Muss vorausschicken: Dieser Reisebericht ist lang, immerhin dauerte die Reise fast 5 Wochen.
Diese Reise wollen wir schon seit 3 Jahren angehen, nun hat es endlich geklappt. T. fährt wieder mit seiner GS 1150, die er für die Reise fit gemacht hat, neue K60 sind auch montiert. Meine Tenere 700 bekommt mit 36Tsd schon die 40Tsder Inspektion incl. neuer Conti Trail Attac Besohlung.
Wir fahren am Sa. 16.09. nach Villach, wo uns ein Autoreisezug nach Edirne an die Bulgarisch-Türkische Grenze bringen soll. Wir kommen gut durch und sind dann die ersten beim Verladen der Motorräder. Außer uns ist noch eine kleine Gruppe aus Tschechien mit ihren alten Jawas am Start, super nette junge Kerle und nennen sich Zidan-Tours. Unsere Tschechien Tour mit Norbert, Mini und Maggi mit den W`s ist erst eine Woche her, so habe ich mit ihnen auch angeregten Gesprächsstoff.
Der Zug füllt sich und wir nehmen unser 4er Abteil in Beschlag in der Hoffnung, dass wir dieses für uns haben werden. Nach kurzer Zeit werden uns zwei ältere Herren vom Zugpersonal zugewiesen, die aber die enge Situation ziemlich gelassen hinnehmen. Die Herren sind nicht zum ersten Mal auf dieser Reise und wissen, wie dies ausgehen wird. Als sich die Hektik der Mitreisenden etwas legt, nehmen sie sich einen Zugbegleiter vertrauensvoll zur Seite und danach wechseln 2 Fünfzig Euro Scheine ihre Besitzer, so dass jeder dieser Herren eine Kabine für sich hat und wir die unsere für uns, na da schau her! Proviant ist im Gepäck und für das Flüssige sorgt das Bord-Restaurant.
Anstatt der geplanten 32 Stunden braucht der Zug, der ab Belgrad gefühlt nur noch 30km/h fährt, 38 Stunden. Bis wir ausladen dürfen und unsere Zollangelegenheiten erledigen, ist es schon später Nachmittag. Der Plan, am ersten Tag den Bosporus zu überqueren wird über Bord geworfen. Nach kurzer Recherche entdecke ich ein kleines Dorf am Schwarzen Meer. Das Hotel, welches ich wähle, hat den Namen (übersetzt) "das Haus des Popen", schön denke ich, da hält jemand die griechische Geschichte aufrecht. So fahren wir eine, vor allem zum Schluss sehr schöne Strecke nach Kiyiköy.
Das Holzhaus ist wunderschön restauriert und der Hotelier, ein sehr netter vornehmer Herr, der uns mit regionalen Produkten das beste Frühstück auf dieser Reise zubereitet.
Wir essen am Abend vorzüglich im benachbarten Fischrestaurant.
Ziemlich glücklich über diesen tollen Start fahren wir los. Auf dem Weg müssen wir noch Mautkarten für verschiedene Brücken und Autobahnen, die wir befahren werden, besorgen. Diese sind nur in Hauptpostämtern zu bekommen.
In Saray bekommen wir das Gewünschte und unsere Nummernschilder sind im Mautsystem registriert, welche fototechnisch ausgelesen werden sollen.
Wir fahren über die neueste Bosporus Brücke und pausieren in Sile am Hafen, diese Stadt ist einerseits für seine dünnen Baumwolltücher bekannt, als auch bei Istanbuler Sommerfrischlern beliebt.
Wir fahren weiter durchs Hinterland.
In Karasu beziehen wir unser Hotel. Eine kleine Schlammschlacht haben wir auch schon hinter uns.
Am nächsten Morgen geht es weiter Richtung Osten an der Küste entlang.
Ab Eregli biegen wir ins Landesinnere ab, da Zonguldak, das Kohlerevier der Türkei, uns nicht sonderlich interessiert.
Safranbolu mit sehr schön erhaltener Altstadt ist unser Ziel. In diesem Tal wurde früher sehr viel Safran angebaut.
In den Bergen hinter der Stadt folgen wir einer Beschilderung zu einer Tropfsteinhöhle, alles Schotter und enge Serpentinen.
Über 400m lang, schön ausgeleuchtet, beeindruckend.
Die zwei netten Aufseher der Höhle bieten uns noch einen Cay an, den sie auf dem Holzkohlegrill zubereiten.
Wir fahren weiter Richtung Amasra, unserem nächsten Ziel an der Schwarzmeerküste.
Die Hotels suchen wir immer vor Ort so aus, dass die Fressmeilen fußläufig erreichbar sind.
Nun nehmen wir die schönste Küstenstraße entlang der Schwarzmeerküste bis Sinop unter die Räder.
