mir liegt am Herzen, einmal kurz etwas zu Lösungsgleichgewichten und der Geschwindigkeit zu Einstellung dieser Gleichgewichte zu sagen. Wer sich an andere Freds erinnert fühlt, möge sich seinen Teil denken, sich aber mit allzuweit abweichenden Antworten vielleicht doch noch bis zur vierten oder fünften Anwort gedulden.
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Wenn wir uns einmal eine klassiche Sprudelflasche aus Glas vorstellen, die ungeöffnet, frisch aus dem Kasten, vor uns steht. Wem das zu geschmacklos ist, der (oder die) stelle sich eben prosecco oder andere belebende Getränke vor - Hauptsache, sie sprudeln.
Wir wissen also, daß es zischt, wenn wir die Flasche öffnen. Wir ahnen, daß in einer solchen Flasche enormer Druck sein kann, wenn sie vorher geschüttelt wurde oder in der Sonne stand. Dann behandeln wir sie vorsichtig, stellen sie evtl. erst in den Kühlschrank und warten eine Weile.
Wir wissen aus Erfahrung, daß der Faktor Zeit hier eine ziemlich wesentliche Rolle spielt.
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Lösungsgleichgewichte von Gasen in Flüssigkeiten werden durch die Raoult-Dalton Beziehung erklärt. Wen das näher interessiert, der findet dazu massenweise was im Netz. Wer sich mit diesen Kenntnissen hier dann einbringen möchte, möge aber vorher prüfen, ob er dem Sinn dieses Freds gerecht wird (=> und sonst halt n neuen aufmachen )
Diese Gleichgewichte stellen sich ein, wenn Gase und Flüssigkeiten lange genug miteinander verweilen. Das Wasser im Goldfischglas zieht also aus der Luft Sauerstoff und Stickstoff, die in ganz bestimmten Anteilen in Lösung gehen. Wichtig für die Fische, die den Sauerstoff brauchen. Kaltwasserfische dürfen nicht in warmes Wasser, weil sich gemäßt der obigen Formeln mit steigender Temperatur immer weniger Sauerstoff im Wasser löst und die Fische in echte Erstickungsgefahr bringt.
Das Kohlendioxid, was die Fische mit ihrem Stoffwechsel "abatmen", bleibt zunächst im Wasser gelöst. Aber ab einer bestimmten Konzentration hält es die Kohlensäure nicht mehr im Wasser und sie entweicht an der Oberfläche (für uns unbemerkt).
Sperre ich das Kohlendioxid mit Gewalt - also mit hohem Druck - ins Wasser ein, dann bekomme ich rel. große Mengen darin gelöst, muß aber dafür Sorge tragen, daß ein bestimmer Druck ständig eingehalten wird, sonst entweicht das Sprudelige wieder. Jeder weiß, eine abgestandene Limo schmeckt nicht mehr. Wir möchten Getränke, die sich eben NICHT im Gleichgewicht befinden.
Kaum trifft die Cola oder Limo oder der Sekt auf rauhe Oberflächen (z.B. menschliche Zungen), wird der Vorgang der Einstellung des Gleichgewichts ganz erheblich beschleunigt. Wir sprühen winzige Druckstöße an Zunge und Gaumen und genießen das
Warum nicht gleich so? Warum zischt nicht beim Öffnen einer Flasche gleich der gesamte Inhalt hinaus und alles übern Tisch und folgt dem Gesetz des Gleichgewichts ?
Dazu sind diese Reaktionen zu gehemmt. Sie werden durch Vorgänge an den Grenzflächen zwischen Flüssigkeit und Gas aufgehalten. Die Oberflächenspannung der Flüssigkeit spielt eine Rolle mit und auch noch andere Dinge, die aber hier nicht Thema sein sollen. Wichtig ist nur, es dauert eine Weile und bei Vorgängen wie schütteln oder erhitzen geht es schneller.
