Der Peter hatte dann irgendwann die Schnauze voll vom Anfertigen feinster Kopfdichtungen für die Konsul, und erschien nach den Wintersemesterferien mit einer beinahe neuen R75/5. Zwar übertrumpfte er damit mich und meine 600er, aber beim Peter bin ich mir sicher, daß ihm das wurscht war. Und weil wir beide im Vorjahr die große Spanien-Expedition mangels fahrbereiter Moppeds strafweise im Ford P5 (mein Vater hatte ihn uns geliehen und dafür Peters 1950er VW Käfer als Geisel behalten) mitgemacht hatten, mußten wir das nachholen. Pläne schmieden war eine unserer leichtesten Übungen, und wie's der Brauch war, machten wir uns pünktlich zu Beginn der Regenzeit im September auf den langen Weg. Wir hatten für alle Zufälle vorgesorgt, zum Beispiel hatte der Peter (leidgeprüft von der Konsul) darauf bestanden, den großen gußstählernen Spezialschlüssel für die Auspuff-Sternmuttern (22 mkp Anzugsmoment) mitzunehmen, und auch sonst hatten wir allerhand Handwerkszeug im Gepäck. Dafür durfte ich dann auch das große Schiansky-Stativ für die Rolleiflex mitnehmen, die - natürlich - mit Vericolor Professional geladen war. Wer weiß, wozu man's braucht.
9.9.1974 Schon auf der Oberbeurer Steige ließ ich mit dem ungewohnt schwerbeladenen Boxer in einer etwas zu forsch angegangenen Rechtskurve eine Handvoll Chromflitterchen und Schleifspäne vom Zylinderschutzbügel auf der Straße (Ich machte mir eine geistige Notiz: Höherlegen). Wenig später fing's dann auch an, zu regnen. Aber was letztes Jahr mit der überladenen, vollbesetzten Dose Mühsal und Plage gewesen war, das schien jetzt trotz Dreckswetter und nassen Stiefeln wie ein Traum unter uns wegzufliegen. Am ersten Tag schafften wir's mit einer Kombination aus Regen, Tunnelblick und Autobahn aber trotzdem nicht weiter als bis Aix-les-bains. Der nächste Tag muß es bringen.
10.9.1974 Keine Autobahn mehr für uns, wir schlängelten uns durch das Département Ardèche mit seinen schmalen, kurvenreichen Alleen, der Regen war am Morgen weg gewesen, und nicht nur wir waren übermütig. Es war das erste und wohl auch das letzte Mal in meinem Leben, daß ich Zeuge wurde, wie ein Citroën 2CV in einer zu flott gefahrenen Kurve umkippte. Ja, die Gegend. Morgens mußten wir sie noch siezen, das Fahren war Arbeit und wir mußten uns in Gefahr begeben, nachmittags waren wir schon per Du mit dem Land, allerdings so, wie mit einem älteren, väterlichen Freund. Wir sahen auch, wie hierzulande Häuser abgerissen werden: läßte einfach mal 'n dicken Holztransporter durchs Dorf rattern, der nimmt dann schon mal ganz unentgeltlich ne Dachrinne mit. Beim letzten Pinkelstop sah ich eine lockere Mutter am Methusalix. Ist ja nicht so schlimm, da sind ja so viele dran... aber es gibt nur eine Vorderachsmutter. Mit dem letzten Büchsenlicht bauten wir unser Zelt auf einem beinahe völlig verlassenen Campingplatz in Mende auf. Es war schon richtig neblig kalt, und wir behielten unsere Lederkombis zum Schlafen an. Meine war ja schon ein Jahr alt und gut von Harr-Lederfett und Schweiß geschmeidig geworden, aber Peters war nagelneu, und sie knarzte. Die ganze Nacht. Am Morgen konnten wir auch sehen, warum es so kalt gewesen war: Das Zelt stand in einer flachen Senke im Schatten eines ziemlich steilen Hügels, und dort schien Mitte September den ganzen Tag keine Sonne hin: Kaltluft-See. Da wandten sich die Gäste mit Schaudern und sahen, daß sie möglichst schnell weiter nach Süden kamen.
11.9.1974 Einige der Autoroutes, die heute die Dosenströme nach Spanien leiten, gab es 1974 noch gar nicht, namentlich die große Ost-West-Verbindung zwischen Montpellier und Toulouse, und so fuhren wir auf der alten, kurvenreichen Route Nationale 113 durch die Ebene nördlich der Pyrenäen. Beim Tanken guckte ich mal nach dem Luftdruck, der Preßluftschlauch zischte, Staub flog auf, und bei jeder Messung wurde's weniger. Das Verfallsdatum der antiken Armatur war schon lange abgelaufen, und ich war sehr dankbar, daß Methusalix unter der Sitzbank eine kleine Luftpumpe im Klemmhalter hatte (ein nützliches Serienzubehör, das BMW aber schon bei der /6 wegließ). Auch das Geldwechseln gestaltete sich ländlich-sittlich: Peter machte in Albi einen 50-DM-Reisescheck flüssig, der Banker lernte erst mal den Reisepaß auswendig, schlug dann den Tageskurs in der Zeitung nach und wollte anschließend rund 800 Nouveaux Francs auszahlen. Wenn's ihm die Putzfrau nicht auf dem Rand der Zeitung vorgerechnet hätte, wäre unser Urlaub schlagartig eine Woche länger geworden.
