Es war einmal im finsteren Brandenburg, so könnte man sagen...
Der Tank der NSU war reichlich rostflockig, Ärger im Betrieb vorprogrammiert. Also entrosten und beschichten, alles schon mal bei einem NSU Prinzen gemacht. Materialien waren noch übrig, also nichts leichter als das:
Als erstes die ollen , scharfkantigen Schrauben in den Tank und als verhinderter Barmixer durch die Werkstatt steppen. Tattrig bin ich ja auch so, aber was das anstrengt !!! Träume von einem heimeligen Sauerstoffzelt nach 5 Minuten, hechelnd.
Hoffnungsvoller Blick in den Tank, hämisch grinst der Rost zurück.
Gut, eine andere Lösung muß her. Dunkel erinnere ich mich an die letzte Aktion, bei der eine schlappe Säure zur Rostbehandlung mitgeliefert wurde, über die sich der Rost damals scheckig gelacht hat. Schon damals hatte ich es ihm dann mittels alter Salzsäurebestände gehörig besorgt und fahre seitdem sorgenfrei den Prinzen.
Der flockig optimistische Gang ins Lager stöbert unter einer dicken Staubschicht im trüben Halbdunkel den Kanister auf, bewacht von mürrischen Spinnen, die sich empfindlich in ihrer Ruhe gestört fühlen.
Doch es gibt ein Problem: Der Motorradtank hat zwei Benzinhähne. Gut, einer davon war eh dicht , zugedreckt , der Stellhebel abgebrochen, aber der andere? Es findet sich ein altes Teil im Lager, eingebaut, fertig . Lustig zerbrodelt die Säure Rostplacken, ätzende Dämpfe steigen aus der Tanköffnung. Und leider auch aus dem Opferhahn aus dem Tank.
Mist !
Schnell den Tank geleert (was für eine Sauerei, zum Glück war ich heute mal nicht zu faul gewesen, den ollen Blaumann überzustülpen). Die Säure ist wieder im Kanister, ohne den Tank außen berührt zu haben, ich bin stolz.
Tröpfelnden Benzinhahn raus, wie hatte ich das nochmal beim Prinz gemacht? Ach ja, den Hahn abgesperrt, indem ich ihn mit einer Scheibe in der Überwurfmutter stillgelegt habe. Nichts leichter als das, Geldsack auf, Cent gesucht. Zu groß.
Nun sehe ich plötzlich meinen greisen Chemielehrer vor trübem Auge wie den Geist aus der Flasche steigen und mir höhnisch erklären, daß aus mir eh nie was werden würde . Deja vu. Woher hatte der das nur damals schon gewußt?
Zum Glück aber hatte er mir auch beigebracht, daß Säure gegen Gummi wenig ausrichtet.
Reifenschlauch, 14er Locheisen, die Gummischeibe paßt wunderbar in die Überwurfmutter, nichts tröpfelt mehr. Nun schnell noch acht Liter garstig ätzende Säure. Der Tag geht, Johnny Wackler muß nach Hause. Natürlich nicht, ohne nicht noch ein Stündlein zur Sicherheit den Hahn im Auge behalten zu haben.
Der nächste Morgen:
Es riecht stechend in der Werkstatt, "Junge, so ein Tankverschluß läßt ganz schön Gas durch", denke ich noch, als ich um die Ecke komme und das Elend sehe: Eine Riesen - Säurelache verätzt die Bodenfarbe, der Benzinhahn liegt köchelnd in der Säurepfütze, das Staiv der Ständerbohrmaschine macht schaumige Gasblasen.
"Verblödeter Chemielehrer" denke ich und wische und verdünne mal ein Stündlein mit viel Wasser. Übrigens wird Haut seifig rutschig, wenn sie Säurelappen wringt. Die Schicht geht aber später mit Wasser ab, genau wie die Fingerabdrücke. Wo ist eigentlich der nächste Juwelierladen? ...
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Etwa 4 Liter Säure sind weg, genau eine Tanktasche voll. Ich begreife langsam, aber stetig. Es ist nicht der Hahn des "Lehrers", sondern der alte zugekeimte Hahn. Na klar, der hatte ja unter dem Gammel nur eine Korkdichtung !!! Abbitte an den Schrecken des Chemiesaales.