Sinop by Night.
Die Wetteraussichten für die östliche Schwarzmeerküste sind schlecht. Wir fahren southbound in die schöne Stadt Amasya.
Sehr schöne Strecke!
In Amasya angekommen, gleich in einem schönen alten Gemäuer eingecheckt.
Hernach die Stadt am Fluß Yesilirmak durchschlendert. Sie ist wohl von der Bausubstanz die besterhaltene Stadt aus der seldschukischen und osmanischen Zeit in der Türkei.
Oberhalb in Felsenhöhlen liegen wohl die Gräber pontischer Könige.
Am nächsten Morgen nehmen wir eine sehr schöne Strecke in die nordostanatolischen Gebirge Richtung Erzincan.
Der Wasserfall bot eine schöne Rast an, mit obligatorischem Cay.
Der Pulümür Pass. Ab hier sind wir im Osten mit sehr vielen Checkpoints von Gendarmerie-, Polizei- und Militär-Kontrollen konfrontiert. In der Regel reicht es sich auszuweisen.
In Erzincan angekommen, bekommen wir gleich als Erstes von einem Hotelier eine wirsche Abfuhr. Die Stadt läuft wohl der Stadt Konya, die als sehr konservativ, religiös und bigott bekannt ist, den Rang ab. Ok, der 2. Hotelier will uns beherbergen. Wir essen auch gut traditionell, aber zu trinken gibt es in der ganzen Stadt nur Ayran und Wasser.
Da fällt uns aus Kindertagen ein Gedicht ein:
"Als Kaiser Rotbart lobesam zum heil'gen Land gezogen kam, da mußt er mit dem frommen Heer durch ein Gebirge wüst und leer. Daselbst erhub sich große Not, viel Steine gab's und wenig Brot, und mancher deutsche Reitersmann hat dort den Trunk sich abgetan;..."
Wir schauen am nächsten Morgen, dass wir weiterkommen. Kaum 30 km Richtung Osten auf einer 4spurigen Straße schwimmt plötzlich mein Hinterrad. Ja super, Platten. Auf der anderen Straßenseite nicht weit ist eine Tankstelle. Der Tankwart kennt einen Abschlepper, der relativ schnell vor Ort ist. Er stellt sich erstmal neben die Maschine und pumpt den Reifen kurz auf und meint ich müsste mit eigener Kraft hochfahren. Okeee?!?, gesagt getan.
Wir haben Sonntag und er versucht einen Reifenflicker telefonisch zu erreichen, der heute arbeiten möchte, einer will. Jedoch ist der Typ nicht wirklich motiviert und flickt den Reifen am montierten Rad. Der Schlauch weist auf der Felgenbandseite einen 1,5cm langen Längs-Schlitz auf, hm, das Felgenband ist komplett in Ordnung. Entweder Montage- oder Fabrikationsfehler.
Wir fahren weiter und wollen nach Tunceli.
Kurz vor Tunceli wieder platt, wir lassen die Maschine an einem Teegarten stehen und fahren zu einem Hotel in Tunceli.
Tunceli liegt in einem wunderschönen Tal, aber von Militär und Polizei total abgeschirmt. Es leben hier Aleviten, Zaza, Kurden und Türken in trauter Eintracht. Es hieß früher Dersim, wer sich für die Geschichte interessiert kann ja mal "Dersim Massaker" googeln. Tunceli kommt uns wie eine liberale alevitische Oase in abgeschiedener Bergwelt vor, gefühlt Planeten entfernt von der stockkonservativen Nachbarschaft. Wir beschließen, hier 2 Nächte zu bleiben.
Am Montag früh finden wir eine Motorradwerkstatt, der einzige neue 18" Schlauch in der Stadt, der zwar von den sonstigen Maßen nicht unbedingt passt, gehört mir. Wir fahren zu meiner Maschine, bauen das Rad aus und lassen die Schläuche wechseln. Geht doch!
Wir beschließen am nächsten Morgen die Bergwelt nördlich von Tunceli zu ergründen, was uns eine sehr gelungene Tour beschert, bis wir wieder im Süden in Ergani landen.
Tabakanbau
Zen, oder die Kunst auf der Sänfte die Füße hochzulegen und die Landschaft zu genießen.
In Ergani, einer gesichtslosen Kleinstadt finden wir ein Hotel und nach einer längeren Wanderung auch ein Restaurant.
"Pack die Badehose ein, nimm dein kleines Schwesterlein und dann nischt wie raus nach Wannsee"
Wir fahren Richtung Osten mit Ziel Van am Vansee.
Ankunft am Vansee.
Wir fahren in die Stadt Van und suchen uns ein genehmes Hotel.
Wir sind nun übrigens nur wenige Kilometer von der Iranischen Grenze entfernt.
