Das richtige Benzin für die W
Seit Erscheinen der W650 im Jahre 1999 (also im vorigen Jahrhundert ) hat es ein paar Veränderungen gegeben. Die W650 war seinerzeit für bleifreies Normalbenzin freigegeben, also Benzin mit 91 Oktan. Dies ist in den meisten europäischen Ländern schon länger nicht mehr erhältlich, in Deutschland verschwand es endgültig im Jahre 2010.
Aufgrund der moderaten Verdichtung und der relativ geringen Literleistung in Verbindung mit einem effektiven Brennraum ist die W650 damit gut ausgekommen. Das heute in Europa (Ausnahme Belgien) verfügbare bleifreie Benzin mit der nächst höheren Oktanzahl von 95 ist Super. In der Schweiz heißt es Bleifrei 95, in Frankreich Sans Plomb 95, in anderen Länder Euro 95 oder Eurosuper. Das reicht von der Oktanzahl her gesehen für die W also allemal aus. Die gesteigerte Klopffestigkeit, die Benzine mit einer höheren Oktanzahl bieten, kann von der W konstruktionsbedingt nicht ausgenutzt werden, bringt also keine Vorteile, kostet aber einen kräftigen Aufschlag beim tanken.
Soweit wäre also klar: Super mit 95 Oktan reicht für die W aus.
Bleibt das Thema Ethanol. Seit 2011 wird dem Benzin gesetzlich verordnet Bioethanol beigemischt. Dies wird seitdem kontrovers diskutiert. Schauen wir uns die Fakten an:
Seit Januar 2020 verordnet der Gesetzgeber eine Beimischung von mindestens 6%, gesehen aber auf die gesamte Kraftstoffpalette eines Benzinherstellers. Das bedeutet, dass die 5% im Super wie auch die 10% im E10 nicht ausgenutzt werden, weil auch die Sorte Super 98 bis zu 5% Bioethanol enthält.
Für uns bedeutet das, dass Super 98 und Super E5 bis zu 5% Ethanol enthalten dürfen, Super E10 bis zu 10%. In der Regel ist der Anteil aber geringer.
Da Ethanol für die Hersteller merklich teurer ist als normales, fossiles Benzin, bewegt man sich immer an der unteren Grenze, erfüllt also die Gesetzesvorgaben immer nur gerade so.
Ein Vorteil von Ethanol ist, dass es Wasser binden kann. W-Fahrer der ersten Stunde erinnern sich, dass der Feuchtigkeitsanteil der Luft im Gemisch bei der W bei Temperaturen um Null Grad zu Vergaservereisungen führte. Die W nahm nicht mehr richtig Gas an spukte und stotterte und bleib oftmals sogar ganz stehen. Mit anderen, teuren Vergaserschiebern versuchte man dem Problem zu begegnen, wirklich gelöst war es aber erst nach Beimischung von Alkohol zum Benzin. Winter-W-Fahrer kannten die Beimischung also schon, bevor E10 ab 2005 eingeführt wurde.
Daraus ergibt sich die Frage: Ist die W E10-tauglich?
Ja, alle Ws sind E10-tauglich. Das Argument, dass es hierzulande 1999 noch gar kein Ethanol im Kraftstoff gab, als die W650 vorgestellt wurde, gilt insofern nicht, als dass in anderen Teilen der Welt schon fleißig Ethanol dem Benzin beigemischt wurde, insbesondere in Südamerika und den USA. Die japanische Fahrzeugtechnik, besonders im Hinblick auf Gummi, Kunststoffe und Dichtungen, war also damals schon „ethanolfest“. Es sind auch im Betrieb in den letzten 20 Jahren keine Schäden bei älteren W650 bekannt geworden, die auf Ethanol zurückzuführen wären.
Anders sieht das aus, wenn das Motorrad mit enthanolhaltigem Benzin eingelagert wird. Hier kann es nach längerer Zeit zur Bildung aggressiver Säuren und Ablagerungen in den Vergasern kommen. Darauf gehe ich in dem Datenbank-Beitrag Überwintern ein.
Oft wird eingeworfen, dass es günstiger sei, das bislang um zwei Cent teurere Super E5 zu tanken als Super E10, da E10 einen geringeren Brennwert habe. Die Differenz im Energiegehalt zwischen E5 und E10 beträgt rechnerisch 1,9%. Einige andere Faktoren spielen aber auch noch eine Rolle, so dass dieser theoretische Wert tatsächlich keine messbare Rolle spielt. Es gab sogar Testergebnisse, die einen geringeren Kraftstoffverbrauch bei E10 nachwiesen, zurückzuführen auf die höhere Oktanzahl. Rein aus finanziellen Gründen gibt es also kein stichhaltiges Für oder Wider für beide Kraftstoffe.
Das höheroktanige Super 98 kostet in der Regel noch mal 7 Cent mehr, hier lässt sich erst recht keine Ersparnis zu E5 oder E10 hereinfahren. Auch läuft eine serienmäßige W nicht nachweislich besser mit diesem Benzin, auch wenn manche das glauben, feststellen zu können. Super 98 und Super 95 enthalten zudem den gleichen Anteil an Bioethanol, also bis zu 5%.
Will man Bioethanol völlig vermeiden – aus welchen Gründen auch immer – so gibt es auf dem deutschen Markt derzeit nur drei Spritsorten, von denen die Hersteller sagen, dass kein Bioethanol enthalten ist: Aral Ultimate 102 (102 Oktan), Shell V-Power racing (100 Oktan) und Total Excellium (98 Oktan), alle mit Aufpreisen zwischen 18 und 23 Cent. Hier darf man jedoch vermuten, dass es vor allem der Kraftstoffhersteller ist, der sich freut, wenn ein W-Fahrer diese Spritsorten tankt.
Diesen Premium-Benzinen wird noch eine Reinigungswirkung des Brennraumes und der Ventile zugeschrieben. Auch W-Motoren mit 100.000 Kilometern weisen in der Regel keine auffälligen Ablagerungen auf. Sagen wir es mal so: Schaden tun diese Benzine einer W nicht, ob sie was nützen, ist nicht nachgewiesen.
Die Beimischung von Bioethanol ist vom Gesetzgeber vorgeschrieben, um soll den Verbrauch fossiler Energie und damit CO2-Emissionen reduzieren, was auch nachweislich gelingt. Gegner der Beimischung führen an, dass es nicht sinnvoll sei, Anbauflächen, die für die Nahrungsgewinnung genutzt werden können, zur Gewinnung von Kraftstoffen zu verwenden, die dann noch aufwändiger in der Herstellung sind und auch über weite Entfernungen – z.B. aus Indochina – nach Europa transportiert werden. Dies muss jeder für sich ausmachen.
Fazit: Jeder kann für sich entscheiden, welche Benzinsorte er aus welchen Gründen für die W wählt. Ein wirklich ungeeignetes Benzin gibt es jedenfalls nicht, nicht mal, wenn man auf Fernreisen noch mit Normalbenzin mit 91 Oktan konfrontiert werden sollte. Zumindest bei den W mit Katalysator muss der Kraftstoff aber bleifrei sein.