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Dieses Thema hat 11 Antworten
und wurde 641 mal aufgerufen
 Reiseberichte / Motorradgeschichten
jackson Offline




Beiträge: 43

22.06.2014 18:48
Reisebericht Südfrankreich 1983 Antworten

Im Sommer 83 machte das Erdkundeseminar Siegen eine Exkursio nach Südfrankreich. Zwei Freunde, die dieses Seminar nicht besuchten, und ich schmiedeten einen Plan: Einer sollte mein Motorrad ( eine MZ 250 TS) nach Südfrankreich überführen, der andere ihn auf seiner SR250 begleiten, und während der Lotse im Bus zurück nach Siegen fahren sollte, wollten Nick, der Fahrer der SR, und ich die Tour fortsetzen.
Und so wartete ich in Arles auf meine beiden Kumpels. Eines Abends war es dann soweit, ich hörte wohlbekannte Motorengeräusche, und richtig, da waren sie, sie hatten es geschafft. Aber wie sah Nick aus! In Italien gab es noch keine Helmpflicht, also hatte er sich den Helm bei strahlendstem Sonnenschein vom Kopf gerissen. Der Fahrtwind kühlte angenehm und vertuschte das böse Werk der Sonne. Ein knallrotes, völlig verbranntes Gesicht, Fetzen von Hornhaut hingen überall. Und wie sah mein schönes Motorrad aus! Der Lampenschirm verbeult, statt Scheinwerferglas getaptes Plastik.
Der relativ unerfahrene Olaf hatte versucht, mit dem alten Hasen Nick mitzuhalten, der ein Ganzjahresfahrer war und dementsprechend in den Alpen Gas gab. Auch bei Regen. Eine Kurve schaffte Olaf dann nicht mehr, nahm ein Verkehrsschild mit, krachte auf die Straße.
(die Story geht noch weiter. Wird fortgesetzt, falls Interesse vorhanden ist)

jackson Offline




Beiträge: 43

23.06.2014 14:13
#2 RE: Reisebericht Südfrankreich 1983 Antworten

2. Teil des Reiseberichts
Da Olaf nichts passiert war und die MZ so weit fahrtüchtig, forderte Nick ihn auf, sofort aufzusteigen und weiterzufahren. "Alter, sonst fährst du nie mehr!" Olaf befolgte den Rat und man landete schließlich irgendwo in Norditalien. Freund Nick, der damals sein Geld lieber für Dinge ausgab, die sich dann in Rauch auflösen (näher möchte ich darauf nicht eingehen), suchte nach einer günstigen Übernachtungsmöglichkeit und fand auch eine, auf einem Parkplatz für LKW's. Es regnete immer noch, und der Fahrer eines Autotransporters lud die beiden dazu ein, in einem seiner Huckepack-Autos zu übernachten. Man trank gemeinsam mehrere Liter guten Weines und erweiterte sein Bewusstsein, bis die beiden Freunde in einen komatösen Schlaf fielen. Sehr verkatert wurde man nächsten Tag durch Grumpel und Lärm geweckt - der LKW hatte seine Gäste vergessen und war einfach losgefahren.
Wie die beiden Helden auf sich aufmerksam machten und zurück zu ihren Motorrädern kamen, kriege ich jetzt nicht mehr zusammen. Ist ja schließlich schon ein bisschen her.
Jedenfalls waren sie jetzt erst mal in Arles, der Deal mit dem Prof wurde gemacht, für mich ging die Tour jetzt richtig los. Aufgrund der Geldknappheit fuhren wir zunächst nach St Marie de la Mer, dort gab es einen kostenlosen Campingplatz: Ein Wasserhahn für ca 500 Leute, Waschen und Notdurft im Meer. Naja, wir waren jung und hatten kein Geld.
Der Sprit muss damals sehr sehr günstig gewesen sein. Ich erinnere mich an Freaks, die am Wochenende "mal eben nach Amsterdam und zurück" gefahren sind. (Auf den Zweck der Reise möchte ich ebenfalls nicht weiter eingehen).
Zwischendurch machte die olle MZ aber immer mal wieder Probleme. Sie sprang nur durch Anschieben an, kicken hatte überhaupt keinen Zweck. Diesem Problem war ich zu Hause schon nicht auf die Schliche gekommen, hier, im tiefen Frankreich, nur mit Bordwerkzeug bewaffnet, erst recht nicht. Wenn die Maschiine warm war, konnte es passieren, dass sie unvermittelt aus ging. Mediterrane Temperaturen plus Motorradklamotten an einer roten Ampel und dann der abgestorbene Motor.... Es entwickelte sich langsam, aber sicher, ein Hass auf das Teil.
Trotzdem: Wie unbeschwert und frei man doch reiste! Kein Geld auf Tasche, mit einer MZ, die scheinbar aus dem letzten Loch pfiff.... das sorgt für lebenslange Erinnerungen!
Eines Tages erzählte uns ein Mitcamper von einem weiteren "freien" Campingplatz in einem wunderschönen Flusstal
(wird fortgesetzt)

PepPatty Offline




Beiträge: 8.730

23.06.2014 21:57
#3 RE: Reisebericht Südfrankreich 1983 Antworten

Weitermachen, ließt sich herrlich!!!

