Gestern fahre ich auf der Autobahn A9 von Bayern nach Berlin. VW Bus mit Anhänger, 100er Zulassung, alles legal. Tempomat auf 104 km/h macht nach Tachoabzug genau die erlaubten 100. Ich habe Zeit.
Kurzer Stopp an der Raste Rudolfstein (?) an der Grenze Bayern/ Thüringen. Futter und ein Getränk gekauft, Verzehr im Wagen. Nach kurzer Zeit bemerke ich einen Bus, der ganz langsam aufkommt, noch weit weg. Rund 10 Kilometer später Höhe Schleiz setzt er in einer Gefällestrecke zum Überholen an, kommt bis auf Höhe meines Wagens. Dann steigt die Strecke wieder an, er bleibt neben mir, kann aber nicht vorbei. Mein Tempomat hält stur 104.
Nach einiger Zeit wird das merkwürdig, was mag los sein? Fährt er auch Tempomat? Ist der Motor gedrosselt/ begrenzt, hat er nur im Gefälle eine Chance? Er kommt mal etwas auf, fällt mal etwas zurück. An seiner Stelle hätte ich längst aufgegeben und mich wieder eingeordnet. Aber das ich nun langsamer werde, ist nicht einzusehen. Ich fahre ja schon ganz rechts. So beschließe ich, das mal zu beobachten.
Als er mal wieder auf gleicher Höhe ist, sehe ich ihn auf dem Handy tippen. "Ach so, der spielt", denke ich, dann zieht er zu mir rüber, ich muß halb auf die Standspur flüchten.
Hinter uns im Spiegel zwei lange Reihen PKW, die sich nach links vorbeidrängeln.
So geht das 10 Kilometer (kein Witz, 10 Kilometer!) . Das nächste starke Gefälle weit nach Schleiz wird spannend. Doch er bleibt neben mir, der Motor muß begrenzt sein ( hatte er sich zuvor in meinem Windschatten ansaugen können?). In der Steigung danach fällt er wieder etwas ab, 500 Meter vor uns ein LKW auf meiner Spur. Mal schauen. Rund 200 Meter vor dem Laster ist die Busschnauze bis etwa Hängerachse zurückgefallen.
Nun habe ich 2 Möglichkeiten: Leicht Gas geben und vor dem Bus überholen, oder Tempomat aus, den Bus überholen lassen und dann vorbei. Da der Bus jetzt am hinteren Hängerende kämpft, trete ich kurz durch, bleibe lange rechts und gehe dann rund 50 Meter vor dem Bus auf die mittlere Spur, nach dem Laster gleich wieder rechts, Tempomat wieder 104. Der Bus zieht kurz später wieder neben mich.
Es wird zu blöd, ich gehe auf 102, lasse ihn durch. Nun schert er ein, fährt mit etwa 5 Meter Abstand vor mir, Tempo wieder 104. Ich sehe nichts, würde nun zudem einen Abstandsverstoß begehen, käme eine Streife vorbei.
Also wieder in die Mitte, Tempo 106 eingestellt, so ziehe ich langsam davon, denn er kann ja offensichtlich nur etwa 104. Problem gelöst, so gibt es keinen Ärger, er bleibt aber im Spiegel.
Hermsdorfer Kreuz (es sind schon 40 Kilometer mit Bus gefahren), Tempo 80 unter der Brücke, automatische Überwachung. Ich gehe die gesamte 80er Zone mit 82 Tempomat, der Bus kommt näher, natürlich Mittelspur. So ein Depp, denke ich noch, dann wieder frei Fahrt mit 106, Abstand gewinnen.
15 Kilometer weiter fällt mit ein Streifenwagen auf, der sich hinter meinen Hänger klemmt. Sicherheitshalber regle ich den Tempomaten auf 104 herunter, später auf 102. So geht es 15 Kilometer bis Raststätte Osterfeld, also 30 Kilometer nach Hermsdorfer Kreuz, 70 Kilometer mit Bus, der immer noch zu sehen ist.
