4. Tag, Montag der 2.4.2012 Ligurische Levante bis Carrara, 228 km
Leider begrüßt uns beim Aufwachen ein bedeckter Himmel und mit nur 9 Grad ist es wieder recht frisch geworden. Mich hat die schon bezwungen geglaubte Erkältung wieder eingeholt und ich bin nicht ganz fit. Nach einem einfachen italienischen Frühstück starten wir um 10.20 Uhr, bald ärgern uns auch noch ein paar Regentropfen. Am Abend zuvor hatten wir festgestellt, dass in Hennys Membranhose die Membran fehlt. Nach dem waschen der Hose im Winter war vergessen worden, sie wieder einzuknöpfen. Da eine Membranhose ohne Membran nicht ihrer Aufgabe gerecht werden kann, hatte ich dank Internetzugang am Abend vorher auf unserem heutigen Weg ein paar Motorradläden ausfindig gemacht, und wir hoffen nun, dort eine einfache Regenhose kaufen zu können.
Auf dem Weg zur Küste in weitem Bogen nördlich um Genua herum fahren wir noch Berge rauf und runter und das Wetter wird zunehmend freundlicher. Wir erreichen aber noch mal Höhen um 700 Meter.
Wir erreichen den Golf von Genua bei Sestri Levante, wo wir dann bei doch recht trübem Himmel gerne mal eine Pause machen und uns zwei Caffee-Latte mit Brioches gönnen. Auf der Strandpromenade herrscht noch tote Hose, von einer Strandbar werden die Winterverschalungen abgebaut.
Sestri Levante
Pause in Bar
Weiter geht es. Die Straße führt uns erst mal wieder in die Berge und wieder auf über 600 Meter Höhe. Wir kommen über den Passo del Bracco und halten an. Dort besichtigen wir eine einsturzgefährdete Ruine, zu der der Zugang strengstens verboten ist, und klettern auf ihren Turm.
In den ligurischen Bergen
Ruine am Passo del Bracco
Eigentlich eine hübsche Immobile, kleinere Renovierungsarbeiten vorausgesetzt. Aber traumhafte Lage, alleinstehend und mit unverbaubarem Blick! Ruhige Nachbarschaft.
Blick vom Turm am Passo del Bracco
Dann erreichen wir die Cinque Terre. Diese fünf kleinen Küstendörfer liegen sehr malerisch an der ligurischen Steilküste. Laut Wicki und auch einem Reisebericht sind nur Riomaggiore und Manarola über eine Straße zu erreichen, alle liegen jedoch an einer Bahnlinie. Wir hatten uns eigentlich Manarola ausgeguckt. In Wirklichkeit ist es gar kein Problem, gleich den auf unserer Tour zuerst liegenden Ort Monterosso auf einer Straße zu erreichen. Da an der Durchgangsstraße oberhalb der Cinque Terre gebaut wurde und Straßenschilder fehlten, sind wir dort dann auch eher versehentlich gelandet. Dafür, dass der Ort eigentlich keine Straßenanbindung hat, gab es dort einen sehr großen kostenpflichtigen Parkplatz, genügend Verkehr und auch Busse standen herum. Auch fand schon etwas Tourismus statt, allerdings hielt sich alles noch in Grenzen. Allenthalben wurde vor Beginn der Saison noch gebaut, trotzdem fühlten wir uns eigentlich ganz wohl. Schön warm war es auch und vereinzelt badeten schon ganz unerschrockene im Meer.
Blick auf Monterosso
Der Strand von Monterosso
Unerschrockene baden, während …
… sich andere lieber auf dem Trockenen ablichten lassen
Rückblick auf Monterosso
Nach einer guten Stunde Pause bei Kaffee und Baguette fahren wir wieder hoch auf die Straße oberhalb der Cinque Terre, die aber wegen der Bauarbeiten gesperrt ist. Wir versuchen trotzdem, durchzukommen, aber bald ist das nicht mehr möglich und wir müssen wieder zurück und weiter im Landesinneren einen Bogen durch die Berge fahren, was durchaus sehr reizvoll ist. So führt uns das Navi westlich von La Spezia wieder auf unsere alte Tour zurück und wir kommen über einen Berg, von dem aus wir einen schönen Blick über den Hafen haben, nach La Spezia hinein.
