Packt man beispielsweise beim Guzzi V2 mittig noch einen dritten Zylinder oben drauf, dann ist ’s vorbei mit dem genialen Massenausgleich des klassischen 90°-V2, der komplett ohne Ausgleichswelle auskommt. Die umlaufende Massenkraft 1. Ordnung bildet dann eine Ellipse (statt eines Kreises), ähnlich wie bei den 45°-Twins von Harley, die nur mit AW beruhigt werden können.
Dazu hab ich wieder mal eine hübsche Animation gemacht. Und noch einen Screenshot, falls der Download nicht funktioniert. Der rote Pfeil ist die Summe der drei türkisen und stellt die Summe der Massenkräfte 1. Ordnung der drei Zylinder dar:
Auch bezüglich der Massenkräfte 2. Ordnung bietet der W3 keinen Vorteil.
Zitat von SerpelAuch bezüglich der Massenkräfte 2. Ordnung bietet der W3 keinen Vorteil.
Wie dieseAnimation zeigt. Ebenfalls eine Ellipse, die mit dem gleichen Umlaufsinn, aber doppelt so schnell durchlaufen wird wie die Ellipse der Massenkräfte 1. Ordnung.
Falls der Download nicht klappt, auch hier noch ein Screenshot:
Sehr schön zu sehen ist, dass der zusätzliche dritte Zylinder in der Mitte lediglich die y-Komponente der Bewegung beisteuert. Beim klassischen 90°-V2 zerrt die Massenkraft 2. Ordnung nur in horizontaler Richtung am Motorrad, da sich die y-Komponenten der beiden Zylinder gegenseitig auslöschen. Aber das hatten wir ja früher schon.
Schließlich noch die Überlagerung der beiden Massenkräfte (magenta), die effektiv beim realen Motor in Erscheinung tritt, wobei das gewählte Amplitudenverhältnis von 1:3 eher kurzen Pleueln entspricht. Schön zu sehen die doppelte Frequenz der 2. Ordnung, die für die Ausbildung der "Spitze" am unteren Ende der resultierenden Massenkraft verantwortlich ist.
Massenkräfte 1. Ordnung, 2. Ordnung, Überlagerung
Somit ist dieser Guzzi W3 schwingungstechnisch im Prinzip nicht von einem Harley V2 zu unterscheiden. Der oben aufgesetzte dritte Zylinder zerstört den natürlichen Ausgleich des klassischen 90°-V2. Auch für den Ausgleich der Massenkräfte 1. Ordnung muss nun zusätzlicher Aufwand betrieben werden. Mit einfachem Anbringen entsprechender Gegengewichte auf der KW ist es dabei nicht mehr getan.
Eigentlich hab ich mich nicht explizit auf diesen 2x65°-Guzzi bezogen, Wännä, aber ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, den nicht im Hinterkopf bei den Berechnungen gehabt zu haben.
Danke für den Hinweis!
Mussich also alles nochmals durchrechnen - so ein Ärger.
Mit 65° Zylinderwinkel funktioniert es bereits sehr viel besser, wie wir hier sehen - die Massenkraftellipse 1. Ordnung ist schon beinahe ein Kreis:
Da gegenüber dem 45° Zylinderwinkel die lange Halbachse nun flachliegt, liegt die Vermutung nahe, dass es zwischendrin auch hier einen Zylinderwinkel gibt, bei dem die Massenkraftellipse 1. Ordnung genau ein Kreis ist.
Und tatsächlich - für 60° Zylinderwinkel verhält sich der W3 prinzipiell wie ein 90° V2! Hier hab ich mal die Massenkraftellipsen 1. Ordnung für Zylinderwinkel 0° bis 90° in Schritten von 15° gezeichnet:
Eindeutig - für 60° isses ein Kreis. Für 90° erhält man im Prinzip dieselbe Ellipse wie für 45° (nur gedreht), und für Winkel größer als 90° geht ’s symmetrisch wieder rückwärts. Man erhält also auch für 120° einen Kreis.
Also: Wenn W3, dann tunlichst mit einem Zylinderwinkel von 60° oder 120°. Erstaunlich, dass die Sternanordnung gegenüber der deutlich kompakteren 60°-Anordnung schwingungstechnisch keinen Vorteil bietet. Jedenfalls nicht bezüglich der Massenkräfte 1. Ordnung.
Wie auch immer - die Bemerkung vom "schwingungstechnischen Oberkrampf" sollte ich tunlichst zurückziehen, sie zeugt von mangelndem physikalischen Gespür.