"BITTE FOLGEN", der Streifenwagen lotst mich in die Raste. 2 Polizisten verlangen höflich die Papiere und fragen, ob ich wüßte, warum? Ich verneine und erfahre, daß gegen mich eine Anzeige wegen Nötigung vorläge, erstattet telefonisch von einem Busfahrer. Ich muß lachen, und erkläre, das sei ja ein tolles Ding, erkläre aber auch gerne, daß der rund 10 Kilometer neben mir den Verkehr behindert habe.
Zur Klärung fahren wir auf die Busparkplätze, wo der Bus mittlerweile auch geparkt hat.
Der ältere Beamte vernimmt mich, sein Kollege vernimmt den Fahrer des Busses. Der mich vernehmende Beamte erklärt sichtlich unangenehm berührt, daß sich meine Aussagen mit den ihm bekannten Informationen deckten. Er kommt auf den Überholvorgang des Lasters zu sprechen und meint, dort hätte ich den Busfahrer genötigt, indem ich als zu Überholender unerlaubt beschleunigt hätte.
Mittlerweile finde ich das etwas empörend und erwäge, meinerseits gegen den Fahrer vorzugehen, bleibe aber äußerlich eher amüsiert und spreche Differenzgeschwindigkeiten und den offensichtlich abgebrochenen Überholvorgang an. Der Polizist läßt durchblicken, meine Ansicht durchaus zu teilen, müsse aber die Anzeige aufnehmen, wenn der Fahrer darauf bestünde. Man werde mit ihm reden und beide Aussagen vergleichen. Die Telefoniererei und den Spurverlust des Fahrers erwähne ich in Hinblick auf ein mögliches Verfahren erstmal nicht.
Nun diskutieren die Beamten, für mich nicht sichtbar, etwa 5 - 10 Minuten mit dem Fahrer, kommen dann zu mir und erklären den Fall freundlich lächeln für erledigt. Man habe den Fahrer davon überzeugt, daß sein Verhalten möglicherweise nicht korrekt gewesen sei und der Vorwurf der Nötigung kaum Aussicht auf Erfolg habe. Er habe daraufhin zurückgezogen. Ich müsse auch die Busfahrer verstehen, sie hätten enge Fahrpläne, Dauerstreß usw. So hätte ich eine nette Pause gahabt, solle aber auch an gegenseitige Rücksichtnahme (§1 StVO) denken usw. Meine Bemerkung, der Tempomat sei extrem rücksichtsvoll, weil er meine Fahrgeschwindigkeit genau berechenbar mache, wird eher belustigt aufgenommen.
Soviel zum Vorgang.
Was bleibt: Ich bin ewtas fassungslos wegen der Dreistigkeit des Fahrers, der offenbar meint, ihm gehöre die Bahn und jeder habe bei reiner Überholabsicht zurückzustecken. Dafür die Autobahn 10 (ZEHN) Kilometer zu blockieren, ohne an meinem 10 Meter Zug vorbeizukommen, ist eine völlig klare Ordnungswidrigkeit (Differenzgeschwindigkeit beim Überholen). Dabei das Telefon zu bedienen und aus der Spur zu geraten, ist verkehrsgefährdend. Dann aber noch die Frechheit zu besitzen, mir etwas anhängen zu wollen und meine Zeit zu stehlen, ist kaum erträglich.
Letztlich habe ich nichts unternommen, schließlich hatte ich Freizeit und der arme Lohnsklave mußte ackern, das hat mich milde gestimmt.
Jetzt aber überlege ich, ob solche Fahrer überhaupt an das Lenkrad von Reisebussen gehören. Dazu werde ich mal den Personalchef oder den Disponenten des Busunternehmens befragen. Vielleicht macht der ja öfter sowas.
Bemerkenswert finde ich das nur, weil der Fahrer eben 10 Kilometer die Spur dicht gemacht hat und mich dafür verantwortlich machen wollte. Zumindest hintenrum. Das ist eine für mich neue Qualität rechtlicher Auseinandersetzungen.
Nebenbei: Den Text habe ich auch geschrieben , um den Sachverhalt parallel aus rechtlicher Sicht bewerten zu lassen.