Alles in Allem kam man voran, aber am Abend waren wir nur bis Bagnères de Bigorre gekommen, einem verschlafenen, ehedem feinen Gascogner Badeort am Fuß des großen Grenzgebirges. Wir stellten unser Zelt mit etwas mehr Umsicht auf als gestern, und zogen dann Erkundigungen ein, wo man preiswert essen konnte. Der Platzmeister erklärte uns gerade auf Befragen, wie wir das Relais Routiers finden konnten, da mischte sich ein anderer Zeltler mit herrlichem Marseiller Akzent ein: "Ah non, Jacques, le Relais Routiers, c'est pour les camionneurs, mais les gars, ils vont manger chez Jeannette!" (Nein nein, Jakob, das Relais ist für die Brummifahrer, aber die Jungs gehen zu Jeannette essen!) Jacques zog die Stirn kraus, dann nickte er bedächtig. "Mais bien sur, Marcel, tu as raison. Oui, oui. Ils vont manger chez Jeannette." (Aber natürlich, Marcellus, Du hast Recht. Ja, ja. Sie gehen zu Jeannette.) Es stellte sich heraus, daß sie vor 20 Jahren auch kradiert hatten, sie ließen es sich nicht nehmen, telephonisch für uns einen Tisch bei Jeannette zu bestellen, und beschrieben uns den Weg dorthin.
Bis wir uns etwas fein gemacht hatten und den beschriebenen Weg gegangen waren, war es, wie Peter sagte, Kuhranzennacht (finster wie in einem Rinderbauch). An unserer Zieladresse war es ebenfalls stockfinster, wir wollten schon aufgeben, da sahen wir in einigen Souterrain-Fenstern ein mildes, einladendes Licht scheinen. Wir stiegen die wenigen Stufen hinunter, klopften an die Tür, und wurden von einer kleinen, weißhaarigen alten Dame hereingebeten. Sie lächelte zu uns langen Kerls hinauf und sagte: "Vous êtes certainement les deux garcons allemands, n'est-ce pas?" (Sie sind doch bestimmt die beiden jungen Deutschen, nicht wahr?) Jacques und Marcel hatten nicht zu viel versprochen. Wir wurden bewirtet wie zwei Fürsten, hatten das kleine Lokal ganz für uns allein, und als wir nach über zwei Stunden exquisitesten Speisens und Trinkens etwas bange nach der Rechnung fragten, forderte sie eine höchst christliche Entlohnung für die reichen Gaben, die sie uns serviert hatte. Uploaded with ImageShack.us Wohlgemerkt, es waren keine marinierten Nachtigallenzungen oder ähnlich überkandideltes Zeug gewesen, sondern bürgerliche Kost, aber von einer bestürzenden Perfektion, wie ich sie nur ganz selten erlebt habe. Wir verabschiedeten uns artig, und fanden trotz der unbeleuchteten Straßen und des guten Rotweins den Zeltplatz wieder. Diesmal knarzte nichts, und wir machten uns am Morgen wunderbar ausgeruht auf den Weg übers Gebirg.
12.9.1974 Wir hatten uns einiges vorgenommen: diverse Pässe, den Cirque de Gavarnie und den Cirque de Troumouse. Der Gavarnie war ein bissel enttäuschend, wir mußten unsere Moppeds gegen Maulesel eintauschen (oder hätten in der Hitze zu Fuß gehen müssen), und das versprochene Naturschauspiel der 1000 Wasserfälle war jetzt im Spätsommer mangels Schmelzwasser auf ein knappes Dutzend abgewertet worden. Uploaded with ImageShack.us
Für den Troumouse hatte der Reiseführer keine Sensation versprochen, und das atemberaubende Panorama war dementsprechend auch keine Enttäuschung, zumal wir dort bis fast ganz hinauf fahren konnten. Wir waren allerdings nicht die einzigen, die sich in den katalanischen Pyrenäen herumtrieben, und die schmale Höhenstraße zum Col du Pourtalet war verstopft mit einer Flut von 2CV, R4 und anderen beliebten französischen Kleinautos, meist voll besetzt und vollgestopft mit Reisezubehör. Einige Zeit fuhren wir in der Schlange hinter einem R4, auf dessen Rücksitzbank ein völlig durchgeknallter kleiner Köter herumtobte, aus Leibeskräften kläffte und die Zähne fletschte. Dann hopste er plötzlich zum offenstehenden Seitenfenster heraus, ganz offensichtlich in der Absicht, uns böse Biker in die Wadeln oder Reifen oder sonst was zu beißen. Dummerweise hatte ihn sein Herrchen allerdings im Auto angeleint, und aus der Attacke wurde ein mißglückter Bungee-Sprung, am Halse aufgehängt. Das wütende Gekläff verwandelte sich abrupt in ein todesängstliches Jaulen und Japsen, der dumme Hund baumelte an seiner Galgenleine gefährlich nahe am Hinterrad der Dose, und wir zwei Objekte seiner Wut stiegen lichterloh in die Bremsen, denn der Herr des doofen Tieres würde das auch gleich tun. Er tat es. Der Sauköter hatte es überlebt. Na, vielleicht beim nächsten Mal.
