Moin Wolfi,
Ich sach jetzt mal: Du bist DER W-Kandidat. Du weißt es nur noch nicht.
Die W hat selbstverständlich weniger Leistung, als eine 4-Zylinder Rakete, hat kein Rennfahrwerk, keine Rennbremsen, aber sie hat genau an den Stellen die Leistung, wo man sie jeden Tag braucht. Die Beschleunigung "vom Fleck weg" ist enorm. Im Vergleich mit einer großen Vierzylinder solltest Du das ruhig mal testen.
Der Motor ist aufregend und strahlt gleichzeitig Ruhe aus, wenn er - richtig eingestellt - im Leerlauf vor sich hinblubbert. Es gibt vieles, wo man denkt, es könne mehr sein, oder es dürfe weniger sein, ohne aber, daß die Stirn sich runzelt. Man sieht es halt und fährt weiter. Aus meiner Sicht kann es gar nicht schaden, eine größere gefahren zu sein. Ich hatte auch die GPZ 900R und habe versucht, mit 115 PS glücklich zu werden. Bis ich dann irgendwann feststellte, daß ich gar nicht mehr fuhr mit dem Ding.
Bei der W ist das anders. Da kostet es mich Überwindung, nach zwei Tagen Nichtfahren an der Maschine vorbei zugehen und nicht mal eben den Kick zu treten und mich an dem weichen, kräftigen Anzug und den gut dosierten Vibrationen zu erfreuen. Man fällt quasi im Vorbeigehen drauf . Sowas hatte ich am Joghurtbecher nicht.
In unserem Alter (bin Baujahr 58) haben wir die legendären Engländer ja nicht mehr richtig erlebt. Unsere Kinderaugen und -ohren wurden von Honda 750four beseelt. Manchem war es noch vergönnt, eine einigermaßen in Schuß gehaltene Originale zu fahren. Bei den meisten haben aber dann doch die willigsten Schrauber irgendwann gepaßt. BMW hat sich in der Zeit mit Zweizylindern im Gespräch gehalten, die vernünftig waren und technisch sicherlich gut, bei denen aber nicht so recht das Feeling rüberkam. Leben mußte BMW nicht vom Verkauf der Motorräder. Die Autos boomten in der Zeit ganz gewaltig und es gab sogar Gedanken, die Zweiradproduktion aufzugeben.
Die Japaner haben durchaus versucht, Parralleltwins zu bauen, sind aber mit halben Herzen nur rangegangen und sind auch nur auf halbe Herzen gestoßen. Wer spricht heute noch von einer YAMAHA TX 750? Die sind seltener, als Bonnys oder Tigers.
Kawa hat es immer wieder versucht und nun mit der W auch geschafft, wie ich meine. Dort steckt die Riesenerfahrung eines Motorradherstellers drin zusammen mit dem echten Willen, ein Charakterfahrzeug zu bauen. Man sollte vielleicht dazu sagen, daß Kawasaki auch nicht von den Motorrädern lebt, sondern sich diese Sparte einfach leistet. Jungingenieure werden gerne mal für ein paar Jahre dort hineingesteckt und können, dürfen, sollen kreativ werden. Der Gesamtetat Zweiräder ist für einen solchen Konzern im überschaubaren Bereich. Der Nutzen ein eher indirekter.
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So, die Liebeserklärung an die W ist beendet. Ich würd Dich unbesehen fahren lassen, wohne aber seeeehr weit weg von München. Schau mal nach einer Gebrauchten. Hin und wieder sind sie ja zu sehen.
Und sonst kauf sie Dir! Die Wahrscheinlichkeit, es zu bereuen, liegt unter 5% (hab ich ausgerechnet) ! Und wenn doch, wirst Du auf der Maschine nicht lange sitzenbleiben, wenn Du sie wieder veräußerst.
Gruß
Wännä