Stellt mal Sprudelwasser auf den Herd oder in die Mikrowelle - das geht Ruckzuck und die Kohlensäure ist weg . Sie dort wieder reinzubekommen, übersteigt im Regelfall unsere Möglichkeiten. Wir bräuchten dazu eine Kompressor, ein wirklich dichtes Gefäß und - mal wieder - viel Zeit.
Der Hersteller des Sprudel macht es genau so. Die frisch abgefüllte Flasche muß auch dort noch etwas stehen.
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In unserer hydraulischen Bremse befindet sich Flüssigkeit, die in der Lage ist, rel. große Mengen Feuchtigkeit aufzunehmen und die von der Luft abgeschirmt sein sollte, damit das nicht im Übermaß passiert. Auch hier ist Zeit ein extrem wichtiger Kamerad. Jeder Mopedfahrer weiß es oder sollte es wissen. Alte Bremsflüssigkeit wird nicht mehr verwendet. Man nimmt ein geschlossenes Gefäß und öffnet es erst kurz vor Gebrauch. Den Rest verwahrt man zwar, aber auch nicht ewig.
Die Oberflächenspannung von Bremsflüssigkeit und ihr Benetzungsverhalten ist - bedingt durch die Molekülstruktur - schon ziemlich extrem. Viele Forscher haben sich schon dran abgearbeitet. Auf jeden Fall ist es nicht so einfach alles wie in der Sprudelflasche.
Eine gut entlüftete Bremse, die den Fahrer oder die Fahrerin durch unauffällige, gute Funktion erfreut, kann in ihrer Flüssigkeit bereits Kandidaten eingelagert haben, die bei Einwirkung von Wärme schlicht rauswollen. Überall liest man es und was will Wännä jetzt eigentlich damit sagen.
Der Vorgang ist auch wieder umkehrbar !
Was wir dazu brauchen ist Druck (Gummiband um den Bremsgriff) und Zeit (z.B. eine Nacht).
Mir macht es Sorge, daß zum Teil angenommen wird, unter Druck stiegen kleine Luftbläschen hoch und fänden anschließend den Weg ins Freie. Wie denn, wenn alles zu ist?? Etwa so als zusammengefundene Einzelluftblasen ganz kurz unterm Betätigungskolben und beim ersten Loslassen des Hebels "schwupp" und draußen ??
Leute, das könnt Ihr nicht im Ernst annehmen.
Die Luftblasen, die sich bei der heißgebremsten Bremse gebildet haben, sind so winzig, daß Ihr sie kaum sehen würdet, wenn das ganze aus Glas wäre. Vielleicht sähe man eine Trübung, ich weiß es nicht. Die Blasen verharren in ihrer Position, weil sie in der rel. zähen Flüssigkeit nicht den Hauch einer Chance haben, hochzusteigen. Natürlich sind sie leichter, aber das alleine genügt nicht, jedenfalls nicht in einer angemessenen Zeit.
Zum Vergleich, Staub bleibt auch lange in der Luft, obwohl Staubkörner viel schwerer sind, als Luft.
Wir kriegen die Luft (die Feuchtigkeit, die Fremdgase, was auch immer) also durch den Gummiband-Trick nicht raus, sondern wir kriegen sie wieder rein in die Flüssigkeit - ganz so, wie es vorher war. Tolle Sache !
Bis zur nächsten Heißbremsung . . . . .
So empfehle ich allen, die derartige Phänomene feststellen, den Wechsel der Bremsflüssigkeit und deren sorgfältige Entlüftung. Die mahnenden Worte der Hersteller haben schon ihre Berechtigung, allerdings wird die genaue Erklärung tatsächlich etwas kompliziert und würde wohl den Platz auf solch einer Dose sprengen.
Noch `ne Frage am Rande. Kann man Bremsfüssigkeit recyceln? Gibt es bei Bremsflüssigkeit einen Alterungsprozess im Sinne einer Zersetzung, bzw. chemische Zerlegung in seine Bestandteile?