Nach dieser kurzweiligen Etappe verlief die Weiterfahrt vergleichsweise öde. Das heißt, man soll den Tag nicht vor dem Abend öde nennen, denn auf den letzten Metern, beim Einbiegen in die Zufahrt vom Campingplatz in Biescas, fand ich mit dem Vorderrad eine leichtfertig herumliegende Schaufelvoll Splitt, und legte mich mit etwa 20 km/h auf die linke Seite. Die Sturzbügel taten ihren Job, der Gelbe erlitt keinen Kratzer, nur mein Selbstvertrauen war etwas eingedellt. Der Peter, der hinter mir zugeschaut hatte, wie das Rad und ich - in der falschen Reihenfolge - zum Stillstand gekommen waren, fragte mich nachher: "Hascht Du des trainiert?" - "Nee, wieso?" - "Du bischt wie der Blitz aufg'schprungen, hascht den Zündschlüssel ab'zogen und die Benzinhähne zug'macht, so schnell hascht Du Dich noch nie bewegt." Stimmt, aber mein Großhirn war da nicht beteiligt gewesen... Der Auspuffmutternschlüssel leistete uns in seiner Rolle als Schlegel zum Einhämmern der Häringe in den harten Boden gute Dienste. Danach waren wir so richtig erledigt, und Waschen sowie Zähneputzen wurden ersatzlos gestrichen. Uploaded with ImageShack.us Nota Bene: Die einzige Lichtquelle für dieses Stilleben war eine Funzel 5 m oben an einem Baum, ich hab 5 Minuten belichtet. Wir waren so erledigt, daß wir uns zum Stillhalten gar keine Mühe zu geben brauchten.
13.9.1974 Am nächsten Morgen trafen wir beim Rasieren einen luxusgeilen Engländer, der uns Einblick in seine Liste mit Swimming-pool-bestückten Campingplätzen nehmen ließ. Die meisten standen nicht in meinem ADAC-Führer, und dankbar nahmen wir die auf unserer Route gelegenen in die Reiseplanung auf. Die anderen Reisevorbereitungen des Briten waren allerdings nicht so sorgfältig gewesen, denn trotz meiner Belehrung über den Umstand, daß auf dem Kontinent 220 Volt aus den Steckdosen strömen, hatte er seinen Rasierer auf 110 gestellt. Es machte "Wwwwwuup", dann verließ der magische Rauch das Gehäuse, und eine brenzlige Stille war zu vernehmen. Außer ihn erneut auf seinen Irrtum hinzuweisen, konnte ich nix mehr für ihn tun, und wir machten uns auf die Weiterfahrt nach Zaragoza, das wir am Spätnachmittag erreichten. Unter einem Baum voller reifer Feigen fanden wir ein stilvolles Nachtlager. Leider hingen die Feigen nicht nur oben, sondern lagen auch überall herum, und ich kriegte das pappige Zeug noch jahrelang nicht aus diversen Profilsohlen.
14.9.1974 Ein Tag Pause war eingeplant, denn wir wollten unsere abgefahrenen Metzeler durch neue, billige spanische Lizenz-Pirellis ersetzen. Wir fanden in einer kleinen Seitenstraße auch einen Fahrradladen, der unsere Größen auf Lager hatte, und ich konnte meine bescheidenen Sprachkenntnisse an einem Vertreter der Policia Municipal erproben, der auf dem Befahren der Einbahn-Seitenstraße in der vorgeschriebenen Richtung bestehen wollte. Als ich ihm klarmachte, daß wir relativ viel Geld in seiner Stadt ausgeben wollten, sah er von einem Bußgeld ab und schlug vor, daß wir die 100 Meter falsch herum schieben sollten. Das war mal vernünftig. Peter erstand glücklich seinen Vierzöller, und ich konnte meinen ausgelutschten Vorderreifen durch einen lebensgefährlich renngeilen Rillenreifen ersetzen. Mit Reifenmontage und einer wohlverdienten Abendmahlzeit verging der Tag in Harmonie und Zufriedenheit.
