Was mich an solchen Aussagen/Erzählungen fasziniert, ist das Wissen, daß sie direkt von jemanden kamen, der die Zeit und die Ereignisse selbst miterlebt hat. Das wird sicherlich nicht objektiv und wissenschaftlich exakt widergegeben sein, aber es vermittelt mir doch eine gewisse Glaubhaftigkeit - zumindest, weil ich wußte, wie meine Eltern tickten, bzw. wie ich ihre Aussagen einzuordnen habe.
Das ist überhaupt das Blödeste daran, wenn man Vollwaise geworden ist: man kann sie nicht mehr was fragen ! Als Kind/Jugendlicher hat es mich nicht sonderlioch interessiert, was damls so los gewesen sein muß - heute hätte ich noch viele Fragen gehabt ...
Manxminx und pelegrino haben es durchweg auf den Punkt gebracht.
Im übrigen habe ich niemanden bei meinen Befragungen/Gesprächen ,manispuliert - das hätte keinen Sinn ergeben. Allerdings - und dies war wie schon gesagt mein Hauptbeweggrund, ich konnte und mochte diesen Satz ,Wir haben ja nichts gewusst!' nicht glauben.
Also habe ich die Leute sozusagen dezent ,angepiekst' und sie erzählen lassen. Und - wie schon gesagt - jeder hat bereits vor dem Kriegsende einige oder auch mehrere Details gewusst. Von reinen Nebensächlichkeiten bis zu furchtbaren Erlebnissen war die gesamte Bandbreite vorhanden. Repräsentativ war das natürlich nicht. Aber mir kam es vor, als hätte ich ein Puzzle vor mir, das sich langsam zum einem gewissen Gesamtbild verdichtete,
Nichts desto weniger war es für mich auf eine teils erschreckende Art und Weise im Sinne des historischen Interesses geradezu faszinierend.
Gruß, Caboose
Es ist immer wieder faszinierend, über Dinge zu staunen, die anderen Menschen Freude bereiten.
Da ich mich ja scheinbar nicht verständlich machen kann, zitiere ich mal aus Wiki:
"Lutz Niethammer und Harald Welzer haben auf die Schwierigkeiten der Methode mündlicher autobiografischer Erzählungen für die historische Rekonstruktion besonders hingewiesen. Das Selbstbild älterer Zeitzeugen kann die Erinnerung so stark beeinflussen, dass selbst objektiv Falsches glaubhaft vermittelt wird. Zeitzeugen können die Kommunikationsmöglichkeit eines Gespräches für Abschweifungen benutzen oder ihren einstudierten Text zu einer Botschaft für die Späteren umbauen. Sowohl ehemalige KZ-Häftlinge als auch Weltkriegsteilnehmer müssen sehr kritisch wahrgenommen werden."
Und zum googlen empfehle ich mal "Oral History Kritik"
Natürlich muss man solchen Darstellungen immer mit einer gewissen Portion Vorsicht begegnen, aber worauf möchtest du Derartiges bitteschön überhaupt aufbauen?
Etwa auf Statistiken, denen schon Churchill nur glaubte, wenn er sie selbst gefälscht hatte?
In Frage stellen kann ich letzten Endes alles. Auch kannn man, wie ich es unlängst erlebte, eine ganze Argumentation ,auf den Kopf' stellen.
Nur - letzten Endes braucht man sich dann überhaupt nicht mehr damit zu befassen.
Noch ein Beispiel - soeben habe ich das Buch über die englischen Abhör- protokolle erhalten. Es ist ein Wälzer von 640 Seiten. Trotzdem ist es nur ein Auszug aus den ganzen Protokollen, angefangen von der Archivierung durch die Briten bis hin zur notwendigen Materialauswahl durch den Autor. Schon auf diesem Wege wären der Manipulation Tür und Tor geöffnet gewesen.
Auf die eigentliche Lektüre und meine Eindrücke bin ich gespannt.
Deshalb - was kann/soll/will man als authentisch annehmen/glauben - wie auch immer? So gesehen ist letzten Endes alles subjektiv, von der Darstellung bis zur Wertung.
Gruß, Caboose
Es ist immer wieder faszinierend, über Dinge zu staunen, die anderen Menschen Freude bereiten.
und wo is da jetz dein problem? "sehr kritisch wahrgenommen" heisst ja nicht "per definition als inkorrekt verworfen".
und "kann die erinnerung ... beeinflussen" heisst nicht "wird die erinnerung zwangslaeufig beeinflussen"
sprich, solang man mit der notwendigen distanz an die sachen rangeht und sie kritisch auf ihre plausibilitaet hin prueft, dann kann man zumindest feststellen, wie viel von dieser plausibilitaet dem erzaehlten zugestanden werden kann.
Zitatund sie kritisch auf ihre plausibilitaet hin prueft
Wie willst Du das denn machen? Du warst doch nicht dabei und mußt doch dem was Dir erzählt wird glauben oder eben nicht und was bringt Dir das dann an Erkenntnis?
Zitat von Maggi im Beitrag #36... Du warst doch nicht dabei und mußt doch dem was Dir erzählt wird glauben oder eben nicht und was bringt Dir das dann an Erkenntnis? ...
