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Dieses Thema hat 26 Antworten
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 Reiseberichte / Motorradgeschichten
Seiten 1 | 2
decet Offline




Beiträge: 7.596

07.06.2012 22:07
Zehn Schaltjahre und die Kunst, ein Motorrad zu warten Antworten

Anläßlich der zwanzigsten TÜV-Plakette auf Methusalixens Nummernschild
habe ich mal etwas in meinem Gedächtnis gekramt...

Dieter (ich habe ein photographisches Gedächtnis; es reicht nur nicht sehr weit zurück )

Sukasta Offline




Beiträge: 17.165

07.06.2012 22:12
#2 RE: Zehn Schaltjahre und die Kunst, ein Motorrad zu warten Antworten

Wo bleibt die komplette Geschichte, Du wirst doch nicht etwa nachlässig????

 
 
 
Jrüße
Sukasta



Et es wie et es, et kütt wie et kütt, jede Jeck ist anders ...

decet Offline




Beiträge: 7.596

07.06.2012 22:19
#3 RE: Zehn Schaltjahre und die Kunst, ein Motorrad zu warten Antworten

Es war das Olympiajahr 1972. Die große Spanien-Expedition war vorbei, die ich leider nur als Doseninsasse mitmachen konnte, weil die R27 zerlegt im Schuppen lag und auf neues Geld wartete. Da zog ich mit etwas Glück einen einträglichen Job als Werkstudent an Land, der mich nicht nur mit einem komfortablen Geldpolster ausstattete, sondern mir auch die Bekanntschaft mit diversen Mitarbeitern am Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik bescherte - für mein Studium ein Segen (und später dann ein Fluch, aber das ist keine Motorradgeschichte und gehört nicht hierher). Mit dem erweiterten finanziellen Horizont konnte ich die Nase aus der Schrottplatz- und Scheunenfundszene heben und fand recht schnell drei Straßen von meiner Studentenbude eine R60/5, deren Besitzer (Student wie ich) sich mit dem Kauf des Moppeds übernommen hatte und sie mir beim Kilometerstand von 16000 für 3000 DM überließ.

Mit kanarigelbem Lack hatte er die schöne Linierung an Tank und Kotflügeln überstrichen, und grobstollige Enduro-Schlappen aufgezogen, das war damals cool. Mir gefiel sie. Meine dicke BMW.

Die Überführungsfahrt im Januar bei 5 cm Schneematsch auf der A8 verlief dank der Stollenreifen ohne Zwischenfall, und die erste Umbaumaßnahme war die Transplantation der roten Bosch-Fanfaren von der armen, in Ungnade gefallenen R27 auf die neue Windsbraut. Die zweite Aufrüstung betraf den zwar schon asymmetrischen, aber immer noch mit einer funzeligen Biluxbirne bestückten Scheinwerfer, der ganz schnell ein (damals) hochmodernes H4-Licht bekam. In den folgenden Wochen machte ich mich zuerst zaghaft, aber dann immer forscher an Dinge wie Ventilspiel, Zündzeitpunkt und Bremsen - die BMW-Duplexbremse hatte und hat ja so ihre Eigenheiten. Auch der Sepp kriegte meine Neuerwerbung zu sehen, und er ließ es an guten Ratschlägen nicht fehlen. Die Idee (von H.-J.Mai), den Bremsschlüsselwellen in der Vorderradbremse Bronzebüchsen zu spendieren (Korrosionsanfälligkeit, Verschleiß) hielt er für gut, und setzte sie mir sogar freundlicherweise zum Nulltarif in die Tat um. Der Manni riet mir, die originalen Bremsbeläge bei Textar durch PV65-Beläge ersetzen zu lassen. Auch das war ein guter Rat - die hab ich heut noch drin.

Beim unvermeidlichen ersten Aufmachen des Motors (Schwungscheiben-Simmerrring) flogen die Schlitz-Senkschrauben M8x1 in der Kupplung raus und machten einem Satz feiner Innenschskantschrauben von MotoRademacher Platz. Der Sepp durfte mir auch ein paar Gramm von der üppigen Schwungscheibe abdrehen - nicht daß es merklich was gebracht hätte, aber es geht ums Prinzip. Bei gleicher Gelegenheit ersetzte ich die stählerne Kupplungsdruckstange durch eine selbstgemachte aus Duraluminium, weil diese harte Legierung den gleichen Ausdehnungskoeffizienten hat wie das Silumin des Getriebegehäuses. Von da an gehörte das Schaltknallen der Vergangenheit an. Und weil ich mich mit dem sehr pinselig einzustellenden Kupplungsspiel rumärgerte, bekam das konstruktiv etwas lotterige Widerlager des Kupplungshebels am Getriebe eine dicke, eng tolerierte Achse.
So verging die erste Saison, und wir lernten einander kennen, der Gelbe und ich.