Unser Restaurant, wo wir auch ein Bier bekommen, finden wir dank des Reiseführers im Tamara Hotel, versteckt durch verschiedene Labyrinthe durch den Keller und wieder hoch. Ein edles Grill-Restaurant, wo iranische Touristen sich "glücklich trinken". Der Grill mit Esse darüber ist in die Tische eingelassen.
Eine Vansee-Umrundung ist am nächsten Tag angesagt.
In Ahlat besichtigen wir einen alten Seldschuken-Friedhof, die ersten, die den Islam in die Region gebracht haben.
In Tatvan beziehen wir ein Hotel, die Stadt hat außer dem See nichts zu bieten.
Nun sind wir wieder Richtung Westen unterwegs, das nächste Ziel ist Diyarbakir, die heimliche Hauptstadt der türkischen Kurden.
Diyarbakir empfängt uns mit schöner und lebendiger Altstadt.
Von Diyarbakir fahren wir über Adiyaman nach Malatya, beide vom Erdbeben leider sehr betroffene Städte.
Vor Malatya sind die letzten 30 km Straße aufgrund eines leichten Nieselregens Schmierseife. Wir wünschen uns, dass es richtig regnet, um den schmierigen Mist wegzuwaschen, tuts aber nicht. In Malatya tun wir uns schwer ein Hotel zu bekommen. Viele Gebäude sind nicht bewohnbar. Auch gibt es kein Restaurant in der Nähe, nur provisorische Grill-Imbisse auf der Straße. Irgendwie kommen wir uns wie Voyeure der Katastrophe vor, essen einen kleinen Imbiss und verschwinden schnell ins Hotel.
Der Blick aus dem Hotel.
Wir schauen, dass wir weiterkommen, unser nächstes Ziel ist Ürgüp bei Göreme in Kappadokien.
Warum diese überproportionierten Straßen gebaut werden, ist uns immer wieder ein Rätsel. Ganze Berge werden für die Trassen versetzt.
Wir kommen über einen schönen Pass auf eine Hochebene. Vor uns eine Gewitterfront, die Blitze schlagen in die Ebene ein. Wollen wir da wirklich durch? Ok, Regenzeug drüber und durch bei 8 Grad C.
Nach 2h ist die nasse Hölle durch und wir kommen hinunter nach Ürgüp im Göreme-Tal, wo wir im Hotelzimmer mit einem Regenbogen begrüßt werden.
Am nächsten Morgen fahren wir an den wohlbekannten Hotspots der Tuffhügel vorbei. Das nasskalte Wetter treibt uns ans Mittelmeer. Westlich von Mersin in Silifke finden wir ein nettes Hotel, das Thermometer zeigt 33 Grad C.
Sowohl die Temperaturen als auch die kleinen Straßen locken uns ins Gebirge im Hinterland der Küste. Unser nächstes Ziel ist Alanya.
Wir fahren weiter Richtung Antalya, und danach wieder durchs Hinterland über ein Hochplateau über Elmali nach Finike.
Blick aus dem Hotel in Finike.
Am nächsten Tag nehmen wir die schönste Küstenstraße am Mittelmeer entlang, bei angenehmen 28 Grad C. Unser Ziel ist die Halbinsel Datca.
Unser nächstes Ziel ist Denizli und die Kalksinter Terrassen von Pamukkale.
Ein echter Hotspot, irgendwie sind wir leutscheu, das haben wir schon in Göreme festgestellt. Wir fahren zurück ins Hotel nach Denizli, wo wir schon eingecheckt hatten und machen uns einen schönen Abend.
Unsere Tour geht am nächsten Tag weiter nach Norden, wir landen in Kütahya.
Der Blick von der Frühstücksterrasse am nächsten Morgen.
Wir fahren weiter nach Mudanya am Marmarameer zu meiner lieben Mutter.
Bei Muttchen auf dem Balkon.
Wir fahren am übernächsten Tag mit der Personen-Katamaran-Fähre für 2 Tage von Mudanya nach Istanbul.
Nach 1,5h Fahrt stehen wir mitten im Getümmel an der Galatabrücke.
Die Zugreise nach Edirne ist für mich ein bisschen ein Flashback gewesen, da meine erste Reise nach Deutschland 7jährig 1963 fast die gleiche Zug-Route nahm. Hier am Bahnhof Sirkeci ging sie damals los. Hätte nicht gedacht, dass ich jemals diese Reise mit dem Zug zurück unternehmen würde.
Wir gehen in das Stadtviertel Sultan-Ahmet hoch, checken in einem netten Hotel ein. Wir laufen hinunter zu der Gasse, wo ich meine ersten Lebensjahre verbracht habe.
Hier noch ein paar Bilder aus der Stadt.
