Okay, Öl ist es nicht. Das ist schonmal gut. Es kann durchaus reichen, nur die Kupplungsfedern zu tauschen. Auch ein paar Unterlegscheiben reichen oft. Aber wenn du da sowieso schon bei gehst und nicht so der Selbstschrauber bist, würde ich auch gleich die Reibscheiben tauschen. Das ist kaum Mehrarbeit und du hast die nächsten 50.000 Ruhe.
Angefangen hat's vor 11 Jahren, als ich meine 30T km alte W800 bei Bruno Dötsch ablieferte, um ein paar Verbesserungen vornehmen zu lassen. Ich will nicht ins Detail gehen, aber die durchgeführten Maßnahmen ließen auch eine Verstärkung der Kupplung ratsam erscheinen. Leider konnte ich nicht mehr mit Bruno über alles reden, weil er unerwartet starb, als mein Motor noch halb fertig in seiner Werkstatt lag.
Mit einiger Verzögerung - die Familie Dötsch hatte verständlicher Weise andere Prioritäten - konnte ich mein gutes Stück dann von Carlo wieder zusammengebaut entgegennehmen. Alles prima, alles erfreulich, und ich bin jetzt fast bei 100T km angelangt. Allerdings fiel mir gelegentlich auf, daß die Kupplung nicht ganz sauber trennte. Man gewöhnt sich an alles.
Zwischenzeitlich mußte die Auspuffanlage, äh, "überholt" werden, was sich wohl irgendwie auf das Motordrehmoment im Drehzahlbereich um 3500 U/min auswirkte. Dann merkte ich, daß beim harten Beschleunigen in diesem Drehzahlbereich die Kupplung zum Rutschen neigte. Na ja, mittlerweile könnte die Kupplung vielleicht wieder ein bißchen Aufmerksamkeit vertragen.
Nach ein bißchen Suche in der Datenbank und ein bißchen Marktforschung besorgte ich mir ich einen Satz TRW MEF 143 Federn, die lt. Datenbank passen, und härter als die Serienfedern sein sollten. An einem Herbsttag zum Ende der W-Saison (als Wintermopped ist die Gummikuh besser geeignet) tauschte ich die damals von Bruno eingebauten Federn gegen die neu erworbenen aus. Zu meiner großen Enttäuschung war das aber nix, weil die Kupplung sich damit nicht trennen ließ. Also Rückbau.
Hab ich den Carlo angerufen, und der meinte, man müßte auf der Schraubenkopfseite ein bis zwei mm unterlegen. Das hab ich irgendwie gar nicht verstanden.
Und dann war erst mal Pause. Welche mit einem Plan für systematisches Vorgehen endete. Zuerst wurde gemessen. Tiefe der Aufnahmeschächte für die Federn im Kupplungsfederteller ist 23,7 mm, Hub des Federtellers beim Auskuppeln 1,9 mm.
Wie lang sind denn die Federn, wenn man sie bis zum Anschlag zusammendrückt? Geh'n wir mal an den Schraubstock und probieren es aus:
Originalfedern 19,5 mm - verfügbarer Federweg 4,2 mm Bruno-Federn 22,5 mm - verfügbarer Federweg 1,2 mm TRW-Federn 24,5 mm - verfügbarer Federweg -0,8 mm UH-OH.
Oder vielmehr A-HA. Mit Brunos Federn trennt die Kupplung gerade mal so, und mit den TRW-Federn läßt sie sich gar nicht öffnen. Und dann fiel der Groschen. Natürlich, das hatte Carlo gemeint. Nach ganz wenig Kopfrechnen scheint unterlegen mit 3 mm richtig zu sein, das ergibt 2,2 mm freien Federweg für den notwendigen Öffnungshub. Also Scheiben 6 x 13 x 3 mm.
So kleine simple Drehteile konnte ich mit Hausmitteln herstellen, und dann wurde die Kupplung wieder mit den TRW-Federn zusammengebaut. Sieht doch gleich besser aus, alles passt, und trennen geht auch ohne Probleme. Odrrr? Mal sehen, ob meine erschlaffte linke Rentnerflosse das stemmt - ojojoj, nach ein paar Dutzend entschlossener Züge am Kupplungshebel spür ich schon im Handgelenk, daß das eine Männerkupplung geworden ist, mit der möchte ich nicht stundenlang im normalen Verkehr unterwegs sein.
Hmm… Zurückbauen? Aber dann rutscht sie ja wieder. Hmm…
Als ich ein Kind war, gab's so Trainingsgeräte, die sahen irgendwie so aus wie Wäscheklammern in groß, aber wenn man heutzutage nach "Handtrainer" googelt, kommen irgendwelche futuristisch aussehende Foltervorrichtungen heraus, die wahrscheinlich sogar funktionieren, aber eigentlich hauptsächlich Plastikmüll sind.
Selbst ist der Mann, ich habe ja noch die ausgebauten Federn, und aus denen und einem Stück Besenstiel habe ich dann mal schnell einen einfachen Handtrainer gebastelt, mit dem werde ich über den Winter die linke Hand mindestens so weit ertüchtigen, daß sie genau so männlich kraftvoll zupacken kann wie die rechte.
Kraft.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Beim ersten Gebrauch dieses Trainingsgerätes stellte sich übrigens heraus, daß ich rechts etwa 50% mehr Kraft aufbringen kann als links, da ist es ganz gut, wenn ich der Linken etwas auf die Sprünge helfe.