15.9.1974 Der nächste begann allerdings mit einem scheppernden Mißklang. Von Trennmitteln und vorsichtigem Einfahren neuer Reifen hatten wir noch nie was gehört, und auf dem blankpolierten, bitumenarmen Straßenbelag rutschte beim Beschleunigen aus dem Campingplatz heraus Peters Hinterrad weg, und da lag er. Ein harmloser Sturz, aber Glas, Reflektor und Chromring des Scheinwerfers waren hin. Da war guter Rat teuer, denn der Vorbesitzer hatte das Leuchtgerät der 75/5 mit dem ömmeligen Kombiinstrument gegen die piekfeinen Doppelinstrumente und den großen Flakscheinwerfer der brandneuen /6 getauscht, und den kriegten wir in Zaragoza nicht. Notdürftig mit Duct Tape geflickt, schielte Peters Licht in den staubigen Tag, und wir sahen zu, daß wir nach Madrid kamen, wo wir in der BMW-Niederlassung das Ersatzteil zu bekommen hofften. Die Niederlassung fanden wir, das Ersatzteil für das neue Modell war aber nicht auf Lager und mußte bestellt werden - das würde zwei Tage dauern. Kurzer Kriegsrat, dann hatten wir die Lösung: Wir würden die zwei Tage in Toledo verbringen (dort hofften wir, feine Stahlwaren erwerben zu können), und Peter würde am dritten Tag zurück nach Madrid fahren und seine magische Laterne abholen.
16.9.1974 Toledo hatte natürlich einen Zeltplatz mit Pool vorzuweisen, und der war auch sonst geeignet, dort ein paar Tage dem süßen Nichtstun zu frönen. Toledo selber ist aber unbedingt sehenswert, vom abgedroschensten heroischen Schmonzes im Alcazar über die El-Greco-Originale im Stadtmuseum zu den exquisiten gotischen Klosterbauten: Uploaded with ImageShack.us Fast 1000 Jahre einträglicher Rüstungsindustrie gehen eben nicht spurlos an einer Stadt vorüber. Kurios: In den Kasematten des Alcazar stehen zwei am Boden festgeschraubte Uralt-Harleys, die per Flachriemen von der nackten Hinterradfelge den Antrieb für eine Getreidemühle und einen Stromgenerator lieferten, als während des Bürgerkriegs die Kämpfer der Frente Popular die im Alcazar verschanzten Falangisten aushungern wollten. Mit dem Erwerb der feinen Stahlwaren war es allerdings nix, denn es gab minderwertiges Zeug, das wir hätten bezahlen können, und traumhaft schöne und harte Schwerter, von denen ein einziges unsere gesamte Reisekasse abgeräumt hätte. Auch der von mir anvisierte Panzerhandschuh mußte gestrichen werden, da der legendäre Mauren-Ur-Ur-Urenkel in Guadamur seine Schmiede dicht und sich davon gemacht hatte. Wär wohl ebenfalls zu teuer gewesen… Aber in den Läden gucken und sabbern war ja kostenlos, und das vom Liegestuhl am Campingplatz-Pool allabendlich gebührenfrei zu besichtigende Toledaner Blutwunder riß ja keine unziemlichen Löcher in den Etat. Uploaded with ImageShack.us
Wenigstens kriegte der Peter pünktlich seine Lampe, und wir konnten endlich gen Andalusien weiterziehen. Die sonnendurchflutete Extremadura und La Mancha, der Schauplatz der Don Quijote-Saga, überschwemmten uns mit einem Kaleidoskop urspanischer Bilder, und im warmen Licht der Nachmittagssonne begrüßte uns Cordoba. Natürlich gab's einen Pool am Zeltplatz, nur das Sprungbrett federte nicht ganz so gut wie ein Betonklotz. Das Abendessen kauften wir bei einem Zug durch das benachbarte Wohnviertel in etwa einem Dutzend kleiner Stehimbisse (daß man das "tapas" nennt, kriegten wir damals nicht mit). Auch nicht schlecht.
-- no se vaya, él continuará después de la interrupción
Weitermachen! Schööön zu lesen! Da bin ich im Geiste mit euch unterwegs. Auf 4 Rädern erlebt man nur einen Bruchteil - leider! Da ist das Ziel meist wichtiger als der Weg ...
18.9.1974 Außer der Mezquita gibt es zwar in Cordoba nicht viel zu sehen, aber wir hatten eh nur Augen für den sagenhaften steinernen Orangenhain in der großen Moschee. Die Rollei auf dem stabilen Stativ spielte hier Ihre Stärken aus, und ich bin stolz darauf, die Essenz des architektonischen Kleinods trotz der von Karl V. angeordneten Verwüstungen eingefangen zu haben. Uploaded with ImageShack.us Uploaded with ImageShack.us
Auf dem Campingplatz (mit Pool) vernahmen wir von einem Würzburger eine gar seltsame Kunde: In Elche säße ein Österreicher, der jeden Sommer nix weiter täte, als bei einheimischen Handwerkern hochwertige Möbel in Auftrag zu geben, und im Spätherbst das Ergebnis seiner Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in seinen Wohnwagen stopfte, um im darauf folgenden Frühjahr mit leerem Stauraum wiederzukommen. Der kenne sich auch in Elche aus und könne uns Tips geben. Na, man hat schon merkwürdigere Dinge gehört. Immerhin konnten wir bei einem ausgiebigen Spaziergang durch die Altstadt einige Schlüssellochblicke auf wunderhübsche im maurischen Stil begrünte Innenhöfe erhaschen. Die ham scho a Kultur g'habt, die Arabär. Aber, wie gesagt, Wurzeln schlagen wollten wir auch hier nicht, und am frühen Nachmittag nahmen wir die N432 Richtung Granada unter die Räder. Andalusien ist unbeschreiblich, ganz ohne Zweifel, aber die Straßen sind es auch. Des Sängers Höflichkeit bricht ihr Schweigen erst, als wir nach einer besonders ärgerlichen, unübersichtlichen Stelle, ein kooperatives Brummi-Überholmanöver lebend überstanden, ganz, ganz vorsichtig um eine tückische Rechtskurve nudelten - da lag, wie eine grüne Laubsägearbeit eingepaßt in die verbrannten Berghänge, ein fruchtbarer Talboden: die Vega de Granada.
