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Falcone Offline




Beiträge: 115.662

17.12.2025 20:50
Kettentheorien - Verschleiß und Übersetzungsoptimierung Antworten

Es folgt eine überwiegend theoretische Betrachtung zum Kettenverschleiß in Bezug auf die Wahl der Zahnradgrößen sowie, in Folge dazu, eine Erörterung zur optimalen Übersetzung bei der W650, nun allerdings durchaus mit einem realen Praxisbezug.

Mein Wissenstand war über Jahre, dass ein Kettenantrieb immer aus einem Zahnrad mit einer gerade und einem mit einer ungeraden Zahl von Zähnen bestehen sollte, weil nur dann die Kette nicht immer mit denselben Rollen über dieselben Zähne rollt, was den Verschleiß begünstigen würde.
Uns Forumsmitglied Serpel widerlegt das mit einer Berechnung, die zeigt, dass auch die Zahl der Kettenglieder eine bedeutende Rolle spielt:

"1. Man braucht nicht beide Zahnräder (Ritzel und Kettenblatt) zusammen mit der Kette zu betrachten, sondern es genügt ein Zahnrad zusammen mit der Kette.

2. Die Anzahl Zähne sollte mit der Anzahl Glieder der Kette möglichst teilerfremd sein, damit ein und dasselbe Glied erst nach möglichst vielen Umdrehungen wieder denselben Zahn trifft.

3. Beispiel für eine Kette mit 120 Gliedern:
Bei einem Ritzel mit 15 Zähnen trifft jeder Zahn bereits nach acht Umdrehungen wieder auf das gleiche Glied. Jeder Zahn trifft nur acht verschiedene Glieder.
Bei einem Ritzel mit 16 Zähnen trifft jeder Zahn erst nach 15 Umdrehungen wieder auf das gleiche Glied. Jeder einzelne Zahn trifft bereits 15 verschiedene Glieder.
Bei einem Ritzel mit 17 Zähnen trifft jeder Zahn gar erst nach 120 Umdrehungen wieder auf das gleiche Glied. Jeder einzelne Zahn trifft alle 120 Glieder der Kette!

Erläuterung mit dem kleinsten gemeinsamen Vielfachen (kgV):

1. kgV(15, 120)=1*120=120; 120/15=8

2. kgV(16,120)=2*120=240; 240/16=15

3. kgV(17,120)=17*120=2040; 2040/17=120
Serpel hat dann hier auch ausgerechnet, welche Zahnradkombination für den Kettenverschleiß der W650 am günstigsten wäre.
Zur üblicherweise verwendeten Auswahl stehen folgende Übersetzung
15/39 Kette 104 (Serie)
14/39 Kette 104 (optimiert)
15/42 Kette 106 (entspricht etwa 14/39)

Die Paarungen 15/104 und 15/106 fürs Ritzel sind beide optimal (da beide teilerfremd), die Paarung 14/104 dagegen nicht. Bei letzterer erreicht jeder Zahn nur jeweils die Hälfte aller Glieder.

Sowohl die Paarung 39/104 als auch die Paarung 42/106 fürs Kettenrad sind nicht optimal, bei Ersterer erreicht jeder Zahn jeweils nur 1/13 aller Glieder, bei Letzterer jeweils die Hälfte.

"Jeweils die Hälfte" liest sich als dem Optimum ziemlich nahe, allerdings gilt zu beachten, dass dabei jeder zweite Zahn nur in Innenglieder der Kette greift und die andere Hälfte der Zähne nur in Außenglieder. Da sich bei einer Kette nur die Außenglieder längen, nicht aber die Innenglieder, bedeutet das, dass am Kettenblatt jeder zweite Zahn mehr beansprucht wird als die dazwischen liegenden.

Schwierig zu beurteilen, was besser ist. Nach Möglichkeit sollte auch das Kettenblatt eine (zur Kette) teilerfremde Zähnezahl haben, zum Beispiel 41/106.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Sekundäruntersetzung von 15:41 mit einer Kette von 106 Gliedern optimal wäre. Die anderen nicht."


Hier stellt sich die Frage, warum sich Außenglieder längen, Innenglieder jedoch nicht.
Serpel hierzu: "Die Kette ist aufgebaut durch Laschen, Hülsen und Bolzen - die Rollen lassen wir mal außen vor, die spielen bei diesem Effekt keine "Rolle".

Es gibt zweierlei Glieder - die mit den Innenlaschen und die mit den Außenlaschen. Die Innenlaschen sind durch die Hülsen fest miteinander verpresst, wodurch diese (Hülsen von ein und demselben Innenglied) ihren Abstand zueinander nicht ändern können - diese Glieder sind fix über die gesamte Lebensdauer der Kette.

Die Außenlaschen sind über die Bolzen zwar auch fest miteinander verpresst, jedoch nutzen sich die Bolzen in den Hülsen der angrenzenden Innenglieder im Laufe der Zeit ab - sie werden dünner. Dadurch wird der Abstand der zwei Hülsen der angrenzenden Innenglieder zueinander größer.

So ist das gemeint:"






Hier sollte nun etwas klargestellt werden:

1. Meine Frage an Serpel betrifft den theoretisch minimierbaren Verschleiß einer Kette dadurch, dass man ein ideales Verhältnis zwischen der Zähnezahl der Zahnräder und der Länge der Kette herstellt. Ich betone noch mal: THEORETISCH !! De facto unterliegt der Verschleiß einer Kette derart vielen externen Faktoren, dass dieses theoretische Verhältnis nahezu keine Rolle spielt.

