Tach. Da beschäftigt mich seit gestern etwas ganz extrem.
Meine Tochter hat gestern eine Klassenarbeit geschrieben. Thema: Eine Ballade in eine Reportage umwandeln. Wir haben sowas vorher mal geübt z.B. mit dem Feuerunfall bei Fontanes "John Maynard".
In der Arbeit wurde den Kindern "Die Ballade vom Nachahmungstrieb" von Erich Kästner vorgelegt. Dieses Kunstwerk war natürlich ein unbekannter Text, musste nun bearbeitet werden und danach wurden die Arbeiten eingesammelt und die Stunde war vorbei. Danach kam Mathe. Fertig.
Es kann gut sein, daß ich vielleicht ein wenig zu empfindlich bin, aber die Kinder kommentarlos den Text bearbeiten zu lassen finde ich echt hart. Hier ist das Dingen:
Es ist schon wahr: nichts wirkt so rasch wie Gift! Der Mensch, und sei er noch so minderjährig, ist, was die Laster dieser Welt betrifft, früh bei der Hand und unerhört gelehrig.
Im Februar, ich weiß nicht am wievielten, geschah's auf irgendeines Jungen Drängen, daß Kinder, die im Hinterhofe spielten, beschlossen, Naumanns Fritzchen aufzuhängen.
Sie kannten aus der Zeitung die Geschichten, in denen Mord vorkommt und Polizei. Und sie beschlossen, Naumann hinzurichten, weil er, so sagten sie, ein Räuber sein.
Sie steckten seinen Kopf in eine Schlinge. Karl war der Pastor, lamentierte viel, und sagte ihm, wenn er zu schrei'n anfinge, verdürbe er den anderen das Spiel.
Fritz Naumann äußerte, ihm sei nicht bange. Die andern waren ernst und führten ihn. Man warf den Strick über die Teppichstange. Und dann begann man, Fritzchen hochzuziehn.
Er sträubte sich. Es war zu spät. Er schwebte. Dann klemmten sie den Strick am Haken ein. Fritz zuckte, weil er noch ein bißchen lebte. Ein kleines Mädchen zwickte ihn ins Bein.
Er zappelte ganz stumm, und etwas später verkehrte sich das Kinderspiel in Mord. Als das die sieben kleinen Übeltäter erkannten, liefen sie erschrocken fort.
Noch wußte niemand von dem armen Kinde. Der Hof lag still. Der Himmel war blutrot. Der kleine Naumann schaukelte im Winde. Er merkte nichts davon. Denn er war tot.
Frau Witwe Zwickler, die vorüberschlurfte, lief auf die Straße und erhob Geschrei, obwohl sie dort gar nicht schreien durfte. Und gegen sechs erschien die Polizei.
Die Mutter fiel in Ohnmacht vor dem Knaben. Und beide wurden rasch ins Haus gebracht. Karl, den man festnahm, sagte kalt: "Wir hab'n es nur wie die Erwachsenen gemacht."
Na Na Na Na Na Na Na Na Na Na Na Na "Wir hab'n es nur wie die Erwachsenen gemacht."
Klar, sehen die Blagen im Fernsehen und Internet oder wie auch immer ganz andere Klamotten. Aber das ist doch ein Text, über den man als Lehrer mit den Schülern sprechen muß und nicht stillschweigend bearbeiten läßt. Spinn ich?
Zitat von knorri2... Klar, sehen die Blagen im Fernsehen und Internet oder wie auch immer ganz andere Klamotten. Aber das ist doch ein Text, über den man als Lehrer mit den Schülern sprechen muß und nicht stillschweigend bearbeiten läßt...
eigentlich ja, andererseits vielleicht absichtlich nein? Weißt Du genau, was vorher gelaufen ist?
Also mal abgesehen von der fragwürdigen Vorgehensweise des Deutschlehrers, und daß dieser Text auch eine besser vorbereitete 7. Klasse meiner Meinung nach überfordert, finde ich Kästners Gedicht sehr stark. Man sollte nicht den Fehler machen, Kästner als liebenswürdigen Spaßmacher à la Loriot zu sehen.
