Folgendes Urteil wurde gestern vom Europäischen Gerichtshof gesprochen:
Zitat Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrecht vom 15.9.2011
Entscheidung der deutschen Gerichte über Umgangsrecht eines Vaters mit seinem mutmaßlichen Sohn hätte Kindeswohlinteresse berücksichtigen sollen
In seinem heute verkündeten Kammerurteil im Verfahren Schneider gegen Deutschland, stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) einstimmig fest, dass eine Verletzung von Artikel 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vorlag.
Der Fall betraf die Weigerung der deutschen Gerichte, dem Beschwerdeführer Umgang mit seinem mutmaßlichen leiblichen Sohn zu gewähren, dessen rechtlicher Vater der Ehemann der Kindesmutter ist.
Entscheidung des Gerichtshofs
Artikel 8
Der Gerichtshof befand, dass die Entscheidungen der deutschen Gerichte, Herrn Schneider Umgang mit seinem mutmaßlichen Sohn F. und Auskunft über dessen persönliche Verhältnisse zu verwehren, einen Eingriff in seine Rechte aus Artikel 8 darstellten. Da seine biologische Vaterschaft nicht nachgewiesen war und nie eine enge persönliche Bindung zwischen ihm und dem Kind bestanden hatte, gab es zwar kein bestehendes „Familienleben“. Dieser Umstand war Herrn Schneider aber nicht anzulasten. In Anwendung der maßgeblichen Bestimmungen des BGB hatten die deutschen Gerichte seine Vaterschaftsanerkennung für nicht wirksam erklärt, da Herrn H.’s Vaterschaft gelte. Eine gesonderte Anfechtungsklage gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB – die Herr Schneider nach Auffassung der deutschen Regierung hätte anstrengen können – wäre auf Grundlage des geltenden Rechts zum Scheitern verurteilt gewesen.
Überdies hätte ein solches Verfahren darauf abgezielt, als rechtlicher Vater anerkannt zu werden, ein weitreichenderes Ziel als die Absicht Herrn Schneiders, seine biologische Vaterschaft für die Ausübung eines Umgangsrechts mit dem Kind feststellen zu lassen.
Auch wenn Herr Schneider und Frau H. nicht zusammengelebt hatten, war unbestritten, dass ihre ein Jahr und vier Monate dauernde Beziehung nicht bloß zufällig gewesen war. Herr Schneider hatte sein Interesse an F. hinlänglich deutlich gemacht, indem er das
Kind gemeinsam mit Frau H. plante, sie zu ärztlichen Untersuchungen begleitete und die Vaterschaft noch vor der Geburt anerkannte. Der Gerichtshof schloss folglich nicht aus, dass Herrn Schneiders Absicht, eine Beziehung zu dem Kind aufzubauen, in den Geltungsbereich des „Familienlebens“ gemäß Artikel 8 fiel. Selbst wenn die Frage, ob Herr Schneider ein Umgangs- und Auskunftsrecht beanspruchen konnte, nicht als „Familienleben“ gelten konnte, so betraf sie aber in jedem Fall einen wichtigen Teil seiner Identität und folglich sein „Privatleben“ im Sinne von Artikel 8. Im Hinblick auf die Frage, ob der Eingriff in Herrn Schneiders Rechte gerechtfertigt war, nahm der Gerichtshof zur Kenntnis, dass die Entscheidungen der deutschen Gerichte mit den maßgeblichen Bestimmungen des deutschen BGB in Einklang standen. Weiter zielten sie darauf ab, die Interessen des Ehepaares sowie der während der Ehe geborenen Kinder, die bei ihm lebten, zu schützen.
