Nachtrag zum Thema:
Mit zunehmendem Alter der W650 häufen sich die Startschwierigkeiten im Frühjahr.
Nach wie vor ist es sehr sinnvoll, die beiden Vergaser vor der Winterpause leer laufen zu lassen, damit sich keine Schlamm-Ablagerungen in den Schwimmerkammern bilden.
Dennoch ist das leider keine Garantie dafür, dass die W im Frühjahr wieder problemlos anspringt.
Der normale Startvorgang nach der Winterpause sieht wie folgt aus: Benzinhahn auf PRI stellen, damit die Schwimmerkammern sich wieder füllen können. Choke ziehen und dann ohne Gas starten. In der Regel kommt die W dann nach wenigen Umdrehungen.
Folgende beiden Misserfolge treten nun gelegentlich auf:
1. Die W kommt nur zögerlich und nur nach einigen Gasstößen, und läuft nur auf einem Topf. Im Leerlauf geht sie aus.
Hier kann man davon ausgehen, dass ein Schwimmerventil in der geschlossenen Position hängen geblieben ist. Um zu sehen, welcher der beiden Vergaser betroffen ist, kann man die beiden Ablassschrauben öffnen: Da, wo kein Benzin rausläuft, hängt das Ventil.
Springt sie überhaupt nicht an, gibt es gar keine Zündung und kommt kein Sprit aus den Ablassschrauben, hängen beide Schwimmerventile.
2. Die W macht schon vor dem Startvorgang ein Pfützchen unter sich, springt zwar an, säuft aber ab oder läuft nur spuckend uns sprozelnd, Benzin läuft aus dem Luftfilterkasten. Hier kann man nun davon ausgehen, dass ein Schwimmerventil nicht mehr schließt und dauerhaft Sprit durchlässt. Man sollte nun tunlichst keine weiteren Startversuche mehr durchführen, weil auch unverbrannter Sprit in den Zylinder laufen kann.
Über die Ablassschrauben kann man hierbei leider nicht feststellen, welcher Vergaser betroffen ist, mit einiger Übung kann man es aber hören oder auch am Auspuff riechen.
Viele versuchen jetzt, die Schwimmerkammern abzunehmen, wie oben beschrieben. Ich rate inzwischen davon ab. Nachdem ich einige dieser Fälle "behandelt" habe, habe ich sehr schnell gemerkt, dass es viel einfacher ist und schneller geht, die Vergaser komplett auszubauen, als sie in eingebautem Zustand zu öffnen.
Dazu müssen zwar die Luftfilterkästen raus, aber das ist halb so wild.
Zuerst die beiden schwarzen Kreuzschlitzschrauben des rechten Kasten raus drehen, die die beiden Luftfilterkasten-Hälften zusammenhalten (siehe Fotos unten, da, wo der Inbus drinsteckt, sitzen die beiden Schrauben). Dann den Luftfilterkasten oben am Rahmen abschrauben (SW 8-Schraube, gleich hinter dem Tank), das Kabel vom Temperatur-Sensor trennen und die Federspirale vom Ansaugstutzen nach hinten schieben. Und schon kann man ihn zur Seite herausziehen.
Links ist die Elektrik im Wege, aber wenn man den beiden Schrauben des Relaisträger löst, sämtliche Stecker trennt und auch die beiden dicken Kabel vom Anlasserrelais abnimmt (erst den rechten Batteriepol abklemmen!), kann man den ganzen Träger nach oben drücken, dort mit einer Schnur o.ä. fixieren und die linke Luftfilterkastenhälfte herausziehen. Die Schraube oben und die Spiralfeder am Gummistutzen nicht vergessen.
Nun hat man allen Platz, um die Vergaser auszubauen. Im Grunde braucht man sie nicht mal von den Gaszügen zu trennen, man kann sie auch so öffnen. So wird auch absolut nichts verstellt.
In aller Regel wird sich jetzt zeigen, dass lediglich der Ventileinsatz an seinen Gleitstegen verschmutzt oder aufgeblüht ist und deswegen nicht mehr leicht in seiner Messingführung gleiten kann. Das Reinigen ist oben beschrieben. Die Gummidichtung ist so gut wie immer noch in Ordnung.

