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Falcone Offline




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07.01.2013 11:57
Ungewöhnlicher Motorschaden: Ventilabriss Antworten

Ungewöhnlicher Motorschaden W650: Ventilabriss

Im August 2012 hatte Forumsmitglied Chris einen Schaden an einer etwa 11.000 km alten W, Modell 2001, kurz nachdem er eine Inspektion in einer Werkstatt hat machen lassen.
Chris schrieb damals:
"Hallo W-Ler,
ich könnte heulen - seit Sonntagnacht steht meine W in der Werkstatt mit Motorschaden (ich weiß, wie unglaublich das klingt). Und das mit 11tausend auf der Uhr (davon 500 mit mir).
Was passiert ist - bin schön mit meiner Freundin auf der Bundesstraße unterwegs, auf einmal gibt es ein schnarrendes Geräusch von vorne. Es klang, als ob ich einen Ast in die Speichen bekommen habe. Also anhalten (dabei ging sie aus) und nachschauen. Nix in den Speichen, kopfschüttel, wieder drauf, Knöpfchen gedrückt - ein kurzes Rülpsen vom Anlasser, stop. Ok, nicht gut, aber wir haben ja einen Kicker dran. Nur ließ sich der kein Stückchen bewegen, war total fest."


Chris brachte das Motorrad zurück in die Werkstatt, die einen fest gegangenen Motor diagnostizierten. Später wurde in der Werkstatt der Zylinderkopf abgenommen und ein Ventilabriss beider Auslassventile des linken Zylinders festgestellt.
Einen Zusammenhang mit der zuvor erfolgten Inspektion wollte die Werkstatt nicht erkennen und vermutete einen Materialfehler bei einem Auslassventil.
Die Kosten der angebotenen Reparatur erschienen Chris unrentabel.
Über das Forum bekam Chris einen Austauschmotor aus dem gleichen Baujahr mit nahezu identischer Laufleistung angeboten und der Motor wurde bei mir ausgetauscht.
Im darauffolgenden Winter sah ich mir den Motor mal an, in der Hoffnung, den Schadenshergang analysieren zu können:


Schon Beim Blick in den Einlass des linken Zylinders sah es nicht gut aus


Im Auslass konnte man schon die unnormale Stellung des Ventilschaftes sehen.

Der Versuch, die linke Zündkerze herauszudrehen, scheiterte auch.

Also als nächstes den Ventildeckel abnehmen.
Auf den ersten Blick ist (fast) keine Anormalität zu sehen:


von oben


von hinten


von vorne


Auch nach Abnehmen der Kipphebelbrücke sieht noch alles normal aus:





Zustand der Nockenwelle einwandfrei, keine Fressspuren oder sonstige Hinweise, die auf Ölmangel hindeuten
Steuerzeiten stimmen.

Am rechten Auslassventil des linken Zylinders fehlt der Shim.

Alle Buchsen sind an ihrem Platz.

Nach dem herausheben der Nockenwelle sieht man in der Ölablaufbohrung einen O-Ring stecken:

Ich hole ihn mit einer Zange heraus. Er ist unbeschädigt:



Auch an der Kipphebelbrücke und vor allem an den Auslass-Kipphebeln des linken Zylinders sind keine Schäden zu entdecken:



Die Feder des rechten Auslassventils am linken Zylinder kann ich einfach abnehmen. Die beiden Keile fehlen ebenso wie der Shim und liegen auch nicht im Kopf.



Ich nehme also als nächstes den Kopf ab.

Alle acht Bolzen sind nur handfest. Also hat die Werkstatt den Kopf schon mal herunter genommen oder zumindest angehoben um nach dem Schaden zu sehen.

So sieht der Brennraum des linken Zylinders aus:





Man kann auch erkennen, warum sich die Kerze nicht mehr herausdrehen lässt.

Und nun der dazu passende Kolben:



Der eine im Kolbenboden steckende Ventilteller lässt sich herausnehmen, der andere ist nicht mehr da. Entweder hat ihn die Werkstatt schon herausgefischt oder er hat sich durch das Loch nach unten ins Kurbelgehäuse verdünnisiert.

Ich ziehe die Zylinder ab. Der Kolben sieht schon arg bemitleidenswert aus. Ich denke, man sollte ihn nicht weiterverwenden.
Der dazugehörige Zylinder weist keine Beschädigungen auf, nicht mal eine kleine Schramme.






Inwieweit das obere Pleuelauge etwas abbekommen hat, kann ich noch nicht sagen. Die Kolben habe ich noch nicht abgenommen.

Im Kurbelhaus liegen allerlei kleine und auch große Metallstücke.



Die Magnetprobe ergibt, es ist alles Aluminium, also Kolbenreste.

Nach dem Abnehmen des Ölfallrohres (Rücklaufrohr) sehe ich im Kurbelgehäuse weiter O-Ring-Reste:



Diese Reste sind ziemlich zerquetscht und zerrissen. Zwar etwas merkwürdig, aber ein Zusammenhang mit dem Ventilabriss lässt sich daraus nicht ableiten, es ist sicher eine unachtsames Zusammenstecken nach dem Abnehmen des Kopfes die Ursache.



Auf einem Absatz im Kurbelgehäuse liegt zudem noch ein Stück einer Feder aus sehr dünnem Draht, deren Herkunft ich mir auch nicht erklären kann:



Bis jetzt gibt es keine eindeutige Erklärung für den Schadenshergang.
Vielleicht finden sich ja in der Ölwanne noch Teile, die einen Hinweis geben können.

Dazu habe ich den Motor erst mal hochkant gestellt. Ganz wichtig dabei: Rückseite nach unten!