Nach der ersten großen Tour kriegte die Gabel längere Federn, die gab's bei BMW als Zubehör für Tourenfahren mit vollbeladener Maschine, und die sehr bald ausgelutschten Originalfederbeine wichen feinen KONIs. Der Ewald wußte, daß ATF als Dämpferflüssigkeit für die Gabel viel besser geeignet war als das vorgeschriebene Nähmaschinenöl - was er nicht wußte, war, daß sich die Kunststoff-Anschlagdämpfer in der aggressiven Suppe zu Pudding auflösten und die Innereien der Gabel nach kurzer Zeit heillos verschmodderten. Man kann ja nicht alles wissen, und zerlegen und reinigen mußte sie ja dann schließlich doch wieder - ich.

In den folgenden Jahren fiel so dieses und jenes an, das Kurbelgehäuse-Entlüftungsventil war verschlissen und mußte einem Nachbau mit einer dünneren Glasfaser-Epoxy-Scheibe und einem Ölabschleuderlabyrinth Platz machen. Das war zwar nicht 100%ig wirksam, aber das Ölgesabber auf der rechten Seite ging deutlich zurück. Die wahre Ursache allerdings fand ich auch erst sehr viel später heraus, nämlich einen beim Umfallen des aufgebockten Mopeds (regenweicher Boden, Ständer eingesunken) verdrückten Ventildeckel, der nicht mehr ganz dicht hielt und den Motor zu viel Luft in den Kurbeltrieb einschnaufen ließ. Bei der intensiven Lecksuche am Zylinderkopf fiel mir auf, daß konstruktiv bedingt die Dichtringe unter den Kipphebel-Lagerböcken von den Distanzhülsen zerquetscht wurden. Mit ein bißchen Messen, Rechnen und Nachdenken fand ich eine Lösung, bei der die O-Ringe nur gedrückt, aber nicht mehr zerdrückt wurden.

Diverse Koffer mit Trägern wechselten sich ab, bis ich ein Krauser-Pärchen günstig erstehen konnte, für welches mir der Ewald dann einen maßgeschneiderten, schmalen Träger bog und schweißte (Der Ewald ist übrigens dem Motorrad treu geblieben und hat unter Anderem auch seine Finger bei der Entwicklung des Horex-VR6-Motors mit drin gehabt). Den Kofferträger brachte ich zum Spritzverzinken, und mit ordinärem schwarzem Lack bepinselt, tut dieser Stauraumadapter bis heute seinen Dienst. Weil er nicht ganz perfekt paßte, mußte das Rücklichtgehäuse ein bißchen warm verformt werden, und jetzt ist es seidenmatt lackiert. Und der hintere Blinkerträger, den mir kletternde Kinder krummgetreten hatten, ist jetzt aus Edelstahl. Bei der Umbauaktion guckte ich auch mal in die Blinkergehäuse und fand da so komisch geschwärzte Stellen: da ist zwischen den blanken Federkontakten der Lampenfassung und dem Gußgehäuse nur ein haarbreiter Spalt, und wenn das vibriert, gibt's da kurze Schlüsse. Pfui der Deibel (das hatte auch der Blinkgeber immer wieder gesagt, aber ich wollt' ja nicht auf ihn hören). Da half dann etwas Glasseidengewebe, mit Zweikomponentenkleber getränkt, und fortan gehörte auch dieses langjährige Ärgernis der Vergangenheit an. Neulich wollten die Blinker nicht mehr blinken, d.h. sie leuchteten gar nicht mehr. Ursache: die Zinkguß-Einsätze waren zerkorrodiert. Ersatz gab's nur noch als komplette Blinker, aber mit Kunststoffgehäuse - das geht ja gar nicht. Die Einsätze aus den neuen Leuchten paßten aber nicht in die alten Metallgehäuse - jedenfalls nicht vor einer beherzten Dremelage, und jetzt sieht das wieder richtig gut aus.