Ventil mit einer festen, grünlichen Korrosionsschicht, die es am leichten Gleiten hindert
Ich rate daher davon ab, die Vergaser zu einer Ultraschallreinigung zu geben, wenn lediglich das Ventil hing. Entweder werden die Vergaser dabei nicht vollständig zerlegt und dann kann man sich das Geld sparen, oder sie werden komplett zerlegt und dann hat man oftmals mehr Fehler und Probleme als vorher. Die Vergaser der W sind derart langlebig und stabil in ihrer Einstellung, dass man am besten gar nicht daran herumdreht und -schraubt. Ich blase gerne alle erreichbaren Öffnungen sanft mit Druckluft durch und spritze gerne in alle diese Öffnungen etwas Vergserreiniger und lasse den wirken.
Einige haben nun schlechte Erfahrungen mit dem Zusammenbau gemacht. Ist es noch einfach, die Vergaser auf die vorderen Stutzen zu stecken (reinigen und auf Risse prüfen nicht vergessen), so hört man oft lautes Fluchen, wenn es an den Einbau der beiden Luftfilterkastenhälften geht. Ich setze den linken zuerst ein. Dazu hebe ich die Vergaser mit einem Holzkeil leicht an, sodass sie genau waagrecht stehen. Nun den Gummi entweder mit Silikon, Ballistol oder Hirschtalg innen einreiben und schon flutscht er auf den Stutzen des Vergasers. Eventuell muss man mit einem schlanken Schraubendreher etwas nachhelfen, der aber keine scharfen Kanten haben sollte, um den Gummi nicht zu beschädigen. Also einen alten, ausrangierten Schraubendreher nehmen, den man vielleicht noch etwas abrundet. Nun den linken Kasten mit der oberen Schraube leicht fixieren, sodass er noch etwas beweglich bleibt.

Holzkeil zum Ausrichten der Vergaser
Jetzt den rechten Kasten auf die beiden langen Kunststoffrohre, die aus dem linken Kasten ragen, aufstecken. Darauf achten, dass die beiden Rundstäbe auch wirklich in ihre Führungen hinein rutschen. Vorher mal einen Blick darauf werfen, wo sie genau hin müssen, dann weiß man Bescheid uns es ist einfach. Jetzt den rechten Kasten hineinschieben (Gummi vorher behandeln, damit´s flutscht - siehe oben!). Vermutlich wird er sich nicht bis an die linke Hälfte schieben lassen und das Gefluche beginnt. Der Grund ist der, dass die beiden Stangen nicht von selbst in das Loch am Ende ihres Tunnels rutschen. Zu sehen ist das, wenn unten oder oben oder an beiden Stellen ein etwa ein Zentimeter breiter Spalt zwischen den beiden Kastenhälften offen bleibt. Deswegen oben und unten vor dem Hinterrad genau hinschauen, ob die beiden Hälften auch wirklich aneinander anliegen. Wenn nun also die beiden Stangen von selbst nicht wollen (was eigentlich die Regel ist), einfach einen dünnen, schlanken Stab, z.B. einen Inbusschlüssel, von außen durch das Loch der Kreuzschlitzschraube einführen, in die Stange hinein schieben und sie so beim Zusammenschieben führen, dass sie problemlos bis zum Ende hinein gleitet.
Das geht wirklich ganz einfach. Jetzt kann man die beiden Luftfilterkastenhälften mit den beiden SW8-Schrauben oben am Rahmen verschrauben. Die Schrauben sollten recht einfach in ihr Gewinde finden, ohne dass man groß am Kasten drücken muss - dann sitzen bei Hälften richtig. Nun noch den Gummi, falls er nicht schon von selbst seinen Platz gefunden hat, mit dem abgerundeten Schraubenzieher an seinen Platz drücken und die beiden Spiralfedern nach vorne in die Rille schieben.


Führen der beiden Kunststoffstangen im Inneren des Luftfilterkastens durch einen dünnen Inbus.
Noch eine Anmerkung dazu: Flutschen die Gummistutzen nicht relativ einfach auf die Vergaserflansche, so sind sie schon leicht verhärtet und geschrumpft. Es empfiehlt sich, sie dann auch gleich gegen Neuteile auszutauschen. Man ist geneigt, zu glauben, dass es kein großes Problem sein dürfte, wenn so ein Gummi vom Vergaser abrutscht, denn durch den kleinen Luftspalt, der dann unten entsteht, wird ja wohl kaum die Gemischbildung beeinflusst, die ja erst weiter vorne im Vergaser stattfindet. Das ist leider ein Trugschluss. Die W läuft grottenschlecht, wenn das passiert und das Fortsetzen der Fahrt geht nur, wenn man ziemlich schmerzfrei ob des nun notwendigen Quälen des Motors ist. Und unterwegs hat man kaum eine Chance, den Gummi wieder auf den Stutzen zu bekommen. Ein kleines bisschen Vergaserpatschen reicht übrigens aus, den Gummi vom Vergaser zu drücken, wenn dieser schon geschrumpft ist. Ein gut sitzender Gummi ragt komplett über den Vergaserflansch drüber, siehe Foto.

Abgerutschter Gummistutzen

Gut sitzender, frischer Gummistutzen
Nach 10 Jahren sollte man langsam mal daran denken, diese Gummistutzen zu erneuern.
Und noch etwas: Beim Tausch der Stutzen bitte nicht übersehen, dass in dem Stutzen ein Verstärkungsring aus Blech sitzt. Der muss aus dem alten Stutzen rausgenommen und in den neuen Stutzen eingesetzt werden:

