Sehr schön beschrieben. Genauso fühle ich mich auch die meiste Zeit seit Monaten, wenn ich keine Ablenkung habe. Das führt so weit, daß man noch nichtmal vom Sofa aufsteht, um nen Kaffee zu machen oder wenigstens den Sender zu wechseln. Ich bin schon so lange dran, mit professioneller Hilfe aus der Depression wieder rauszukommen, aber die Rückschläge machen es immens schwer.
Nur mal so am Rande: Früher hieß es Erschöpfungsdepression, heute heißt es Burn-Out. Bei mir ist der Auslöser die Arbeit gewesen und ich bin auch privat derzeit leistungstechnisch komplett eingeschränkt. Das ist zum kotzen, vorallem weil man nicht weiß, wann es besser wird und wann man endlich wieder gesund ist. Eine solche Depression wünsche ich meinem schlimmsten Feind nicht.
Übrigens kann ich sagen, daß man bei einer depressiv bedingten Panikattacke nicht mehr rational denkt. Als ich in der Situation war, war ich nicht mehr ich selbst. Meine eigenen Gedanken haben mir eine höllische Angst bereitet und der Bahnhof wäre nicht mehr weit gewesen. Zum Glück hatte ich von meinem Arzt für den Fall der Fälle ein starkes Beruhigungsmittel (BTM!) und das habe ich dann eingeworfen. Allerdings war ich dann bis zum nächsten Abend auch zu nichts mehr zu gebrauchen, da hätte ich nur als Briefbeschwerer getaugt.
Wie geht man als Nichtbetroffener denn am Besten mit einem Betroffenen um?
Gibt's wahrscheinlich kein generelles Verhalten der besten Wahl - aber vielleicht gibt's 'n Tipp, wie man auf alle Fälle nicht mit Depressiven umgehen soll?
Also: - Ernst nehmen. - Mitfühlen. - Aktivitäten anbieten. Depressiven fehlt oft der Antrieb, aber manchmal reicht schon eine kleine Portion Sonnenschein um die Stimmung aufzuhellen. Aber Vorsicht: Nur anbieten, nicht zwingen! - Nicht das depressive Bestärken. - Auf KEINEN Fall die Empfindungen des Betroffenen herunterreden oder seine Sitation schönreden. "Och, das ist doch garnicht so schlimm!" "Nun lass Dich mal nicht so Hängen!" "Das wird schon wieder!" "Ich weiß garnicht, was Du hast, Dir geht's doch eigentlich ganz gut!" Alles absolut kontraproduktiv! Lassen! - Im Zweifelsfall: Da sein. Zuhören. Trost spenden.
Merke: Aus einer Depression muss man selbst heraus. Man kann nicht rausgezogen werden. Aber es ist gut, wenn man sich an etwas festhalten kann.
Dorthin zurückzugehen, wo man begonnen hat, ist nicht das Gleiche, wie nie zu gehen.
@pele: am schlimmsten sind die ständigen Nachfragen aus dem Familien- oder Freundeskreis, wie es mir denn geht. Ich weiß, daß das wirklich nur gut und nett gemeint ist. Aber wenn du jeden Tag zur Hälfte nur heulst oder agressiv bist, einmal die Woche beim Psychotherapeuten und beim Psychiater bist, du ständig diese Angst-, Traurigkeits-, Ohnmachts- und Überforderungsgefühle hast, dann willst du nicht auch noch besorgte Anrufe. Wie Dünnling schon sagte, ernst nehmen und Hilfe anbieten. Durch die Antriebslosigkeit wird aber kaum jemand auf ein Angebot deinerseits eingehen, wie z.B. mit dir schwimmen zu gehen. Da brauchts manchmal nur ein klein wenig Nachhilfe. Wenn du die Tür öffnest und plötzlich steht ein guter Freund vor dir, lächelt übers ganze Gesicht und sagt: "Zieh dich um, wir fahren ne Runde in die Eifel", dann ist das schon was tolles. Zumindest für mich, weil ich dann weiß, daß der Freund 1. helfen möchte und 2. weiß, womit er mir eine Freude machen kann. Das ist das größte. Oder wenn ich abends auf dem Sofa sitze, weine und nicht mehr weiter weiß, plötzlich meine Frau vor mir steht und sagt, daß sie grad nen Tisch beim Steakhaus um die Ecke reserviert hat.
Es sind dann oft Kleinigkeiten, aber man merkt dann einfach wieder, daß man nicht alleine ist.