La Spezia
In La Spezia laufen wir zwei große Motorradläden an, einmal Aprilia und einmal Honda. In beide werden zu 95 Prozent Motorroller verkauft und Regenhosen hat man keine. Das hat uns nun ziemlich Zeit und auch Nerven gekostet, denn diese Rumkurverei im Stadtverkehr macht keinen Spaß. Zumal Henny auf einmal feststellt, dass sie ihren Schlüssel nicht mehr hat. Bestimmt stecken gelassen, war die Vermutung. Doch leider nein. Also noch mal zurück zum letzten Laden gelaufen und tatsächlich lag er noch vor der Türe, wo er wohl runtergefallen war. Keiner hat ihn bemerkt. Wir haben zwar Ersatzschlüssel dabei, aber so war es doch besser. Wir sind ganz froh, La Spezia verlassen zu können und sehen in Romito am Fluss Magra, einen KTM-Laden. Es zeigt sich die Qualität eines gehobenen Fachgeschäftes einer renommierten Marke: Im Gegensatz zu Honda und Aprilia werden hier richtige Motorräder verkauft und natürlich auch Regenhosen. Für läppische 50 Euro erstehen wir eine besonders elegante und kleidsame mit der Aufschrift KTM Racing. Das passt doch!
Ist es nicht ein edles Teil?
Kurz hinter dem Magra erreichen wir die Toscana. In Nazzano biegen wir von der Hauptstraße ab und fahren hoch nach Carrara, das am Rande der Apuanischen Alpen liegt, die zum hier beginnenden Apennin gehören.. Schon von weitem sieht man weiße Berge, die aussehen, als ob unmotiviert Schnee verteilt worden wäre. Leider war die Luft ziemlich dunstig, vernünftige Fotos gelangen daher nicht.
Im Hintergrund sieht man schon die weißen Felsen von Carrara
Aus der Entfernung sieht es noch aus wie Schneefelder, aber …
Wenn man nähe herankommt, kann man die Marmor-Brüche gut erkennen
Wir fahren ein wenig in die Berge herein und schauen uns die Steinbrüche von den kleinen Straßen aus an. Besonders aufregend ist das nicht, trotzdem wollte ich es mir mal ansehen, wenn man schon hier vorbei kommt. Beim Verlassen von Carrara fallen uns die vielen Orangenbäume auf, die die Straßenränder der Stadt zieren. Niemand interessiert sich anscheinend um die voll hängenden Bäume. Was passiert eigentlich, wenn die Früchte herunter und auf die Straße fallen? Das muss doch eine ziemliche Matscherei geben.
Orangenbäume in Carrara
Auf einer parallel zur Hauptstraße verlaufenden Nebenstraße kommen wir über Massa nach Querceta, wo wir einem Wegweiser folgend ein Hotel suchen und finden, das uns dann aber nicht gefällt. Direkt im Ort entdecken wir ein anderes, auch nicht gerade hübscher, aber nicht so abseits gelegen. Wir haben nämlich Hunger und hoffen auf eine schöne Pizzeria.
Wir können die Motorräder direkt draußen vor dem Zimmer parken und das Gepäck über einen Balkon reinreichen, fast wie in einem Motel und somit sehr angenehm.
Zu Fuß machen wir uns bald auf den Weg, entlang an zahlreichen Steinmetzbetrieben, und müssen gar nicht weit laufen: Gleich um die Ecke in der nächsten Straße gibt es eine kleine Pizzeria, die hauptsächlich vom Straßenverkauf lebt. Aber es gibt auch zwei Resopal-Tische und einen Kühlschrank mit Bier in den von mir sehr geschätzten 0,66-Liter-Flaschen. Mutter und Tochter bewirtschaften den kleinen Laden, viel Kundschaft gibt es nicht. Aber die Pizza aus dem gemauerten Ofen schmeckt vorzüglich. So muss es ein.