Sieh den Text mal im Zusammenhang mit der Zeit, in der er geschrieben wurde. Und 13/14-jährige können heute sicher auch schon mit so etwas umgehen. Der Lehrer wird das ja sicher nicht aus der Luft gegriffen, sondern in den Lehrstoff eingebunden haben. Und wenn Kinder in dem Alter mal über die Folgen von Aggression in der Gruppe nachdenken, ist das auch nicht schlecht.
geprüft wurde eine methode nämlich den inhalt eines gedichtes in eine reportage umzuwandeln. dabei ist man gezwungen sachverhalte zu reflektieren und zu interpretieren. die zeitvorgabe für diese aufgabe war die unterrichtsstunde ich bin mir sicher, dass danch die kinder untereinander dikutieren. ich gehe auch wie axel davon aus, dass die nächste deutschstunde oder die rückgabe zu weiteren diskussionen mit dem lehrer führt. rein inhaltlich finde ich die thematik altersentsprechend. mit 12-14 jahren beschäftigt man sich mit ähnlichen themen gezwungener maßen. kriegsberichterstattung, ballerspiele, amokläufe an schulen die medien sind doch voll davon.
und hier wird man doch mit der nase drauf gestoßen, dass einfaches hinterherlauf und gedankenloses nach-und mitmachen schlecht ist.
oder hast du angst, dass als quitessenz hängen bleibt: alles was erwachsene machen ist scheiße - und ich muss nicht mehr auf mama und papa hören? quasi ein angriff auf deine erziehungskompetenz von lehrerseite?
Sehr gut rübergebracht, Trutz. Ich glaube, das "Problem" liegt (mal wieder) eher bei den Eltern, die immer noch nicht damit klar gekommen sind, dass sie ihren Lehrer nicht mochten
Bin ich im falschen Film? Hast du mal gesehen, was Jungs sich heute auf ihrem Händy angucken? Und sicher auch schon in dem Alter, wenn auch zum Glück nicht alle.
Bin ich im falschen Film? Hast du mal gesehen, was Jungs sich heute auf ihrem Händy angucken? Und sicher auch schon in dem Alter, wenn auch zum Glück nicht alle.
Moin
Ich bin mir nicht sicher, ob es dadurch besser wird. Der Unterschied ist, daß es "offiziell" in der Schule stattfindet und daß die Gedichtform evtl einen anderen, einprägsameren Zugang in den Kopf hat.
Aber du hast sicherlich Recht. Man sollte das nicht dramatisieren.
Ich sags mal so, diese "Szene" auf dem Cover eines Heavy-Metal Albums hätte selbiges wohl auf den Index gebracht (wäre nicht das erste Mal). Das Gedicht als Film hätte wohl auch nicht das Prädikat "ab 12" erhalten. Sicher ist so ein Text für die heutige Jugend vielleicht nichts besonderes mehr und auf den Handys der Kids findet man wohl auch schlimmeres. Aber wenn ich sehe, wie die Kids heutzutage so drauf sind (Stichworte Langeweile mangels Beschäftigungsmöglichkeiten), würde es mich nicht wundern, wenn das mal ein paar Leute aus Spaß nachstellen würden.
In der Fahrschule habe ich auch nicht vom Lehrer beigebracht bekommen, mit 220km/h die Autobahnauffahrt hochzuknallen, nur weil heutzutage die Maschinen leistungsstärker sind.
Aber wer weiß, wie die Begleitumstände sind. Ein anderer Lehrer hat mal seine Klasse eine Hausarbeit zum Thema "Faschistische Struktur in der Feuerwehr" schreiben lassen....
Was bisher noch nicht so richtig zur Geltung kam: Die Ballade sollte in eine Reportage umgewandelt werden! Rauskommen müßte ein Zeitungsartikel, der das Thema inhaltlich neutral, nach außen etwas poppig rüberbringt und das Beigeschmäckle hat: Na, wer tut denn sowas und ist das richtig?? Da muß der Schüler / die Schülerin schon nachdenken und verarbeitet die Moralvorstellungen von selber. Das tät mich nicht aufregen. Dann darfste auch keinen Krimi oder Karl May lesen, da wird rumgeballert was das Zeuch hält! Ich hab grad einen Krimi, da foltert der Verbrecher sein Opfer. Es wird ziemlich detailliert beschrieben, wie er mit einem glühenden Schraubenzieher dem Opfer ein Auge aussticht. Und damit fängt's erst an... Wen's interessiert: Der 50/50 Killer.