Die Krankheit hat aber auch Vorteile: Ich weiß jetzt, wer hinter mir steht und zu mir hält. Und ich weiß jetzt, wer in schweren Zeiten eben nicht zu mir hält. Dadurch hat sich mein Freundeskreis schlagartig stark verkleinert, weil von der gesamten Löschgruppe keine Sau sich bislang bei mir gemeldet hat, obwohl die wissen, was Sache ist. Naja, der Austritt aus der Feuerwehr bringt mir nun die Zeit, mit meiner Frau zusammen in einen Ruderverein einzutreten.
Wegen der Löschtruppe: Is halt schwierig mit die Männers. Für viele "echte Kerle" klingt eine Depression halt nur nach einer Ausrede, um sich einfach mal ne Runde bemitleiden zu lassen. Und Männer gehen auch nicht in Therapie, das machen doch nur Heulsusen und Weicheier. Echte Kerle stecken sowas locker weg. Gerade bei Feuerwehr, Sportverein und Schützenverein ist diese Denke noch sehr präsent.
Ist schade, aber machen fehlt einfach das quentchen Empathie und die Schippe Mut, um sich mit psychischen Problemen auseinanderzusetzen. Die schaffen das frühestens, wenn sie selbst mal in der Zimmerecke sitzen und heulen.
Dorthin zurückzugehen, wo man begonnen hat, ist nicht das Gleiche, wie nie zu gehen.
Hatte anno 2007 zum Glück auch die richtigen Leute um mich, die mir dies ermöglichten.
Lustig is so ne Depression nicht, aber der Vorredner hat auch wieder recht, eine gewisse Zeit zu trauern, zu verarbeiten etc. und dann MUSS man sich selber wieder aus der Scheisse ziehn. Ohne wenigstens ein bischen eigenes Zutun schafft mans nicht.
Gaaanz wichtig: nichts übel nehmen und nicht aufgeben wenn derjenige nicht auf die Angebote eingeht. Immer wieder anbieten, auch wenn es einem lästig erscheint. Viele sagen sich irgendwann dass es ja eh keinen Zweck hat. Doch, hat es. Wir registrieren das schon. Aber in diesem moment ist es einfach unmöglich auch nur ansatzweise zu reagieren. Sobald eine positive Reaktion kommt dort weiter ansetzen.
Man darf niemals vergessen, das ist eine Krankheit der Seele. Das kann man nicht operieren, das kann man nicht mit ein paar Gesprächen abhaken, das sitzt tief und frisst alle Emotionen und vor allem die Kraft jeden Tag neu zu beginnen auf.
Das war für mich das schlimmste: ich habe schlicht nichts mehr gefühlt. keine freude, keine Trauer, keine Wut, schlicht nichts. ich war nicht mehr in der Lage zu sagen was und ob ich überhaupt fühle. Trauer ist dann doch wieder greifbar gewesen, aber nichts? Wie vertreibt man nichts? Und vor allem, wie erklärt man das? Wie soll man so etwas, was man selber nicht versteht, erklären?
Sorge Dich mehr um Deinen Charakter als um Deinen Ruf, denn Dein Charakter ist das, was Du wirklich bist, während Dein Ruf nur das ist ,was andere von Dir denken....
Dennoch komme ich da allein nicht raus. Hab mich jetzt auf die Wartelisten von drei Tageskliniken setzen lassen. Vielleicht hilft das mehr, als einmal pro Woche Therapie. Möglicherweise steht bei mir eine Umschulung an und ich habe jetzt schon Angst davor, wie das alles laufen soll, speziell finanziell.
Mein Freund Jupp hat sich am 13.8. erschossen,war schwer krank und wollte keine Chemo mehr...Er war ein Motorradkumpel durch und durch....wenn ich morgens mit meiner faulen Bande gestartet bin kam er von der ersten Runde vom Feldberg zurück...JUPP machs gut !
Zitat Dennoch komme ich da allein nicht raus. Hab mich jetzt auf die Wartelisten von drei Tageskliniken setzen lassen. Vielleicht hilft das mehr, als einmal pro Woche Therapie. Möglicherweise steht bei mir eine Umschulung an und ich habe jetzt schon Angst davor, wie das alles laufen soll, speziell finanziell
Eine Klinik hilft auf jeden Fall besser als eine wöchentliche Sitzung weil du aus der Situation herausgenommen wirst. Dann ist auf einmal dein ganzer Tag minutiös vorgeschrieben und muß abgearbeitet werden. (War zumindest bei mir so) Da bleibt schlicht keine Zeit dazusitzen, irgendeinen Punkt anzustarren und in dumpfer Verzweiflung und Scham wegen dieser verdammten Antriebslosigkeit zu versinken. Und abends bist du so müde dass du wie tot ins Bett fällst und tatsächlich schläfst. Egal was du jetzt machst, alleine der Wunsch endlich eine Besserung zu sehen und sich dafür Hilfe zu holen ist ein großer Schritt. Damit akzeptierst du deine Krankheit und das ist der wichtigste Schritt überhaupt.