Tja, es gibt da noch irgendeinen Mittelweg, auch subjektiv, aber immerhin: ich habe nach dem Tode meiner Eltern Briefe meiner Mutter gefunden, geschrieben an ihre (nach ihren Erzählungen) beste Jugendfreundin, eine Jüdin (meine Mutter schrieb immer erst ins unreine) und die entsprechenden Antworten ihrer Freundin. Der Inhalt entsprach zwar nicht 100 % ihren Erzählungen, war aber unterm Strich identisch. Die Briefe datierten aus der Zeit der anfänglichen Judenverfolgung und aus der Zeit nach dem Krieg. Die Freundin war während der ganz schlimmen Zeit mit ihrer Familie emigriert und wieder zurückgekommen. Und solche "schriftlichen" Zeitzeugen gab und gibt es sicherlich recht häufig.
Zitatich stelle einfach nur in Frage, daß die Erzählungen von Personen über zig Jahre vergangene Ereignisse, irgendeinen geschichtlichen Wert haben. Und ob sie wirklich das widerspiegeln können, wie es damals gewesen ist.
Aus der Sicht des jeweis Betreffenden sicherlich - aber eben nur in einem bestimmten, engen Bereich - deshalb kommen ja bei den diversen Geschichtsdokus auch meist verschiedene Personen aus verschiedenen Ländern zu Wort (um ihre persönlichen Erfahrungen zu berichten,zum Beispiel) ... und so ergibt sich am Ende eben dann ein umfassenderes Bild ...
Schotte
_______________________________________________________________ Lieber ne gesunde Verdorbenheit, wie ne verdorbene Gesundheit!
andere quellen. welche quellen? da gibts verschiedenes. axel hat eine erwaehnt. dann von mir aus die einsehbaren heeresberichte. kann es wirklich sein, dass der alte leykam mit den gebirgsjaegern ende 42 vor kursk gelegen hat? dann die schottesche variante, andere augenzeugenberichte (natuerlich potentiell ebenso subjektiv), und am end das erzaehlte des betreffenden selbst. deckt sich seine geschichte heut mit dem, was er vor vier monaten erzaehlt hat? gibt schon eine menge moeglichkeiten, die potentielle glaubwuerdigkeit des gesagten in frage zu stellen oder auch zu untermauern. schlussendlich bleibt es dir ueberlassen, welchen aussagen du (wenngleich unter vorbehalt) glauben schenkst.
... dann von mir aus die einsehbaren heeresberichte ... schlussendlich bleibt es dir ueberlassen, welchen aussagen du (wenngleich unter vorbehalt) glauben schenkst.
Bei dieser Gelegenheit will ich einmal die etwas seltsame Methode meines Vaters schildern.
Er war Jahrgang '27 und schon im sehr jugendlichen Alter ein begeisterter Radiobastler. Etwa ab '43 begann er, die Jubelberichte der damaligen Wochen- schauen, die als Vorfilme in den Kinos liefen (zu denen sie als Flakhelfer freien Eintritt hatten), mit den Berichten der deutschen Sendungen von BBC London zu vergleichen.
Die Engländer waren seinen Aussagen zufolge - natürlich - immer ein gewisses Stück voraus. Sie hätten aber in Bezug auf den Kriegsverlauf immer sehr korrekt berichtet, denn wenig später kamen die selben Dinge auch in den Wochenschauen, dort natürlich als Frontbegradigungen und taktische Manöver (Rückzüge) dargestellt.
So konnte er sich schon damals ein genaueres Bild zumindest über die militärische Lage machen, als dies gemeinhin möglich war.
Das 11. Gebot (Du darfst dich nicht erwischen lassen), hat er dabei immer peinlichst beachtet. BBC hat er nur mit Kopfhörern und mit einer Hand an der Sendereinstellung seines selbstgebauten Empfängers gehört, wobei allein das Loslassen genügte, um den Senderempfang ,sonstwohin' zu stellen.
Das Abhören sogenannter Feindsender kam zwar häufiger vor, war aber mit einem herkömmlichen Rundfunkempfänger recht gefährlich und endete so manches Mal auf dem Schaffott, wenn die ,Täter' von hundertfünfzigpronzentigen Volksgenossen denunziert wurden.
Die Nazis schreckten bekanntlich auch nicht davor zurück, Jugendliche hinzurichten. Der jüngste in Plötzensee ermordete war gerade einmal 14 Jahre alt!
Gruß, Caboose
Es ist immer wieder faszinierend, über Dinge zu staunen, die anderen Menschen Freude bereiten.
Zitat von Maggi im Beitrag #33 Das Selbstbild älterer Zeitzeugen kann die Erinnerung so stark beeinflussen, dass selbst objektiv Falsches glaubhaft vermittelt wird.
Ein ehemaliger Mitarbeiter dieser Firma hat seine Erinnerungen aufgeschrieben und ein "Heimatforscher" hat diese in einem Schriftsatz zusammengefasst. Es ist unglaublich, was dabei herausgekommen ist.