9.00 Uhr, eine fahle Sonne geht lustlos über neblige trüben Brandenburger Wäldern auf. Scheiben zugefroren, aber weiches Reifeis, es muß über null Grad sein. Kritze kratze, los. Straßen naß, die Bremsprobe auf der Hauptstraße im Ort in indifferent, es bremst aber. Also höchster Alarm für außerorts.
Das Ortsschild ist kaum passiert, Trabbchen heult mit 80 durch den Wald. Die Lichtung der Stromtrasse, jetzt biegt der Trabbi unmerklich rechts ab, ohne daß ich lenke. Voller Alarm im Poppometer, die Karre folgt jedem Buckel der Straße ohne mein Zutun: Glatteis, frisch überfroren, obwohl es naß aussieht , nicht glitzert und Reifenspuren zu sehen sind im Naß. Das Zeug überfriert eben.
Nichts machen, auskuppeln, zack, da ist er wieder am Lenkrad. 200 Meter später wieder, es ist spiegelglatt. Ich taste nach dem Gurt, das Ding muß doch einen haben. Ich gurte mich sonst nie an , es dauert etwas. Mittlerweile bin ich auf 50 ausgerollt und wieder tobt das Meßgerät im Hintern. Also schön weiter mit 50, aber ein Schei#gefühl in einer Pappe. Wird Zeit für den Allradbus, denke ich noch, als ich die wahre Gefahr im Spiegel erkenne: In hohem Tempo nähern sich Fahrzeuge auf der rund 5 km langen Geraden.
Jetzt wird es brenzlig: Hätten die das Eis bemerkt, kämen die nicht so schnell näher. Was, wenn sie merken, wie langsam ich bin: Bremsen sinnlos, lustiges Trabbikicken würde mich in den Graben stubsen. Oder hektisch vorbei, dann gibt's Dreher und Stunt live im Trabbikino.
Alle schlingern vorbei, es scheint zum Glück gerade griffig, ein Schei#gefühl auch bei den nächsten Wagen. Und immer wieder das Wegdriften in jede Richtung. Die nächste Gerade ist wieder 5 Kilometer. Gleich zu Anfang hupt der Berliner 3,5 Tonner im Vorbeiziehen den Schleichtrabbi an. Später laufen zwei PKW´s auf, tänzeln mächtig und reihen sich dann erschrocken hinter mir ein. Nun kann wenigstens keiner mehr ungebremst einschlagen.
In der Werkstatt rufe ich erstmal meine Frau an und warne. Sie will etwas später die gleiche Strecke. Dann meinen Schwiegersohn, der will in die Gegenrichtung.
Jetzt kommen die Rückmeldungen: Schon etwas später lang auf der ersten Geraden ein großer Audi im Graben auf dem Dach, Polizei, Bergung usw. 40 km/ h Tempo, Streuwagen, volles Programm.
Normalerweise genieße ich sowas im Allrad VW Bus.
In der Pappe aber war mir streckenweise schon etwas mulmig.
Nervenaufreibender als auf der Rennstrecke, gelle?!
Todesmutig mit dem Trabanten im Verkehr bei Glatteis mitzuschwimmen, zumindest es zu versuchen... Aus dem Holz sind Helden geschnitzt!
By the way, aber bevor man mit zig hunderten PS auf die Menschheit losgelassen, sollte man zuerst Meriten mit untermotorisierten Gefährten sammeln, denn das prägt sich ein und man bekommt ein ganz anderes Gefühl für Geschwindigkeiten und andere Verkehrsteilnehmer.
1. wieviel Grad Celsius hatte es an dem Tag? 2. damit der Jörg net schimpft, bist Du zu schnell gefahren oder nicht? Stichwort Geschwindigkeitsbegrenzung?
nach meiner Erfahrung schon. Weiß zwar bis heute nicht warum, aber bei Schneeglätte über die Pässe sind die Dinger einfach immer schneller unterwegs als die Zweiradgetriebenen. Auch - und das ist das eigentliche Mysterium - den Berg runter.
Nö! Der rutscht genauso weg, wenn die Räder keine Griffigkeit auf dem Untergrund haben. Andere Reifen (mit Spikes) wären in der Situation angebracht, doch die sind verboten. Beim Bremsen auf spiegelglatter Fahrbahn ist's egal welcher Antrieb vorherrscht.
Ob nun vier, zwei oder ein angetriebenes/angetriebene Rad/Räder durchrutscht/durchrutschen ist Schnuppe. (Nicht an einem Fahrzeug ist gemeint, ich gehe vom Antriebskonzept aus ,also Auto mit Vierradantrieb, Zweiradantrieb und Motorrad.)
Bei Spikesbereifung ziehe ich mit einem Zweiradantrieb jedem "normalbereiften" Vierradantriebler auf Eisglätte von dannen und Kreise um diesen, selbst mit einem Trabanten!
Erinnert mich an eine Herbstausfahrt im C-Rekord. Talsenke. Nanu, er schlingert? Mist, ein Plattfuss. Vorsichtig abgebremst, ausgestiegen und auf dem Arsch gesessen. Es war einfach nur spiegelglatt.
Wieso gehen eigentlich Geländewagenfahrer gerne davon aus, dass man mit den schweren Kisten auf Glatteis schneller unterwegs sein könnte, als ein kleines, leichtes Auto? Geschwindigkeit mal Masse, oder?
Zitat von Falcone im Beitrag #10Wieso gehen eigentlich Geländewagenfahrer gerne davon aus, dass man mit den schweren Kisten auf Glatteis schneller unterwegs sein könnte, als ein kleines, leichtes Auto? Geschwindigkeit mal Masse, oder?