19.9.1974 "...no hay en la vida nada como la pena de ser ciego en Granada." (Nichts ist vergleichbar mit der Strafe, in Granada blind zu sein) schwärmte der mexikanische Dichter Francisco Alarcón de Icaza bei seinem Zug durch die europäischen Kulturstätten. Er hat ja so recht. Wer blind ist, kann sich einen Besuch Granadas sparen. Aber wir waren ja nun mal dort, und gesehen (und fotografiert) haben wir reichlich. Uploaded with ImageShack.us Uploaded with ImageShack.us (Fotos von der Alhambra gibt es ja überreichlich - aber meine sind schöner)
Da meine Reisekasse in Toledo unerwartet geschont worden war, konnte ich ungehemmt auf meinen zweiten großen Einkauf lossteuern: Eine spanische Gitarre. Zuerst folgten wir den vollmundigen Versprechungen eines geschäftstüchtigen gitano zu einer Höhle auf dem Sacromonte, wo ersterer uns eine ausgelutschte, verzogene Gurke für viel zu teuer andrehen wollte. Mein Insiderwissen widersprach sowohl dem Preis als auch dem Ort des Geschäftslokals, und mit List und Tücke entkamen wir den Klauen des Gebrauchtwarenhökers. Ein erneuter Versuch brachte uns dann in die Cuesta Gomerez, wo etwa ein Dutzend Instrumentenbauer in ihren Werkstätten saßen. Das sah doch gleich besser aus. Nach ausgiebigem Probezupfen zog ich hoch zufrieden mit einem wunderbar klingenden, bundreinen Prachtstück des Meisters Morales davon, und der Preis war auch wunderbar gewesen. Wie ich das kostbare Instrument auf dem Motorrad heimbringen würde - ? Kommt Zeit, kommt Rat...
21.9.1974 Ein Schmankerl gönnten wir uns noch, als wir keine kufischen Kalligraphien, keine maurischen Fliesen, Stukkaturen und Artesonados mehr sehen konnten: die mit 3390 Meter höchste Bergstraße Europas auf den Pico del Veleta; damals durften noch Krethi und Plethi dort hinauf, heute nur noch Wanderer, Radfahrer und Erlkönige (für die gibts die begehrte Sondergenehmigung). Über 3000 m wird die Luft für einen Simpelvergaser wie den meines gelben Boxers ganz schön dünn, Peters Gleichdruckvergaser ließen seine Maschine deutlich entspannter atmen. Trotzdem erklommen wir mühelos den Gipfel... OK, den letzten Höhenmeter mußten wir zu Fuß gehen. Uploaded with ImageShack.us Von dort oben kann man Afrika sehen, haben sie gesagt. Stimmt, aber ich glaube, aus der Nähe ist es doch noch interessanter. Ein spanischer Wanderer saß neben dem Gipfelkreuz und teilte seine kalte Tortilla mit uns. Es war nicht sein erster Dreitausender, aber wohl der leichteste. Er erzählte, daß er per Anhalter raufgekommen sei (dürfte wohl weltweit der einzige Dreitausender sein, den man per Autostop machen kann). Und daß er in der Schweiz schon mal von einem Bergwacht-Hubschrauber aus Bergnot gerettet worden war. Vor dem Bezahlen der saftigen Rechnung hatte er sich durch die geistesgegenwärtige Angabe falscher Personalien gedrückt.
21.9.1974 Es gab noch lose Enden aufzusammeln, Peter hatte Putz-und Flickstunde, ich mußte noch zur Bank, und bei Señor Morales die im Preis inbegriffenen, aber liegengelassenen Ersatzsaiten sowie eine Quittung für den Zoll holen, Ansichtskarten waren auch noch nach Hause zu schreiben, so verging die Zeit. Die Gitarre stellte mich vor eine packtechnische Herausforderung, aber nach vielem Probieren, Polstern und Tüfteln war sie endlich sicher und weich verstaut, und wir verließen die Wunderstätte Granada, obwohl wir noch nicht mal die Hälfte der Wunder gesehen hatten. Elche rief, die nächste Station auf unserem Rundkurs, und wir hatten schon die Halbzeit überschritten. Beim Abbau des Zeltes fanden wir heraus, daß der Auspuffmutternschlüssel ein genialer Häringsauszieher war, der uns bei dem felsharten Boden etliche Flüche und zerschundene Hände ersparte.