Steinmetzbetriebe überall entlang der Straßen
Überall lagern die riesigen Marmor-Blöcke
Motorräder vor dem Hotelzimmer
Die junge Pizzabäckerin an ihrem Ofen
Mann, ist die groß!
Ein letzter Blick auf die kleine Pizzeria, die durchaus empfehlenswert ist.
Auf dem Heimweg sind wir sehr irritiert. Kaum erreichen wir eine Straßenlampe, geht sie aus. Sind wir ein Stück weiter, geht sie wieder an. Ich kam mir vor wie Mr. Bean. Was hat das wohl zu bedeuten?
Suuuuper!!!! Ich sitze hier schon seit 5 Uhr und warte darauf, das es weitergeht!
Mir kommt es so vor, als sei diese Reise vom Herrn Falcone und seiner Gemahlin, nicht so perfekt geplant worden, wie die vorherigen tollen Reisen. Erst der Batterie Ausfall bei der Abfahrt, jetzt auch noch die Membran der Hose...tzs, tzs, tzs...sehr sehr ungewöhnlich! Die "kleinen" Pizzen waren ja der Hammer! Und die Bierflaschen auf dem Tisch, sind 0,66L? Die sehen aus wie 1,6L Flaschen Ich bin sehr gespannt, wie die Reise weitergeht!
Zitat nicht so perfekt geplant worden, wie die vorherigen tollen Reisen.
Huch! Eigentlich ist meine Planung nie perfekt. Gut, das, was mit muss, habe ich ganz gut im Griff. Größtenteils liegt es parat und es gibt eine Liste, die schnell abgehakt ist, so dass ein einer Stunde alles gepackt ist. Aber sonst wird nicht viel vorbereitet. Die Motorräder sind eigentlich immer einsatzbereit. So eine Batterie, das wissen ja die meisten, gibt halt irgendwann mal den Geist auf. Das passiert ja nicht plötzlich, sie kündigt das ja vorher an - und genau das war geschehen. Ich fahre diese Batterie im Moment immer noch in der Scrambler, aber für die Reise war es mir zu unsicher. Das mit der Membran war ein Fehler, der nicht hätte passieren dürfen. Aber ich habe es glatt übersehen. Und Falconette freut sich über ihre schöne (scheißteure!) Hose.
Den Kapuzenpulli habe ich zu Weihnachten extra aus Californien einfliegen lassen, weil KTM-Europa so was schönes nicht hat. Frauen sind schon teure Geschöpfe
5. Tag, Dienstag, der 3.4. 2012 Toscana, Viareggio bis Val d´Orcia. 274 km
Vor unserem Zimmer wachsen große Zitronen, aber das Frühstück fällt sehr mager aus: Brioches und Cappucho. Naja, nach der opulenten Pizza am Abend zuvor ist das vielleicht gar nicht so schlecht, obwohl wir und morgens gerne ordentlich stärken. Ein winziger, verspielter Hund bringt uns immer wieder einen Stein.
Zitronen
Unser nächstes Ziel ist Viareggio, wo Henny in jungen Jahren mal auf Klassenfahrt weilte. Leider regnet es stark und wir beschließen, einfach weiter zu fahren. Die Uferpromenade ist mit ihren Pracht-Hotels zwar recht beeindruckend, aber alles grau in grau und nass in nass macht keinen Spaß. Zwei schnelle, ziemlich nichtssagende Fotos sind die einzige Ausbeute.
Viareggio im Regen
Hafen von Viareggio
Zu allem Überfluss verpasse ich noch einen Abzweig, das Navi leitet daraufhin über kleinste Nebenstraßen. Im Zickzack kurven wir um Pisa herum. Irgendwann mache liegen auch noch zwei Straßen durch eine Brücke übereinander und ich wähle glatt die falsche und wir drehen eine Ehrenrunde: Guck, da haben wir vorhin erst getankt. Na ja.