Wenn ich mich mal über das Verhalten von Verkehrsteilnehmern richtig ärgere, dann ist auffallend dass die Leute über die ich mich ärgere oftmals Berufsfahrer sind. Meistens Bus- oder Taxifahrer, LKW-Fahrer schon wieder weniger. Ich habe mich auch schon gefragt ob ein gewisser Kreis von Berufsfahrern sich mit dem Selbstverständnis über die Straße bewegt, dass Sie Sonderrechte besitzen weil Sie schließlich in Ihrem beruflichen Auftrag unterwegs sind und die anderen ja nur zum privatvergnügen herumfahren ? Mir liegt es fern alle Berufsfahrer in Sippenhaft zu nehmen, aber ignorieren kann ich diesen Eindruck auch nicht.
Zitat von C4Jetzt aber überlege ich, ob solche Fahrer überhaupt an das Lenkrad von Reisebussen gehören.
Wenn das so ein (Intercity-)Linienbus gewesen sein sollte ... dann gehört der ganze Bus im Grunde nicht auf die Straße ...
Der Terminus "Lohnsklave" träfe in dem Fall aber tatsächlich auf den Punkt ... für einen knappen Mindestlohn riskieren geschätzte 50% der Fahrer durch Mißachtung der Lenkzeiten regelmäßig ihren Führerschein - klaro, die Fahrgäste wollen ja schließlich abgekippt werden ... dann folgt i.d.R. die aufwändige Parkplatzsuche nebst Reinigung und Entlehrung der Toilette über'm Gulli einer öffentlichen Straße ...
Mehr ist nicht drin für einen Fahrpreis von 12,50€ von München nach Berlin ... und der entstehende Frust wird dann halt über andere Verkehrsteilnehmer abgeleitet ...
Jeden Tag rege ich mich über die "Brummis" auf den Autobahnen auf, jeden Tag!
Eigentlich rege ich mich nicht über die Fahrer auf, eher die Klientelpolitik, welche eine ehemals funktionierende Infrastruktur im Lande so einfach ausbluten ließ und diese jetzigen Zustände erst ermöglichte! Warum wurden bspw. die Güter allesamt von der Schiene auf die Strasse verlagert? Warum die angeblich unlukrativen Strecken des Personenverkehrs geschlossen?
Das sind nun die Auswirkungen. Kaputte und überfüllte Strassen.
Wen wundert dies denn noch bei einer solchen Politik?
Gruß Monti
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Zitat von Falcone im Beitrag #6... Kurz vom Gas, den Bus einscheren lassen und dann mit 106 wieder an ihm vorbei. Alles gut, kein Stress, kein Ärger, kein Zeitverlusst...
oder selber für eine kurze Strecke dem Bus davonziehen. Aber das ist wohl alles zu einfach, egal ob so oder so. Und dann sich über "Oberlehrer" im Strassenverkehr aufregen
du hast den Deppen wirklich 10 Kilometer neben dir fahren und die mittlere Spur blockieren lassen? Dem hast du es aber prima gegeben. Ich bin beeindruckt.
Zitat von Falcone im Beitrag #6Warum fällt mir da bloß das Sprichwort "Der klügere gibt nach" ein?
Kurz vom Gas, den Bus einscheren lassen und dann mit 106 wieder an ihm vorbei. Alles gut, kein Stress, kein Ärger, kein Zeitverlusst.
Das war einer meiner ersten Gedanken, klar.
Aber dann habe ich gedacht,mal sehen, was das gibt. Als sich nach einigen hundert Metern nichts änderte, habe ich das mit einer gewissen Ungläubigkeit zur Kenntnis genommen und mein Interesse am Ausgang dieser Aktion war geweckt. Ich hatte eh nichts anderes zu tun und für blindwütige Aktionen von Deppen bin ich nun wirklich nicht verantwortlich..
Das spätere Davonziehen mit 106 allerdings zielte dann darauf, diese Situation nicht erneut aufkommen zu lassen.
Das wirklich Bemerkenswerte scheint mir doch eher die dreiste Reaktion des Busfahrers (Polizei).