Die deutschen Gerichte hatten Herrn Schneider Umgang mit seinem mutmaßlichen Sohn und Auskunft über dessen persönliche Verhältnisse aber verwehrt, ohne zu untersuchen, ob ein solches Umgangs- und Auskunftsrecht unter den besonderen Umständen des Falls im Kindeswohlinteresse läge oder ob die Interessen Herrn Schneiders als denjenigen der rechtlichen Eltern übergeordnet angesehen werden müssten. Der Gerichtshof bezog sich auf einen ähnlichen Fall, der die Weigerung der deutschen Gerichte betraf, einem Vater Umgang mit seinen Kindern zu gewähren, die bei ihrer Mutter und deren Ehemann lebten, ohne dabei zu berücksichtigen, ob Kontakte zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Kindern in deren Interesse läge.2 In dem Fall war der Gerichtshof zu dem Schluss gekommen, dass die deutschen Gerichte keine gerechte Abwägung der konkurrierenden Interessen vorgenommen hatten. In Herrn Schneiders Fall war zwar nicht nachgewiesen, ob er tatsächlich der biologische Vater des fraglichen Kindes ist, dieser Unterschied war für die Entscheidungen der Gerichte aber unerheblich. Sie waren für ihre Erwägungen von seiner Vaterschaft ausgegangen und hatten seinen Antrag abgelehnt, weil er nicht der rechtliche Vater des Kindes war und keine sozial-familiäre Bindung mit ihm bestand. In beiden Fällen waren die Gründe, warum der (mutmaßliche) biologische Vater keine Beziehung mit dem betroffenen Kind bzw. den Kindern aufgebaut hatte, für die Schlussfolgerungen der deutschen Gerichte unerheblich gewesen. Folglich hatten sie dem Umstand, dass der jeweilige Beschwerdeführer aus rechtlichen und praktischen Gründen nicht in der Lage war, die Beziehung zu den Kindern zu beeinflussen, keinerlei Bedeutung beigemessen.
Der Gerichtshof unterstrich, dass es Aufgabe der nationalen Gerichte ist – die mit allen Beteiligten in direktem Kontakt stehen - festzustellen, ob Kontakte zwischen einem biologischen Vater und seinem Kind in dessen Interesse liegen oder nicht. Allerdings war der Gerichtshof nicht davon überzeugt, dass das Interesse von Kindern, die bei ihrem rechtlichen Vater leben, aber einen anderen biologischen Vater haben, tatsächlich mit Hilfe einer allgemeinen rechtlichen Vermutung ermittelt werden kann. In Anbetracht der großen Vielfalt möglicherweise betroffener Familienkonstellationen erfordert die gerechte Abwägung der Rechte aller Beteiligten eine Untersuchung der besonderen Umstände des Falls. In Herrn Schneiders Fall hatten die deutschen Gerichte keine solche Untersuchung vorgenommen. Folglich lag eine Verletzung von Artikel 8 vor.
Artikel 8 in Verbindung mit Artikel 14
Im Hinblick auf seine Schlussfolgerungen unter Artikel 8 sah es der Gerichtshof nicht als notwendig an, darüber zu befinden, ob die Entscheidungen der deutschen Gerichte Herrn Schneider unter Verstoß gegen Artikel 8 in Verbindung mit Artikel 14 diskriminiert hatten.
Artikel 41
Gemäß Artikel 41 (gerechte Entschädigung) entschied der Gerichtshof, dass Deutschland Herrn Schneider 5.000 Euro für den erlittenen immateriellen Schaden und 10.000 Euro für die entstandenen Kosten zu zahlen hat.
Ich hege ein bißchen die Hoffnung, dass die deutschen Gerichte irgendwann mal von dem veralteten Familienbild abkehren, demzufolge der Kerl bloß den Schwanz hinhält und ansonsten die Frau zuständig ist. Es ist einfach unerträglich, wie Gerichte frisch, frank, fröhlich frei herumplärren, eine Frau sei alleinerziehend, obwohl der Vater (und übrigens die Kinder auch) ihr Umgangsrecht überobligatorisch wahrnehmen. Auch ist es nach wie vor völlig unverständlich, wieso die Frau völlig selbstverständlich die bessere Erziehungsperson sein soll. Trotz der Umstellung auf Elter 1 und Elter 2 und solchen Urteilen wird weiter erhebliche Diskriminierung gelebt.
Sollte sich die deutsche Judikative tatsächlich mal diesbezüglich bewegen wird es für mich zu spät sein. Vielleicht wird für meine Enkel mal alles anders?
Viele Grüße
Buffalo-Bernd
Wann hatten Eure Kinder das letzte MAl Vater-Kind-Zeit???
Hab' das gestern auch im Radio gehört, und mir Gedanken gemacht.
Zum einen hab' ich mich gefreut, daß es ein übergeordnetes Gericht gibt, daß uns hier in Deutschland manchmal ein wenig nachhilft . Zum anderen hat es mich gefreut, daß es anscheinend doch ein Recht auf Feststellung der Vaterschaft (oder Nichtvaterschaft) gibt .