In Capannoli halten wir an einem Supermarkt und kaufen ein. Auf kleinen Straßen geht es in die Berge. Zum Glück wird es trockener. Am frühe Nachmittag erreichen wir San Gimignano und beschließen angesichts des mittelalterlichen Stadttores, mal anzuhalten und nach einer Bar zu suchen. Auf dem Weg zur Piazza kommen wir an vielen kleinen Geschäftchen vorbei und es wird sehr deutlich, dass dies wohl ein beliebtes Touristenziel ist, wenn es im Moment dort auch sehr beschaulich zugeht. Es ist halt noch keine Saison. Trotzdem hört man einige Deutsche, und Gruppen von Jungendlichen sind hier auf Klassenfahrt. Wir erfahren, dass San Gimignano die Stadt der Türme genannt wird, zum Unesco-Weltkulturerbe gehört und eines der beliebtesten Ziele der Toscana ist. Wir kaufen uns ein Eis, schlendern durch die Gassen und später bei einem Cappucho beobachten wir die Jugendlichen. Jede Gruppe hat ihren eigene Kleiderkodex und auch die Einkäufe unterliegen dem Gruppenzwang. So hat in einer Gruppe fast jeder einen Schwimmreif gekauft, mitten in den toscanischen Bergen. Na ja, wenn einer mal anfängt …
Leckeres Eis, …
… drollige Schaufensterauslagen und …
… gemütliche Gässchen …
… mit kleinen Geschäften und …
… es gibt tatsächlich viele Türme und …
… viele Schüler, hier auf der Piazza.
Spätestens jetzt, hinter San Gimignanao, beginnt die Toscana, wie man sie von Gemälden kennt. Kleine Gehöfte mit flachen roten Ziegeldächern auf sanften Hügeln und mit einer von Zypressen gesäumten Auffahrt und einem Olivenhain vor blauem Himmel. Nun ja, den blauen Himmel gibt es heute nicht, aber diese Höfe sieht man schon. Leider sind sie in der Regel bei weitem nicht so malerisch wie auf den Bildern und auch sonst ist die Landschaft zwar von sanft geschwungenen Hügeln geprägt, aber auch von Industrie, Steinbrüchen, hässlichen Höfen und sonstigem, was auf den Toscana-Kitschbildern nun mal gerne ausgeblendet wird. Doch, doch, die Toscana ist schon schön, aber ich hatte ein sehr idealisiertes Bild vor Augen, das zumindest wir so nicht wiedergefunden haben.
Typischer toscanischer Bauernhof …
… und toscanische Landschaft
Wir fahren durch das Val d´Elsa und über eine 600 Meter hohen Höhenzug auf Sienna zu. Die Straßen sind kleine Stellenweise auch ungeteert und wir treffen Wildschweine. Die Gegend ist recht einsam und strahlt auf angenehme Weise Ruhe aus.
Wilde Schweine am Wegrand
Gegen 17 Uhr sehen wir von einer Anhöhe aus Sienna. Als wir der Stadt nahe kommen, und feststellen, das die Parkplätze um die Stadtmauern schon oder gar immer noch alle voll belegt sind, beschließen wir, der Stadt keinen Besuch abzustatten und umrunden sie im Norden und wollen weiter in das Naturschutzgebiet Val d´Orcia. Einen kleinen unfreiwilligen Halt gibt es, weil wohl in der vergangenen Nacht Hennys Intercom nicht geladen worden war. So sitzen wir eine Weile an einer Bushaltestelle in einem Dorf, schauen dem Treiben zu und laden das Gerät an der Batterie der W nach.
Blick auf Sienna
Langsam sehen wir uns nach einer Übernachtungsmöglichkeit um, was sich in dem inzwischen dünn besiedelten Gebiet nicht ganz einfach gestaltet. Wir folgen einem Agritourisme-Schild, geben aber nach ein paar Kilometern Schotterpiste auf, weil wir nur ein Schwein antreffen
Schwein
In San Quirico im d´Orcia-Naturpark finden wir ein nettes Landhotel mit einem schönen Blick über die Hügellandschaft. Leider mit 98 Euro auch recht teuer. Aber wir genießen den Sonnenuntergang und sparen etwas Geld, indem wir unseren Supermarkt-Einkauf auf dem Zimmer verzehren.
Wunderbar kitschiger Sonnenuntergang von der Terrasse des Hotelzimmers aus