Gegen Mittag nahmen wir die lange Etappe nach Elche unter die mittlerweile gut eingefahrenen Reifen. Nach anfänglichen Gemeinheiten des Straßenbelags, nämlich Splitt, der jegliche Versenkung in die Schönheit der Landschaft verbot, rollten wir durch eine Italowesternkulisse nach der anderen. Erstaunlich, in wieviel Variationen Spanien trockene Gegend anzubieten hat. Einmal ein grellweißes Meer von Hügelchen, mit irgendwelchen vertrockneten Grasbüscheln bewachsen, dann Erdpyramiden mit Türen und Fenstern drin, gleich dahinter wieder ausgetrocknete Flüßchen, Felsen oder krümelige Staubäcker. Aber überall sieht man Anzeichen, daß dem scheinbar toten Land irgendwas abgerungen wird: inmitten einer Lehmscherbenwüste einige Haufen mühselig herausgelesener Felsbröcklein, überall kleine und kleinste Ölbaumgruppen, Zeichen einer beginnenden Wiederaufforstung, und sogar hie und da kleine, trotzige Getreidestände. Oh, das Land ist nicht tot, aber verbissen und abweisend wie die Eselreiter unter der brütenden Sonne. Was sie ausbrütete, bekamen wir hinter Murcia zu spüren: Regen! Wir sahen schon eine ganze Weile, daß wir auf trüb-bleifarben dampfiges Zeug zu fuhren, aber als dann die ersten dicken Tropfen herunterplatschten, war es doch wieder eine Überraschung. Elche empfing uns, die wir müde und schlapp ankamen, mit Camping unter Palmen und saftigen Preisen, und Peter entdeckte, daß sein Kofferträger gestorben war. Das bedeutete Zwangsaufenthalt bis Montag. Sch-sch-schweißen mußte er ihn lassen.
Zitat (dürfte wohl weltweit der einzige Dreitausender sein, den man per Autostop machen kann)
Beschränke es auf Europa
Aber, sag mal, kannst du oder konnte einer von euch jeweils französisch und spanisch? Ich bedaure immer, dass ich mangels Sprachkenntnisse nicht so viel von Land und Leuten mitbekomme, wie ich es mir wünsche.
Zitat von Falconekannst du oder konnte einer von euch jeweils französisch und spanisch?
Moi. Als Student polierte ich mein kümmerliches Schulfranzösich durch die Lektüre der damals halbjährlich erscheinenden "Asterix"-Sammelbände in der Originalsprache auf, und mein (virtuelles) Französisch-Diplom bekam ich, als ich mal bei Biarritz unter den Augen eines Polizisten eine durchgezogene Linie überfahren hatte und mich aus dem saftigen Bußgeld elegant herausparlieren konnte. Als ich dann zu den hinter der nächsten Kurve wartenden Kumpels aufschloß - die hatten schon den Hut für mich rumgehen lassen - kriegte ich spontan Beifall. Die ersparten 100 Mark haben wir dann am Abend übern Knorpel gejubelt Spanisch blieb bei meinen vielen Touren durch das heiße Land irgendwie schichtweise an mir hängen, nachdem ich als Initialzündung im Winter vor meinem ersten Ausflug dahin mal ein Anfänger-Lehrbuch halb durchgeackert hatte. Ich hab die kleine Anstrengung nie bereuen müssen.
Dieter (den sie in Spanien "hermano diccionario" nannten)
Bewundernswert. Bei mir ist bezüglich Fremdsprachen nie was Ausreichendes hängen geblieben, um zu parlieren. Ich hatte schon als Kind die liebe Not mit dem Auswendiglernen von Gedichten - und bei Vokabeln wurde es nicht besser.
22.9.1974 Nach dem Sonntagsausflug zum Schwimmen nach Santa Pola quatschte ich den Österreicher am Campingplatz an, ob er der sei, der auf seine Möbel warte. Er war der. Im weiteren Gespräch stellte sich dann heraus, daß ich den Mann vor mir hatte, der für die Verkarstung weiter Teile Spaniens verantwortlich war, denn er reiste seit Jahren durch Spanien und kaufte alles auf, was aus Holz geschnitzt, gedrechselt, gedübelt, gehobelt, gesägt oder geleimt war. Und andere Sachen kaufte er auch. A Viech halt. Er lud uns auf ein Glas vorzüglichen Rotweins ein, und wir redeten bis tief in die Nacht, wobei er alles über uns, aber wir so gut wie nichts über ihn erfuhren. Auf meine etwas spöttische Frage, was er denn mit den vielen geschnitzten Stühlen vorhätte, denn er habe ja "aa nur aan Oarsch", wie es der Papa Rupp so schön auf den Punkt gebracht hatte, lächelte er fein und schenkte mir nochmal nach.
