen und die Wasser-Öl-Suppe aus den Luftfilterkästen auslaufen lassen. Rundum kann man nun noch mal alle Schraubverbindungen kontrollieren.
Traut man sich zu, den Tank abzunehmen, kann man darunter auch mal gründlich reinigen und die Steckverbinder der Kabelstränge auf Schmutz und Korrosion prüfen. Etwas WD40 oder ähnliches kann dort nicht schaden. Wenn man dem Motorrad jetzt noch einen eventuell anstehenden Ölwechsel, samt Filterwechsel und eine Reinigung der Luftfilter zukommen lässt, hat man eigentlich schon alles Wichtige getan.
Zum Wegstellen noch mal auf korrekten Luftdruck der Reifen achten, es darf eventuell auch gerne etwas mehr sein, als vorgeschrieben. Und vor der ersten Ausfahrt noch mal kontrollieren und ggf. etwas ablassen oder auffüllen.
Und nun können beide beruhigt in den Winterschlaf gehen: Besitzer und Motorrad.
Danke für die lange und ausführlich beschriebene Liste der Arbeiten, mit der man seine W umsorgen kann. Gut auf den Punkt gebracht.
Viele von Dir aufgeführten Kontrollchecks gehören für mich so wie so zum Care-Paket, das ich der W von Zeit zu Zeit routinemäßig angedeihen lasse. Vornehmlich in wärmeren Monaten, da ohne Garage, sonstigem Unterstand plus früh einsetzender Dunkelheit, trotz bisher recht mildem aber relativ nassem Winter, Deine gründliche und lange Form der Untersuchung des Motorrads nicht recht zur wahren Freude gereicht.
Anders verhält sich wohl der Fall bei gut ausgestatteten Gargenbesitzern, die nicht den Parametern meiner geparkten W unterliegen und somit unbeschwert stundenlang inspizieren können.
Dieser Fahrer hier hält keinen Winterschlaf und ist dennoch beruhigt.
Danke Martin. Würde ich zu gern alles machen ... Aber der Weg zur Garage ist zu weit. Vielleicht sollte man auch auf die kritische Motordeckelschraube hinweisen, die so gern reißt. Z.B. die Stelle reinigen, mit Kriechöl besprühen und dann irgendwie (Unterbodenschutz?) gegen Korrosion schützen.
Müsste nicht das meiste vom Händler erledigt werden, wenn ich sie vorm "Einmotten" zur Jahresinspektion von ihm abholen und wieder bringen lasse (im Transporter) und er davon ausgehen kann dass sie anschliessend nicht mehr gefahren wird?
Das musst du nicht hier, sondern das musst du deinen Händler fragen - bzw. mit ihm ausmachen. Eine große Inspektion sollte jedenfalls das meiste davon beinhalten - und noch einiges mehr. Was bei der Inspektion gemacht wird (oder gemacht werden sollte) kannst du in deinem Fahrerhandbuch nachlesen.
Aber es geht hier ausdrücklich nicht um eine Händler-Inspektion, sondern lediglich um Kontrollen und kleiner Pflegen in der Winterpause, die dafür sorgen sollen, dass das Motorrad auch im Frühjahr noch oder wieder fit ist und die durch Eigenarbeit Geld sparen helfen.
Für aus den Kontrollen resultierende notwendige Arbeiten, die man auch noch selbst erledigen möchte, gibt es unsere Datenbank.
Das hatten wir zwar schon, aber gut, dass du es noch mal erwähnst. Ideal ist ein randvoller Tank. Welcher Sprit drin ist, ist ziemlich egal. E10 bindet viel Wasser (das dann nicht für Korrosion sorgen kann) und Super plus hat keinen Alkohol (was keine Säurebildung fördert). Am schlechtesten ist Super E5 (das sorgt am schnellsten für aggressive Säureemulsionen). Alles aber für eine Standzeit über den Winter rein akademisch. Wichtig ist für uns lediglich, dass der Tank so voll wie möglich ist, denn wo keine Luft mehr ist, kann auch kein Luftaustausch stattfinden und somit keine Feuchtigkeit in den Tank gelangen. Keine Feuchtigkeit bedeutet keinen Rost innen an den Tankflächen und keine Zersetzung des Sprits in aggressive Säuren. Und den Sprit aus den Vergasern bitte ablassen. Hier geht die Verschmutzung schneller vor sich, als einem lieb ist. Und wenn es einen Jahr noch gut gegangen ist, so kann es im zweiten Jahr schon zu spät sein.
Und dann sieht es schnell so aus:
Und das Ausbauen und Reinigen der Vergaser ist bei der W keine schöne Arbeit. Schon gar nicht, wenn man im Frühjahr eigentlich bei Sonnenschein die erste Ausfahrt machen möchte.
Zitat von Soulie im Beitrag #4Vielleicht sollte man auch auf die kritische Motordeckelschraube hinweisen, die so gern reißt. Z.B. die Stelle reinigen, mit Kriechöl besprühen und dann irgendwie (Unterbodenschutz?) gegen Korrosion schützen.