Wir hatten letztens im trauten Kollegenkreis diese Diskussion. Da Bremsflüssigkeit ja nicht mechanisch zerschert wird wie beispielsweise Motorenöl, müßte dem doch eigendlich nichts im Wege stehen. Wenn man "gebrauchte Bremsflüssigkeit" mittels eines Feinfilters von evtl. Schwebestoffen befreit und ihr dann das Wasser entziehen würde (z.B. durch kochen), müßte die doch für ein zweites Leben wieder fit sein, oder?
Bitte nicht falsch verstehn. Ich mache soetwas nicht. Es geht sich einzigst um den theoretischen Gedanken.
Die Sache mit dem Druck am Bremshebel wendet man ja normalerweise beim Entlüften mit neuer Bremsflüßigkeit an. Da ist einfach Luft in das System gekommen. Ich kenne niemanden, der das nach Jahren mit alter Bremsflüssigkeit macht.
Bei Serpels Versuch ist ja noch nicht sicher, ob wirklich "Luft" die Ursache des Problems ist. Da ging es ja eher darum, die Ursache einzugrenzen.
Selbsverständlich wird Bremsflüssigkeit recycelt. Wär ja auch schade drum. Die Rücknahme dieses Stoffes ist - wie bei Motoröl - eher von Geschäftsinteresse geprägt, dann von Umweltgedanken (die natürlich auch eine Rolle spielen).
Zitat Die Sache mit dem Druck am Bremshebel wendet man ja normalerweise beim Entlüften mit neuer Bremsflüßigkeit an.
Norbert,
diese Sache wendet man ganz bestimmt NICHT normalerweise an!
Egal, ob neue oder alte Flüssigkeit, es werden Gasbestandteile unter Druck in die Flüssigkeit gelöst, die sich dort besser nicht befinden sollten. Daß der Trick klappen kann und daß es auch nicht reihenweise Tote durch Bremsversagen deswegen gibt, ist eine andere Sache. Ich bleibe trotzdem dabei, davon abzuraten und entlüfte gerne zur Demo einmal eine Bremse, um zu zeigen, daß es auch ohne prima geht.
Ich hab jetzt den Zeigefinger gehoben, es ging aber mehr um das Verständnis der Vorgänge.
So, wenn keine Fragen mehr sind, darf hemmungslos abgewichen werden.
Zitat diese Sache wendet man ganz bestimmt NICHT normalerweise an!
Das hätte ich jetzt gerne mal genauer erklärt.
Wieso wendet man das nicht an? Wenn die Bremsflüssigkeit neu ist, hat sie doch noch gar kein Wasser oder Gase aufgenommen. Und wenn ich den ganzen Tag Pässe fahre ist die Bremsflüssigkeit ja auch ständig unter Druck. Das ist ja schließlich die ureigenste Aufgabe der Bremsflüssigkeit. Was bitte schön, soll daran falsch sein? Deine Einlassung hört sich für mich absolut nicht schlüssig an.
Du kannst schon super toll Vorgänge erklären. Da kapiert selbst ein Laie komplizierte Dinge. Bei dem Gummibandtrick über Nacht komme ich jetzt aber nicht so ganz mit. Selbst schon probiert und auch selbst am nächsten Tag einen kürzeren Hebelweg auf der Bremse gehabt. Wo liegt mein Denkfehler? Ich hab mir das doch nicht etwa nur eingebildet dass der Hebelweg kürzer ist?
Zitat diese Sache wendet man ganz bestimmt NICHT normalerweise an!
Das hätte ich jetzt gerne mal genauer erklärt.
Wieso wendet man das nicht an? Wenn die Bremsflüssigkeit neu ist, hat sie doch noch gar kein Wasser oder Gase aufgenommen.