Andererseits fand ich gut, daß der angetraute Mann und vielleicht Nichtvater des Kindes, dieses wohl als seins angenommen, und mit seiner Frau zusammen mit den unstrittig selbstgemachten anderen Kindern, zu einer funktionierenden Familie gemacht hat - das oberste Ziel sollte doch immer das Wohl des Kindes/der Kinder sein, denke ich.
Und drittens finde ich es gut, wenn Väter sich um ihre Kinder kümmern, und sich nicht einfach verpissen. Es sei denn, sie wollen das nicht wirklich - dann sollten sie sich aber auch ganz und gar 'raushalten, meine ich (was nicht heißt, daß sie sich vor dem Unterhalt der Kinder drücken dürfen).
Das Urteil sagt ja nichts darüber aus (obwohl das von den Rächern der Enterbten gerne suggeriert wird), ob besagtes Umgangsrecht in den beiden konkreten Fällen aus Kindeswohlsicht hätte gewährt werden sollen, sondern nur (aber immerhin), dass es einer genaueren Untersuchung bedurfte.
Zitat In Anbetracht der großen Vielfalt möglicherweise betroffener Familienkonstellationen erfordert die gerechte Abwägung der Rechte aller Beteiligten eine Untersuchung der besonderen Umstände des Falls. In Herrn Schneiders Fall hatten die deutschen Gerichte keine solche Untersuchung vorgenommen. Folglich lag eine Verletzung von Artikel 8 vor.
Bei den gängigen Umgangs- oder Sorgerechtsverfahren gibt es ansonsten mehrheitlich schon länger keine Orientierung an "alten Familienbildern" mehr. Das "Kindeswohl" wird von den neutralen Verfahrensbeteiligten immer gründlicher, undogmatischer und geschlechtsneutraler geprüft. Ausnahmen, die es immer geben kann, bestätigen die Regel. Dass Frauen/Mütter in den meisten Fällen immer noch die Hauptbezugs-/Hauptbindungsperson sind (was bei jüngeren Kindern ein wesentliches Kriterium ist), liegt nicht am Familienrecht. Und ich habe in 20 Jahren noch keinen Fall erlebt, wo "selbstverständlich" davon ausgegangen wurde, dass die Frau "die bessere Erziehungsperson sein soll". Allerdings gibt es immer wieder Fälle, wo ich als Nichtbeteiligter um Überprüfung gebeten werde und in der Tat ein "Anfangsverdacht" auf Missachtung des Kindeswohls i.V.m. väterlichen Rechten besteht. Wenn ich dann aber genauer hinsehe und alle Seiten und Aspekte berücksichtige (was streitbare Väter/Vätervereine gerne vernachlässigen), komme ich meistens zu anderen Schlüssen.
Vielleicht sind in deinem Fall, lieber Bernd, einfach viele unglücklich-ungünstige Umstände zusammengekommen.
.......................................................... Ob Sonnenschein, ob Sterngefunkel: Im Tunnel bleibt es immer dunkel. (E.K.)
Zitat von Bernd... Wann hatten Eure Kinder das letzte MAl Vater-Kind-Zeit???...
Urteil hin oder her, was soll diese schwachsinnige Frage, Bernd? Meine Tochter habe ich letzten Freitag gesehen, bevor ich in den ODW gestartet bin, wiedersehen werde ich sie, wenn sie am WE vom Erfurter Kongress zurück kommt, meinen Sohn, der bei der HKT dabei war, vor ca. einer Stunde.
Wie das bei getrennt lebenden Paaren ist, kann ich nicht beurteilen.
Axel
Edit sacht noch: auch Dein Ehevertrag ist theoretisch evtl. sinnvoll, nur wenn zwei sich lieben, dann würde es sicherlich eher als Mißtrauensbeweis gewertet, wenn einer von beiden solch ein Ansinnen stellen würde. Und in dem vorliegenden Fall hätte dieser auch wohl nix genutzt. Ich finde es eher bemerkenswert, wenn sich ein "fremder" Vater um sein Kind kümmert!
Zitat von BerndEs ist einfach unerträglich, wie Gerichte frisch, frank, fröhlich frei herumplärren, eine Frau sei alleinerziehend, obwohl der Vater (und übrigens die Kinder auch) ihr Umgangsrecht überobligatorisch wahrnehmen. Auch ist es nach wie vor völlig unverständlich, wieso die Frau völlig selbstverständlich die bessere Erziehungsperson sein soll.