Die Wanne saß recht fest. Ich habe sie mit einem leichten Gummihammerschlag gelöst. Dabei hörte ich es im Inneren schon klackern. Leider sind dadurch als noch ein paar Teile nach hinten (unten) gefallen. Deswegen Rückseite nach unten, da findet man sie nämlich am ehesten wieder.


Blick von unten in den Motor.

In der Wanne sah es auch etwas "unaufgeräumt" aus:



Nach dem Herausnehmen des Geräuschdämm-Einsatzes konnte ich die Materialreste schon besser begutachten:



Weder ein Shim noch ein Ventilkeil ist sichtbar. Die Magnetprobe erbrachte zudem: Alles nicht magnetisch.

Also Motor wieder in seinen Ständer stellen und den Deckel von der Kickstarterwelle abnehmen.


Kickstarterwellendeckel auf der Rückseite des Motors.

Dabei Achtung! In dem Deckel ist die Kickstarterwelle gelagert. Man kann ihn also nicht einfach abnehmen. Nach dem Lösen der Schrauben, wobei die beiden Schrauben mit dem 10er Kopf spezielle Passschrauben sind, muss der Deckel mit einem leichten Gummihammerschlag von rechts seitlich gelöst werden und dann auf der Dichtfläche nach links verschoben werden. Nur so kann man ihn von der Kickstarterwelle herunterschieben. Dabei auf die Distanzscheibe achten! Hebelt man am Deckel, macht man ihn kaputt. Also eine Falle für einen Schrauber, der das nicht weiß.


Gelösten Deckel seitlich nach links wegschieben und ...


... abnehmen. Am Deckel ist die ...


Distanzscheibe kleben geblieben. Abnehmen und wieder an ihren Platz auf der Kickstarterwelle schieben.


Unterhalb der Welle warten schon der vermisste zweite Ventilteller und ein paar Kolbenstücke, aber leider weder ein Shim noch die Keile.

Die weitere Suche in den Winkeln hat auch nichts ergeben.
Wir müssen also davon ausgehen, dass die Werkstatt Keile und Shim herausgenommen hat. Warum auch immer.
Eine eindeutige Herleitung des Schadens ist meines Erachtens also nicht machbar.

Hier noch mal ein Foto der "Beute", der Inhalt der Ölwanne:



Wegen des fehlenden Shims habe ich mir den Ventilfederteller noch mal angesehen und unter der Lupe lässt sich feststellen, dass es kleine "Einschlagspuren" am Rande des Shim-Sitzes im Ventilteller gibt. Im Vergleich zu anderen Tellern gibt es dort diese Spuren nicht. Da es wie kleine eingeschlagene Ecken aussieht, ist es denkbar, ja sogar ziemlich wahrscheinlich, dass da der Kipphebel auf den Teller drauf geschlagen hat, also der Shim nicht in seinem Sitz war.
Hier noch mal eine Detailaufnahme des Ventilfedertellers, der ohne Shim und Keile vorgefunden wurde:



Es kommt zwar nur mäßig rüber. Trotzdem kann man an den roten Pfeilspitzen erkennen, dass da Beschädigungen sind.

Von Ulf kommt hierzu eine schlüssige Interpretation möglicher Ursachen, eine eindeutige und zweifelsfreie Ursache des Schadens lässt sich nicht rekonstruieren:

„Die zeitliche Nähe zwischen Inspektion und Motorschaden lässt natürlich vermuten, dass hier ein Zusammenhang besteht.
Wirklich sicher ist das aber nicht.

Wenn die Werkstatt einen Shim vergessen hätte, müsste man schon fast taub sein, um das Geklapper nicht zu hören, und das Ventil hätte sich nach ein paar Umdrehungen verabschiedet. Damit wärst du mit Sicherheit nicht mal vom Hof gekommen.

Ein extrem enges Spiel könnte schon eher zu dem Schaden geführt haben. Das Ventil überhitzt irgendwann und bleibt in der Führung stecken. Dann kloppt die Nockenwelle erst den Shim raus und sofort danach die Keile.

Der von der Werkstatt vermutete Tellerabriss wegen eines Material- oder Herstellungsfehlers: Der Ventilschaft bleibt intakt und es gäbe keinen Grund, warum Keile und Shim sich verabschieden sollten. Das wäre dann mit Null Spiel einfach weitergelaufen - es sei denn, der abgerissene Teller hätte es geschafft, den Ventilschaft zu treffen und so zu verbiegen, dass er stecken bleibt. Nicht unmöglich.

Der Mechaniker hat beim Einstellen den Motor ohne Shim oder mit danebenliegendem Kipphebel durchgedreht und einer der zwei Keile ist rausgesprungen: Der verbleibende Keil hält das Ventil noch. Allerdings nicht lange und ganz sicher nicht bei höheren Drehzahlen. Dann verabschiedet sich auch der verbleibende Keil und das Ventil fällt in den Brennraum. Auch der Shim hat keinen Halt mehr. Der Kipphebel haut noch kurz auf dem Federteller rum, bevor der Motor stehen bleibt. Könnte auch passen.

Und es gibt bestimmt noch ein paar Möglichkeiten.
Interessant wäre es gewesen, den Motor direkt nach dem Schaden auseinanderzunehmen.“

Wäre abschließend noch zu bemerken, dass in der ganzen Zeit des Bestehens des Forums meines Wissens nur zwei Ventilabrisse bekannt geworden sind. Der eine trat als direkte Folge auf ein Überdrehen des Motors auf und der andere ist hier beschrieben.
Ventilabrisse sind also als ein für die W völlig unüblicher Schaden einzustufen.

Grüße
Falcone

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