Von Mudanya aus fahren wir mit Öffis nach Bursa und kaufen Geschenke für unsere Lieben ein.
Nach 4 Tagen Motorradabstinenz wird es Zeit, weiter zu fahren. Unser Ziel ist Gelibolu an den Dardanellen. Wir nehmen die 60 km Schotter in Kauf und haben ein tolles Küstenpanorama. Allerdings werden wir zweimal von Kangals auf dieser Strecke verfolgt, glücklicherweise ging es jedesmal geradeaus, so dass man am Hahn ziehen konnte.
Die neue Brücke über die Dardanellen.
Unseren letzten Abend in der Türkei feiern wir mit Raki, Meze und Fisch.
Wir überqueren die Türkisch-Griechische Grenze und fahren erst einmal ca. 50 km an verbrannten Bergen entlang. Heftig wie die Feuer hier gewütet haben.
Ankunft in Kavala.
Über Thessaloniki fahren wir nach Volos.
Wir nehmen unsere letzte griechische Etappe unter die Räder nach Patras.
Die Fähre, die wir nach Venedig gebucht hatten, geht erst in 2 Tagen, die Wetteraussichten sind miserabel. Wir fahren ein Büro der Fährcompanie an und möchten versuchen umzubuchen. Uns wird mitgeteilt, dass das möglich sei, aber wir müssten 6 km an der Küste zum Fährhafen fahren dort die Tickets für eine gewisse Gebühr umbuchen lassen und einchecken. Die Fähre geht in einer Stunde, allerdings nach Ancona. Es fängt an zu nieseln... Eine Stunde später beklatschen wir uns in unserer Außenkabine.
Tchüss Patras.
Wir kommen am Abend in Ancona an und haben ein kleines Hotel in Cesana oberhalb von San Marino vorgebucht.
Hotel in schöner Kulisse.
Wir haben Heimweh und wollen nach Hause, das Wetter ist gütig mit uns, es nieselt nur ab und zu. Wir fahren die ganze Strecke in einem Tag über Bologna und Mailand. Zum Bernardino hoch wird's zünftig kalt. Nach dem Tunnel bläst uns ein warmer Föhn entgegen und wir können es fast nicht fassen, 21 Grad C, geil!
Glücklich zuhause!
Fazit: Wir sind auf eigenen Rädern ca.8500km unterwegs gewesen, die einzige Panne war das Schlauchproblem, welche uns nicht wirklich gestresst hat. Das Verständnis zwischen uns sowohl auf der Straße als auch sonst, hat wieder auf der ganzen Reise wunderbar geklappt. Planänderungen waren immer pragmatisch geprägt, wir mussten nie diskutieren. Auch wenn wir sehr wohl kontrovers über verschiedene gesellschafts- politische Themen diskutiert haben. Die Maschinen haben wunderbar funktioniert, auch wenn die GS Öl und mehr Sprit gebraucht hat.
Nun muss ich noch ein Loblied für den Conti Trail Attac singen. Dieser Reifen steht auf der Straße dem Road Attac in nichts nach, verschmutzte Fahrbahnen und Nässe lässt er nicht wirklich spüren, im trockenen Schotter ist er dem K 60 ebenbürtig, hat eine sehr gute Eigendämpfung, auch wenn er nicht so aussieht. Der Hinterreifen neu mit 7mm Profil hat nach der Reise immer noch 4mm. Schade, dass es diesen Reifen nicht in den W-Größen gibt.
Wir sind beide dem Schicksal dankbar, dass wir diese Reise so unbeschadet und glücklich unternehmen durften. Auch die Allerliebsten waren für lange Zeit alleingelassen. Danke, dass Ihr uns diese Freiheit gegeben habt.
Auch von mir DANKE! für den Bericht. Klasse! Ich hab ihn allerdings viel zu schnell überflogen. Morgen nehme ich mir noch mal die Zeit, die Bilder richtig auf mich wirken zu lassen.
Lieber Ahmet, da habt ihr ja eine tolle Reise gemacht. Da bin ich gleich ganz neidisch geworden! Schöne Fotos sind dir auch gelungen und es war eine Freude, deinen Bericht zu lesen.
Ich finde u.a. die Grab Stelen (Seldschuken-Friedhof) interessant u. echte Kunstwerke. Müssen wohl wichtige Persönlichkeiten der Zeitgeschichte gewesen sein.
Zitat von Wambo im Beitrag #14es freut mich sehr, dass der Bericht Euch gefallen hat.
Und ob! Deinen Bericht werde ich mir sicher noch öfter anschauen, Ahmed. Da werden wieder Erinnerungen wach, auch wenn es über 50 Jahre her ist. Vor allem beim Anblick eurer abendlichen Speisen hätte ich sehr gern mit zugelangt. Ich liebe die türkische Küche.