Dieter (und immer fleißig trainieren!)
Alkoholfreies Bier... schmeckt richtig, ist aber falsch.
Die originale Kupplung der W800 ist für ein maximales Drehmoment von 60 Nm ausgelegt. Nach der von Bruno in Stufe 1 vorgenommenen Optimierung stieg das maximale Drehmoment um 18%. Und mit den Knallert-Rohren in der Stufe 2 waren es dann insgesamt 35% mehr.
Die Original-Kupplungsfedern hatten einen Drahtdurchmesser von 2,4 mm, die von Bruno verwendeten 2,6 mm, und die TRW MEF 143 haben 2,7 mm.
Grob vereinfacht gilt nun folgendes: Das Widerstandsmoment eines zylindrischen Stabes (Federdraht) wächst mit der 3. Potenz des Durchmessers. Das heißt, bei ansonsten gleichen Eigenschaften der Feder (Außendurchmesser, Windungszahl, entspannte Länge, Federmaterial) steigt auch die Federrate mit der 3. Potenz des Drahtdurchmessers. Die Feder mit 2,6 mm Draht erzeugt also gegenüber der 2,4 mm Feder in der Kupplung einen um den Faktor (2,6 / 2,4) hoch 3 = 1,27 höheren Anpreßdruck, Die Kupplung kann also 60 x 1,27 = 76 Nm übertragen, was für die Stufe 1 genügt, für Stufe 2 allerdings nicht mehr! Mit den TRW-Federn sind es dann aber (2,7 / 2,4) hoch 3 = 1,42 und die Kupplung ist damit gut für 60 x 1,42 = 85 Nm, was auch für die Stufe 2 genügt.
Jetzt hab ich's verstanden.
Gruß Dieter
Alkoholfreies Bier... schmeckt richtig, ist aber falsch.
Zitat von decet im Beitrag #36Jetzt hab ich's verstanden.
Kannst Du dann auch ausrechnen, wieviel Übungen Du mit Deinem selbst gebauten Hand-Expander machen musst um die erforderlichen, zusätzlichen Muskelfasern zu züchten? Frage für einen Freund ....
Zitat von tom_s im Beitrag #37Kannst Du dann auch ausrechnen...
Nein, kann ich nicht. Aber wenn ich davon ausgehe, daß ich im Vergleich mit den vorher eingebauten Federn (2,6 mm Drahtdurchmesser) jetzt 12% mehr Kraft brauche, und rechts um die 50% kräftiger zupacken konnte als links, bin ich guter Hoffnung, daß ich mit täglich 100 mal bis zum Saisonbeginn 2026 mit links das Soll erreiche.
Dieter (schaun mer mal, dann sehn mer's schon)
Alkoholfreies Bier... schmeckt richtig, ist aber falsch.
Bei meiner W800/1 hab ich auch bei 55000km die Kupplungsfedern gewechselt, die Reibscheiben waren noch nicht an der Verschleißgrenze die Federn nahe dran.
Ich hab erst die TRW MEF 143 versucht, aber bei denen war der Draht zu dick, die konnte ich nicht mehr komprimieren, dafür fehlt einfach der Platz. Ich hab dann neue original Kupplungsfedern verbaut, damit ist alles wieder gut.
Der Wechsel ist jetzt wirklich keine Herausforderung. Das ist schnell erledigt, und wie schon geschrieben, wenn die W am Seitenständer steht, läuft auch kein Öl aus. Zum anziehen der Gehäuseschrauben, nehme ich einen Drehdomentenschlüssel, da vertraue ich nicht auf mein Gefühl.
Zitat von 3-Rad im Beitrag #40Könnte dann das höhere Drehmoment dafür verantwortlich sein, dass sich der Motor schlechter schalten lässt?
Du hast doch den Motor als Komplettpaket verwendet? Da müssten Motor, Kupplung und Getriebe zusammen passen. Es sei denn, da hätte auch schon jemand stärkere Federn eingebaut.
Alkoholfreies Bier... schmeckt richtig, ist aber falsch.
Ich erinnere mich dunkel, dass ich bei der W650 vor ein paar Jahren etwas Kuppöungsrutschen hatte und mir Carlo damals die Federn der 800 eingebaut hat. Ist aber lang her und vielleicht verwexel ich da auch was.
Die W 650 hatte immer schon ein Problem mit schwachen Kupplungsfedern.
@decets Kupplungsproblem: Ich würde nach einem Kupplungsupgrade ohne härtere Federn Ausschau halten (mehr Scheiben/Scheiben mit mehr Reibung). Ein schwergängiger Kupplungshebel verdirbt nicht nur die Freude am Fahren, sondern verursacht bisweilen auch schwere körperliche Schäden. Wenn man die erst mal hat, bringt man die in unserem Alter meist nur noch durch chirurgischen Eingriff los. Spreche da aus Erfahrung.
ZitatKönnte dann das höhere Drehmoment dafür verantwortlich sein, dass sich der Motor schlechter schalten lässt?
Das möchte ich verneinen. Aber die Kräfte, die von der Abtriebsseite durch das höhere Gewicht des Gespanns in das Getriebe eingeleitet werden, könnten bewirken, dass der Schaltvorgang nicht so leicht vonstattengeht. Aber eigentlich sollte auch das nicht sein. Eine nicht sauber ausrückende Kupplung scheint mir da eher die Ursache zu sein.