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Gehe ich also recht in der Annahme, dass du zu denen gehörst, die an ihrem Traktor eine gesunde Patina gegenüber einer Restaurierung den Vorzug geben?
Genau zu denen gehöre ich, nur habe ich keinen Traktor, sondern eine Puch 250 SG Jg. 1956. Die wurde zwar auf dem Bauernhof als Traktor missbraucht... Also ich hab mich lange mit der Frage rumgeschlagen, vorallem ob ich alles sandstrahlen und neu lackieren soll. Irgendwie konnte ich mich nicht dazu überwinden, es ist unumgänglich. So bin ich jetzt am basteln, pinseln und reparieren. Irgendwie find ich dieses überrestaurierte Zeug doof. Die Räder machen mir gerade Stress. Die Chromfelgen sind gerostet, die Speichen warens auch. Die Speichen sind jetzt sauber, für die habe ich während 3 Stunden Stress aus dem Büro abgebaut und neue Ideen gekriegt (ich danke meinen verrosteten Speichen). Die Naben krieg ich auch hin, die sind aus Aluminium. Man kann für diese Puch gesamte neue Räder bestellen, dann kosten beide zusammen ca. 380 Euro. Ich machs jetzt mal so: Speichen selber geputzt, Räder entchromt für 30 Euro und jetzt werden sie "von Hand" neu grundiert und lackiert.
Dabei gehst mir nicht ums Geld, sondern um das Tun. Ich verfahre ungefähr nach folgendem Grundsatz:
Ich rette und erhalte möglichst alles noch Brauchbare. Ich ergänze, falls nötig mit originalgetreuen Materialien wie Blech, Zinn, Farben, Gummi usw. die fehlenden oder schadhaften Teilchen und Stellen so, dass der Gegenstand im originalgetreuen Zustand erscheint.
D.h. ich rette z.B. eine alte Originalschraube und nehme keine neue. Ich will richtig mit dem Material zu tun haben. Ich will es kennenlernen und schauen welche Lösungen man finden kann. Ich habe Freude an der Reapierbarkeit dieser Dinge aus den 50er Jahren. Insoferne restaurieren viele Restaurateure gar nicht: Sie lassen alles neu spritzen und kaufen alle fehlenden Teile ein und dann schrauben sie einfach zusammen. Das ist nix für mich. Ich will dreckige Hände und unlösbare Probleme!
So was wieder sauber, wieder gängig, wieder gepflegt zu machen, das find ich super:
Ich weiss nicht, vielleicht bin ich hinüber, aber es ist wie Ehrfurcht gegenüber der Erde, den Menschen die daran gearbeitet haben, den Schmelzprozessen, den Zwergen, Trollen und Elementarwesen dies gebraucht hat zum Herstellen. Darf ich sagen: Es ist eine Mischung zwischen hächstem Gottesdienst und tiefsten Werkprozessen mit den Erdmaterialien?
Dies ist alles nur für mich geschrieben. Mir geht es so. Dieses Zeugs heilt meine abstrakten Managementprobleme. Es tut mir gut. Sehr wahrscheinlich ist es auch Auseinandersetzung mit meinem Vater, er war Schlosser und Schmied. Es hat sein ganzes Leben zwischen heissen Öfen geschuftet und war immer dreckig wenn er heim kam. Er wollte dass es für uns Kinder anders wird. Es wurde anders, aber besser...? Ich denk auch beim Arbeiten an Menschen im Ruhrgebiet oder sonst wo, die schwere Industriearbeit gemacht haben. Ich liebe Handwerk und manchmal möchte ich diesen ganzen intellektuellen Schrott wegfegen und hoffen, dass wir wieder zum Handwerkt zurückfinden. Bäcker, Metzger, Bauer, Schweisser usw. Vielleicht beschwöre ich eine vergangene Zeit, aber vielleicht werden diese handwerklichen Fähigkeiten mehr anderes überleben als wir meinen. So weit das Wort zum Sonntag. Ich höre auf.
Für euch kann es ganz anders sein, auch gut so...
Fondue
Freiheit für alle Ventile!