Die Berechnung der Ventilbeschleunigung hab ich total unterschätzt - das ging leider nur implizit, also hintenrum durch die Brust ins Auge mit unverhältnismäßig großem Aufwand. Deswegen hat ’s ein wenig länger gedauert.
Aber jetzt: Trotz scheinbar völlig harmlosem Nockenprofil entstehen nach Anlauf- und vor Ablauframpe der Nockenerhebungskurve (schmale) Bereiche mit ausgeprägter Krümmung, was aber nötig ist, wenn das Ventil möglichst rasch öffnen soll. Das hat zur Folge, dass die (positive) Ventilbeschleunigung dort bei höheren Drehzahlen schnell in kritische Bereiche vordringt. Im Diagramm dargestellt durch die beiden Peaks, die ich sogar noch auf die Hälfte skalieren musste, damit sie nicht oben raus "schießen". Im Gegensatz dazu fällt die (negative) Beschleunigung im oberen Totpunkt (des Ventils, nicht des Kolbens!) erstaunlich moderat aus (negativer Bereich der roten Kurve in Bildmitte).
Die beiden Peaks als solche überraschen mich nicht, lediglich deren schmale und hohe Ausprägung, obwohl der Nocken doch sehr "rund" wirkt und nur wenig Ventilhub besitzt. Es ist also nicht so, dass die Beschleunigung dort am größten ist, wo der Nocken am stärksten gekrümmt ist, sondern eher umgekehrt: durch die relativ langen, geraden Flanken bekommt das Ventil diesen "Schlag".
Daher stellt sich mir jetzt die Frage (und Herausforderung), wie ich überhaupt einen Nocken mit deutlich größerem Hub gestalten kann, ohne die Beschleunigungswerte noch weiter ins Extreme zu treiben.
Mal sehen, vielleicht gelingt es mir ja mit den bescheidenen Mitteln, die mir (privat) zur Verfügung stehen. Oder Ulf gibt ein paar hilfreiche Tipps ab, damit ich das Rad nicht zur Gänze neu erfinden muss.
Im Moment kann ich nur die Richtung von Schwarz nach Blau. Umgekehrt ist es (viel!) aufwändiger. Genau das machen aber vermutlich die Programme der modernen Nockenberechnung.
Ich kann im Moment nur probieren. Welche Nockenform erzeugt die gewünschte Erhebungskurve? Deswegen auch meine Frage an Ulf.
ich werde da keine große Hilfe sein. Mein Job ist es, die Öffnungsdauer und den Hub vorzugeben. Der Nockenbauer hat das Programm, das dann die optimale Erhebungskurve berechnet.
Ich könnte dir höchstens mal ein paar konkrete Erhebungskurven durchgeben, aus denen du dann das Nockenprofil (erstmal für einen Flachabnehmer) ableiten und die Beschleunigungen berechnen kannst.
Edit: OK von blau nach schwarz, also genau verkehrtrum
Mangelndes Gespür oder unzureichend geübte Anschauung trügen. Für den "Schlag" oben hab ich die Erklärung ja bereits mitgeliefert.
Die Klothoide oder Ähnliches, was im Straßenbau für eine möglichst gleichmäßige Zunahme der Querkräfte sorgt, ist hier nicht das Mittel der Wahl, da es dem Ventil völlig gleichgültig ist, ob die Kraft ruckartig oder schön kontinuierlich einsetzt. Lediglich der Maximalbetrag der Kraft sollte möglichst niedrig liegen. Mit anderen Worten: der Peak sollte breiter und möglichst niedrig sein. Ob die Kurve dabei flach oder senkrecht hochklettert, ist für die Belastung egal.
@Ulf: Auch wenn ich es momentan (noch) nicht verwerten kann, wäre so eine konkrete Erhebungskurve schon mal sehr interessant. Eine (typische) würde genügen, aber nur wenn es keine Umstände macht.
Danke, Uli, einem Teilerfolg bin ich bereits auf der Spur.
Auch in der Mathematik ist ja so, dass man Fortschritt nicht berechnen kann. Dafür braucht ’s als Erstes mal viel Gefühl (wie beim Kochen eigentlich ).
Zitat von Serpelda es dem Ventil völlig gleichgültig ist, ob die Kraft ruckartig oder schön kontinuierlich einsetzt.
ich kann mir vorstellen, spätestens der ventilfeder ist´s nicht egal, den lagern vielleicht auch nicht und die beschleunigungswerte kannst du ja auch nicht mit der nockenflankenbelastung gleichsetzen. mir ist das schleierhaft, wie du deine theoretischen werte praxistauglich machen willst. oder ist das gar nicht deine absicht? und was ist deine schwarze kurve?
Was glaubst Du, smack, wozu ich den Zirkus veranstalte? Wenn das nur theoretisches Hirngebrünzel wäre, tät ich mir das sicher nicht an! Nein, das ist so eins der (unzählig) vielen Anwendungsgebiete, wo ohne Mathematik/Physik nix zu machen wäre.
Im Einzelnen:
1. Den Bauteilen eines Motors ist es tatsächlich völlig wurscht, wie schnell die Kraft da ist. Es sind ja keine Muskeln, die eine gewisse Reaktionszeit benötigen - die Gegenkraft ist hier jeweils sofort da.
2. Die Beschleunigungswerte sind sogar exakt gleich der (genauer: proportional zur) Nockenflankenbelastung (inkl. Gleitreibung), da das Ventil stets senkrecht zur Nockenoberfläche im Berührpunkt gerichtet ist. (Sie dienen außerdem als Bemessungsgrundlage für die Dimensionierung der Ventilfeder.)
3. Die schwarze Kurve ist die Erzeugende des Nockens, genauer: es ist die Distanz der einzelnen Punkte auf der Nockenoberfläche zum Drehpunkt in Abhängigkeit des Winkels, wenn man den Nocken mittels Polarkoordinaten beschreibt. (Und es ist nicht die Nockenerhebungskurve ... )
(Trotzdem beeindrucken mich die Fragen, da sie sinnvoll und berechtigt sind, und speziell die dritte zeigt, dass hier zum Teil heftig mitgedacht wird! )
Man möchte fast schon sagen trivialerweise, Christian. Wenn es nicht so wäre, würde der Nocken am Rand (an der Kante) der "Tasse" schleifen, dann wäre diese zu knapp bemessen:
Ich hab hier leider grad nur das Foto von meinem Scrambler zur Hand, das leider etwas unscharf ist.
Wenn sich zwei Oberflächen (reibungsfrei) berühren, wirkt die Kraft immer senkrecht zu diesen. Dann spielt es keine Rolle, ob Tassenstößel, Schlepp- oder Kipphebel die Kraft übertragen, und die Oberflächen dürfen auch beliebig gekrümmt sein und können sogar aneinander entlang gleiten, mo sogn ...