2. Davon völlig unabhängig gibt es für jedes Fahrzeug eine optimale Übersetzung, bei der die maximale Geschwindigkeit mit dem maximalen Drehmoment im höchsten Gang zusammentrifft. Dies ist bei der W650 die Übersetzung 14/39 bzw. 15/42 (beide Übersetzungen haben fast das gleiche Übersetzungsverhältnis). Ab Werk sind heutige Motorräder länger übersetzt. Begründet wird das in erster Linie mit besseren Abgaswerten, aber auch einer verringerten Drehzahl bei hoher Geschwindigkeit. Also quasi ein Overdrive im höchsten Gang, was durch die hohe Leistung heutiger Motorräder kein Problem darstellt. Die Höchstgeschwindigkeit der meisten aktuellen Motorräder wird daher nicht im letzten, sondern im vorletzten Gang erreicht.
Durch ihr höheres Drehmoment liegt die optimale Übersetzung der W800 übrigens bei 15/39.

Ob man nun die etwas längere Serienübersetzung lieber mag oder die technisch gesehen optimale kürzere Übersetzung, ist letztendlich Geschmacksache. Wer gerne etwas flotter in den Bergen unterwegs ist, wird die kürzere bevorzugen, wer eher cruisend oder auf Reisen ist, wird Sympathien für die originale hegen.

Zu individuellen Berechnen einer Übersetzung empfehle ich entweder https://www.gearingcommander.com/ oder (etwas einfacher zu handhaben und zum Runterladen) das Programm Geardata.

Von Gerd (Mupitz) kommt noch ein Beitrag zur Übersetzung 15/42:
"Die Aussage, dass die 15/42 gefühlte Mehrleistung bringt, kann ich auch theoretisch belegen.
Hier kommt ein Vergleich der W-Beschleunigung [m/s²] in den einzelnen Gängen in Abhängigkeit von der Fahrgeschwindigkeit [km/h]. An der bescheidenen Höchstge-schwindigkeit (von ca. 165 km/h bei 0 Beschleunigungsreserve) kann man erkennen, dass dies für einen gut gebauten Fahrer in normaler Sitzhaltung berechnet wurde:
Da kann man gut erkennen, dass das Beschleunigungsvermögen in einigen Bereichen um gut 10 % zunimmt, was natürlich für die Fahrt in bergigen Regionen durchaus sehr deutlich auffällt!"




Oberes Diagramm Übersetzung 15/39, unten Übersetzung 15/42


Die Daten der W, die in eine Tabelle zur Übersetzungsberechnung wie z.B. geardata eingetragen werden müssen:

Felgendurchmesser: 18
Reifenbreite: 130
Querschnitt: 80
Schlupf: 2
Ritzel 15 (Originalübersetzung) ggf zu ändern
Kettenrad 39 (Originalübersetzung) ggf. zu ändern
Primärübersetzung: 2,095
1. Gang 2,294 (39/17)
2. Gang 1,590 (35/22)
3. Gang 1.240 (31,25)
4. Gang 1,000 (28/28)
5. Gang 0,851 (23/27)
Gesamtübersetzung 4,640 im 5. Gang
Nenndrehzahl 7000/min

Hier nun ein Geardate-Diagram, welches die Originalübersetzung 15 zu 39 zeigt.



Zu erkenn ist, dass die Endgeschwindigkeit bei der Nenndrehzahl bei irrealen 201 km/h liegen würde. Der 5. Gang ist also quasi ein Overdrive.



Hier ist jetzt zu erkennen, dass mit einer Übersetzung von 14 zu 39 bei Nenndrehzahl genau 175 km/h erreicht werden – was einen realistischen Wert darstellt.
Dreht man bis zum roten Bereich (z.B. mit etwas Rückenwind) sind auch noch 10 km/h mehr drin. Das deckt sich auch mit praktischen Erfahrungen einer gut gehenden W650 der ersten Serie. W650 mit Kat erreichen diese Werte nicht ganz.
Identisch sind die Werte bei der Übersetzung 15 zu 42.



Durch den größeren Umfang des Ritzels wird die Kette mehr geschont, da die Kettenglieder nicht so stark abgeknickt werden.
Berücksichtigt man nun noch die Verschleißberechnungen, wie zu Beginn dieser Erörterung erarbeitet, wäre eine Übersetzung von 15 zu 41 die schonendste Variante für die Kette bei einem nahezu optimalen Übersetzungsverhältnis.
Der Nachteil, der nicht von der Hand zu weisen ist: Sollte es mal zu einer zugegebenermaßen unwahrscheinlichen Kontrolle der Übersetzung kommen, zum Beispiel anlässlich einer HU, wird sicherlich nur ein Blick auf die im Kettenblatt eingeschlagenen Ziffern geschaut. 42 statt 39 fällt da eventuell auf. Hinzu kommt, dass die Kettenräder mit 42 Zähnen derzeit nur in Aluminium auf dem Markt sind. Auch das könnte auffallen.
Sowohl bei 41 als auch bei 42 Zähnen benötigt man eine Kette mit 106 Gliedern statt der originalen 104.

Deswegen fahren die meisten, die die W gerne etwas flotter bewegen, die Übersetzung 14/39 (W650) bzw. 15/39 (W800).
Wie schon oben geschrieben, haben aber die Faktoren Schmutz und Pflege weitaus größeren Einfluss auf die Kettenlebensdauer, wie die optimale Zähnezahl der Kettenräder.

Grüße
Falcone

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