Ich habe Wochen gebraucht um meine Diagnose überhaupt annehmen zu können weil "ich bin doch nicht bekloppt!!"
Sorge Dich mehr um Deinen Charakter als um Deinen Ruf, denn Dein Charakter ist das, was Du wirklich bist, während Dein Ruf nur das ist ,was andere von Dir denken....
Zitat ...am schlimmsten sind die ständigen Nachfragen aus dem Familien- oder Freundeskreis, wie es mir denn geht...
Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Kannte ich so'n bischen von meiner Frau (die war zwar nicht depressiv, aber Dauerschmerzpatientin). Irgendwann fragt dann keiner mehr, weil es ihnen peinlich ist, bzw. keine Besserung zu erwarten ist. Schlimm fand ich auch immer die vielen gutgemeinten Ratschläge von Leuten, die irgendwo was gehört oder gelesen haben, und einem dann wärmstens irgendwelche Maßnahmen und Therapien ans Herz legen und anschließend beleidigt sind, wenn man den Scheiß nicht ausprobiert hat, bzw. man ihn nicht mehr hören kann ...
Zitat ...brauchts manchmal nur ein klein wenig Nachhilfe...
Ich weiß ja nicht, wie das wirklich ist, aber wenn ich mal keinen Bock auf irgendwas habe, und dann kommt der Kater und streicht mir um die Beine oder die Streichelhand, oder der Hund versucht mich schwanzwedelnd zu einem Rundgang, oder einem Spielchen im Garten zu animieren, dann muntert mich das oft auf . Muß aber nicht zwingend - Robert Enke hatte 'n ganzes Rudel zu Hause ...
ich finde es auch (wie magicfire bereits schrieb) schonmal ganz gut, daß Du Deine Erkrankung anscheinend als solche begreifst, und auf dem Wege bist, sie zu akzeptieren und den Kampf aufzunehmen !
Vielen Dank für eure lieben Worte. Genau so etwas hatte ich eigentlich aus dem Freundeskreis erwartet. Es ist schon traurig, wenn sich "fremde" Menschen aus einem Motorrad Forum mehr für meine Krankheit interessieren, als meine (ehemaligen) Freunde. Dafür habe ich jetzt die Gewissheit, drei super gute Freunde (plus deren Partnerinnen) zu haben, die jederzeit auf Abruf Zeit für mich haben.
Eure aufbauenden Worte tun mir wirklich gut, ehrlich. An dieser Stelle geht auch mal ganz offiziell ein großer Dank an TheoW.
Zitat Nur mal so am Rande: Früher hieß es Erschöpfungsdepression, heute heißt es Burn-Out. Bei mir ist der Auslöser die Arbeit gewesen und ich bin auch privat derzeit leistungstechnisch komplett eingeschränkt. Das ist zum kotzen, vorallem weil man nicht weiß, wann es besser wird und wann man endlich wieder gesund ist. Eine solche Depression wünsche ich meinem schlimmsten Feind nicht.
Hallo,
Du beschreibst gerade sehr anschaulich ein Phänomen, mit dem ich seit über 10 Jahren privat auch konfrontiert werde. Danke dafür !
Im Urlaub ist alles weg und ich denke "Ey, wat willste überhaupt? Iss doch alles roger !" Kaum drei Tage nach dem Urlaub gehts wieder los. Zwar hat sich die Situation spürbar verbessert, aber eine echte Lösung ist noch nicht in Sicht . Was hab ich alles versucht . . . z.B. Ankreuztabelle der TK "leide ich unter Burnout?" hingelegt. 9 von 10 Fragen wurden positiv beantwortet aber eine Reaktion darauf => Fehlanzeige.
Allmählich habe ich begriffen, daß Depressionen nach innen gerichtete Aggressionen sind. Durch die typischen Eingriffe von außen wirds also schlimmer und nicht besser. Arbeit zu reduzieren nehmen sich viele Leute vor, haben aber selten Glück damit. Die Seele hat keine Stempeluhr oder einen Betriebsstundenzähler. Der Mensch ist keine Maschine, bei der man einfach nur die Last etwas reduzieren kann. Es reicht, daß in irgendeiner Situation ein "Bremspunkt" überfahren wird, der der Seele arg zusetzt und schoooon . . . . . . hammer den Salat wieder.
Mittlerweile habe ich ein Instrumentarium, damit unzugehen. Das Frühwarnsystem ist ebenfalls hoch entwickelt. Aber dennoch denkt man als Mitmensch häufig "was hab ICH jetzt eigentlich davon ?"
Keine leichte Situation, für alle Beteiligten ein großes Unglück.