Für die leidige Batterie-Überwinterung bekam mein treuer Klepper eine Bordsteckdose (der Präsi wollte mir einen Zigarettenanzünder aufschwatzen, aber als Nichtraucher blieb ich bei der Bosch-Dose) für das kleine Rademacher-Erhaltungsladegerät. Für die Dose fand ich einen guten Platz im Luftfiltergehäuse, aber als ich in des Präsi Werkstatt mit der Feile das passende Loch mit Verdrehschutz-Kanten in den Deckel nagen wollte, kam Präsis Bruder (der ebenfalls Hausrecht hatte), nahm mir das Werkstück aus der Hand, sprach mit gen Himmel verdrehten Augen den markigen Satz "Wenn ich schon Studenten mit Werkzeug seh", und machte mit dem Schälbohrer ein kreisrundes Loch ohne Verdrehschutz in meinen schönen Deckel. Als ich ihn dann vor allen Anwesenden fragte, wie man an das Loch die Kanten hinfeilt, wurde er dunkelrot und verließ unter Hinterlassung eines Kondensstreifens seine Werkstatt. Die Ladesteckdose war im Übrigen Voodoo für Anfänger, ich brauche alle 5 Jahre eine neue Batterie, ob ich sie im Winter pflege oder nicht.

Der Kickstarter, der immer am Fußrastengummi vorbeirutschte und dann nicht mehr zurückkonnte, mußte ein Stückchen von der Trittfläche opfern - jetzt blieb er nicht mehr hängen, aber knallte dafür an den Rahmen, was auch nicht so gut war, denn irgendwann knackte er einfach weg. Die ultimative Lösung für dieses Problem fiel mir allerdings erst nach vielen Jahren ein. Ein klarer Fall von langer Leitung: die linke Fußraste sitzt wegen der versetzten Boxerzylinder original ein paar Zentimeter weiter vorn als die rechte, wofür es eigentlich keinen guten Grund gibt. Ich besorgte mir für links noch mal eine rechte Raste, und - presto - der Fußrastengummi sitzt jetzt genau unter dem Kickstarter und bietet ihm einen soliden, aber weichen Anschlag. Was lange währt… Daß ich dafür den Schalthebel "kürzen" mußte, war mir die Sache wert.

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An allen möglichen und unmöglichen Stellen ersetzten kadmierte (später VA) Inbusschrauben die originalen, auch da, wo's besser unterblieben wäre… zum Beispiel die mit biederen Schlitzschrauben befestigte Unterbrechergrundplatte. Der im Verbesserungswahn spendierte vornehme Inbus-Ersatz löste sich aus unerfindlichen Gründen, blockierte den Fliehkraftversteller und scherte ihn von seinem Platz auf dem Nockenwellenende ab. Ein Fall für den dicken Schorsch mit dem Hänger, obwohl, wie sich hinterher zeigte, die Reparatur auch ambulant hätte erfolgen können. Shit happens. Durch diesen Vorfall hatte der Nockenwellenstumpf, auf dem der Unterbrecher läuft, einen bösen Schlag abgekriegt, was sich naturgemäß wegen der unterschiedlichen Zündzeitpunkte ungünstig auf den Gleichlauf auswirkte. Als mir das sehr, sehr viel später klar wurde, fand ich endlich eine Anwendung für meine auf dem Flohmarkt erstandene Russen-Meßuhr.

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Benzindiebstähle aus dem Tank unseres Simca, der keinen abschließbaren Tankdeckel hatte, veranlaßten mich zum Kauf eines solchen für die Dose, und dann gleich auch noch fürs Mopped. Es zeigte sich allerdings, daß das unsägliche Design dieses Tankschlosses sich nicht mit dem Elefantenboy vertrug, und ich kann das besser. Ein nachgekauftes Sitzbankschloß (ein und derselbe Schlüssel für alle Schlösser) und einige Stunden an Schraubstock und Drehbank ergaben eine elegante und praktische Lösung. Da bild ich mir was drauf ein.