Bezüglich der Massenkräfte 2. Ordnung unterscheidet sich beim W3 die 60° von der 120° Anordnung jedoch (wie vermutet ) wesentlich. Beim 60°-W3 isses wieder ne Ellipse, beim 120°-W3 erstaunlicherweise ebenfalls ein Kreis, der jedoch umgekehrt zur Drehrichtung der KW - und damit auch umgekehrt zur Massenkraftellipse 1. Ordnung - durchlaufen wird.
60°-W3
120°-W3
Die 65° (statt der schwingungstechnisch günstigeren 60°) beim zitierten Guzzi W3 sind sehr wahrscheinlich bautechnischen Notwendigkeiten geschuldet.
Vielleicht interessiert es ja doch den einen oder anderen. So wie mich.
Deshalb hab ich die Massenkraftellipsen des W3 jetzt noch animiert, und zwar für Zylinderwinkel zwischen 0° und 180°.
Das Filmchen beginnt bei 0° (klar), was einem gleichlaufenden Reihentriple entspricht, in der Hälfte der Abspielzeit schließen die beiden äußeren Zylinder mit dem mittleren je einen Winkel von 90° ein, und am Ende haben wir es mit einem 180° W3-Motor zu tun, d. h. die beiden äußeren Zylinder stehen senkrecht nach unten.
Hier noch der Vergleich zum (echten) V2, bei dem ein Winkelbereich von 0° bis 180° genügt, da sich von da an alles symmetrisch wiederholt. (Beachte: 180° zwischen den Zylindern beim V2 entspricht 90° zwischen benachbarten Zylindern beim W3.)
Bei 90° haben wir wieder die kreisförmige Massenkraftellipse 1. Ordnung bei horizontal schwingender Massenkraft 2. Ordnung (original Guzzi), bei 180° die Auslöschung von Letzterer. (Im Unterschied zum Boxer, der ja zwei gegenüberliegende KW-Kröpfungen besitzt, löschen sich die Massenkräfte 1. Ordnung bei 180° Zylinderwinkel nicht aus, sondern addieren sich.)
Vielleicht hab ich es mit der Genauigkeit und Bildauflösung ein wenig übertrieben. Die Animation besteht aus mindestens hundert Bildchen, jedes davon mehrfache Bildschirmgröße.
Ich finde dein Engagement ja sehr lobenswert. Aber für einen Motor, den es eigentlich gar nicht gibt und auch ziemlich sicher nie geben wird, ist das doch mehr als "akademisch" ...
Für mich ist das inzwischen kein Aufwand mehr. Die Formeln stehen, die ändern sich im Wesentlichen nicht, nur ein paar Parameter müssen angepasst werden und schon hab ich das Resultat.
Zumindest wissen wir jetzt, dass (entgegen meiner ursprünglichen Auffassung) so einem W3 schwingungstechnisch absolut nix entgegensteht, solange der optimale Zylinderwinkel von 60° möglichst genau eingehalten wird. Größer als 70° (um eine Zahl zu nennen) sollte er jedenfalls nicht ausfallen, da reagiert die Massenkraftellipse 1. Ordnung zu sensibel und ist vom Kreis längst zu weit entfernt.
Und wenn der sehr hoch bauende mittlere Zylinder nicht wäre, verbunden mit dem signifikant größeren Bauaufwand, der nötig ist, um die drei Zylinderköpfe unabhängig voneinander zu steuern, gäbe es dieses Konzept beim Motorrad bestimmt längst. Wunderbar schlank bei Quereinbau (so wie bei Ducati mein ich jetzt), mit unverwechselbar charakteristischem Ton durch die unorthodoxe 120°/300°/300°- Zündfolge und einem Rundlauf, der keinen Vergleich zum Zweizylinder scheuen braucht, wäre das ein Motor für den Gourmet.
Ebenso wie der Reihentriple ohne jede Ausgleichswelle völlig frei von Massenkräften 1. Ordnung, im Gegensatz zu diesem allerdings nicht ganz von Massenkräften 2. Ordnung. Dafür wiederum - bedingt durch den gemeinsamen Hubzapfen der drei Pleuel - nahezu momentenfrei, was vom Reihendreier nicht behauptet werden kann und bei diesem schlussendlich doch die AW erforderlich macht. Der W3 mit einem Zylinderwinkel von 60° käme hingegen ganz ohne Ausgleichswelle aus.
Es gibt bestimmt auch Leute, die statt eines Gabelumbaus lieber gleich ein anderes Moped ins Auge fassen täten. Ich mein, ich tät ’s nicht, aber es gibt bestimmt welche, die ’s täten ...