Das ist wie es ist, vor allem, weil sich die gesamte Scheidungsindustrie fest in weiblicher Hand befindet und man gerät in den Verdacht, frauenfeindlich zu sein, wenn man das behauptet.
Als Mann hast Du so gut wie keine Chance, etwas zugunsten der Kinder zu unternehmen und wenn Du nicht aufpasst, wirst Du gekreuzigt.
Ich habe einen Sorgerechtsprozesse gegen meine Ex-Frau geführt, hatte von allen möglichen Seiten Unterstützung (z.B. von einer Psychologin), hatte objektiv die besten Chancen, meine Kinder zu bekommen.
Dann musste ich einen Rückzieher machen, weil man an mir ein Exempel statuieren wollte und ich das Sorgerecht komplett verloren hätte, wenn ich keinen Kompromiss eingegangen wäre.
Neulich habe ich das Thema mit meinen inzwischen erwachsenen Kindern angesprochen und meine Tochter meinte, man solle der Psychologin der Gegenseite vielleicht mal einen Brief schreiben, wie alles in Wirklichkeit gelaufen ist und ob sie ihren Beruf nicht lieber an den Nagel hängen sollte...
Naja, die Zeit heilt alle Wunden.
Bist Du aktuell betroffen?
Gruß Hans-Peter
Ich bin kein direkter Rüpel aber die Brennnessel unter den Liebesblumen. Karl Valentin
Also ich habe meiner Liebsten die Tage aus halbwegs berechtigtem Anlass mitgeteilt, dass Sie so doof wie sie lang sei (1,84) und da hat Sie mir gleich damit gedroht, dass ich meine Kinder demnächst nur noch alle 14 Tage sehen könnte.
Ich finde diesen Trend zu männerfreundlichen Urteilen gut!
Zitat Wann hatten Eure Kinder das letzte MAl Vater-Kind-Zeit???
Ööööööhm,
mal überlegen . . . . . .
Gestern ? Ach ne, da konnt ich ja nicht, ich mußte meinen armen Würmchen ausladen, weil ich auf Montage war.
Ansonsten immer wieder gerne, wobei Mädels und Jungens von 15 und 17 auch nicht mehr allzuviel mit ihren Vätern (oder Müttern) im Sinn haben.
Aber mal Spaß beiseite, Bernd. Wenn Dich diese Dinge persönlich betreffen, ists arg, aber durch Gerichtsurteile wird auf dieser Welt kaum jemand glücklicher. Es werden vielleicht Rahmenbedingungen geschaffen bzw. man versuchts. Ich finde Deine Formulierung "demzufolge der Kerl bloß den Schwanz hinhält und ansonsten die Frau zuständig ist." ziemlich auffällig. Nicht negativ, auch schon gar nicht komisch, aber auffällig.
Jedenfalls wünsche ich Dir Enkel, damit Du den Umbruch der Gesellschaft noch erleben kannst. Du hast ja wohl noch keine, gell? Dazu sahst Du mir noch etwas zu jung aus
Gruß
Wännä
(der Alleinerziehende, Entrechtete, der früher jeden Abend seinen Kindern Gute-Nacht-Geschichten erzählt hat)
Zitat Das ist wie es ist, vor allem, weil sich die gesamte Scheidungsindustrie fest in weiblicher Hand befindet und man gerät in den Verdacht, frauenfeindlich zu sein, wenn man das behauptet.
Als Mann hast Du so gut wie keine Chance, etwas zugunsten der Kinder zu unternehmen und wenn Du nicht aufpasst, wirst Du gekreuzigt.
Vielleicht war das in deinem Fall so (wann und wo?), aber allgemein und aktuell gesehen ist das - sorry, ich muss es so deutlich sagen - Quatsch, und das in mehrerlei Hinsicht.
Zitat Dann musste ich einen Rückzieher machen, weil man an mir ein Exempel statuieren wollte und ich das Sorgerecht komplett verloren hätte, wenn ich keinen Kompromiss eingegangen wäre.
Kannst du das etwas genauer erklären? Hört sich sehr speziell an.
.......................................................... Ob Sonnenschein, ob Sterngefunkel: Im Tunnel bleibt es immer dunkel. (E.K.)