Erste Hilfe bei Motorradunfällen
Essen/Würzburg (dpa/gms) - Motorradfahrer sind im Straßenverkehr besonders gefährdet. Anders als bei Autoinsassen, die bei Unfällen durch mehrere Knautschzonen geschützt werden, wirken sich die Kräfte eines Aufpralls bei ihnen direkt auf den Körper aus. Dadurch erleiden sie oft lebensbedrohliche Verletzungen. Umso wichtiger ist es, dass ihnen in solchen Fällen möglichst schnell geholfen wird.
Doch einem verletzten Motorradfahrer Erste Hilfe zu leisten, ist für viele Verkehrsteilnehmer eine Horrorvorstellung. Das liegt zum einen daran, dass Verletzungen von Motorradfahrern häufig besonders schwer sind, sagt Rainer Hessel, Sprecher der Deutschen Verkehrswacht (DVW) in Meckenheim bei Bonn. Das anzusehen, sei nicht jedermanns Sache.
Oft kommt aber auch Angst dazu, etwas falsch zu machen: Schließlich sei das in einem Erste-Hilfe-Kurs gelernte Wissen über lebensrettende Sofortmaßnahmen nach einiger Zeit nicht mehr präsent, sagt Professor Peter Sefrin, Vize-Vorsitzender der Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaft Notärzte Deutschland (BAND) in Würzburg. Dadurch entstehe bei Notfällen Unsicherheit.
Oft müsse man sich aber nur einen Ruck geben, um die Angst zu überwinden, sagt Elmar Forke, Leiter des Instituts für Zweiradsicherheit (ifz) in Essen. Wer sich erst einmal zum Helfen durchgerungen hat, dem fielen auch die richtigen Handgriffe wieder ein. Entscheidend sei, sich klarzumachen, dass man helfen muss - oder der verletzte Motorradfahrer stirbt vielleicht noch am Unfallort. Ohnehin ist laut Rainer Hessel in Deutschland jeder zur Ersten Hilfe verpflichtet. Wer dem nicht nachkommt, müsse unter Umständen mit einem Strafverfahren wegen unterlassener Hilfeleistung rechnen.
Das Verhalten bei Motorradunfällen unterscheidet sich laut Notarzt Peter Sefrin grundsätzlich nicht von dem bei anderen Unfällen. Der einzige Unterschied sei das Abnehmen des Helms. Dieser müsse bei bewusstlosen Fahrern in jedem Fall abgenommen werden, weil sonst die Gefahr besteht, dass der Bewusstlose an Erbrochenem erstickt. Mit aufgesetztem Helm könnten die Atemwege nicht freigehalten werden.
Zunächst sollte jedoch nach Angaben des ifz die Unfallstelle abgesichert werden. Allzu leicht komme es sonst zu Folgeunfällen, bei denen Ersthelfer unter Umständen selbst betroffen sind. Sind als erste andere Motorradfahrer zur Stelle - die in Deutschland kein Warndreieck mitführen müssen -, können sie zum Absichern eine Warnhaube mit reflektierendem «Achtung»-Symbol verwenden. Diese lässt sich ohne viel Platzbedarf mitnehmen, am Unfallort über den eigenen Helm ziehen und so als «Warndreieck» auf die Fahrbahn stellen.
Als nächstes müssen Verletzte vorsichtig aus der Gefahrenzone gezogen oder getragen werden. Das gilt laut dem ifz besonders dann, wenn sie eingeklemmt unter ihrer Maschine liegen oder wenn an der Unfallstelle durch auslaufendes Benzin Brandgefahr besteht. Danach müssen Atem- und Kreislauffunktion überprüft und ein Notruf mit genauen Angaben zu Unfallort, Anzahl der Verletzten und Art der Verletzungen abgesetzt werden. Gegebenenfalls müssen anschließend Wiederbelebungsmaßnahmen begonnen und Blutungen gestillt werden.
Eine Hemmschwelle, bewusstlosen Motorradfahrern den Helm abzunehmen, besteht laut dem ifz für viele in der Angst, ihnen dabei zusätzliche Verletzungen zuzufügen. Allerdings sei für Unfallopfer das Risiko, zu ersticken, weit größer als die Gefahr, beim Abnehmen des Helms Schäden davonzutragen. Da verunglückte Motorradfahrer immer auch Verletzungen an der Halswirbelsäule haben können, müsse der Helm aber äußerst vorsichtig abgenommen werden - am besten von zwei Helfern, sagt Peter Sefrin. «Es darf auf keinen Fall am Kopf gezerrt werden.»
Wichtig ist dem Notarzt zufolge, dass die Halswirbelsäule des Verletzten nicht seitlich geneigt, gedreht oder nach vorne bewegt wird. Daher fixiert ein Helfer, der hinter dem bewusstlosen Motorradfahrer kniet, den Kopf, indem er Helmunterkante und Kiefer des Verletzten fasst und leicht in Längsrichtung zieht. Der zweite, neben dem Verletzten kniende Helfer öffnet dann den Helmverschluss.
Weil es jedoch nach Angaben des ifz mehr als 30 verschiedene Verschlusssysteme gibt, kann es dabei Probleme geben: «Die meisten Nicht-Motorradfahrer wissen ohnehin nicht, wie der Verschluss geöffnet wird, und in der Hektik wird selbst ein roter Öffnungsknopf übersehen», sagt Institutsleiter Forke. Er empfiehlt Motorradfahrern daher, auf ihrem Helm Aufkleber anzubringen, auf denen Ersthelfer im Notfall die Funktionsweise des Verschlusses nachvollziehen können.
Der zweite Helfer langt anschließend Peter Sefrin zufolge vorsichtig von außen in den Helm, fasst den Kopf des Verletzten an Hinterkopf und Kinn und übernimmt die Streckung. Der hinter dem Verletzten kniende Helfer zieht daraufhin vorsichtig den Helm vom Kopf des Unfallopfers. Um den Bewusstlosen bei vorhandener Atmung in die stabile Seitenlage zu bringen, übernimmt erneut der erste Helfer die Fixierung des Kopfes und führt diesen laut ifz «achsengerecht» mit, während der zweite Helfer den Verletzten vorsichtig dreht.
Diese lebensrettenden Handgriffe sollten nach Empfehlung aller Verkehrsexperten regelmäßig geübt werden. Dazu eignen sich Erste-Hilfe-Auffrischungskurse, die von allen Hilfsorganisationen angeboten werden. Sie vermittelten Ersthelfern nicht zuletzt auch mehr Selbstsicherheit.
© dpa - Meldung vom 10.02.2004 09:45 Uhr
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