stimmt, peter! interessant ist doch an solchen und anderen filmen, dass junge leute mit hingabe dem stil vergangener jahrzehnte huldigen. das alte motorrad wird als vehikel für die erkundung der vergangenheit entdeckt. und über die beschäftigung mit alter technik entsteht ganz nebenbei etwas neues: die nachhaltige identifikation mit dem zweirädrigen lebensstil. denn in bezug auf die technik unterscheiden sich alte motorräder doch grundlegend von den neueren retro-bikes: sie wollen permanent beschraubt werden, nur dann funktionieren sie zuverlässig und ermöglichen authentische trips in die vergangenheit.
Moin es kommt mir auch so vor, als würden solche Filme gerade eine Inflation erleben. Scrambler ist der neue Caferacer. Aber egal - Hauptsache die Jungs haben Spaß.
Martin, wenn man dich so liest, kann man ja glatt wieder Gefallen an diesen Filmen finden.
Das blöde ist nur, dass, wenn man die Zeit und ihre Motorräder selbst erlebt hat, solche Verklärung mehr als künstlich wirkt. Aber sollen sie ihren Spaß am "authentischen" Rosinenpicken haben
es ist eben alles eine frage der perspektive . einer der gründe für diese form von realitätsflucht in eine vermeintlich bessere vergangenheit scheint mir im verdruss an einer als zunehmend entfremdeten gegenwart zu liegen. wenn ich hitze oder kälte empfinde, mich mit den tücken einer altertümlichen technik auseinandersetzen muss oder den schmerz der tätowiernadel spüre, dann erlebe ich mich als mensch im ursprünglichen sinn. wenn ich selbst hand an die technik lege und meine ideen und vorstellungen am motorrad umsetze, ist das fahrerlebnis nach erfolgtem umbau um so intensiver. um dieses phänomen zu verstehen, hilft es, sich das warenangebot der gegenwart anzuschauen. die allermeisten produkte entstammen industrieller fertigung. sie sind großserienprodukte ohne echte individualität. diese wird ihnen erst nachträglich mit nicht unerheblichem werblichem aufwand hinzugefügt. gleiches gilt für die vorkonfigurierten unterhaltungsangebote, vom kino über fast food restaurants bis zur pauschalreise wird der unterhaltungs- und erholungssuchende mit standardisierten angeboten abgespeist. und auch die beruflichen biographien in einer globalisierten angestelltenwelt lassen nur wenig raum für individuelle entfaltung. die meiste zeit sitzt der junge mensch vorm bildschirm und dient dem konzern als rädchen in einem unübersichtlichen getriebe. dieser gemengelage aus konformitätsdruck und reizarmut setzen nun einige rebellen echtes metall, echtes erleben, echte freude und auch echte schmerzen entgegen.
Sagen wir mal so, ich empfinde Motorradfahren mit Jethelm, Jeans und Lederjacke auch viel intensiver als mit Vollvisierhelm und Textil-Systembekleidung. Auch ein Motorrad das vibriert, vielleicht etwas schlechter bremst und dabei noch einen kernigen Sound hat trägt dazu bei...Da muss man sich nur darauf einstellen.
Für mich muss Motorradfahren nicht perfekt sein, ich kann mal frieren oder kann auch mal völlig durchnässt werden, es muss mir einfach Spaß machen. Wenn es mir dann zuviel wird mach ich Pause oder sehe zu das ich auf dem schnellsten Weg nach Hause komme.
Klar, ich bin nicht der Long Distance-Runner aber für mich ist das Motorrad und das daran herumbasteln eben nur ein Hobby, welches mir Spaß und Freude vermitteln soll....
Grüße PeWe
"...versuche nicht zu ändern, was Du nicht ändern kannst und erfreue dich an dem, was Du hast."
Zitat wenn ich hitze oder kälte empfinde, mich mit den tücken einer altertümlichen technik auseinandersetzen muss oder den schmerz der tätowiernadel spüre, dann erlebe ich mich als mensch im ursprünglichen sinn.
Mir geht es jeden Morgen so, wenn ich mit Zunder und Pyrit in meinem Tipi Feuer mache, um den Kaffee aufzusetzen ...
serpel, du wirst lachen: im sommerurlaub hat mir ein freund ganz stolz sein neues feuerzeugset vorgestellt, bestehend aus zunder, pyrit und irgendeinem besonders harzreichen spezial-südamerika-holz. zum grillanzünden haben wir ausschliesslich dieses urtümliche spezialset genommen ..
Ich mein ’s auch nicht unbedingt ironisch. Wenn man Zeit, Energie und Lust zu so was hat, ist das Erlebnis tatsächlich weit intensiver als vorm PC zu hocken und blöd in die Kiste zu glotzen.
Martin, ich denke, deine Ausführungen treffen absolut zu. Ich finde es nur so bemerkenswert (völlig wertfrei), dass all dies zum Kult erhoben wird und jemand, der sich so verhält, als echter Kerl dargestellt wird. Dabei ist es nichts anderes als das Nachleben von Ausschnitten aus dem ganz gewöhnlichen Alltag, wie wir ihn in den 60er und 70er Jahren hatten, nur freiwillig herbeigeführt und bereinigt von wirklichen Unannehmlichkeiten oder gar Gefahren (man hat ja noch das Handy!). Und wenn diese (verzeih!) Bubis dann ankommen und sich auch noch darstellen, als hätten sie das gerade erst entdeckt und alle anderen sind Weicheier, dann kann ich mich etwa Ironie nicht enthalten und nenne sie halt Rosinenrocker.
Aber sie haben trotzdem Spass dabei! Und wenn sie mal so alt sind wie der Durchschnitt hier, fahren sie vieleicht auch mit Heizgriffen, Hämorrhoidenwärmer und Windschild. Sei doch froh das die jüngeren überhaupt noch Motorrad fahren. Und wenn dann noch welche dabei sind die selber schrauben können- noch besser! Die meisten hier , und das soll auf gar keinen Fall ein Vorwurf sein, sind nicht in der Lage Reparaturen an ihrem Mopped zu tätigen, geschweige denn eine Maschine komplett aufzubauen. Die Jungs da haben Spass am Leben und am Mopped. Sie machen Filmchen davon. Klasse! Immer noch besser als vor der Glotze oder dem Rechner zu leben. Insgeheim wären doch einige hier auch gerne mal einer von denen.