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Weniger ruhmreich war mein langjähriger Kampf gegen das Wasser in der linken - und nur in der linken! - Schwimmerkammer. Immer wieder stand nach nächtlichem Regen in der Laternengarage die falsche Flüssigkeit drin, und keine Maßnahme, ob Versiegelung des Gaszuges mit Silikon, Plastikverhüterli überm Vergaser, Austrocknen des Tanks, Lecksuche bis der Arzt kommt, konnte helfen, irgendwann gehörte das routinemäßige Ausleeren der linken Schwimmerkammer zur Startzeremonie… Die Wassersuppe bewirkte auch langfristig, daß der Leerlaufdüsenstock des linken Vergasers mit Korrosionsprodukten verkrustete, und weder ein sauberer Leerlauf noch eine einwandfreie Synchronisation mehr hinzukriegen waren. Man gewöhnt sich an alles.
Die wahre Ursache der Wassernot war ebenso simpel wie heimtückisch. Der Kunststoff-Ansaugkrümmer war irgendwann mal zu heiß geworden und hatte, dadurch erweicht, dem Druck der Schlauchschelle nachgegeben und eine Falte gebildet. Ganz unten, wo man's nicht sieht. Und dort rann bei Regen, ob beim Fahren oder Parken, immer das Wasser Tröpfchen für Tröpfchen in die Leerlaufluftbohrung des Vergasers, und von dort, der Schwerkraft folgend, in die Schwimmerkammer. Das fand ich allerdings auch erst nach mehreren Jahrzehnten heraus.

Verschleiß und konstruktive Mängel forderten ihren Tribut - nach 10 Jahren war das Zinkguß-Kegelrad des Gasgriffs abgenudelt und verlangte nach Neuteilen. Dabei kam auch ans Licht, daß die Kunststoffbüchsen, in denen die Handhebel gelagert sind, stark ausgeleiert waren. Durch zu großes axiales Spiel konnten die Hebel auf den Achsen verkanten, was hohe Biegemomente auf die Lagerung brachte und die Büchsen überlastete. Maßgenau aus Lagerbronze gefertigte Scheiben an Stelle der verwendeten dünnen Federscheibchen beseitigten das Axialspiel, und auch diese Schwachstelle gibt's nicht mehr. Die Sache mit dem neuen Gasgriff hatte übrigens noch ein drolliges Nachspiel. Dem Rat eines Kumpels folgend, erleichterte ich mir das Aufziehen des Gummigriffs mit etwas Seife. Ging prima. Und dann kam die lange Non-Stop-Regenfahrt von Figueras nach München. In der Schweiz war ich schon ziemlich zermürbt, und so dachte ich mir nix dabei, als das Mopped mit Vollgas auf der Bahn immer langsamer wurde… Dann merkte ich, daß ich noch ein bißchen weiter aufdrehen konnte - na sowas - aber das half nur vorübergehend, dann ließ der Schub wieder nach… Und noch einmal ging etwas mehr Gas. Und dann noch einmal. Parkplatz, Pinkelpause, und dann sah ich, daß die Seife mit dem Regenwasser der Gummihülle auf dem Gasgriff schön glitschig das Durchdrehen ermöglicht hatte. Wer soll denn auf so was kommen?

Der Zinkguß zeigte übrigens nicht nur an den Lenkerarmaturen Verfallserscheinungen, die Schieber in den Bing-Vergasern schlackerten irgendwann hörbar im Teillastbetrieb, was sich nur durch Ersatz der kompletten Vergaser heilen ließ, ausbüchsen ging über die mir verfügbaren Schrauberfähigkeiten hinaus. Gewinde an den Lenkerarmaturen waren zerwürgt, in den Neuteilen beugte ich diesem Verschleiß dann durch großzügiges Spendieren von Helicoil-Einsätzen vor. Helicoil war auch das Wort beim vermurksten Kerzengewinde des rechten Zylinderkopfs. Beim linken erübrigte sich diese Aktion allerdings, denn der entwickelte einen Riß vom Sitz des Einlaßventils zur Kerze: Schrott.
Der neue Kopf bekam dann noch vor der Montage Abstützungen gegen das Schwirren zwischen die langen Kühlrippen eingesetzt, und aus Symmetriegründen der alte auch. Kleine Ursache, großer Gewinn für die Seelenruhe.