Heute nun eine weitere 14 mm Gummischeibe geschlagen. Beim Einbau sehe ich den Benzinhahn, bzw, was von ihm übrig ist. Säure gegen weichen Guß, Donnerwetter!
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Anderer Hahn, Gummischeibe, jetzt brodelt es wieder lustig im Tank. Gleich ist Kontrolle, man weiß ja nie ...
Denn: Wenn er nicht gestorben ist, brodelt er noch immer.
C4
Nachsatz: Wie nachhaltig übrigens Gummi vor Säure schützt, sieht man hier: Hier stand ein Fahrzeugrad auf unversehrter Bodenfarbe.
Ja, der Boden ist rissig, eine Bausünde der fortschrittsgläubigen Frühwendezeit. Im Schrauberbereich habe ich die Risse mit Silikon gefüllt, damit sich die Kleinteile beim Davonspringen nicht immer verstecken können.
Frage ist, was die Säure in den Rissen anrichtet. Das Bodenmaterial ist stark kalkhaltig. Wenn es irgendwann bröselt, wird es eben gespachtelt.
Und Gummihandschuhe: Habe ich irgendwo mal gesehen, aber wenn es schnell gehen muß. Lederhandschuhr liegen überall bereit, aber Latex ???.
Nee, nee, der Boden wird regelmäßig mit Bremsenreiniger entfettet. Hier hat es die oberste Farbschicht erwischt. Was für ein Glück, daß die darunter resistent ist.
Erstens graust Dir vor nix und zweitens gehst Du ja wirklich ran wie Blücher!!
Bewährt hat sich bei mir, solche "Säurebomben" auf einem Bratrost, das ganze über einer schwarzen Mörtelpfanne, zu deponieren... ...für alle Fälle..., man weiss ja nie...
Frohes "Ätzen" und vergiss nicht, gelegentlich an Deine arme Lunge zu denken...
Da brodeln schon wieder Erinnerungen hoch - Ich mußte ja öfter mal Ersatzteile vom Schrottplatz wieder herrichten, und einmal hatte ich auch einen Klappkotflügel mit innen aufgepunktetem Kabelkanal, für die Versorgung der Schlußbeleuchtung. Das alte, in der Isolation zerbröselte Kabel wollte ich ersetzen, aber der Kabelkanal war innen völlig mit Rost gefüllt, rausziehen ging nicht.
Ich hatte ja in Chemie einen Einser gehabt und wußte noch, daß Salpetersäure Gummi wegfrißt, Eisen aber nicht. Ach, in jenen goldenen Tagen konnte man einfach in die Drogerie gehen und eine Flasche Salpetersäure übern Ladentisch kaufen…
Die Aktion fand (während der Abwesenheit meiner Eltern) im heimischen Badezimmer am Waschbecken statt, denn Porzellan war ja auch immun gegen die Säure. Ratz fatz ätz brodel, oh Wunder, nach etwa einer halben Stunde hatte sich der festgebackene Gummi- und Rostkuchen im Kabelkanal so weit aufgelöst, daß sich die Kabelreste tatsächlich rausziehen ließen. Sieg!
Ääh… Der Chrom vom Abflußring war auch weg, und fleckiges Messing bleckte mir höhnisch aus den Tiefen des Waschbeckens entgegen. Uh oh, wenn Mutti das sieht. Mit Sidol und etwas Ellbogenschmalz erzeugte ich einen trügerischen Glanz, als ich die Spuren meines frevelhaften Tuns beseitigte, und tatsächlich merkte Mutti erst nach ein paar Wochen, daß der schöne blanke Abflußring aus ihr unerfindlichen Gründen immer blinder vor sich hingammelte und sich auch nicht mit aller hausfraulichen Putzkunst wieder zum einstigen Glanz herscheuern ließ.
Ich hab's ihr nie erzählt.
Der Kotflügel ist aber sehr schön geworden.
Dieter (lang ists her)
Alkoholfreies Bier... schmeckt richtig, ist aber falsch.