Dieser Bitte möchte ich mich anschließen. Ich hab schon häufiger Bremsflüssigkeit gewechselt. Immer peinlichst drauf geachtet, daß keine Luft mit reinkommt und schön sauber gearbeitet. Ein befriedigender Druckpunkt wollte sich nicht einstellen. Erst nach der Spanngummi-Aktion war alles prima, dabei reichten oft ein paar Stunden, die ganze Nacht war gar nicht nötig. Da es sich aber um neue, frisch geöffnte Bremsflüssigkeit handelte - was soll es gewesen sein, das durch diese Aktion quasi wieder in der Bremsflüssigkeit gelöst wird? Zum zweiten: nach Deiner Erklärung wird ja durch den Druck vorübergehend die Bremsflüssigkeit in einen - sagen wir mal funktionsfähigen Zustand gebracht. Lass ich aber die Wasserflasche(die Bremshydraulik) drucklos rumstehen, löst sich die Luft wieder aus der Flüssigkeit. Nun, ich komm wenig zum Fahren, da kommt's schon mal vor, daß das Mopped mehrer Wochen ungenutzt in der Garage steht. Ich hab auch noch nie erlebt, daß der Bremsflüssigkeitsbehälter beim Öffnen zischt, also ist die Bremsflüssigkeit über Wochen nicht unter Druck. Die Bremswirkung sowie der Druckpunkt sind aber auch nach Wochen unverändert, das darf noch nach Deiner Erklärung gar nicht sein?
die Luftbläschen die bei einer neuen Befüllung etwa noch im System sind können sehr wohl "entweichen" und zwar in den Bremsflüssigkeitsbehälter oben am Lenker in dem ist standardmäßig Bremsflüssigkeit und auch ein wenig Luft - durch betätigen des Bremshebels kann Luft vom Bremshebel in diesen Behälter übergehen (jeder der schon mal Bremsflüssigkeit gewechselt hat, hat das schon mal gesehen) und das Lagzeitziehen des Hebels sorgt in der Tat dafür, das die eingeschlossene Luft in dem System nach oben steigt, also bei den nächsten Betätigungen in den Bremsflüssigkeitsbehälter übergehen kann. solange kein Wasser in der Bremsflüssigkeit vorhanden ist, ist es gar nicht so einfach die Luft in die Bremsflüssigkeit zu drücken.
also ich will jetzt nicht für wännä antworten, dass kann er sicher besser. aber: ich finde, er hat das sehr schlüssig erklärt. die druckübernacht-methode ist nur ne krückenlösung. also entweder gleich richtig entlüften, oder eben flüssigkeit wechseln, wenn verbraucht.
die harte bremse bleibt doch nicht lange hart, oder?
Mit den Luftblasen, die in der zähen Flüüsigkeit nicht aufsteigen können, liegst du aber tatsächlich daneben. Wie Jörg schon schrieb, steigen die durchaus nach oben. Und zwar garnichtmal so langsam. Hab ich schon oft genug gemacht ("nach oben entlüften"). Wenn du möchtest, schauen wir uns das demnächst mal an
Ich kann mir nicht vorstellen das man bei einer Bremse "Luft" in die Bremsflüssigkeit drücken kann.
Zumindest nicht so, das es das Bremsergebniss beeinflußt.
Das Problem ist doch, das man "Luft" im Gegensatz zu Flüssigkeiten durch Druck komprimiert.
Die Probleme, die Wasser in alter Bremsflüssigkeit verursacht, entstehen ja dadurch, das der Siedepunkt dieser Emulsion herabgesetzt wird und sich Wasserdampf Blasen bilden, die sich dann komprimieren lassen.
Und bei neuer Bremsflüssigkeit passiert genau das eben nicht. Warum also nicht mit Druck entlüften?
Zitat von 3-RadIch kann mir nicht vorstellen das man bei einer Bremse "Luft" in die Bremsflüssigkeit drücken kann.
siehste, da sind wir beim glaubenskrieg für mich ist der gedanke, dass bei druck und wärme sich was in der bremsflüssigkeit "tut" jedenfalls neu und sehr plausilbel.