Oh, und dann war da das Hinterradgetriebe… Eigentlich wartungsfrei, aber nach langen, feuchten Jahren der Laternenparkerei hatte mir der Passungsrost die Keilverzahnung im Mitnehmer zum Hinterrad ruiniert. Da mußte ein neuer Kegelradsatz her, und bei der Gelegenheit hab ich gleich alle Lager und Dichtringe mit ersetzt - so oft macht man das Ding ja nicht auf. Alles war gut vorbereitet, nur der zu weiche Stift, der in einem Sackloch das doppelreihige Kugellager des Ritzels im Gehäuse sichert, wollte einfach nicht rauskommen. Ein paarmal zu fest mit der Gripzange gepackt, und aus. Abgequetscht. Ausbohren? Ja wie denn?
Ha. Wenn man von außen durchs Gehäuse… Und dann mit dem Durchschlag von hinten…
Dem Mutigen gehört die Welt. Maßskizze gemacht, dreimal gemessen, ach was sag ich, mindestens fünfmal, angerissen, gekörnt, eine Unterlage für den Bohrtisch hergerichtet, und… Hineeiin!
Ich hab den blöden Stift tatsächlich mittig getroffen und konnte ihn sauber rausklopfen. Das Mistding saß brutal fest. Nun hatte ich aber ein Loch im Gehäuse. - Egal, die Bohrung für den Sicherungsstift kriegte ein Gewinde, und das gleich bis nach außen durch, von innen sitzt jetzt eine Schraube drin und sichert das Lager, und von außen hab ich auf ein Stück Alu-Rundmaterial ein Gewinde geschnitten, in das Loch im Gehäuse gedreht und mit dem Körner verballert. Das geht nie wieder raus und ist sogar dicht.
Nach dieser Aktion war das Einstellen des Kegelradsatzes mit Distanzscheiben und Tuschierfarbe der reinste Kinderkram. Und auch das Annieten des neuen Mitnehmers am Hinterrad war dann zur bloßen Fingerübung geworden, weil ich mir ein schönes Nietwerkzeug gebastelt hatte. (Ein Kollege kommentierte meine vieltägige, nach Feierabend an einer dienstlichen Werkbank durchgezogene Reparatur mit den Worten: "Is doch alles Quatsch, was sie da machen - was machen Sie d'n da eigentlich?"). Die vier Schrauben, mit denen der Flansch des Kreuzgelenks am Getriebeausgang angeschraubt ist, bekamen "luftfahrttaugliche" Sicherungsscheiben - die waren allerdings etwas größer als die Originalteile, und ich achtete nicht darauf, wohin die Spalte zeigten. Zur Strafe fräste dann eine der Scheiben, deren Spalt genau nach außen stand, nach wenigen tausend Kilometern den Gummibalg von innen durch. Wieder was gelernt.

Eine weitere Baustelle war der an sich recht pfiffig konstruierte Hauptständer. Nur mit der Materialstärke hatten sie sich vertan, weil sich das Ding am oberen Ende im Lauf der Zeit aufspreizte, und dann sackte die Fuhre immer weiter nach hinten, bis irgendwann bei aufgebocktem Motorrad beide Räder am Boden waren. Auch das konnte saniert werden, war aber nicht ganz trivial. Weil ich gerade von Ständern spreche - der Seitenständer klappte bei der ersten /5-Serie noch nicht von selber zurück, was ich auf die harte Tour lernte, zwar ohne hinzufallen, aber ich machte mir fast in die Hose. Es gab ein Umrüst-Teil von BMW, das den Einhängepunkt der Zugfeder etwas nach hinten verlegte, womit das Problem gelöst wäre - aber das paßte nicht. Also wanderte es in die Kiste und blieb 20 Jahre da drin. Ende der 90er Jahre hatte ich dann einen pingeligen Prüfer, der mir wegen dieses Mangels die Plakette verweigerte, und ich mußte was tun. Feile, Flex und Flachzange taten ihr von Flüchen begleitetes Werk, ich bekam meine Plakette und mußte wieder lernen, daß das Moped umfällt, wenn man's mal kurz vom Seitenständer hochgenommen hatte…

Kerzenstecker. Ich hab alles probiert, Bosch, Beru, NGK, auch die illegalen (weil nicht entstörten) Silikonstecker, alle nach ein, zwei Jahren durch Kriechstrecken marode - bis ich, im MOTORRAD glaub' ich, mal zu lesen kriegte, wie das geht: Neue Bosch-Kerzenstecker gekauft, vooorsichtig den Blechmantel aufgebogen, alles entfettet, dann die Blechteile großzügig mit Silikonkleber vollgeschleimt, und ganz schnell den Blechmantel wieder drauf (Gummieinsatz nicht vergessen!), die Laschen zugebogen, und den Kleber polymerisieren lassen. Geht doch. Seit damals ist Ruhe, und das ist auch schon wieder 20 Jahre her. Das könnten die doch bei Bosch gleich serienmäßig machen, oder? Na ja, dafür gibt's jetzt die mit dem Kabel vergossenen Stecker, die man nicht reparieren kann. Auch nicht schlecht.