23.9.1974 Am Montag trabten wir in der Stadt herum, machten Peters Reiseschecks zu Pesetas, kauften einen Grillrost und suchten einen kompetenten Schweißer für den Krauserträger. Nach drei Anläufen verwies man uns an - ich will ihn mal "El Sepp" nennen. Wir erklärten ihm das Malör, und daß wir zur Verstärkung Rundeisen in die gebrochenen Rohre eingesetzt haben wollten, und heißkleben, ob Schweiß- oder Löt- ... "Bien, bien," (Is ja schon gut) sagte er. Weil er kein passendes Rundmaterial fand, drehte er g'schwind eins passend (K7 schätz ich mal), und als dann beim Schweißen die eine Lasche runterfiel, weil sie gelötet war, lötete er sie (eine Freude, ihm zuzusehen) mit hochschmelzendem Lot wieder an. Wir ließen unsere Augen in der etwas geschwärzten, aber ordentlichen Werkstatt spazierengehen. Da stand eine MV Agusta zum Reparieren (ein älterer Eintopf), zerlegte Kurbelwellen lagen zwischen Ersatzpleueln in sauberen Schachteln und einer piekfeinen hydraulischen Presse, jeder Menge Spannzangen und anderem hochwertigen Zubehör für die Drehbank, eine absolut teuflische Riementransmission trieb seinen übrigen rotierenden Maschinenpark an - kurz, der Mann war bestens ausgerüstet, verstand sein Handwerk und - war maßlos freundlich. Als das große Werk vollbracht war, wurde es noch glattgeschliffen und auf dem schweißheißen Metall mit Silberbronze einbrennlackiert. Während der Arbeit plauderten wir über die Schönheiten des Landes und ob wir die Cartuja in Granada besichtigt hätten (hatten wir nicht), und dann wollte er für eine dreiviertel Stunde Arbeit und das Material 90 Peseten. 10 Pfennig die Minute. Wo krixtn das heute sonst noch? Zum Ergötzen des Österreichers bepackten wir unsere Saumtiere wieder, und machten uns a las cuatro tarde (16 Uhr) aus dem Staub, die Costa Blanca hinauf Richtung Norden.
In den Bergen landeinwärts hingen die Gewitterwolken, als wir hinter Benidorm auf der E15 Richtung Valencia dahintrödelten. Großstädte und Urlaubszentren waren ja nicht so unser Ding, und nach einem kurzen Kriegsrat und einem langen Blick auf die Karte bogen wir rechts ab nach dem unscheinbaren Kaff Moraira. Wie schon mal erwähnt, hatte ich im Erdkundeunterricht nicht gepennt, und der nicht weit landeinwärts liegende, über 700 m hohe Gebirgsstock der "Loma Larga" (breiter Rücken) war der perfekte Wetterschutz für das Städtchen. Grad recht für ein paar Tage Ausklingen am Strand. "La Cometa" hieß der Campingplatz, Pool hatte er keinen, dafür ein ganzes Mittelmeer. Unter einem Olivenbaum stellten wir das Zelt auf, und ein neugieriger Blick über den Zaun zeigte uns eine kleine Sperrmülldeponie, von der wir ein paar Einwegmöbel abgreifen konnten. Uploaded with ImageShack.us Zum Strand war's zwar ein halber Kilometer, aber nix is vollkommen. Bald hatten wir uns eingerichtet, da kam ein graumelierter Herr auf uns zu geschritten, hieß uns herzlich willkomm' (Berliner Akzent), deutete auf sein mobiles Heim (8 Meter Doppelachser hinter Diplomat 5,4 Liter), er war Dauercamper hier, besaß auch einen Weinberg, aber wohnte lieber näher am Strand. Auch er war früher viel Motorrad gefahren. Wo man was einkaufte, wußte seine Frau, und Trauben könntn wa von ihm hahm, soviel wa wolltn, und die Herrntoilette is da rechts und Trinkwassa is da links. Unds Wetta is da schön weils ne Kessellage is. Das wußt ich aba schon. Kann ja Kartnlesn. Schnell noch etwas zum Beißen aus dem nahen Supermarkt herbeigeschafft. Seit 6 Wochen hatte es hier nicht geregnet, deswegen ließen wir unseren eigenen Grill kalt und benutzten den gemauerten Grill hinterm Haus, zu dem ein richtiger Abzug und ein Feuerlöscher gehörte. "This Is The Life," dachte ich, und als wir die Knoblauchschnitzel und ein Kilo süßer Trauben mit einer nicht genau gemessenen Portion Wein runtergespült hatten, waren wir ruckzuck eingeschlafen.
-- und in der nächsten Folge erfahren Sie weitere Trivialitäten
Zitat von decetToledo selber ist aber unbedingt sehenswert, vom abgedroschensten heroischen Schmonzes im Alcazar über die El-Greco-Originale im Stadtmuseum zu den exquisiten gotischen Klosterbauten
Ja, Toledo hat mir auch tierisch gut gefallen! Ich habe dort meine ersten spanischen Sätze zusammengestammelt ... Beim Lesen deines Berichts fällt mir gerade auf, wie lange ich schon nicht mehr in der Ecke war. Eigentlich wollte ich nächstes Frühjahr nach Israel. Aber aufgrund der politisch unruhigen Lage dort, sollte ich mir das vielleicht doch noch mal überlegen und stattdessen Spanien / Portugal ins Auge fassen... ?