Gute Frage, die ich mir seit zwanzig Jahren jeden Winter stelle, wenn ich die Kisten hier oben in den verschneiten Bergen rum flitzen sehe. Früher im (zweiradgetriebenen) Peugeot 106 war ich mir sicher, dass die einfach verrückt sind. Dann dachte ich mir: Sicherheitsbewusste, verrückte Schweizer - kann es so etwas überhaupt geben? Inzwischen fahr ich selber so ne Vierrad-Schüssel und - ebenso schnell.
Weiß nicht, woran das liegt - das muss psychologische Ursachen haben. Oder ganz einfach deswegen, weil der Schräglaufwinkel jedes einzelnen Rades bei vier angetriebenen Rädern prinzipiell kleiner ist als bei zweien. Und das gibt eine größere Spurstabilität unter fast allen Bedingungen.
Aber die praktische Erfahrung hat mir gezeigt, dass es in brenzligen Situationen (Glätte) einfacher ist, so ein Leichtgewicht wie den Marbella auf der Straße zu halten. Lassen wir mal die heutigen elektronischen Helferlein außer acht, so war ich mit dem Marbella flotter und sicherer unterwegs, als mit dem Land Rover, vom Sprinter ganz zu schweigen.
Grüße Falcone
Zephyr
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gelöscht
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Beiträge:
18.01.2014 15:44
#13 RE: Angst im Trabant, freiwillig angeschnallt ...
Nervenaufreibender als auf der Rennstrecke, gelle?!
Heute früh habe ich ganz sicher von vielen Rennkilometern im Regen profitiert. Da fühlt es sich ganz ähnlich an, wenn die Karre irgendwo aufschwimmt.
Zur Temperatur kann ich nichts genaues sagen, angeblich knapp über null. Es ist hier aber oft so, daß außerhalb in Schneisen etwas Wind geht und Zack, gefroren. Vielleicht ist auch heute früh die Temperatur noch gefallen?
Auf jeden Fall (für Jörg) gilt dort 100 und für mich 85 (Standardgeschwindigkeit im Trabant).
Zum Allradunterschied:
Der Trabant ist leicht und schmaler als andere Fahrzeuge. Dadurch paßt er nicht in Spurrillen oder Schnee-/ Eisspuren. Zudem hat er Frontantrieb in Verbindung mit Zweitaktmotor und Freilauf nur im 4. Gang. Das führt bei geringer Geschwindigkeit im 3. zu Schieberuckeln, aber vereinzelt auch im 4. Das kann bei bei Glätte gar nicht brauchen.
Der VW Bus hat dagegen ein paar Vorteile: Vierradantrieb, elektronisch gesteuert. Hat hier mal ein Rad keine Traktion, merkt man das bestenfalls daran, daß ein Lämpchen aufblinkt. Irgendein Rad führt immer. Zudem ist der Bus eine Langversion. Das ist gut für den Geradeauslauf, das Ding dreht nicht so schnell weg, wie ein kurzer Wagen.
Daß man damit gut gepanzert weit oben sitzt, ist angenehmer Nebeneffekt.
Der Bus ist daher bei Glätte dem Trabanten zu 99 % überlegen. Selbst auf der Eisplatte mit null Grip bliebe Überlegenheit durch Fortfall des Ruckelns im Antriebsstrang und höhere, passive Sicherheit.
C4
Zephyr
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gelöscht
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Beiträge:
18.01.2014 15:48
#14 RE: Angst im Trabant, freiwillig angeschnallt ...
Nachsatz: Das größte Risiko beim Bus ist das vermittelte Gefühl von Sicherheit. Das verführt dazu, schneller als gesund bei Glätte zu fahren. Das merkt man dank der elektronischen Helfer im Geradeauslauf dann häufig erst in Kurven, wenn die Fliehkraft einfach zur hoch für die vorhandene Traktion ist.
Man schmiert dann eifrig ratternd aus dem angepeilten Kurvenradius Richtung Außenrand oder Gegenverkehr.
Zitat von Serpel im Beitrag #11Weiß nicht, woran das liegt - das muss psychologische Ursachen haben.
Wahrscheinlich.
Als Mitte der 80er Jahre AUDI mit dem Quattro auf den Markt kam, sah ich im Winter 86/87 mehrere von diesen Fahrzeugen im Straßengraben liegen.
Habe immer auf Frontantrieb, gute Winterreifen und dezente Fahrweise vertraut.
Mein TOYOTA Minivan ist allerdings auch so ein Vogel, der mit seinem stoischen Geradeauslauf und seiner breiten Spur ein sehr hohes Sicherheitsgefühl vermittelt. Da ich unbedingt wissen wollte, wie er sich im Grenzbereich verhält, habe ich mir im ersten Winter einen großen leeren Parkplatz gesucht und bin dort herumgetollt.
Schließlich und endlich übersteuert der Wagen. Man muss aber schon sehr extrem fahren. Auf verschneiter Fahrbahn ist er immer noch gut zu beherrschen. Bei plötzlich auftretenden Blitzeis nutzt einen das aber auch nichts mehr. Da hilft nur zurückhaltendes Fahren, wenn die Temperaturen in den Keller gehen.
Angurten würde ich mich aber in jedem Auto. Man sieht doch nicht mehr ganz so frisch aus, wenn man durch die Frontscheibe geht ... .
Gruß, Caboose
. Das ist ja das Übel: Jeder schließt von sich auf andere und beachtet dabei nicht, daß es auch anständige Menschen gibt!