Nach der Nordkappfahrt, auf der ich unterwegs mehrmals Gelegenheit hatte, mich über mein reichhaltiges und hochwertiges Bordwerkzeug zu freuen, hatten die wartungsfreien (?!) Kegelrollenlager im Lenkkopf eingeschlagene Stellen in den Laufflächen, was sich beim Fahren ziemlich eklig anfühlt. Selbst ist der Mann, und beim Austreiben des unteren Lager-Außenrings durfte ich meine grauen Zellen (und meine bescheidene Kellerwerkstatt) bis zum Anschlag ausreizen. Es entstand ein geniales "Werkzeug", auf das ich einigermaßen stolz bin. Der Rest der Reparatur war dann Pipifax.

Kleine Tricks und Hilfsvorrichtungen machen einem das Schrauben leichter:

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Links unten ist das erwähnte Werkzeug zum Austreiben des Lenkkopflager-Außenrings - es funktioniert im Zusammenspiel mit einem Schlitzmeißel. Rechts daneben eine Vorrichtung zum Arretieren des Ritzels im Hinterradgetriebe, darauf ein umgebogenes PUK-Sägeblatt, welches das Herausangeln des O-Rings hinter dem Ölfilter sehr erleichtert, und ganz oben ein solider Stiftschlüssel für die Gabel-Demontage.

Das viel kritisierte Designer-Kombiinstrument mit dem klitzekleinen und von den Bowdenzügen verdeckten Drehzählerchen hatte eine fatale Schwäche: die Kunststoffzeiger versprödeten durch Sonnenbestrahlung und fielen irgendwann ab. Beim Drehzahlmesser war mir das wurscht, aber den Tacho will der TÜV einfach haben, da stellen die sich dermaßen zickig… Außerdem zerschredderten sich die mechanischen Anzeigewerke im Lauf der Zeit. Das erste Instrument war jedenfalls bei 71171 km mausetot. Der Ersatztacho hielt etwa genauso lang, allerdings bekam ich rechtzeitig einen Tipp, daß die Firma Behrend und Schäfer in München so was für kleines Geld instandsetzt. Interessanter Laden war das, so was gibt's heute nicht mehr, jedenfalls machten die das sehr schön, nur die Zeiger konnten sie nicht mehr beschaffen und bastelten mir ersatzweise welche aus Blech dran. Prima, die kriegten dann auch keinen Sonnenbrand mehr.

Schalldämpfer waren Verbrauchsmaterial. Irgendwie vergammelten die immer von innen raus und zeigten dann vornehmlich zu Saisonbeginn (und vor'm TÜV) hämisch grinsende, braun ausgefranste Löchlein am Hinterende, was auch der dümmste Prüfer/Polizist sofort sieht (und hört). Zwei Neuauflagen mußte ich spendieren, und irgendwann war ich's dann leid. Die vierte Auspuffanlage ist aus Edelstahl. Da gab's mal einen Laden in England, die haben die Originaldämpfer minutiös kopiert, und bei Manni's Garage in München konnte man die inklusive Krümmer für 1200 DM kriegen. Nur den blechernen Originalton haben sie nicht mitkopiert, die Höhen fehlen jetzt. Kann ich aber damit leben.

Etwa um die selbe Zeit war auch die dritte Kupplung fällig, aber bei BMW gab's die nicht mehr. Ich wollte schon anfangen zu meckern, da sagte mir der freundliche Mitarbeiter: "Aber die von der R90S tät passen, die hättmer noch da, wenn's die woll'n…" Na klar wollte ich, kost' dasselbe Geld, und ist (aus verschiedenen Gründen) eine eindeutige Verbesserung. Manchmal machen sie auch was richtig.