24/25/26/27.9.1974 Das Wasser war hell und klar, die Sonne schien. Daheim schneite's bis 800 Meter. Hö hö hö. Wir grillten am Strand kleine Teile von toten Schafen, kühlten mit Rotwein und hatten gute Gespräche über grundsätzliche Dinge, sobald genügend Kühlflüssigkeit im Sprachzentrum angekommen war. In den Nagelfluhfelsen am Wasser war ein metergroßes Loch, zum Meer hin unten offen, und darin erwärmte die Sonne das Wasser... na sagen wir bacherlwarm, und da saßen wir. Die ansässigen Verlobten kamen so angeeiert, fanden die Fummelbadewanne besetzt, inspizierten uns: "tienes fuego?" (hassema Feuer?) und gingen dann woanders hin. Wenigstens waren wir gerecht, heute durfte gar niemand in der pißwarme Suppe über die Stränge schlagen. Faszinierend, den Wellen zuzusehen. Und wenn man die abends gebackenen Rühreier vornehm "huevos mezclados a la Cometa" nannte, schmeckten sie gleich noch mal so gut. Richtung Nordosten war ein hoher Felsbrocken mit einem Turm obendrauf, ich hetzte den Peter auf, mit mir dort hinauf zu steigen, um ein schönes Foto von der Bucht zu machen. Es war viel weiter als wir dachten, die Aussicht war edel, aber mittags fotografieren ist idiotisch. Uploaded with ImageShack.us Na, am Strand rumlungern, Wasser anstarren und UV-Strahlung absorbieren aber auch. Bevor wir uns wieder das Hirn zu weit runtergekühlt hatten, machten wir noch schnell Zündungs- und Vergaserdienst.
Der Berliner war so ein Typ, der irgendwoher schmerzlos seine Kohle bezog oder von einer üppigen Pension lebte, aber ins Detail ging er nicht, nur daß er keen Beamta jewesen war, und ooch keen Soldat, dotjeschossen hatta in sein janzn Leben noch keen (das sprach für ihn). Egal, er stand hoch "üba den Ding'n", hatte überall seine Ohren drin und versorgte uns außer mit Unmengen köstlicher Trauben auch mit Jugendfahrtenerinnerungen (na das mach ich ja hier auch…). Ich schätz'n ma so uff Jaahgang '06.
28.9.1974 Und weil die Ölstände eher peinlich ausgesehen hatten, schlossen wir am Samstag einen Ölwechsel an. An der E15 war eine große Tankstelle. Ich, der große Kartenleser, fand den längsten Weg über Staub- und Schotterwege zur Castrolquelle (Luftlinie ca. 4 km), nämlich ungefähr 35 km. Dafür waren die Motoren beim Ölablassen schön warm. Nachmittag hochintellektuelles Sonnen und Plätschern, dann sah der Peter einen Riß im Zelt. Zickzacknaht "brutal" war die Maßnahme. Abends wagten wir, im Ort eine Paella zu essen, die war mittelmäßig und lag schwer im Magen, und weil wir zu wenig Bier dazu getrunken hatten, konnten wir nicht mal einen befreienden Rülpser hinkriegen. Also setzte ich mich schweren Ranzens vors Zelt, griff mir die Gitarre und musikalisierte noch etwas vor mich hin. Finger krumm machen halt. Ach, der Klang ließ mir wohlige Schauer über weiß Gott was für Körperstellen laufen, und die einfachsten Ragtimes sind die schönsten. Da stieß mich der Peter an. "Guck mal: da kommen sie." flüsterte er und grinste breit. Ich hob den Blick. Drei Muchachas saßen etwa 5 Meter weit weg im Schneidersitz und lauschten andächtig. Ich hörte auf zu spielen und winkte ihnen zu. Sie rappelten sich hoch und kamen, gar nicht schüchtern, zu uns herüber. Es waren drei Studentinnen aus Valencia, die an den Wochenenden öfter nach Moraira zum Zelten und Baden fuhren, und bald waren wir ins schönste Geschnatter verwickelt. Die Grenzen meiner Sprachkenntnisse waren blitzschnell ausgelotet, aber wenigstens brauchten wir kein Wörterbuch. Sie lachten mich aus wegen meines Castillano-Akzents, selber hatten sie ein herrlich ordinäres Valencian' drauf, und wir tauschten Kulturgüter aus: abwechselnd griff sich eins der Mädchen das Instrument und sie gaben Einheimisches von sich, dann mußte ich mir wieder eins meiner mühsam einstudierten Paradestückchen abquetschen. "Anji" kommt immer gut. Während der Hauptsaison wäre diese Jam Session Ruhestörung gewesen, aber es war ja kaum noch jemand da. Wir lernten Vokabeln: Fledermaus heißt murcielago. Was heißt müde? Cansado. Viel hängen geblieben war ja nicht von den Bemühungen der drei munteren Studiosetten, weder spanisch noch gitarrisch, aber der Abend war unvergleichlich unterhaltsamer gewesen als die paar vorhergegangenen.