Das Harz aus den Vergasern sollte reichen ...
Das Ölen der Sacklöcher der inneren Zylinderschrauben/-bolzen hat der Falcone aber auch noch vergessen zu erwähnen ... kann zumindest dann nicht verkehrt sein, wenn man direkt vor der "Stilllegung" noch die eine oder andere "Salzfahrt" absolviert hat.
Sehr gute Anleitung Falcone, habe den Tank immer randvoll, allerdings muss ich zugeben das ich noch nie die Vergaser entleert habe. In den ganzen Jahren und es sind jetzt 14, meine W ist von 99, habe ich mindestens die W ein mal pro Woche laufen lassen, und bin je nach Wetterlage dann noch alle 3 Wochen so 5-10 km gefahren. Der Tank wurde immer auf gefüllt. Vergaserprobleme kenne ich bis jetzt nicht. Grüße Volla
Zitat von voller im Beitrag #11 habe ich mindestens die W ein mal pro Woche laufen lassen, und bin je nach Wetterlage dann noch alle 3 Wochen so 5-10 km gefahren.
Gut durchgewärmt wird der Motor der W dadurch allerdings nicht. Gerade im Winter. Würde ihr durchaus deutlich mehr Kilometer bei der Ausfahrt gönnen.
ZitatWas macht das Instrument? Wackelt es wie ein Lämmerschwanz in seiner Halterung oder sitzt es noch schön stramm. Falls es locker ist, kann man dem mit 10er Karosseriescheiben abhelfen, die zwischen Halter und Gummi eingelegt werden. Ein lockeres Instrument kann jedenfalls mit der Zeit in seinem Inneren Schaden nehmen.
Danke für deine fürsorgliche Art, aber meinem Instrument geht es den Umständen entsprechend gut, allerdings werde ich keine Karosseriescheiben einlegen. Das mit dem "inneren Schaden nehmen" macht mir allerdings Kummer.
Grüssle Monti
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Zitathabe ich mindestens die W ein mal pro Woche laufen lassen,
Man bekommt einen Motor auf vielfältige Art kaputt, das ist eine davon. Es spricht für die Qualität der W, dass ihr Motor das nicht übel nimmt - zumindest nicht kurzfristig. Allerdings passiert bei diesem Tun folgendes: Der Motor wird lauwarm, Feuchtigkeit, die nun mal in der Luft und damit auch im Motorgehäuse ist, wird dabei nicht verdampft und setzt sich an den kalt werdenden Gehäuseteilen ab. Oberhalb des Motoröls wird ein den Rost förderndes Klima geschaffen. Wassertröpfchen, die sich bilden, fallen nach unten und sammeln sich am Grunde der Ölwanne. Im Öl bilden sich Emulsionen, die wiederum die Säurebildung fördern. Der Sprit im überfetteten Startgemisch kondensiert im nicht völlig erwärmten Zylinder an den Zylinderwänden und wäscht das Öl runter. Beim Nächsten Start fehlt es dann. Wie sagt man so schon: Ein Kaltstart verbraucht so viel Sprit wie 10 Kilometer Fahrt und verursacht so viel Verschleiß wie 100 Kilometer Fahrt. Gut, ich bin noch von der alten Schule und heutige Motoren können erstaunlich viel ab, aber auf die Idee, einen Motor ohne triftigen Grund einfach mal so anzuschmeißen, würde ich nie kommen. Für viele Autos bekommt man heute Standheizungen, die über das Kühlwasser wirken. Neben dem Wohlbefinden des Fahrers sind die nicht zuletzt auch dazu da, um die den Motor stressenden Kaltstarts zu vermeiden.
Ideal für die Winterpause ist für den Motor folgendes: Motor richtig warm fahren, abstellen, Vergaser leeren, Tank füllen. Fertig. Manche nutzen es noch dazu, das Öl zu wechseln, weil sich in gebrauchtem Öl Säuren gebildet haben können, aber heute erachte ich das für unnötig (wenn nicht sowieso der Ölwechsel ansteht), denn die Additive des Öls verhindern das weitgehend. Ganz Fürsorgliche verschließen den Auspuff noch mit einem öligen Lappen, denn Auspüffe rosten bekanntlich von innen, weil die Luftfeuchtigkeit zusammen mit den Ablagerungen im Topf auch Säuren ausbildet.
Zitat von Falcone im Beitrag #14 Gut, ich bin noch von der alten Schule......
Deine Erläuterungen zum Thema "unnötiges Laufenlassen" und Fahren von Kurzstrecken mit kalten Motorrädern kann ich uneingeschränkt unterstreichen. Etwas, dass mir nicht in den Sinn kommt aus Gründen der vielen Nachteile für den Motor, die so ein Betrieb des Motorrads ganz zwangsläufig mit sich bringt.
Da haben wir wohl eine ähnlich alte Schule besucht.