Alt sind wir miteinander geworden, der Methusalix und ich, und die Zweierbeziehung ist irgendwie lauwarm geworden. Schade eigentlich, wo ich endlich die wichtigsten Dinge über ihn gelernt habe… Aber der zweite Frühling verlangte sein Recht, und nachdem ich dem durch den Erwerb einer W800 Genüge getan hatte, steht der Gelbe im Austragshäusel. Verkaufen (für irgendeinen Judaslohn) oder gar wegschmeißen? Niemals. Soviel Platz muß sein. Er hat sich das Gnadenbrot reichlich verdient. Vielleicht kriegt er noch mal neue Speichen, und der Tank sieht auch schon arg schäbig aus… Mal sehen.

Sukasta Offline




Beiträge: 17.165

07.06.2012 22:25
#4 RE: Zehn Schaltjahre und die Kunst, ein Motorrad zu warten Antworten

geht doch ...

 
 
 
Jrüße
Sukasta



Et es wie et es, et kütt wie et kütt, jede Jeck ist anders ...

decet Offline




Beiträge: 7.596

07.06.2012 22:35
#5 RE: Zehn Schaltjahre und die Kunst, ein Motorrad zu warten Antworten

Zitat von Sukasta
geht doch ...

Nicht immer so ungeduldig, mein guter Ralph, oder hast Du etwa allen Ernstes angenommen, ich würde gackern, ohne zu legen

Dieter

Maggi Offline




Beiträge: 47.728

07.06.2012 22:47
#6 RE: Zehn Schaltjahre und die Kunst, ein Motorrad zu warten Antworten

Viel zuviel Text und zu wenig Bilder.

--
hco rewwe hcslök ,skcus wmb

Sukasta Offline




Beiträge: 17.165

07.06.2012 23:59
#7 RE: Zehn Schaltjahre und die Kunst, ein Motorrad zu warten Antworten

Zitat von decet
... oder hast Du etwa allen Ernstes angenommen, ich würde gackern, ohne zu legen

niemals nicht ...

 
 
 
Jrüße
Sukasta



Et es wie et es, et kütt wie et kütt, jede Jeck ist anders ...

piko Offline




Beiträge: 16.462

08.06.2012 07:42
#8 RE: Zehn Schaltjahre und die Kunst, ein Motorrad zu warten Antworten

Moin Dieter,

wunderbar geschrieben ... ich könnte sowas ja stundenlang lesen, allerdings vermisse auch ich ein Portrait deines Methusalix.

(morgen-)grüße piko

warum einfach, wenn's auch kompliziert geht

decet Offline




Beiträge: 7.596

08.06.2012 08:11
#9 RE: Zehn Schaltjahre und die Kunst, ein Motorrad zu warten Antworten

Ja nee... ich hab nie viel fotografiert, die Frage war immer "Film oder Sprit"

Hier hab ich auf die Schnelle eins von 1976:

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Dieter (bitte die miese Qualität zu entschuldigen, kann derzeit nicht scannen)

Friedo Offline




Beiträge: 3.439

08.06.2012 08:30
#10 RE: Zehn Schaltjahre und die Kunst, ein Motorrad zu warten Antworten

Hallo Dieter,

einiges von dem, was Du in der langen Zeit an Deiner BMW erfahren und erleiden durftest, habe ich mit meiner R90S auch durchgemacht. Irgendwann war ich dann nur noch genervt von dem Teil (Motorräder haben bei mir keine Namen) und habe es meinem Bruder geschenkt. Ursprünglich war die BMW von meinem Cousin und der hatte mangels Zeit und Lust die Maschine zwei Jahre im Garten stehen und verkommen lassen. Wasser war in Vergaser und Zylinder gelaufen und hatten dort großen Schaden angerichtet. Zylinderköpfe wurden instand gesetzt, Zylinder neu gebohrt und mit 1000ccm Kolben versehen, die Dellortos wurden mühsam zerlegt, da die Schieber fest hingen und liefen dann auch wieder. Die Zündung war auch ein Thema, der Zündzeitpunkt war links und rechts unterschiedlich und ich habe dann auch mit selbstgebauten elektronischen Zündungen experimentiert. Kardan war eher unauffällig, bis auf ein vermurkstes Gewinde der Einfüll- oder Ablassschraube für das Öl. Jede Menge Zeit und auch Geld wurde jedes Jahr investiert um die Maschine am laufen zu halten und Boxershop sei Dank, ich musste nie weit fahren um an Teile zu kommen. Als Resümee bleibt zu sagen, ich habe viel gelernt.