...nu' aba...

jackson Offline




Beiträge: 43

24.06.2014 10:52
#4 RE: Reisebericht Südfrankreich 1983 Antworten

Gern!
Wie gesagt, jemand erzählte uns von der schönen Ardeche, einem Fluss, der sich im Laufe der Millionen in ein Gebirge eingegraben hatte und ein tiefes Tal bildete.
Doch vorher wollten wir noch einen Versuch wagen, mit dem Bordwerkzeug die MZ zu etwas mehr Zuverlässigkeit zu bewegen. Also machten Stion in Arles, nahmen zum x-ten Mal den Vergaser auseinander und ich besorgte einen neuen Kerzenstecker. Denn schon in Siegen hatte ich die Erfahrung gemacht, dass ein neuer Stecker wenigstens ein bisschen mehr Zuverlässigkeit brachte. "Noch nie gehört von einer Maschine, die Kerzenstecker frisst" war der Kommentar von Nick. (Gerade DAS hätte mir zu Denken geben müssen. Tat es aber nicht. Aus heutiger Sicht würde ich sagen: zu viel Nebel)
Nie werde ich die Strecke vergessen von St Martin zu unserem Campingplatz Camps du Grottes! Rechts das Gebirge, links das Flusstal, vor uns die kurvenreiche Straße, über uns der Sommer und die Freiheit. Ein bisschen Kopfschmerzen machte mir dann die unbefestigte Straße ins Tal zum Campingplatz, denn die musste ich ja irgendwann zurück und dabei das gute Stück anschieben. Aber jetzt waren wir erst mal da, bezogen eine Grotte - eine simple, aber klimatisch hervorragende Aushöhlung des Felsens, mit Blick auf den Fluss. Jede Menge nette Leute, hübsche Mädchen (oh! An dieser Stelle könnte ich einen Exkurs machen, müsste dann aber ins Beate-Uhse Forum wechseln. Das soll nicht nach Angeben klingen, im Gegenteil, so viel sei verraten - es war eher peinlich!), jede Menge Wein und Rauch. Wir verbrachten unsere Tage mit baden, gammeln, trinken, rauchen - aber auch mit Durchfall und Kotzeritis. Gerade Letzteres ist gar nicht schön, morgens um 6 Uhr, in einem Flusstal. Da wird einem von seinem eigenen Echo schlecht, und am Morgen ist man allgemeines Gesprächsthema "Mein Gott, habt ihr das gehört heute Morgen.....")
Aber irgendwann war auch diese schöne Zeit vorbei. Über die Schweiz sollte es Richtung Heimat gehen, weil Nick in Zürich noch eine Bekannte besuchen wollte. Das Anschieben der schweren, gepäckbeladenen Maschine erinnere ich nicht mehr als Problem, aber mittlerweile war ich auch "Anschiebeprofi" Nun, ganz bis nach Zürich schafften wir es nicht. Wir campierten auf einem einsamen Feld, irgendwo an einer kleineren Landstraße. Eine Flasche französischen Landrose' hatten wir noch dabei, den tranken wir und fühlten uns wie dereinst Dennis Hopper und Peter Fonda.
Am nächsten Morgen frühstückten wir in einem einfachen Landgasthof und fuhren durch bis Zürich. Leider ließ das Absterben des Motors an roten Ampeln nicht nach, was zunehmend Nerven und Kraft kostete.
(wird fortgestzt mit dem letzten Teil, in dem das Rätsel um die kranke MZ gelöst wird)

DerMatze Offline




Beiträge: 261

24.06.2014 12:52
#5 RE: Reisebericht Südfrankreich 1983 Antworten

Grüße Matthias

Wir irren allesamt, nur jeder irrt anders.