Grüße
Friedo

"Smoking helps you lose weight -- one lung at a time!"

decet Offline




Beiträge: 7.596

08.06.2012 08:56
#11 RE: Zehn Schaltjahre und die Kunst, ein Motorrad zu warten Antworten

Zitat von Friedo
...erleiden...

Hat das jetzt so den Eindruck eines endlosen Leidenswegs gemacht? So war das aber nicht gemeint. Vergiß nicht, daß die geschilderten Episoden über ein langes Motorradleben verteilt waren, und daß ich ja letzten Endes immer wieder über die Tücke des Objekts "gesiegt" habe. Und ich brauche wohl in diesem Forum nicht zu betonen, daß einem eine technische Verbesserung, oder vielleicht auch nur eine gut ausgeführte Reparatur am Mopped große Befriedigung verschafft . Schließlich vertraut man seinem Gefährt Leben und Gesundheit an, da ist es selbstverständlich, daß man Pflege und Wartung mit einem gewissen Bewußtsein für Qualität angeht. Nee, die Grundnote dieses Berichts soll positiv sein.

Dieter (ich verbringe oft Monate damit, mir für einen 10-Minuten-Job zu überlegen, wie man ihn in 5 Minuten genauso gut hinkriegt )

piko Offline




Beiträge: 16.462

08.06.2012 08:57
#12 RE: Zehn Schaltjahre und die Kunst, ein Motorrad zu warten Antworten

Zitat von decet
Hier hab ich auf die Schnelle eins von 1976

Alle Achtung - für die damalige Zeit warst du ja äußerst professionell ausgestattet ...

piko

warum einfach, wenn's auch kompliziert geht

Friedo Offline




Beiträge: 3.439

08.06.2012 09:38
#13 RE: Zehn Schaltjahre und die Kunst, ein Motorrad zu warten Antworten

Vielleicht habe ich von mir auf Dich geschlossen. Ich wars dann leid, jedes Jahr wieder Reparaturen durchzuführen und Teile zu kaufen um die Maschine wieder bewegen zu können. Ich hatte die Maschine eine Zeitlang jeden Tag im Einsatz und dann nervt es, wenn sie nicht zuverlässig ist. Aber vielleicht hatte ich ja nur eine schlechte Basis oder war zu pingelig um mich mit dem Zustand zufrieden zu stellen.

Friedo

PS: Danach hatte ich eine K100, ein Seelenloses Teil, dass dann der W zum Opfer fiel.

"Smoking helps you lose weight -- one lung at a time!"

Falcone Offline




Beiträge: 112.426

08.06.2012 11:53
#14 RE: Zehn Schaltjahre und die Kunst, ein Motorrad zu warten Antworten

Ein sehr schöner Bericht, der schon einiges an Déjà-vus hat. Aber wahrscheinlich machen alle Motorradfahrer, die auch gerne mal zum Werkzeug greifen, vergleichbare Dinge durch.
So ein über ein Motorradleben mit seinem Reiter verwachsenes Motorrad hat schon was. Allerdings nur für den Reiter selbst.
Wenn man als jemand, der den Vorbesitzer nicht kennt, weil dieser vielleicht inzwischen sogar verstorben ist, ein solches Krad in die Hände bekommt, ist man der Verzweiflung nahe. Nichts ist mehr, wie in der einschlägigen Literatur beschrieben, nichts passt zueinander und irgendwann gibt man vielleicht sogar genervt auf und verflucht den Vorbesitzer.
Sollte jemand mal meine Falcone bekommen, die ich seit 1975 besitze, wäre es wohl ganz genauso.
Insofern wünsche ich dir, dass du ein möglichst langes, gesundes Leben haben wirst und dass du noch möglichst lange mit der R60/5 zusammenbleibst, um so mögliche Besitznachfolger zu schonen.

Grüße
Falcone

Im Sommer ist es zu warm, um das zu machen, wofür es im Winter zu kalt ist.

Ka_Be Offline




Beiträge: 152

08.06.2012 12:03
#15 RE: Zehn Schaltjahre und die Kunst, ein Motorrad zu warten Antworten

Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten

Das ist der Titel eines Buches von R. Pirsig,
das man durchaus auch mal zur Hand nehmen kann,
wenn man nicht so viel von Esoterik hält.

Vielleicht hat es ja der eine oder andere schon gelesen.

Gruss aus ZH

Ka_Be

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