jackson Offline




Beiträge: 43

25.06.2014 17:44
#6 letzter Teil Reisebericht Südfrankreich 1983 Antworten

Nach ein paar Tagen in Zürich nahm ich Abschied in Richtung Siegen und trat den Heimweg alleine an. An größere Schwierigkeiten mit meinem Motorrad kann ich mich nicht mehr erinnern, wenn die MZ erst mal lief und auf der Autobahn war, dann schnurrte die auch durch. (Sowieso faszinierend: Solche Strecken mit maximal 120 auf der Autobahn hat man früher auf der linken A.-backe abgesessen....)
Einiges hatte ich in Siegen noch an der Uni zu erledigen, dann wollte ich nach Hause (Sylt), um meinen Sommerjob als Taxifahrer anzutreten. Am nächsten Morgen startete ich also Richtung Uni (ich wohnte damals in Betzdorf, ca 20km von Siegen entfernt), und kurz vor der Uni ging gar nichts mehr. Ampel rot - Motor aus - tot. Da half kein Bitten und kein Betteln, kein xxxtes Reinigen des Vergasers, auch ein neuer Kerzenstecker zog nicht mehr. Zu Fuß machte ich mich auf zu einem Schrottplatz, eine 6V Zündspule aus einem alten Käfer ausbauen. Das war meine letzte Hoffnung. Die ließ sich Anfang der 80er auch noch realtiv leicht finden, also ausgebaut und wieder in die MZ eingebaut - und tatsächlich! Das wars! Sprang an, jetzt sogar mit Kick, welch ein Glück, also ab zur Uni.
Hier erledigte ich meine Sachen, ich freute mich schon auf die Heimfahrt, schwang mich auf mein Motorrad, wollte kicken - und knacks- Durch die zahlreichen vergeblichen und daher kräftigen Antretversuche im Laufe des Sommers war die Feder am Kickstarter gebrochen. Jetzt hatte ich endgültig die Schnauze voll von dieser MZ. Den ganzen Sommer schon hatte mich die Kiste genervt, jede Menge Schweiß und Nerven hatte sie mich gekostet.
Die Uni hatte vor der Mensa ein größeres Foyer, in dem immer irgendwelche Leute waren. Dort stellte ich mich hin und brüllte:" Motorrad für ne Fahrkarte nach Westerland zu verschenken"
Es fand sich tatsächlich jemand, der mir eine Fahrkarte dafür gab.
Jahre später sah ich sie noch einmal, am Canyon, damals ein beliebter Bagger- bzw Badesee bei Herdorf. Sie war neu lackiert - hatte aber immer noch die Bosch-Zündspule an der Seite.

PepPatty Offline




Beiträge: 8.730

25.06.2014 19:33
#7 RE: letzter Teil Reisebericht Südfrankreich 1983 Antworten

Super Geschichte!!!
Höchst amüsant erzählt!!!
Danke schön!!

Haste noch mehr davon???

...nu' aba...

Falcone Online




Beiträge: 113.628

25.06.2014 19:43
#8 RE: letzter Teil Reisebericht Südfrankreich 1983 Antworten

Feine Geschichte - und immer wieder toll, wie unbedarft man mit irgendwelchen alten Kisten früher einfach losgefahren ist. Und man kam wieder nach Hause. Irgendwie.
Und heute geht nix mehr ohne ADAC, Handy, Netz und doppelten Boden.

Grüße
Falcone

PepPatty Offline




Beiträge: 8.730

25.06.2014 19:47
#9 RE: letzter Teil Reisebericht Südfrankreich 1983 Antworten

Das stimmt Falcone, leider, wenn so viel Sicherheitsmöglichkeiten da sind, traut man sich nix mehr zu.
Oder wir werden alt!

Waswirjaauchwollen,denndieAlternativeistjaauchnichtschön....

...nu' aba...

Falcone Online




Beiträge: 113.628

25.06.2014 19:53
#10 RE: letzter Teil Reisebericht Südfrankreich 1983 Antworten

Es ist schon komisch. Ich könnte ja auch einfach mit einem Oldtimer losfahren. Im Gegensatz zu früher hätte ich sogar die Erfahrungen, mir selbst helfen zu können. Aber was mache ich? Ich denk, och nö, wenn die Kiste kaputt geht, den Nerv will ich nicht haben - und setze mich lieber auf die W. Warum ist das so? Einfach deswegen, weil man es wirklich schon erlebt und damit durch hat? Ich zumindest.
Ein Bekannter von mir kam erst relativ spät zum Motorradfahren und zu Oldtimern. Und macht heute mit seiner Vorkriegs-Ariel große Reisen. Er genießt es.

Grüße
Falcone

PepPatty Offline




Beiträge: 8.730

25.06.2014 20:30
#11 RE: letzter Teil Reisebericht Südfrankreich 1983 Antworten

Großartig!!
Da beneide ich ihn richtig drum...
Sowas würde ich wohl auch machen wollen, wenn ja wenn was eigentlich???
Zu Feige im Alter geworden??
Zu Träge?
Mal sehen, wie wir so drauf sind, wenn wir endlich Zeit haben...

...nu' aba...

W-iedehopf Offline




Beiträge: 8.099

25.06.2014 20:50
#12 RE: letzter Teil Reisebericht Südfrankreich 1983 Antworten

Im verklärten Rückblick hört sich das immer ganz toll an, aber irgendeinen Grund hat das schon
weswegen man das heute sooo nicht mehr macht.

Tolle Geschichte! Das waren die Typen die man immer haben wollte, bei denen man aber nie eine Chance hatte.

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